Das Magazin „Frontal21“ berichtete am 13.09.2016 im ZDF über Timo F. und das „Kriminelle Netzwerk in Berliner JVA“:
In Deutschlands größter Justizvollzugsanstalt Berlin-Tegel soll der Schmuggel von Waren in und aus der Haftanstalt an der Tagesordnung gewesen sein. Involviert in den Schwarzhandel seien angeblich mehrere Justizbeamte, berichten Gefangene.
Der Bericht hat für Reaktionen gesorgt, allerdings (noch) nicht für die gewünschten. Der Bremer Kollege Rechtsanwalt Dr. iur. habil. Helmut Pollähne, mit dem ich gemeinsam Timo F. verteidige, hat anläßlich einer Pressekonferenz am heutigen Donnerstag eine Presseerklärung herausgegeben, die ich hier vollständig wiedergeben möchte:
„Kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“
Mein Mandant, Timo F., hat wesentlich dazu beigetragen, illegale Vorgänge in der JVA Tegel aufzudecken, die vom ZDF treffend als „kriminelles Netzwerk in Berliner JVA?“ betitelt wurden – nach den mir vorliegenden Erkenntnissen kann man das Fragezeichen allerdings getrost weglassen und durch ein Ausrufezeichen er-setzen!
Wie hat die JVA darauf reagiert? Sicherlich nicht so, wie es von einer staatlichen Behörde zu erwarten wäre, die Kenntnis darüber erhält, dass einige ihrer Mitarbeiter seit längerer Zeit in größerem Umfang in kriminelle Machenschaften verstrickt sind: Einschmuggeln von Waren in die JVA und illegaler Handel mit Waren aus der JVA, um nur die gravierendsten Vorwürfe zu nennen. Man muss dies nicht zuletzt des-halb einen Justizskandal nennen, weil die JVA bekanntlich den Auftrag hat, die Gefangenen dazu zu befähigen, künftig „in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen“ (§ 2 Satz 1 StVollzG). Dieser Auftrag wurde offenbar in großem Stil in sein Gegenteil verkehrt.
Von der JVA, dem schließlich doch noch eingeschalteten LKA und der senatorischen Aufsichtsbehörde wurde bisher wider besseren Wissens der Eindruck vermit-telt, es handele sich – wenn überhaupt – um einen Einzelfall. Mögen andere Juristen entscheiden, wo die Schwelle vom Justizskandal zur Strafvereitelung überschritten ist, vom Organisationsverschulden ganz zu schweigen.
Mein Mandant durfte mit Recht für sich beanspruchen, vor Repressalien und Mobbing infolge der Enthüllungen geschützt zu werden, insbesondere indem man ihn in eine andere JVA verlegt. Fehlanzeige: Er befindet sich nach wie vor am selben Ort, wie die von ihm schwer belasteten Beamten. Das ist das Gegenteil von staatlicher Fürsorgepflicht. Auch meine Versuche, diesbezüglich zu einer Vereinbarung mit der JVA zu kommen, scheiterten: An mündliche Zusagen fühlte sich später nie-mand mehr gebunden, schließlich wurde der Kontakt zu mir ganz eingestellt, Schreiben einfach nicht mehr beantwortet – auch deshalb wurde eine Beschwerde bei der senatorischen Dienstaufsicht erhoben, zu der ich bisher allerdings noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten habe.
Wer den Eindruck erhält, er finde innerhalb der zuständigen Stellen kein Gehör, diese wären eher mit Vertuschung befasst, der wendet sich an die Öffentlichkeit: In der Demokratie ein selbstverständlicher Vorgang! Nicht so in der JVA: Herr F. sieht sich infolge der ZDF-Berichterstattung mit Disziplinarmaßnahmen konfrontiert, die bei Gericht angefochten werden mussten; eine Entscheidung steht in seinem Fall noch aus. Es sieht sich auch mit der Drohung konfrontiert, die weitere Voll-zugsplanung auf sog. Vollverbüßung einzustellen.
Nach den absehbaren politischen Veränderungen in Berlin mögen die zukünftig Verantwortlichen unter Beweis stellen, ob eine funktionierende Dienstaufsicht über den Justizvollzug noch möglich ist. Andernfalls wäre die parlamentarische Kontrolle gefragt.
Darauf kann mein Mandant allerdings nicht warten: Er muss jetzt in eine andere JVA verlegt und wieder in seine alte Vollzugsplanung versetzt werden; die Disziplinarmaßnahmen müssen ein Ende haben.
Bleibt schließlich zu hoffen, dass die Aufarbeitung dieses Skandals insgesamt mit dazu beiträgt, den Justizvollzug dazu anzuhalten und die Lage zu versetzen, sei-nem gesetzlichen Auftrag und den Rechten der Gefangenen gerecht zu werden. Hier liegt auch diesseits „krimineller Netzwerke“ vieles im Argen, nicht nur in Berlin.
Dr. iur. habil. Helmut Pollähne
– Rechtsanwalt –
Dem „eingeschalteten LKA“ (es handelt sich um das LKA 3 – Wirtschaftskriminalität, Korruption, Umwelt-/Verbraucherdelikte, Polizeidelikte) liegt ein über 70-seitiges Dokument vor, in dem Timo F. ausführlich und so detailliert, wie es ihm möglich war, die Zustände in der JVA Tegel beschreibt. Zwischenzeitlich haben sich weitere Zeugen sowohl bei den Verteidigern, als auch beim LKA direkt gemeldet, die die von Timo F- formulierten Vorwürfe bestätigen.
Ich gehe davon aus, daß das LKA und die dortigen Beamten jedem Ermittlungsansatz nachgehen werden, um Licht in den dunklen Knastalltag zu bringen. Es ist schon einmal begrüßenswert, daß die Ermittlungen von einer Spezialabteilung für Korruptions- und Polizeidelikte geführt werden. Und wir gehen davon aus, daß das LKA – unabhängig von theoretisch denkbaren Einflußnahmeversuchen der Verwaltungsspitze – „seinen Job macht“. Und die Ermittler gehen davon aus, daß wir ihnen dabei auf die Finger schauen.
Schauen und bei Bedarf klopfen
Die Unschuldsvermutung gilt immer nur für den eigenen Mandanten, nie für „die anderen“?
„Unschuldsvermutung“ als Hürde für Zweifel an staatlichen Strukturen – ähnlich wie das Rechtsbeugungsprivileg für Kollegialgerichte?
„Zweifel an Strukturen“ != „Vorwegnahme des Ergebnisses“?
Es wäre ja wohl die Aufgabe von „Fröntal21“ (ZDF) hier eine Folge-Berichterstattung zu bringen und darüber zu berichten, dass der Enthüller von JVA-Missständen (Mandant von Herrn Hönig) Repressinen und Mobbing ausgesetzt ist. Das ist auch journalistische Pflicht des ZDF-Magazins. Öffentlicher Druck ist sicher am wirksamsten.