Rote Linien bei der Rechtsschutzversicherung

140107_web_r_k_by_henrik-g-vogel_pixelio-deVor vielen Jahren gab es vermehrt Fälle, in denen sich Falschparker kolussiv mit Rechtsanwälten zusammenschlossen, um Rechtsschutzversicherer zu betrügen. Und das ging so.

Geschäftsidee
Wilhelm Brause stellt sein Auto absichtlich in ein Parkverbot. Das Knöllchen hinterm Scheibenwischer bezahlt er nicht. Bulli Bullmann, seines Zeichens robuster Sachberbeiter bei der Bußgeldstelle, schickt dem Brause daraufhin einen Verwarnungsgeldbescheid. Auch in dieses Papier stanzt Brause zwei Löcher und heftet es unbearbeitet ab. Das nimmt Bulli Bullmann zum Anlaß, Wilhelm Brause noch einmal zu schreiben. Diesmal einen Bußgeldbescheid. Inhaltlich bedeutet das: Verwarnungsgeld (z.B. 20 Euro) zuzüglich Verfahrenskosten (etwa 30 Euro), macht bummelige 50 Euro.

Das ist der Startschuß für Brause, um seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Rudolf Ratte, zu beauftragen. Ratte legt für Brause Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein und liquidiert seinen Vorschuß in Höhe des vollständigen Honorars beim Rechtsschutzversicherer, mit dem Brause einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hatte. So eine Vorschußrechnung liegt bei runden 400 Euro.

Nach Eingang der Vorschußzahlung nimmt Ratte den Einspruch gegenüber dem Amtsgericht zurück, bezahlt die 50 Euro und teilt sich den „Rest“ der Versicherungsleistung, also die Anwaltsvergütung, mit Wilhelm Brause.

Nebenfolgen
Diese Praxis der Vermehrung eigenes Vermögens ohne ehrliche Arbeit führte zunächst zu dem einen oder anderen Strafverfahren wegen gemeinschaftlich begangenen gewerbmäßigen Betrugs gegen Leute wie Ratte und Brause.

Einschränkungen
Nur wenig später reagierten die Versicherer mit Änderungen der Versicherungsbedingungen. Die allermeisten Rechtsschutzversicherer übernehmen nun nicht mehr die Kosten der Verteidigung gegen Falschparkvorwürfe. Damit spart sich die Versicherungswirtschaft einen ganz erheblichen Teil der Versicherungsleistungen.

Neue Geschäftsidee
Beim Kollegen Burhoff findet sich nun eine weitere Idee, mit der ein Versicherer (der ohne die Tüttelchen über dem „u“) die Kosten für die Verteidigung sparen möchte. Nicht ein rattiger Rechtsanwalt, sondern der Rechtsschutzversicherer zahlt das Bußgeld und die Verfahrenskosten; er spart sich damit (ganz oder teilweise) die Verteidigervergütung und die Kosten im gerichtlichen Verfahren. Das können im Einzelfall durchaus einmal höherere vierstellige Beträge sein, z.B. wenn Sachverständigengutachten erstellt werden müssen.

Feine Sache?
Allerdings müßte die BAFin die Frage nach dem Sinn eines Versicherungsvertrags zum Zwecke der Bußgeldvermeidung wohl noch einmal genauer und unter neuem Licht betrachten, wenn dieses Regulierungsverhalten zur ständigen Übung der Rechtsschutzversicherer avancieren sollte. Spätestens aber, wenn ein Versicherer seinen Versichererungsnehmern auf diesem Wege eine Einkommensquelle verschafft, dürfte die rote Linie überschritten sein.

Dieser Beitrag wurde unter Ordnungswidrigkeitenrecht, Rechtsschutzversicherung, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

11 Antworten auf Rote Linien bei der Rechtsschutzversicherung

  1. 1
    RA Fuschi says:

    Hatte ich in einer Zivilsache letztes Mal auch, RSV bietet an, 90% der eingeklagten Forderung zu zahlen um sich das Verfahren mit SV etc. zu sparen. Mandant fands gut, weil sicher Geld

  2. 2
    slowtiger says:

    OK, wer hat da welche Wette gewonnen, “ kolussiv“ in einem Text unterzubringen? Oder war das wirklich nur ein kolossaler Schreibfehler?

  3. 3
    ali says:

    Ich merk schon, ich bin viel zu wenig geschäftstüchtig. Auf welche Ideen manche Kollegen so kommen…

    • Wenn Sie mit dem Nachdenken über „alternative“ Geschäftsideen fertig sind, melden Sie sich bitte bei mir. Ich schicke Ihnen dann schonmal vorsroglich die Verteidiger-Vollmacht und eine Vergütungsvereinbarung. Ok? crh
  4. 4
    WPR_bei_WBS says:

    Also die beiden Fälle jetzt miteinander zu vergleichen, halte ich doch für arg weit hergeholt.

    Und ich kann an dem Verhalten der Versicherung jetzt auch, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht, nichts aussetzen. Wenn der Erwartungswert von „ich zahle die Strafe“ geringer ist als von „Wir prozessieren das durch“, dann ist das genau die richtige Entscheidung.

  5. 5
    Mirco says:

    Wenn die RA-Kosten eine Größenordnung über den Bußgeldkosten liegen, liegen solche Geschäftsmodelle ja nahe, genauso wie die Vollkasko Bereitschaft der RV.

    Etwas Angst macht mir der Positivanreiz für die Versicherten an Gefahrenstellen nur noch halbherzig vom Gas zu gehen. Falschparken war da ja noch harmlos.

  6. 6
    Miraculix says:

    Die Versicherung wird das einmal bezahlen.
    Evtl. auch ein zweites Mal wenn der Kunde schon sehr lange Kunde ist oder sehr viel Zeit zwischen den 2 Fällen vergangen ist.
    Ansonsten werden die den Vertrag umgehend kündigen. Zu verschenken haben die schließlich nichts. Und einen Kunden der auf den Geschmack gekommen ist brauchen die sicher nicht.

  7. 7
    RA JM says:

    Naja, § 258 StGB ist bei Bußgeldern ja nicht einschlägig. ;-)

  8. 8
    Berliner says:

    @RA JM: Ich denke § 258 ist geklärt seit BGH 2 StR 439/90.

    @crh: Was meinen Sie mit „Spätestens aber, wenn ein Versicherer seinen Versichererungsnehmern auf diesem Wege eine Einkommensquelle verschafft, dürfte die rote Linie überschritten sein.“? Wie soll denn eine „Bereicherung“ beim VersN eintreten, wenn die RSV das Buß- bzw. Verwarngeld unmittelbar an die Landeskasse zahlt? Oder sehen Sie „bequemes parken wo auch immer“ als so „wertvoll“ an, um diese als Einkommensquelle zu bezeichnen?

  9. 9
    Tim says:

    Ein paar einzelne Fälle sind für die Versicherung kein Problem, wenn diese alles übernimmt. Und sobald ein Kunde öfter bei einer Versicherung mit diesen auftaucht wird diese sich ohnehin sicherlich eher früher als später bei ihrem Kunden melden und um eine Beitragsanpassung „bitten“. Dann wird man ja sehen, ob das wirtschaftlich interessant bleibt…

  10. 10
    Engywuck says:

    Neben nen ggf. beim Fahrer verbleibenden Punkten und Fahrverbot (erst dann lohnt sich ja meist eine Klage) gibt es noch einen anderen Aspekt:

    ein durch die Versicherung bezahltes Bußgeld landet vermutlich als „Vorwurf war rechtens“ sowohl in der Statistik als auch in der Akte (z.B „Wiederholungstäter“ nach §4(2) BKatV). Auch wenn dieser Vorwurf z.B. wegen nicht vorhandenem Verkehrszeichen oder falscher Stelle der Messung objektiv unrichtig war.

  11. 11