Huch – zu spät belehrt?

raserPolizisten sind auch nur Menschen, die sich manchmal vergaloppieren.

Das Auto auf dem Blitzerfoto soll zu schnell gewesen sein. Die Bußgeldbehörde konnte ermitteln, daß Halter des Fahrzeugs nicht der Fahrer war. Denn messerscharf geschlossen: Halterin war eine Frau, der Fahrer augenscheinlich ein Mann. Deswegen erhielt die Frau auch keine Anhörung als Betroffene, sondern als Zeugin.

Wie man sich als Ehefrau und Zeugin in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren verhält, ist entweder bekannt oder hier beschrieben: Man reagiert grundsätzlich nicht.

Verhindern kann man allerdings auch nicht, daß die Behörden dann weiter ermitteln. In diesem Fall hatten die Beamten gerade nichts Besseres zu tun. Sie besuchten zu dritt(!) die Halterin des Fahrzeugs. Der Mandant schildert folgende Geschichte, die ihm seine Ehefrau mitgeteilt hat.

Klingeln, drei Polizisten stehen vor der Tür, der eine hält meiner Frau das Blitzer-Bild des Fahrers unter die Nase und fragt, ob das Wilhelm Brause ist, worauf meine Frau natürlich „Ja!“ sagt. Dann fragt er sie nach dem Namen – Elfriede Amsel.

  • „Ah, in welchem Verhältnis stehen Sie zu Wilhelm Brause?“
  • „Nun, ich bin die Ehefrau.“
  • „Oh, dann muß ich Sie über Ihre Recht aufklären: Sie können die Aussage verweigern.“

Und jetzt? Ist das Ergebnis verwertbar? Was empfiehlt die rechtskundige Gemeinde der Verteidigung?

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Bild: Symbolbild ;-)

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht, Polizei veröffentlicht.

20 Antworten auf Huch – zu spät belehrt?

  1. 1
    Thorsten says:

    Der findige Amtsrichter wird es wohl mit der Spontanäußerung versuchen, die Aussage der Frau verwertbar zu machen – wenn die Sache denn zu ihm kommt.

    Der Verteidiger wird auf jeden Fall Verwertungswiderspruch erheben, dann gibt es je nach Temperament der Beteiligten Geschrei, ein Befangenheitsgesuch und am Ende landet das Ding mit der Rechtsbeschwerde beim OLG – wenn sich nicht noch ein Messfehler finden lässt. ;-)

  2. 2
    Waschi says:

    Ich würde vor allem sagen, dass das total egal ist. Beweismittel ist das Blitzerfoto, und wenn der Bußgeldrichter Zweifel hat, ob es den Betroffenen zeigt, muss er eben ein Gutachten dazu in Auftrag geben. Ob die Frau ihren Mann auf dem Foto erkannt hat (oder geglaubt hat zu erkennen), spielt für den Tatnachweis keine Rolle.

  3. 3
    Spormann says:

    Ein geschickter Richter wird es wie Waschi halten. Wass soll er sich wegen der Verwertbarkeit der Äußerung der Frau streiten oder sogar eine Urteilsaufhebung riskieren, wenn es den sicheren Weg gibt.

  4. 4

    Ganz schön vertrakt, Herr Anwalt.

    Die Empfehlung „Akteneinsicht“ (in die Akte des tatsächlichen Fahrers) kann in diesem vermutlich frühen Stadium schädlich sein, da dies die (Verfolgungs-)Verjährung unterbrechen kann / wird. (insbesondere wenn die zugrundeliegende Vollmacht unvorsichtig formuliert wurde)

    Ohne Kenntnis der Zeiträume zwischen den amtlichen Handlungen bzw. der involvierten „Betroffenen“ ist eine Abschätzung einer möglichen Verfolgungsverjährung schwer möglich. Die polizeilichen Ermittlungen vor Ort werden sicherlich mit gewissem zeitlichen Verzug durchgeführt worden sein.

    Sofern gegen die falsche Person ermittelt wird (trifft hier durch Anwendung des „Zeugen-Tricks“ nicht zu) oder ein Bußgeldverfahren gegen den tatsächlichen Zu-schnell-Fahrer noch nicht eröffnet wurde, läuft auf seiten der Verteidigung alles nach Plan.

    Bezüglich Beweisverwertungsverbot (hier: Zeugenaussage der Ehefrau) sehe ich die Konstellation als güstig für den Beschuldigten an.
    Die Zeugin wurde nicht rechtzeitig über das ihr zustehende Zeugnisverweigerungsrecht als Ehefrau informiert.
    Die polizeiliche Falle, die hier nach Mandantendarstellung versucht wurde zu stellen, ist nicht zulässig, da die Polizei schon im Ermittlungsvorfeld über die bestehende Ehe informiert gewesen sein müsste (vgl. „erweiterte Meldeauskunft“, diese ist wohl gezogen wurde, da der Name des Fahrers über den Umweg der Halterdaten erst ermittelt werden musste – dies wäre allerdings noch zu beweisen).

    Entscheidend wird sein, ob aufgrund der unzulässig erworbenen Information das Bußgeldverfahren gegen den tatsächlichen Fahrer trotzdem angestoßen werden darf oder ob es einer „Heilung“ dieses vermutlichen Verfahrensfehlers bedarf.

    Da das im Raum stehende Bußgeld erst in einem verlorenen gerichtlichen Verfahren in der Höhe steigen würde, empfehle ich das weitere Abwarten (hier: Zustellung des Bußgeldbescheides, Einspruchsfrist beachten). Die Betroffenen sollten gegenüber der Polizei und der Bußgeldbehöred das Recht zu Schweigen zur Sache zukünftig konsequent nutzen (auch als Zeugen).

    Akteneinsicht erst zu einem späteren Zeitpunkt vornehmen.

    Zwei Fragen zum Schluss:
    1. Werde ich mit meinem Beitrag nun gesteinigt?
    2. Was habe ich gewonnen?

    Disclaimer:
    Ich betrachte die Aufforderung zur Beantwortung der Fragen in diesem Blogbeitrag als Quiz und werde ebendiese gestellten Fragen aus dem juristischen Laiensystem liebevoll als Ratefuchs zu beantworten versuchen.

  5. 5
    Schweinske says:

    Klarer Fall von Fruit of the poisonous tree. Die Aussage der Frau mag zwar unverwertbar sein, weitere Beweismittel, zu deren Beschaffung die Aussage Anlass gegeben hat, sind es aber leider nicht. Daher: Ganz schön schlau von den Polizisten, die ergebnisorientiert alles richtig gemacht haben.

  6. 6
    BV says:

    Das dürfte doch ein recht eindeutiger Fall eines Bewertungsverbots sein. Ein solches könnte entfallen, wenn der Zeuge sein Zeugnisverweigerungssrecht kannte und auch nach der Belehrung ausgesagt hätte, was hier wohl kaum zu beweisen sein dürfte.

  7. 7
    Drucker says:

    Ich würde empfehlen, bei „vergallopieren“ eins der „l“ zu streichen und dafür dem „p“ noch einen Partner zu spendieren. Oder grundsätzlich vor dem Posten die Texte mal dem Sekretariat zum Querlesen geben – die kennen sich in Rechtschreibung meist besser aus als die Chefs.

    • Danke für den Hinweis auf den Rechtschreibefehler. crh
  8. 8
    Richterlein says:

    Ich würde auch sage, dass das Bild (wenn das abgebildete Bild das tatsächliche ist) ausreichend für ein Sachverständigengutachten ist. Eine fehlerhafte Belehrung schließt ja den Tatnachweis mittels anderer Beweismittel nicht.

    • Genau das ist die Crux. Denn damit degenerieren die Belehrungsvorschriften zu unverbindlichen, weil nicht sanktionierbaren Empfehlungen. crh
  9. 9
    Der wahre T1000 says:

    Tja, dumm gelaufen. Da war die Ehefrau wohl nicht wirklich clever…

    Polizei und Richter werden, wie sonst auch, einen großen Haufen auf eine fehlende Belehrung geben und im Zweifelsfall (die Aussage kennend) einfach die Begründung anders schreiben.

    Das ist umso bedauerlicher, weil das Foto nicht wirklich gut ist. Hut, Sonnenbrille, Hand im Gesicht. Das wäre doch eigentlich ein Freifahrtschein. Oder?

  10. 10
    Waschi says:

    Dann sollten Sie aber fairerweise erwähnen, dass der Angeklagte selbst nach US-amerikanischer fruit-of-the-poisonous-tree-doctrine nicht davonkommen würde. Zu der Erkenntnis, dass es sich um den Mandanten handelt, hätten die Beamten nämlich auf alle möglichen Arten kommen können (Abgleicht mit Passfoto, Nachbarn fragen, den Betroffenen selbst anpassen etc).

    Ich halte das Vorgehen der Polizei hier auch für falsch (weil rechtswidrig). Aber ein Versuch, daraus irgendwelche Konsequenzen für das Bußgeldverfahren zu ziehen, wäre eine reine Nebelkerze.

    Wenn Sie es falsch finden, dass daß Vorgehen hier folgenlos bleibt, dann erheben Sie Dienstaufsichtsbeschwerde. Dann wird den Beamten zwar auch nix passieren (zu recht, denn wirklich dramatisch ist das ja nicht), aber wenn’s gut läuft, bekommen sie dann den Unterschied zwischen Vernehmung und informatorischer Befragung nochmal eindringlich erklärt.

  11. 11

    Ist das am Steuer nicht Erdogan?

  12. 12
    Michael says:

    Der Richter muss den Ehemann nur als Zeugen laden, und schon ist es irrelevant ob die Aussage der Ehefrau verwertbar ist.

    • Eheleute haben sowohl gerichtlich, als auch außergerichtlich ein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn es um eine Sache gegen den Ehepartner geht. crh
  13. 13
    K75 S says:

    @Waschi (#10): Wie darf der Laie sich denn „… den Betroffenen selbst anpassen …“ bitte in der Praxis vorstellen?

    „Dem Typ auf dem Foto fehlt aber ein Schneidezahn“
    „Moment, das haben wir gleich …“

  14. 14
    Die andere Seite says:

    Geht es denn schon um eine Sache des Ehepartners?
    Wenn ich den SV richtig verstehe, geht es doch eher gegen „Unbekannt“.

  15. 15
    Waschi says:

    @K75 S:
    naja, ich wollte eigentlich „ansehen“ schreiben. Allerdings hat mein schlaues Handy mich durchschaut und meine fiesen Repressions-Fantasien erkannt…

  16. 16
    HugoHabicht says:

    Oh, wie schade, ein Raser der laufen muss.

    Dieser unerträgliche Anschlag auf die Festen unseres Rechtsstaates wird leider folgenlos bleiben, weil der Tatnachweis letztlich anders geführt werden wird. Die grünen Jungs wissen jetzt (nur), welches Passfoto sie aus der Datei ziehen müssen.

    Im Land der „Fruit of the Poisones Tree Doctrin“ hat man solche Probleme (in den meisten Bundesstaaten) übrigens gar nicht. Effektiver Rechtsschutz in Verkehrsordnungssachen ist schlicht nicht vorgesehen. Wenn der Polizist sagt, „du warst zu schnell“ entschuldigt man sich gefälligst und bittet um eine gerechte Strafe.

    • Hui! Das hat aber diesmal gedauert … mit dem Raser-Bashing und dem Hinweis auf den „Mißbrauch“ der Betroffenenrechte im Bußgeldverfahren. crh
  17. 17
    Engywuck says:

    Ein Kommilitone hatte ein ähnliches Problem: Studium in Süddeutschland, Heimatort bei Potsdam – und dann dort auf Heimaturlaub in einer Allee *deutlich* zu schnell gefahren und geblitzt worden (in Vatis Auto, IIRC über 130 in einer 70er Strecke).

    Anstatt die Strafe zu zahlen und das Fahrverbot am Studienort mit perfekter Busanbindung auf einer Backe abzusitzen (hatte keine Punkte vorher) entschied die Familie sich für „keine Ahnung, wer das sein könnte“ – woraufhin dann Polizisten in der Nachbarschaft herumfragten und eine Nachbarin meinte „klar, das ist der X, Sohn vom Y – erkennt man doch sofort“…

    Ob die Polizisten tatsächlich die Nachbarn fragen durften war mir damals schon nicht ganz klar – aber die saure Miene einige Wochen nach dem frech grinsenden „die können mir eh nichts“ fand ich dann doch irgendwie zum Schmunzeln :-)

  18. 18
    Silke says:

    Das ist doch Udo Lindenberg auf dem Foto. Das sieht man doch gleich! Die Haare hat er unter den Hut gesteckt – und ansonsten wie immer: Sonnenbrille, Hut und der übliche nachdenklich-lässige „Keine Panik!“-Blick. Die befragte Frau wollte wahrscheinlich bloß die Identität und Privatsphäre ihres berühmten Fahrzeuggnutzers schützen..
    Udo wollte bestimmt gard nach Pankow -diesmal mit Auto, weil leider der Sonderzug dahin gerade kaputt war.

  19. 19
    Mirko says:

    Ich finde die Person auf dem Bild ist alles andere als erkennbar. Die Aussage der Frau oder irgendwelcher Nachbarn damit ziemlich irrelevant, Verwertungsverbot hin oder her. Auch the Fruit of the poisonous tree würde nicht helfen, den die Polizisten haben schon mit einem klaren Verdacht geklingelt.

    Wahrscheinlich war es wirklich Udo Lindenberg und die Aussage und diese Posting hier dienen nur der Verwirrung.

  20. 20
    Neero says:

    Du Frage ist, wann aus dem unverbindlichen Vorgespräch, oder informellen Befragung ein Verhör wird.

    „Da es sich bei Befragungen zur Gewinnung eines Anfangsverdachts nicht um eine Beschuldigtenvernehmung handelt, greifen Belehrungspflichten in diesem Stadium der Ermittlungen noch nicht.“

    http://www.rodorf.de/02_stpo/14.htm#01.1