Hatten wir das nicht schonmal?

bundesarchiv_bild_146-1977-148-19a_berlin_reichstagsbrandDer Strafverteidiger entspannt sich nicht nur mit Risikosport wie Motorrad-im-Kreis-Fahren, Mountainbike-über-die-Alpen-tragen oder Aus-einem-fliegendem-Flugzeug-springen, sondern auch mit Bücherlesen. Das Genre? Keine Frage: Kriminalromane.

Aber nicht nur die dicken Dinger von Grisham, sondern auch und gern mal was Anspruchsvolles, zum Beispiel mit historischem Hintergrund. Zur Zeit haben es mir die Bücher von Volker Kutscher angetan, die Geschichten über und mit Kriminalkommissar Gereon Rath.

In den spannenden Romanen beschreibt Kutscher quasi nebenher die politische Entwicklung in Berlin ab dem Ende der 20er Jahre (im „Nassen Fisch“: 1929) bis in die 30er Jahre („Märzgefallene“: 1933). Während es 1929 noch erste nur vereinzelte Nazi-Aufmärsche (und die damit verbundenen gewalttätigen Konflikte mit den Linken) waren, integriert Kutscher den Reichstagsbrand und der Austausch der Führungsriege bei der Polizei im Jahr 1933 in seine Geschichte.

Die braune Ideologie der Nazis entwickelte sich deutlich erkennbar „aufwärts“: Aus dem Bodensatz der damaligen Gesellschaft hinauf in die (vermeintliche) Intelligenz. Am Ende standen dann so studierte und promovierte Leute wie Goebbels und Freisler. Die Folgen sind bekannt.

Bei der Lektüre dieser gar nicht trivialen Romane von Kutscher denke ich immer wieder an die aktuelle Entwicklung in Deutschland.

Erst gab es vereinzelte „Montags-Spaziergänge“, aus denen sich die „PEGIDA“ um Lutz Bachmann und andere Straftäter herum etablierte. Gewalttätige „Konflikte“ gab es dann in Freital, Heidenau und (sächsischer) Umgebung. Es folgte der Aufschwung der Rechtspopulisten der AfD mit Petry, von Storch, Gauland und Höcke: Björn Höcke ist Gymanasiallehrer, Beatrix von Storch ist Volljuristin, Frauke Petry ist promovierte Chemikerin und Alexander Gauland hat den Dr. jur.

Gibt es Parallelen zwischen 1933 und 2016?
Ich meine ja: Es sind zuerst die Benachteiligten in den Gesellschaften, die das rechtsradikale Gedankengut verinnerlichen, dann infizieren sich Teile des Bürgertums, und am Ende der Entwicklung erwischt es die so genannte Intelligenz (im Übermaß sind es dann wohl die Juristen).

Kann man daraus Schlüsse für die weitere Entwicklung ziehen?
Was bedeutet das für die Zukunft, wenn sich zum Beispiel ein habilitierter Jurist von tumben Merkel-muss-weg-Skandierern (u.a. auf Facebook) feiern läßt? Wenn er sich über „Krawalle krimineller Asylbewerber“ und „‚Bautzen bleibt bunt‘-Gutmenschen“ echauffiert?

Warum muß ich beim Krimilesen wiederholt an Ralf Höcker denken?

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Bild: Bundesarchiv, Bild 146-1977-148-19A / CC BY-SA 3.0 de

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13 Antworten auf Hatten wir das nicht schonmal?

  1. 1
    4. Reich says:

    Sie sehen das falsch, Herr Hoenig. Die AfD ist ein Gewinn für die Demokratie, nicht ihre Abschaffung. Lesen Sie einmal das Grundsatzprogramm. Da ist vieles, was die CDU in den 90ern noch vertreten hat. Waren das auch Nazis?

  2. 2
    t+h says:

    In der CDU/CSU gibt es auch jetzt noch gefährliche Idioten, nicht nur in den 90ern. Die gibt es in jeder Partei. In der AfD scheint es aber fast niemand zu geben, der es nicht ist. Und was man schreibt, aber dann sagt und macht, den Unterschied kennen Sie sicher auch, Herr/Frau Reich.

  3. 3
    4. Reich says:

    Die AfD steht unter dem Privileg des Artikel 21 Grundgesetz und ist als demokratisch anzusehen, bis sie als aktiv kämpferisch verfassungsfeindlich eingestuft wird vom BVerfG. Nicht mal der Verfassungsschutz beobachtet die Partei. Deshalb sind solche Nazi-Unterstellungen selbst undemokratisch und abzulehnen. Wer die AfD als Nazis bezeichnet ist meiner Meinung nach der GEZ-finanzierten öffentlich-rechtlichen Lückenpresse zum Opfer gefallen.

  4. 4
    ThoBo says:

    Als Honorarprofessor braucht benötigt man keine Habilitation. Aber selbst wenn jemand ein habitilierter Jurist wäre … es gibt auch unter Professoren nunmal Rassisten. Ich würde nicht einmal an deren Intelligenz zweifeln, sondern eher an deren Menschlichkeit. Man kann nur hoffen, dass die breite Mehrheit sich nicht von dem Klima des anstachelden Hasses beeindrucken lässt, habe aber gleichzeitig das Gefühl, dass durch die zahlreichen absichtlich provozierten Tabubrüche von Polikern, juristischen Honorarprofessoren und anderen A… löchern sich mitlerweile jeder Nationalist dazu berufen fühlt, die Situation weiter eskalieren zu lassen. Ich habe leider die Befürchtung, dass dies leider kein gutes Ende nehmen wird.

  5. 5
    t+h says:

    Ich glaube, dass Herr Hoenig sich selbst ein Bild machen kann von der AfD. Das geht sogar recht einfach, die meisten AfD Mitglieder entlarven sich meistens aus eigenem Antrieb.

  6. 6
    Brigitte L. says:

    4.Reich: es ist in unserem Land ihr gutes Recht anderer Meinung zu sein, doch ich finde es ausgesprochen unfair und auch unhöflich zu behaupten, dass „wer die AfD als Nazis bezeichnet….. der „Lückenpresse“ zum Opfer gefallen ist.“ Sie sollten vielleicht auch Nicht-AfD-Anhängern einen gesunden Menschenverstand und eine eigene Meinung zugestehen! Ich würde nicht behaupten, dass alle AfD-Anhänger Nazis sind, doch gerade die Äußerungen Von Frau von Storch, Herrn Höcke etc. zeigen sehr deutliche Ähnlichkeiten mit Reden einiger Nazi-Größen….. Gerade die Fremdenfeindlichkeit der AfD finde ich erbärmlich und auch erschreckend, diese Angst vor der „Islamisierung Deutschlands“ kann ich nicht verstehen, denn für unsere Familie und mich sind „Ausländer“ – egal welcher Nation, Religion oder Hautfarbe – eine Bereicherung für uns und unsere Gesellschaft (ausgenommen die Idioten, Straftäter und religiösen Fanatiker, die es wohl in jedem Land gibt). Die AfD ist gegen Europa und den Euro, sie wollen keinen Atomausstieg und sind gegen die Energiewende. Auch die Ideen zu Familie und die Meinung eines AfD-Politikers, dass Homosexualität auf einem Gendefekt beruhe, gehören in das vorherige Jahrhundert und sind in meinen Augen nicht zeitgemäß. Das sind einige der Gründe, warum ich niemals AfD wählen würde und mich daher voll und ganz der Meinung des Herrn Hoenig anschließen möchte.

  7. 7
    4. Reich says:

    Die AfD fordert einzig und allein die Rückkehr zum geltenden Recht, vgl. Art. 16a Abs. 2 GG sowie § 18 Abs. 2 AsylG, Schengen und Dublin. Was daran rassistisch, homophob etc. sein soll, erschließt sich nicht. Merkels CDU macht rot-grüne Politik und deshalb bildet sich gerade rechts der Mitte eine neue Volkspartei. Ein vollkommen demokratischer Vorgang. Kein Grund zu hyperventilieren und die Nazikeule zu schwingen. Zwischen „Europa“ und der EU sollte man übrigens schon differenzieren, meiner Meinung nach. Das ist ein Europa der Banken und Konzerne und nicht der Bürger. Wie Gysi 1998 im Bundestag sagte, kann man Europa nicht über das Geld einen. Euro, EU und Europa in einen Topf zu schmeißen ist unwürdig. Sehen Sie keine Missstände in D und der EU? Ist Merkels Politik alternativlos?

  8. 8
    Trollibert says:

    Ich darf hier nicht mehr schreiben. Das ist Meinungsfreiheit im 21. Jhd.

    4. Reich

  9. 9
    Alles Wuscht says:

    @Trollibert
    Ihr Nickname „4. Reich“ disqualifiziert sie für jede weitere Diskussion.

  10. 10
    Duncan says:

    Der Ansatz mit der Kriminalgeschichte gefällt mir. Wie wäre es mal mit einer Strafrechtsthematik die ihm heute nur sehr selten über den Weg laufen wird von einem Berliner Kriminalkommissar der auch hinter Gittern saß, in der JVA Brandenburg-Göhrde. Otto Busdorf – Wilddieberei und Förstermorde. Erste heute noch oder wieder fast alltäglich wie der Ladendiebstahl nur noch weniger entdeckt. Übrigens sind viele der Regionen in der er tätig war genau eine gute Radtour von Ihnen entfernt. Es würde sich lohnen sich da mal die genannten Orte mit dem Rad zu besuchen. Nicht so steil wie die Alpen aber nicht minder schön, nur anders halt. Mal ein Ausblick in das Leben von der Kaiserzeit bis Ende der 20er Jahre, da wird vieles uns heute Selbstverständliches und unerklärliches in ein anderes Bild gerückt und Macht das Denken und Handeln der Menschen zu der Zeit plausibler, erklärbarer. Gerade wenn man weiß der der Autor kein unbeschriebenes Blatt ist.

  11. 11
    Sercan says:

    Man kann doch nicht einfach nur weil Menschen Rassisten sind, an ihrer Menschlichkeit zweifeln.

    Damit wuerden sie an der Menschlichkeit vieler Hilfbeduerftiger zweifeln.

    Unsere Gesellschaft hat hunderte von Jahren gebraucht fuer Fortschritte.

    Um erstmal den innereuropaeischen oder lokalen Rassismus einigermassen zu bekaempfen.

    Das ist in vielen Teilen der Welt noch nicht passiert und birgt auch viele Probleme hier fuer die Fluechtlinge, von den Fluechtlingen.

    https://www.youtube.com/watch?v=LwpO71GrLiM

    hier nur mal ein Problem dargestellt, ein ziemlich grosses fuer viele Paedagogen und Helfer.

    Es ist auch nciht so als ob die meisten selbsternannten Antirassisten grossartig weniger rassistisch sind, ihr verhalten ist halt anders legitimiert.

    Ich persoenlich empfinde die AFD als genauso gefaehrlich und dumm wie die CDU, mal ganz davon abgesehen das die meisten Politiker dort halt CDU Politiker waren und das dieses Weltild eines ist ueber das sich in meinem Bekanntenkreis schon lange aufgeregt wird.

    Lueckenpresse, lustiges Wort.

    Naja, auf Fefe war z.B. letztens verlinkt dass die CDU sehr viel Geld investiert hat in Meinungsmache um zu verhindern, dass die AFD mit der CDU in Verbindung gebracht wird.

    War auch alles sehr erfolgreich, medial die AFD „unwaehlbar“ zu machen, macht sie halt unkoaliierbar und wer sie waehlt hat sich im zweifel gegenueber seinen Kindern oder Enkelkindern zu verantworten.

    Auf der anderen Seite hat diese Propaganda auch dazu gefuehrt dass jeder mit schlechten Erfahrungen oder Bekanntschaften die solche hatten mit hoeherer Wahrscheinlichkeit die AFD waehlten.

    Besonders gefaehrlich empfinde ich es 14-25% der Gesellschaft als Nazis an die Wand zu stellen und sich nur unter Vorsatz dessen nicht mehr mit den Problemen und Aengsten zu befassen, weil diese eben un menschlich, rassistisch, „Nazistisch“ seien.

    Historisch betrachtet war das noch nie anders, zeitgenoessisch betrachtet ist es auch nicht anders im Grossteil der Welt, insbesonders aber in den Maghrebstaaten oder Mittelmeeranrainern generell (siehe Rassismus in Spanien, Italien, dem suedlichen Balkan, der Tuerkei, Syrien etc)

    die einzigen Maechte die dort etwas gegen den kulturell bedingten Rassismus betaetigten sind heute, nach dem Arabischen Fruehling, stark geschwaecht und haben viel Hoheitsgegebiet verloren, aber je nach Land war so etwas schon vorher zu Gang.

    Rassismus gehoert zum Mensch sein dazu, bedingt durch die Evolution, ob sich das in Jugendgruppen gegen die anderen aus dem naechsten Dorf richtet oder gegen Kurden, Tuerken die mit Juden und Christen Romme spielen oder gegen junge arbeitslose Spanier.

    Auch die meisten Fluechtlingslager sind Horte des Rassismus, nicht gegen euch Kartoffeln speziell, da kriegen maximal eure Kinder was von mit wenn sich deren Freiraeume in der Freizeit mit denen der neuen Jugendlichen ueberschneiden und das ist auch nicht anders als hier in Berlin, eure Kinder verlieren da einfach den Freiraum, wegen mangelnder Durchsetzungsfaehigkeit.

    Was meint ihr wie hilfreich das fuer junge Menschen ist, sich durchzusetzen, wenn die anderen einfach „Scheisse“ sind?

    Ich finde es schade das diese Propaganda des Guten, des Post-faktischen, wirklich den Grossteil der Leute verseucht hat.

    Hier in dieser Kommentarspalte wohl ausnahmsweise noch nicht.

    Ich bin Krypto-Kurde und was Rassismus angeht, da kenn ich mich bestimmt fast so gut aus wie die Deutschen.

    Immerhin waren auch wir an Voelkermorden in der Tuerkei beteiligt und kriegen schon lange unser eigenes Fett weg.

    Der juengst verstorbene Holocaust ueberlebende Eli Wiesel, warum der solche Indifferenz und solchen Rassismus als Tugend sehen kann, das ist imho eine interesannte Frage.

    Was in Israel abgeht, ist ja auch alles von Menschen gemacht.

    Ich glaube, es ist dumm solche inhaerent menschlichen Dinge wie Rassismus (oder im Falle des Feminismus, das Gebaeren) als unmenschlich und entmenschlichend zu bezeichnen.

    Es waren noch nie irgendwelche „Ultraboesewichte“ oder „Supernazis“ die an allem Schuld waren.

    Es waren schon immer die ganz normalen Menschen, die nicht mit ihrem Leben zufrieden waren, die den Grossteil der aktiven Masse und insbesonders demokratischen legitimierung bereit stellt.

    Kamen doch vor kurzem so viele Attache Berichte aus der Zeit um den ersten Weltkrieg wie es in der Tuerkei aussah.

    Wie viele Menschen versklavt wurden und es viele Nutzniesser dieser Voelkermorde gab, wie hart und toedlich Helfer bestraft wurden.

    Viele Familien, normale Menschen, haben in dieser Zeit weiblichen und versklavten Zuwachs in der Familie gehabt.

    Der Grossteil aller Konflikte sind Buergerkriege, ne Menge Rassismus mit dabei.

  12. 12
    matthiasausk says:

    Doch, doch, Herr Hoenig – in der Tat sind diese Bücher eine sehr gute Wahl – ich verschlinge sie jeweils kurz nach dem Erscheinen!

    Und zur AfD:
    Wenn sich ein Vorstandsmitglied immer wieder scheinbar von Rechtsextremisten scheindistanziert und sich dann wieder von ihnen in Ämter (Abgeordneter, Fraktionsführer, danach Abspaltung und angeblich -der Status ist noch ungeklärt- von denselben, die er vorher aus der Fraktion rausgeschmissen hat, wieder zum Schattenfraktionsführer) wählen läßt, dann zeigt mir das, daß diese Partei im Endeffekt über Leichen zu gehen bereit ist. Diese Partei ist undemokratisch, auch wenn der VS sie noch nicht beobachtet (Na, vielleicht tut er es ja doch schon, heimlich und von oben).

    Der Name dieses Herrn ist Meuthen und ich halte ihn für den Gefährlichsten aus der Reihe Petry (die wird sich wohl bald wegen Meuthen nach einem neuen Job umsehen müssen), Höcke, Gauland und Storch (relativ unbedeutend). Der Mann ist übrigens Professor und damit ein „Lehrer der Jugend“ ….

  13. 13
    eumel says:

    In der Weimarer Republik waren die Akademiker mehrheitlich schon seit 1918 rechts. Das ist doch klar denn rechte Gewalttäter wurden milde bestraft (Hitler) und linke Täter wurden hart bestraft. Die Studenten waren in Verbindungen organisiert und so gut wie vollständig rechtsradikal und republikfeindlich. (Sogar Reichskanzler Brünning hätte lieber den Kaiser wiedergehabt.) Deren Kinder haben 1968 gegen ihre Eltern rebelliert . Studentische Vertretungen sind im Gegensatz zu damals meist links.
    Das Volk denkt sich nichts politisch aus. Es wählt aus dem Angebot.