Wie die Gefängnisleitung mit Häftlingen umgeht, die auf augiastische Miststände in der JVA-Tegel hinweisen, ist Inhalt eines Fernsehbeitrags im ZDF.
Zwei Gefangene, Timo F. und Benjamin L. berichteten über ein Schmuggel-Netzwerk in der JVA Tegel. Von einigen der dort beschäftigten Wachtmeistern werde eine Im- und Export-Unternehmung unterhalten und betrieben.
Mitte September 2016 veröffentlichten die Journalisten Christian Esser und Manka Heise, an die sich die beiden Gefangenen gewandt haben, in der Sendung Frontal 21 im ZDF einen Beitrag über diesen nicht akzeptabeln gefängnisinternen Übelstand.
Nachdem Timo F. über unsere Kanzlei detaillierte und ausführliche Hinweise über dieses Netzwerk an das Landeskriminalamt geliefert hat, läuft ein Ermittlungsverfahren. Gegen einen(!) Beamten. Aber immerhin: Die Staatsanwaltschaft ermittelt schon mal.
Weil nun aber Benjamin L. und Timo F. die Vorwürfe auch in Frontal 21 öffentlich gemacht haben, nachdem sich die JVA-Leitung und die Senatsverwaltung für Justiz nicht angemessen bewegen wollten, werden sie jetzt dafür von der Gefängnisleitung mit Disziplinarmaßnahmen überzogen; ihnen werden weitere zur Resozialisierung notwendige Hilfen gestrichen.
Über diese Reaktionen der JVA Tegel berichten Manka Heise und Christian Esser in einem weiteren Beitrag auf Frontal 21.
Statt die Ställe Augias‘ in Tegel zu säubern, werden diejenigen bestraft, die auf den Mist hinweisen. Die Frage nach der grundsätzlichen Berechtigung eines Gefängnisses ist schon nicht einfach zu beantworten. Gute Argumente für deren Abschaffung liefert aber das Verhalten der JVA-Leitung und der Senatsverwaltung für Justiz in diesem Fall.
Ich gebe die Hoffnung aber nicht auf, daß wenigstens im Dezernat 34 des LKA Berlin der eine oder andere Herakles arbeitet.
Was sonst noch geschah, kann man in diesen Blogbeiträgen (mit weiterführenden Hinweisen) nachlesen.
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Bilder:
ScreenShot aus dem Videobeitrag vom 01.11.2016 / © ZDF
Mosaik / Luis García, CC BY-SA 3.0
Vielleicht lohnt es sich, die Disziplinarmaßnahmen auch im Hinblick auf Artikel 10 EMRK zu prüfen.
Der EGMR hat beispielsweise im Fall Shahanov und Palfreeman gegen Bulgarien entschieden, dass es unter bestimmten Umständen gegen die EMRK verstößt, wenn Strafgefangene mit Sanktionen belegt werden, weil sie sich beschwert haben. Der Fall ist ein wenig anders gelagert, denn er betraf den offiziellen Beschwerdeweg. Die Grundsätze müssten aber aus meiner Sicht die gleichen sein.
Das Urteil ist hier veröffentlicht:
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-164963
Ich kann das Verhalten der Justizbehörden nicht wirklich nachvollziehen. An Stelle der Verantwortlichen hätte ich die Hinweisgeber zu ihrem eigenen Schutz spätestens zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens in eine andere JVA verlegt. Und auch um auch nur den Anschein, dass in irgend einer Form Druck durch die Anstaltsleitung und Bedienstete ausgeübt werden kann, zu vermeiden.
Wie kann man sich nur selbst so ins Knie schießen…
@Nurmalso:
Das liegt offenbar daran, dass die entsprechenden Leute immer noch fröhlich herumhüpfen, auch mit angeschossenem Knie. Die oberste Riege hat von nichts gewusst und schützt die unteren Riegen. Minus einem Bauernopfer. Vielleicht.
Es ist schon etwas merkwürdig.
Auf der einen Seite finden Sie es gar nicht gut, wenn Angeklagte Dritte verpetzen, um etwas für sich herauszuholen.
Jetzt aber stehen sie voll auf der Seite der Petze, obwohl der nicht nur das einträgliche Geschäft der Wärter belastet, wovon die ihren Kindern die Kirmes bezahlen können, sondern auch den anderen Häftlingen die Zugangsmöglichkeit zu dringenden Konsumgütern nimmt.
Irgendwie kann ich da gerade keinen Gewinner erkennen.
Die grundsätzliche Frage sehe ich in den Alternativen. Hand abhacken, teeren und federn, gar keine Strafe?
Hm. Grundsätzliche Berechtigung des gesamten Justizapparats?