Fortschritt in Hessen

In einer uralten Wirtschafts- und Steuerstrafsache haben wir auch mit dem Hessischen Finanzgericht zu tun. Das teilte uns vor ein paar Tagen mit, daß sich wegen eines Senatswechsels das Aktenzeichen geändert habe.

An dieser Mitteilung, die per Fax bei uns einging, war folgendes Beiblatt angefügt:

Fax ans Hessische Finanzgericht

Wenn ich mich unter – auch deutlich jüngeren – Kollegen umhöre, wird das die Kommunikation so mancher Kanzlei auf den Kopf stellen. Zahlreiche Rechtsanwälte sind immer noch in dem Glauben, den Faxen an das Gericht müssen die „Originale“ folgen. Auf vielen Geschäftsstellen der Zivilgerichte hat es sich noch nicht herumgesprochen, daß – jedenfalls von unserer Kanzlei – ein Fax genügt. Offenbar sind Finanz- und Strafjustiz (mit Ausnahme der StA Potsdam ;-)) in dieser Hinsicht schon ein Stückweit in Richtung Gegenwart unterwegs.

Nein, ich diskutiere jetzt nicht über elektronische Postfächer. Soweit sind selbst die Rechtsanwaltskammern noch nicht …

Dieser Beitrag wurde unter Justiz veröffentlicht.

23 Antworten auf Fortschritt in Hessen

  1. 1
    Roger Wilco says:

    Ich habe mal einen Ausbildungsberuf im Bereich Telekommunikation erlernt…

    Die Kombination „2015“ „Nutzung von Fax“ und „Richtung Gegenwart unterwegs“ hätte ich bis heute niemals in einem Kontext erwartet.
    *schauder* :D

  2. 2
    DM says:

    Manches geht aber schon: BUNDESFINANZHOF Urteil vom 13.5.2015, III R 26/14 – „Einspruchseinlegung durch einfache E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur“

  3. 3
    asca says:

    @1/Roger Wilco:
    Diesbezüglich ist die Rechtspflege so ähnlich wie die Reise nach Meck-Pomm – in beiden Fällen eine Zeitreise in die Vergangenheit ;-)

    Kurios als Techniker empfinde ich die besondere Stellung die ein Fax in der Rechtspflege zu haben scheint – obwohl dies technisch betrachtet ähnlich unzuverlässig und manipulierbar ist wie eMail, Instant-Messaging, …
    Dennoch nutz“ auch ich es ganz gern für derartige Schreiben.

  4. 4
    Vohaul's Revenge says:

    Was fortschrittlich oder wenigstens „Richtung Gegenwart unterwegs“ ist immer relativ und vom Ausgangspunkt abhängig.

    Hier in Bayern verlangen die Zivilgerichte – mit Ausnahme weniger einzelner Amtsrichter beim AG München – immer den Original-Schriftsatz per Post. Ebenso sind Abschriften beizufügen. Werden diese mitgefaxt, kostet jede vom Gericht ausgedruckte Seite extra.

    Seitdem ich ebenfalls Richtung Gegenwart unterwegs bin und ein e-Fax habe, nerven auch die Kollegen nicht mehr, die mir ihre außergerichtliche Post mit angehängter Mandantenabschrift mitfaxen..

  5. 5
    Vohaul's Revenge says:

    Das Fax hat wohl deswegen einen so hohen Stellenwert, weil die Gerichte hier in Bayern gerne überprüfen, ob der Original-Schriftsatz die identische Unterschrift wie die Fax-Version trägt. Wäre dies nicht der Fall, können die Gerichte Präklusionsregeln anwenden und „kurzen Prozess“ machen.

  6. 6
    Pit says:

    Tja, und wieder andere Gerichte weisen einen drauf hin, dass bei einer bloßen Telefaxübermittlung dann für die Anfertigung der Abschriften Gerichtskosten in Rechnung gestellt würden und wiederum andere Gerichte weisen darauf hin, dass sie, wenn man auf die Idee käme, neben dem Original auch die Abschriften zu übersenden, für die Abschriften ebenso Gerichtskosten in Rechnung stellen würden, weil man deren Telefax ja damit als Kopierer missbrauchen würde.

  7. 7
    RA JM says:

    Was soll denn dieses „Fax-Bashing“? Das Fax ist noch lange nicht tot, und ich finde es lobenswert, dass (wenn auch reichlich spät) endlich mal ein Gericht auf solche Ideen kommt (und u.a. auch Porto spart).

    Auch ein lobenswertes Beispiel: LG Lüneburg, schickt den Tenor eines Urteils am Tage der Verkündung (!) unaufgefordert per Fax.

  8. 8
    Roland B. says:

    Ich hatte früher auch mal ein Faxgerät. Da habe ich fast regelmäßig lange Schriftsätze bekommen, die für eine Anwaltskanzlei gedacht waren, deren Telefon/Telefax-Nummer im Vorwahlbereich eine 9 hatte, wo bei mir eine 0 stand. Bei Briefpost oder E-Mail können solche Peinlichkeiten kaum passieren.

  9. 9
    RA Müller says:

    Das wäre in der Tat ganz innovativ vom Hessischen Finanzgericht, stünde nicht auf den richterlichen Standard-Verfügungen im Widerspruch dazu immer noch der Satz, dass sämtliche Schriftsätze mit den notwendigen Mehrausfertigungen zu übersenden seien, anderenfalls die Mehrkosten für Kopien in Rechnung gestellt würden….

    Auf die Frage, was denn nun gelte, habe ich leider keine Antwort vom Hessischen Finanzgericht erhalten.

  10. 10
    DM says:

    ( Der Medienbruch Fax wird aussterben. Die Umstellung weg von ISDN und analogen Anschlüssen hin zu IP im Telekomnetz und die damit bei Kunden auftretenden Probleme werden das sicherlich -hoffentlich- befördern. )

  11. 11
    Mitleser says:

    @RA JM, #7
    Nanu, habe ich Sie neulich missverstanden? Ich sah Sie nach Ihren Aussagen bei „Zivilisten unter sich“ als Fax-Hasser :)

    @Roland B., #8
    Der Briefpost hängt immer noch der Makel der Unzuverlässigkeit an.
    Und beim eMail ist der Unterschied zwischen z.B. kanzlei@kanzlei-hoenig.de und kanzlei@kanzlei-hienig.de jetzt auch nicht exorbitant.
    Zudem ist das Abhören von Faxen *deutlich* aufwändiger, als das Abfangen von eMails.

    @DM, #10
    Nö (nicht so schnell), ’schlimmstenfalls‘ werden die Protokolle verbessert.
    Ich faxe als Telekom-Kunde regelmässig (billiger, schneller und zuverlässiger, als ein Brief!) über Telekom-VoIP und ja, es gibt deutlich mehr Abbrüche als früher in der Analogwelt. Aber mehr als 4 Versuche habe ich noch nie gebraucht*, auch für 20-Seiten-Faxe.

    * Leid tun mir nur die Analogfax-Besitzer mit ihren verschwendeten Papierrollen!

  12. 12
    BV says:

    @ RA JM, # 7:

    Das Verhalten vom LG Lüneburg ist zwar löblich, aber von der Intention her wohl eher Selbstschutz als Service, damit da nicht ständig die Anwälte anrufen und fragen, was entschieden wurde.

  13. 13
    Berliner says:

    Fax ist für den Sender vielleicht angenehm, sobald jedoch eine Serifenschriftart genutzt wird oder der Schriftsatz minimal schief vom Fax eingezogen wird, führen die lächerlichen 200dpi aber beim Empfänger zu Leseschwierigkeiten. Das Druckbild eines 24-Nadeldruckers von 1990 ist da angenehmer zu lesen.

  14. 14

    3: generell sind elektronische Übertragungswege heutzutage nicht sehr vertrauenswürdig.

    Noch besser: das elektronische Gerichts – und Verwaltungspostfach, beziehungsweise die dazugehörige Software, basiert auf Java. Java wiederum gilt als notorisch unsicher, und dürfte in Bezug auf die Nachbesserungsversuche, um das Produkt etwas sicherer zu machen, rekordverdächtig sein.

    Als Browser – Plugin wurde Java jedenfalls nach und nach eingestampft. Jetzt ist endgültig Schluss.

    Papierne Schriftsätze und Urteile haben immerhin den Vorzug einer gewissen Fälschungssicherheit. Wer auf dem physikalisch langen Weg der Übertragung einer Mail oder eines Faxes was gemacht hat, das lässt sich kaum rekonstruieren. Wie schön, dass in diesem Kontext die Telekom plant, ihr gesamtes Netz auf IP – Telefonie umzustellen.

  15. 15
    Anonymous says:

    @Arne Rathjen: Das ist so ein Aberglaube, der unter Juristen leider weit verbreitet ist. Elektronische Übertragungswege sind bei richtiger Umsetzung sehr vertrauenswürdig.
    Mittels kryptografischer Verfahren kann der Inhalt signiert und verschlüsselt werden. Das alles kann ein Fax oder ein Stück Papier nicht bieten, trotzdem werden sie als Nonplusultra gefeiert.

    Die Einführung des EGVP lässt mich immer noch den Kopf schütteln. Hier hätte sich mit deutlicher weniger Aufwand deutlich mehr erreichen lassen. Die Implementierung des Clients in Java – so fern er nicht im Browser läuft – ist prinzipeill nicht allzu dramatisch, aber natürlich nicht optimal.

    Die Fälschungssicherheit dürfte für elektronische Daten deutlich höher sein als für Daten auf physikalischen Trägern.

  16. 16
    WestbayernKommentator says:

    @Arne Rathjen:
    Dieses „Java wiederum gilt als notorisch unsicher“ gilt ausschliesslich für Java im Browser, das zurecht und endlich vollständig eingestampft wird.
    Als eigenständige Programme sind Java-Programme genauso sicher wie C/C++/C#, Delphi oder VB.

    Sie haben damit recht, dass die „Wege“ grundsätzlich nicht vertrauenswürdig sind. Ungefähr so vertrauenswürdig, wie ein Postbote…
    Die Wege sind aber ihr kleinstes Problem, wenn Sie sicherstellen wollen, dass die Nachricht so ankommt, wie sie geschickt wurde:
    Es ist illusorisch zu erwarten, dass eine (ordentlich) elektronisch signierte Nachricht gefälscht werden könnte (zumindest ohne den passenden Schlüssel).
    Ebenso illusorisch ist es, eine verschlüsselte Nachricht (wiederum ohne Kenntnis des Schlüssels) wieder entschlüsseln zu können.

    Vorteile der elektronischen Übermittlung:
    – Sie erhalten SOFORT den Eingang bestätigt (nachweislich, auch dem richtigen Fall zugeordnet).
    – Der Schriftsatz wird nicht nochmals gescannt (elektronisch vorliegen wird er früher oder später eh‘).
    In der Akte finden sich dann wirklich nur noch nachweislichbare „Originale“…

    Irgendwelche Vorteile aus „Fehlern“ kann man dann natürlich nicht mehr schöpfen (Fristen, Unleserliches, o.ä.), aber das will ja eh‘ keiner, oder?

  17. 17
    Amelie says:

    Echt interessant mal so die ganzen Meinungen hier zu lesen :)!
    Also ich glaube privat nutzt kaum einer noch Faxgeräte. Beruflich haben die allerdings schon auch sehr viele Vorteile (wie bereits erwähnt). Gerade die elektronischen Faxe finde ich zeitgemäß und nicht unbedingt eine Reise in die Vergangenheit. Aber da gehen, wie bei so vielen anderen Themen auch, die Meinungen sowieso immer auseinander ;)

  18. 18
    Bembel says:

    Hessen ist wohl nicht gleich Hessen. Das OLG FFM (Familiensache) teilte in seinem Briefkopf nämlich mit, dass es lieber Briefe mag. Und wenn, dann Fax nur vorab. Aber bitte auch nur zur Fristwahrung.

  19. 19

    15,16: der Bundesgerichtshof hat noch vor knapp zwei Jahren entschieden, dass ein Übertragungsprotokoll als Beweis für die Übertragung eines ganz bestimmten Faxes nicht ausreicht:

    http://www.internet-law.de/2014/03/zugangsnachweis-durch-sendebericht-eines-faxes.html

    Spätestens seit Snowdens Enthüllungen, von denen der größte Teil gar nicht veröffentlicht wurde, ist bekannt, dass gerade verschlüsselte Übertragungen Ziel von Nachrichtenbeschaffungsinstitutionen sind, das aktuelle technische Problem scheint darin zu bestehen, eine Rundum-Massen- Überwachung von verschlüsselten Übertragungen bisher nicht durchführen zu können. Die VR China ist mittlerweile technisch besser ausgerüstet als die USA. Die Tatsache, dass etwa die EU beziehungsweise die Mitgliedsländer etwa 20-30 Jahre zurückliegen, spricht nicht für die Sicherheit Ihres Kommunikationssystems.

    Die elektronische Aktenführung und die elektronische digitale Datenübertragung sind sicher 1000 bis millionenfach effizienter als die gute alte
    Papier – Aktenführung, aber man wird eben auch deutlich leichter angreifbar. Das wird meist vergessen. Das böse Erwachen kommt garantiert. Der globale Cyberkrieg ist doch schon längst ausgebrochen.

    Das seltsame Phänomen, mit dem wir im Moment zu tun haben könnten, besteht darin, dass sich einige Leute auf dem Weg in eine Zukunft bewegen, die schon längst wieder weggefallen ist.

  20. 20
    Anonymous says:

    @Arne Rathjen: Nun ja, der BGH ist was Technik anbelangt – um es nett auszudrücken – nicht gerade ein Vorreiter. :-)
    Die Snowden-Enthüllungen haben zwar deutlich gezeigt, dass die die Geheimdienste massenhaft überwachen. Sie haben aber auch gezeigt, dass sie sich an sauber eingesetzter Verschlüsselung die Zähne ausbeissen. Beispielhaft seien hier die Programme PGP/GnuPG und OTR genannt.

    http://techcrunch.com/2013/06/17/encrypting-your-email-works-says-nsa-whistleblower-edward-snowden/

  21. 21
    meine5cent says:

    @Vorhaul’s Revenge
    „Das Fax hat wohl deswegen einen so hohen Stellenwert, weil die Gerichte hier in Bayern gerne überprüfen, ob der Original-Schriftsatz die identische Unterschrift wie die Fax-Version trägt.“
    Das entspringtwohl Ihrer Phantasie. Erstens stimmt schon mal Ihre Behauptung nicht, dass die „Gerichte in Bayern“ Postversand verlangen. Sie verlangen wie alle anderen Gerichte in der Regel, dass Abschriften beigefügt werden. Und auch Anlagen. Da gibt es auf Anwaltsseite einen bunten Strauß an Möglichkeiten, der dann rätseln lässt, ob und wann der RA nunmehr was zu übersenden gedenkt: : nur per Fay, vorab per Fax, vorab per Fax ohne Anlagen, die dann per Post nachgereicht werdem, vorab per Fax mit Anlagen, vorab per Fax ohne Abschriften, die nachgereicht werden etx.

    Und mit Präklusion hat das, was Sie beschreiben, schon mal gar nichts zu tun. Wenn ein unterschriebener Schriftsatz per Fax fristgerecht eingeht, ist es völlig egal, ob die Unterschrift auf dem per Post später eingehenden Schriftsatz abweicht. Maßgeblich ist alleine der Faxeingang.
    Abgesehen davon, dass Präklusion nach der Rechtsprechung von BVerfG und BGH zu 296 ZPO nicht ganz sooo einfach ist. (Stichworte: „nur“ früher erster Termin + zumutbare Maßnahmen des Gerichts)

  22. 22
    Mitleser says:

    @Arne Rathjen RA, #19
    Der BGH zeigt damit nur seinen Mangel an Sachkunde.
    Den wirklichen Knackpunkt (Fälschbarkeit des Fax-Protokolls bzw. der Übermittlungsbestätigung) hat man übersehen, dafür *fälschlich* den technischen Wert eines nicht gefälschten „OK-Vermerks“ nicht gewürdigt.
    Die Faxübertragung findet mit Fehlerkorrektur statt, die bei Übermittlungsfehlern zunächst die Übertragungsrate drosselt und bei nicht-korrigierbaren Fehlern die Verbindung kappt (daher ja die häufige(re)n Abbrüche bei Fax over VoIP). Ein Fax mit (ungefälschtem) OK-Vermerk ist vollständig und korrekt in den Machtbereich des Empfängers gelangt.

  23. 23

    22: denklogisch bedeutet der O. K.- Vermerk nur, dass dieser ausgedruckt wurde. Ein Gerät kann alles Mögliche zurückmelden, was nicht stimmt, worauf auch immer das beruhen mag. Erst recht in den goldenen Zeiten des Cyberwar, der Cyber – Gangstertums und der Hacker
    und Cracker.

    Ein Einschreiben mit Rückschein etwa ist auch kein Zugangsnachweis.

    Die gute alte Papierpost ist wenigstens vor automatisierten Massenangriffen einigermaßen sicher, und die gute alte Urkunde, also das unterschriebene Stück Papier, ist ein fast 100-prozentiger Identitätsnachweis.

    Die Existenz eines Übertragungsprotokolls belegt wie gesagt nur, dass dieses von einem bestimmten Gerät produziert wurde. Das Fax selbst könnte bei jemand gelandet sein, der die angewählte Nummer zwar benutzt, aber nicht der Inhaber dieser Nummer ist …

    … das Zusammenschießen von Kommunikationssystemen gehört mittlerweile zum diplomatischen Alltag. Einer der unerfreulichen Fälle ist Stuxnet, bei dem eine völlig legale Siemens Software attackiert wurde, was zu unkalkulierbaren und nicht vorhersehbaren Konsequenzen geführt hat, von denen der größte Teil niemals in der Öffentlichkeit angekommen ist. Dieses Virus, interessant, beschädigte Steuerungssysteme von industriellen Prozessen. Es wurden nicht nur Zentrifugen der iranischen Armee lahmgelegt, sondern auch Satelliten von Drittstaaten und es stürzten Flugzeuge ab. Rund: keiner weiß genau, was wirklich passiert ist.

    Ich glaube es wäre kein Problem, mal ein paar 1000
    Fax – Geräte einfach lahm zulegen, und gefälschte Übertragungsprotokolle produzieren zu lassen.

    1000 Betriebe weniger …