Lügende Polizeibeamte im Urteil

BulleIn einer völlig überflüssigen Strafsache kam es zu einer unterhaltsamen Beweisaufnahme.

Es ging um eine Wanne voller Polizeibeamter, die wegen einer angeblichen nächtlichen Ruhestörung in eine bürgerliche Einfamilienhaussiedlung im südlichen Neukölln eingefallen (sic!) sind.

Bis zu 9 breitschultrige Djangos Beamte kletterten über zwei Zäune und ein fremdes Grudstück, um die Gartenparty von ein paar lustigen Jungakademikern aufzumischen.

Es war nicht mehr festzustellen, was genau der Auslöser für den Konflikt war, den eigentlich nur zwei Beamte ins Einsatzprotokoll notierten. Die anderen konnten sich entweder unterschiedlich oder gar nicht mehr an die Geschehnisse erinnern. Dennoch stand für die Anklagebehörde fest, einer der beiden Angeklagten habe:

Ihr verfickten Bullen habt kein Recht, mein Grundstück zu betreten

gesagt. Der andere Angeklagte (ca. 60 schmächtige Kilos) soll einem Polizeibeamten (120 durchtrainierte Kilos) schwer am Körper verletzt haben. Nichts davon hat sich in der Beweisaufnahme bestätigt. Gar nichts.

Wie formuliert das Gericht nun ins Urteil, daß alle fünf Polizei-Zeugen, die an zwei Verhandlungstagen vernommen wurden, frech gelogen haben? Das geht so:

Von diesem Tatvorwurf waren die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, da insbesondere den Angaben der Zeugen Z* und F* keinerlei Glauben geschenkt werden konnte, denn in vielen Punkten ergaben sich hieraus nicht nur erhebliche Widersprüche untereinander, sondern auch hinsichtlich der Angaben der weiteren Zeugen, die bei dem Polizeieinsatz anwesend waren.

„Verfickte Bullen“ ist selbstverständlich eine Formulierung, die nicht nur im gutbürgerlicherlichen Neukölln nichts zu suchen hat. Aber wenn sich Polizeibeamte derart daneben benehmen – vor Ort nicht vor Gericht – dann sollten sie sich auch nicht beschweren, wenn ihnen der dem Amt zustehende Respekt nicht entgegen gebracht wird. Nicht nur die Bürger leiden unter solchen „Bullen“, sondern auch die vielen Beamten, die ihren sicher nicht einfachen Dienst sauber und veranwortungsvoll schieben.

Dieser Beitrag wurde unter Polizei veröffentlicht.

14 Antworten auf Lügende Polizeibeamte im Urteil

  1. 1
    Kunibert says:

    Dass Polizisten vor Gericht lügen, merkt man aber normalerweise nicht daran, dass ihre Aussagen voneinander abweichen, sondern im Gegenteil daran, dass ihre Aussagen trotz chaotischen Geschehens und größerem zeitlichem Abstand exakt miteinander übereinstimmen.

  2. 2
    maaaax says:

    Die haben ja auch die Möglichkeit, sich durch das Studium der Akten nochmal an den Vorfall zu erinnern…

  3. 3

    Ich befürchte, dass das Berufsbild des Polizisten im Wesentlichen körperbetont ist und vor allem eher intellektuell elementarisierten Gesellschaftsmitgliedern attraktiv erscheint. Differentialdiagnostisch werden Statusinkonsistente dafür mit den edleren Sternenfarben diskriminiert.

    Herr Kunibert ist schon auf das juristische „Wahrheits-Paradoxon“ im Allgmeinen eingegangen. Vor Gericht spielt die Wahrheit gern Verstecken. Lustig anzuschauen, wenn man selbst nicht betroffen ist.

    Die Klischees zur Polizei – wie in diesem Casus – supportieren bei dieser hochfrequenten Regelmäßigkeit die Wahrheit:
    Hinter dem Stereotyp demaskiert sich eine Stereotypie (behavioristisch).

  4. 4
    Drucker says:

    @Oscar: Gibt es diesen Kommentar auch in nicht-prätentiös? Dann wäre er möglicherweise verständlich und würde Sie zudem nicht mehr in die Gefahr bringen, auf Ihrem Fremdwortwust auszurutschen (bildlich).

  5. 5
    Der wahre T1000 says:

    Ich weiß aus meinem persönlichen Umfeld, dass die meisten Polizisten ihre Aufgabe ernst nehmen und damit korrekt umgehen. Sogar beim SEK spielen die Polizisten im Regelfall nicht gleich Rambo. So mancher „Gepflückte“ ist verwundert und bedankt sich für die unerwartet korrekte Behandlung. (Bitte nicht falsch verstehen: wenn das SEK anrückt, dann wird nicht geschmust.)

    Angesichts der vielen Einsätze von Polizisten dürfte es normal sein, wenn darunter auch ein kleiner Prozentsatz Fehlverhalten ist.

    Polizisten sind auch nur Menschen. Damit wäre eigentlich schon alles gesagt.

  6. 6
    Waschi says:

    Normalerweise kann ein Gericht sich bei einem Freispruch ja zurückhalten, soweit es um die Beweiswürdigung der Aussage von Belastungszeugen geht. Es reicht eigentlich aus, höflich anzudeuten, dass das Gericht sich vom Wahrheitsgehalt der Aussage nicht überzeugen konnte.

    Die Aussage, das Gericht konnte einem Zeugen ‚keinerlei Glauben schenken‘, ist vor diesem Hintergrund schon sehr deutlich…

  7. 7
    RA Fuschi says:

    @T1000:
    Das Problem ist nicht, dass es nicht überall schwarze Schafe gäbe. Sondern der Umgang mit ihnen. Wenn sie – wie bei der Polizei leider häufig – systematisch gedeckt werden und Fehlverhalten nicht verfolgt wird, so kann sich das wie ein Krebsgewür ausbreiten und auch diejenigen „infizieren“, die ihren Job korrekt ausüben.

  8. 8
    Miraculix says:

    Genau so ist es!
    Der Kadavergehorsam macht es praktisch unmöglich einzelne schwarze Schafe auszusortieren. Und das ist das eigentliche Problem. Die können dann unter der Deckung Ihrer Kollegen so ziemlich alles tun ohne befürchten zu müssen daß jemals gegen Sie ermittelt wird.

  9. 9

    Sehr geehrter Herr Drucker,

    Sie traten ergänzend mit folgender Frage an mich heran:
    „Gibt es diesen Kommentar auch in nicht-prätentiös?“

    Lassen Sie mich Ihre hochinteressante Frage wie folgt beantworten:

    Nachdem ich mich durch Heranziehen fundierter Quellen sachkundig gemacht habe, was „prätentiös“ bedeutet, komme ich zu dem Schluss, dass mein oben referierter Kommentar lediglich in dieser einen Manifestation vorrätig und publiziert ist. Als ursächlich verantwortliche [sic] ich hierbei meine genetische Disposition in Tateinheit mit meiner individuellen bedingt-unbedingten Sozialisation.
    Mein Strafmaß beträgt hierbei lebenslang.
    Sehen Sie mir dies bitte nach.

    Ihren Hinweis bezüglich einer möglichen Rutschgefahr linguistischer Genese nehme ich sehr ernst, und ich überlege schon jetzt eifrig wie ich den Schutz und die Wahrung der Lebensqualität meiner kommentarlichen Leserschaft gewährleisten kann, trotz all der Hypostases flectendi ex fenestra, die meinen Kommentaren innewohnen. Für Ihren wertvollen Hinweis danke ich Ihnen herzlich.

    Ich verbleibe (höflich).

  10. 10
    Th. Koch says:

    Mir geht die „Polizisten sind auch nur Menschen“-Weißwaschung mittlerweile auf die Nerven: Soll das eine Rechtfertigung für uneidliche Falschaussagen vor Gericht sein? Oder für Gewalttaten und ständige Übergriffe, begleitet über unerträgliche Larmoyanz wegen angeblicher Gewalt gegenüber Polizisten? Polizisten sind in dieser Funktion gerade nicht Mensch, sondern Inhaber der Staatsgewalt; sie üben das staatliche Gewaltmonopol aus. Hier ist ein strikt an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientiertes Verhalten zu erwarten.Ob sich Polizisten oder auch deren Vorgesetzte dem immer verpflichtet fühlen, scheint mir auch außerhalb von Sachsen zunehmend zweifelhaft zu sein.

  11. 11
    Mirco says:

    Zu dem kleinen Prozentsatz kommt ein großer Prozentsatz, der das Fehlverhalten deckt.

  12. 12
    Engywuck says:

    @Th. Koch (10): weitgehend einverstanden. Mit einer Einschränkung: wenn ein Polizist als Polizist (und damit Vertreter bzw. Inhaber der Staatsgewalt) auftritt ist ein strikt an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientiertes Verhalten zu *fordern* -eben da sich hinter der „Funktion“ Polizist immer noch keine Maschine sondern ein Mensch verbirgt, der nicht fehlerfrei sein kann (immer fehlerfrei zu sein behauptet ja nicht einmal der Papst von sich).

    Nur müssen Fehler die gemacht werden eben auch (von Kameraden wie Vorgesetzten bzw. letztlich auch Richtern) entsprechend sanktioniert werden, damit das reale Verhalten dem gewünschten möglichst nahe kommt. Erfolgt dies nicht (oder nur extrem unzureichend) wird letztlich das Gegenteil gefördert – und das scheint mir manchmal das Hauptproblem zu sein.

  13. 13

    […] Thema „Deutliche Worte im Urteil“ gab es in der vergangenen Woche bereits einen Blogbeitrag. Das erinnerte mich an ein älteres Verfahren, in dem ich eine Doppelrolle gespielt […]

  14. 14
    Thomas R. says:

    @Engywuck

    „Fehler“ ist hier ein völlig deplazierter Begriff. Es geht um Verbrechen! Und bei Falschaussagen vor Gericht funktioniert auch das vorgeschobene Argument nicht mehr, im Eifer des Gefechts könne mal ein „Missgeschick“ passieren.

    Behauptet der Papst auch nicht von sich, nie Falschaussagen vor Gericht zu machen, um Unschuldige einsperren zu lassen, die er nicht leiden kann?