Fußballfan beim BGH: SpVgg Greuther Fürth gegen den 1. FC Nürnberg

Die Pressestelle des Bundesgerichtshofs teilt mit, daß die Verurteilung im Fall des Nürnberger „Feuerlöscher-Werfers“ rechtskräftig sei. So jedenfalls laute der Beschluss vom 28. April 2016 – 4 StR 88/16.

Aus der Pressemitteilung Nr. 082/2016 vom 10.05.2016:

Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat den 24jährigen Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Beeinträchtigung von Nothilfemitteln, gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Störung öffentlicher Betriebe sowie wegen eines weiteren Falls der gemeinschädlichen Sachbeschädigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat verurteilt.

13088_original_R_K_by_Peter Herlitze_pixelio - Ausschnitt.deNach den Feststellungen des Landgerichts schloss sich der alkoholisierte Angeklagte am 11. August 2014 einem sogenannten „Fanmarsch“ von Nürnberg nach Fürth an, um zum Fußballspiel der SpVgg Greuther Fürth gegen den 1. FC Nürnberg zu gelangen. Als die Fußballfans die eingesetzten U-Bahn-Sonderzüge bestiegen hatten, begannen sie zu randalieren. Sie lärmten, überklebten Überwachungskameras und entfernten gewaltsam Scheiben des U-Bahn-Waggons, woran sich der Angeklagte beteiligte. Im Lauf der Fahrt wurde dem Angeklagten ein im Waggon aufbewahrter Feuerlöscher gereicht, den dieser aus dem Waggon-Fenster entleerte. Sodann entschloss sich der Angeklagte, sich des Feuerlöschers zu entledigen. Er sah, dass auf dem Gegengleis ein personengeführter U-Bahn-Zug entgegenkam und warf den entleerten, über 4 kg schweren Feuerlöscher aus einer Entfernung von ungefähr 20 Metern gezielt in Richtung der Frontscheibe dieses Zuges, um die Scheibe zu beschädigen. Dabei nahm er aus Gleichgültigkeit in Kauf, dass der Feuerlöscher die Frontscheibe des entgegenkommenden Zuges durchschlagen und die unmittelbar dahinter sitzende, von dem Angriff völlig überraschte Zugführerin tödliche Verletzungen davontragen würde.

Tatsächlich schlug der Feuerlöscher im Zentrum der Frontscheibe des Zuges ein, die dadurch größtenteils zerstört und nur deshalb nicht durchstoßen wurde, weil es sich um eine um das fast Fünffache über dem internationalen Standard gesicherte Verbundglasscheibe handelte und die Zugführerin durch einen glücklichen Zufall langsamer fuhr, als dies die Richtgeschwindigkeit in dem Streckenabschnitt vorsah. Die Zugführerin wurde durch Glassplitter verletzt. Die U-Bahn- Linie musste infolge der Tat für eine Stunde gesperrt werden.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die gegen dieses Urteil eingelegte Revision des Angeklagten verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Angesichts dessen,

  • daß der Versuch einer Straftat milder bestraft werden KANN (nicht muß) als die vollendete Tat (§ 23 StGB),
  • auch eine Alkoholisierung (§ 21 StGB) nicht zwingend zur Milderung führen muß, und
  • dem Gericht nach § 49 StGB ein Strafrahmen von bis zu 15 Jahren „zur Verfügung“ steht ,

um auf diese Taten zu reagieren, scheint es sich hier um ein recht mildes Ergebnis zu handeln.

Mit etwas erhöhtem Begründungsaufwand wäre da auch mehr als die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und einem Monat drin gewesen.

Daß der 4. Senat des BGH dann die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth – Urteil vom 26. August 2015 – Az. 5 Ks 102 Js 1002/14 – gehalten hat, ist nichts, was den Kundigen verwundert.

Ich krame jetzt mal die Argumente der Gerichte in dem Bremer Holzklotzfall (4 StR 536/09) heraus

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Bild: © Peter Herlitze / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Strafrecht veröffentlicht.

15 Antworten auf Fußballfan beim BGH: SpVgg Greuther Fürth gegen den 1. FC Nürnberg

  1. 1
    Der wahre T1000 says:

    Was bewegt einen Menschen nur sich so zu verhalten? Anstatt fröhlich zu feiern wird randaliert und Aggressionen an Dritten ausgelassen. Hauptsache was kaputt machen und andere verletzen.

    Das ist so unglaublich dumm, nutzlos und überflüssig. Es ist mir völlig unverständlich.

  2. 2
    Gerhard Heger says:

    Offensichtlich bekommt in Deutschland nur Milde, wenn tatsächlich jemand umgebracht wird s. z.B. Johnny K., ein Fall direkt aus Berlin

  3. 3
    Kai says:

    @ Gerhard Heger

    der Gedanke kam mir auch.

  4. 4
    RA says:

    @Gerhard, Kai: Johnny K. war meiner Erinnerung nach ein Fall für die Jugendgerichte, weswegen das Strafmaß nur bedingt vergleichbar ist.

    Ich halte das Strafmaß hier für hart, aber wohl noch vertretbar. Es gab sicher schon einige vollendete Tötungsdelikte, die mit weniger bestraft wurden.

    • Wenn das (vollendete) Tötungsdelikt sich nicht als Mord darstellt, sind im „Normalfall“ (§ 212 StGB) 5 Jahre, im minder schweren Fall (§ 213 StGB) sogar nur 1 Jahr möglich. Sobald aber – wie hier im Versuch – Mordmerkmale gegeben sind, gibt es nur das lebenslang. Und ausdiemaus.

      Das ist der Maßstab, an dem Sie das Strafmaß hier messen sollten. Berücksichtigen Sie bitte aber auch die zusätzlich verwirklichten (vollendeten!) Tatbestände, die sich ebenfalls beim Straßmaß bemerkbar machen müssen. Ich kenne die Details des konkreten Einzelfalls nicht, deswegen diskutiere ich hier eher auf abstraktem Niveau. Und dann liegt das Ergebnis mit 7 – 1 eher im unteren Bereich des (abstrakte) Möglichen.

      Wenn Sie (oder sonst jemand) die Gründe des LG-Urteils hat: Immer her damit, dann schreibe ich gern was dazu. crh

  5. 5
    Waschi says:

    Vor allem hat das Gericht im Fall „Jonny K.“ einen Tötungsvorsatz verneint. Das hat mit Milde erstmal nix zu tun, sondern mit Beweisproblemen: Wenn man den Vorsatz nicht nachweisen konnte, ist er halt nicht da.

    Von einem gewissen Nord-Süd-Gefälle bei den Strafrahmen mal abgesehen (oder besser Süd-Nord-Gefälle).

  6. 6
    RA says:

    Oder eine Geldstrafe im Falle der fahrlässigen…

    Ich stimme Ihnen zu. Wie gesagt, es erscheint in der Gesamtschau (soweit möglich) vertretbar. Ich störe mich vielleicht etwas daran, weil hier wohl (Vermutung!) eher ein verblödeter Fussball-„Fan“ im Zuge einer vollkommen verblödeten Randale-Aktion gehandelt hat und eben nicht der Raubmörder, Serienkriminelle etc. Es klingt für mich eher nach einer absolut abscheulich dummen Aktion als nach tiefster krimineller Energie.

  7. 7
    RA II says:

    oder aber nach einer grundsätzliche Missachtung der Interessen und letzlich des Leibs und Lebens anderer. Das muss nicht besser sein als tiefste kriminelle Energie.

  8. 8
    Ein Nürnberger says:

    Interessante Sichtweise. Nach der Urteilsverkündung war die hiesige Presselandschaft ausgesprochen gespalten, viele Stimmen hielten das Urteil für zu hart (hier mal ein Beispiel einer sichtlich vom Urteil erstaunten Reporterin in Video-Form: http://www.frankenfernsehen.tv/mediathek/tag/feuerloscher/video/exempel-statuiert-ueber-7-jahre-haft-fuer-feuerloescher-werfer/), zumal die die Kammer die Staatsanwaltschaft (die „nur“ 7 Jahre beantragt hat) sogar dezent überboten hat.

    (Ich selbst halte das Urteil übrigens für angemessen und richtig, ganz nebenbei bemerkt.)

  9. 9
    matthiasausk says:

    Wäre interessant zu wissen, ob im Urteil des Landgerichts von „Generalprävention“ zu lesen ist. Schließlich war es eine fußballbezogene Tat.

  10. 10
    CobraCommander says:

    @8
    Das liegt vermutlich genau an dem, was CH in Nr. 4 erklärt hat. Wenn es um Mord geht (Versuch oder nicht), kommen die Samthandschuhe herunter. Ich halte das Urteil im Prinzip für angemessen.

    Mein kleiner moralischer Engel flüstert allerdings die ganze Zeit, dass er dafür, ausgerechnet einen Feuerlöscher als Tatwaffe eingesetzt zu haben, auch gerne noch 1-2 Jahre Nachschlag hätte bekommen dürfen. Verwerflicher, als ein Rettungsgerät als Waffe zu verwenden (Ausnahme ist wie immer Notwehr), geht es ja wohl nicht.

  11. 11
    Bembel says:

    Zwischenfrage eines Laien: Welche Mordmerkmale liegen denn hier vor? lg

    • Googlen Sie mal nach „Heimtücke“. crh
  12. 12
    CobraCommander says:

    Weder CH noch jemand im Faden hat ja das Ausgangsurteil (das wurde hier ja nur bestätigt).

    Vermuten / prüfen würde ich vor allem Heimtücke, das klingt zumindest wenig problematisch. Niedere Beweggründe wären zwar in meinem Koordinatensystem auch relativ unproblematisch (pure Lust an Gewalt/Randale), aber das gilt in der Rechtssprechung als relativ schwieriges Merkmal.
    U.U. noch gemeingefährliche Mittel, wenn man das Ausschalten des Zugführers betrachtet, aber da könnte man auch streiten.
    Den Rest eher nicht.
    Ich würde also auf Heimtücke + x tippen, wobei x auch 0 sein kann.

  13. 13
    Ein Nürnberger says:

    @ 11 + 12:
    Es war Heimtücke. (Ja, ich habe nähere Kenntnis vom Verfahren. Und nein, das Urteil liegt mir nicht schriftlich vor.)

  14. 14
  15. 15
    Kerstin says:

    Das Urteil ist sicherlich richtig. Hätte der Feuerlöscher die Scheibe durchschlagen, hätte dies die Führerin der UBahn wahrscheinlich nicht überlebt.

    In Nürnberg ist das für den Mann aber aus einem anderem Grund noch sehr bitter. Hätte er die gleiche Aktion anstatt auf der U1 auf der U2 oder der U3 gebracht, wäre er da vielleicht deutlich besser herausgekommen. Die U2 und die U3 sind in Nürnberg nämlich U-Bahnen, die automatisch und fahrerlos verkehren. Allerdings halten sich dort am Fenster in Fahrtrichtung gerne mal Personen auf, die einen Blick auf die Strecke werfen. Es gibt dort keine seperate Führerkabine.

    An Herrn Hoenig eine Frage, aus purem Interesse: Wie schätzen Sie das Strafmaß grob ein, wenn
    a) sich dort am Fenster in Fahrtrichtung keine Personen aufgehalten hätten?
    b) sich dort ein Vater mit seinem Kleinkind zur Beobachtung der Strecke aufgehalten hätte?

    • Ihr Fragen deuten an, daß Sie schon die richtigen Vermutungen haben: Im Fall a) wäre die Strafe niedriger, im Fall b) deutlich höher ausgefallen. Denn: Strafmaßbestimmend sind auch „die verschuldeten Auswirkungen der Tat“, § 46 StGB. Eine konkretere Antwort werden Sie nicht erwartet haben, dafür fehlen uns die zahlreichen anderen Faktoren des § 46 StGB. crh