Überflüssiger Reporter

Der Prozess beginnt mit einem bunten Strauß überflüssiger Befangenheitsanträge.

So überschreibt ein Glossenjournalist und für seine etwas anderen, schrägen Geschichten bekannter Reporter, unter anderem Gerichtsreporter seinen Beitrag in einer ansonsten seriösen, altehrwürdigen Tageszeitung. Es geht um den ersten Hauptverhandlungstermin in einer Umfangstrafsache.

Tags zuvor gab es die Schnellschüsse der bekannten Nachrichten-Agenturen und – selbstredend – einer Zeitung, die immer als erste mit den Toten spricht. Diese unrecherchierten und auf schiere Reproduktion des Gehörten reduzierten Kurzbeiträge gaben das Prozeßgeschen einigermaßen korrekt wieder, der BILD-Reporter in dem für dieses Medium bekannten Sprachstil. Das ist OK so.

Der faule Redakteur hingegen kramte irgendwas aus seiner Erinnerung, und bastelte sich den Rest dazu. Obwohl er sicherlich hinten auf der Galerie gesessen haben wird, hat er zum einen nicht zugehört und zum anderen das Nichtgehörte auch nicht verstanden.

In rund 3.000 Zeichen zeigt er, welchen katastrophalen Spuren ein prekäres Dasein als Glossenschreiber hinterlassen kann. Solche Hohlfiguren empfinden selbstverständlich Langeweile, wenn sie Vorträgen zuhören müssen, die aus mehr als nur zwei Sätzen bestehen.

Trotzdem weiß er:

Der erste Verhandlungstag vor dem Landgericht brachte nichts – bis auf drei Befangenheitsanträge seines Verteidigers,

Er kennt die Akten nicht, die Hintergründe für die Ablehnungsgesuch auch nicht. Er versteht nichts von den Spielregeln, die im Strafprozeß gelten und ist damit auch nicht imstande, den Sinn dieser Verfahrenseröffnung zu erfassen. Ok, das ist nicht jedem gegeben. Aber nicht jeder outet sich damit als Dilettant.

Aber in der Einschätzung der Qualität des Verteidigers hat er Chancen, die er zu nutzen weiß:

einer offenkundigen Dauerredner-Koryphäe, die eigens aus Berlin eingeflogen kam.

Und richtig stellt der prekariatäre Pleistozäneur dar:

es kam nicht einmal zu einer Verlesung der Anklage.

Was soll der arme Staatsanwalt auch machen, wenn der Vorsitzende wegen der Ablehnungsgesuche ihn nicht zum Vortrag auffordern darf. Aber das muß man als Gerichtsreporter diesen Niveaus ja auch nicht wissen.

Seinem Wortschwall konnte man entnehmen, daß er auch sonst wenig begriffen hat von dem, was er in den gut 60 Minuten Verhandlungsdauer gehört hat.

Erwähnenswert ist noch, daß mein einigermaßen freundlicher Kommentar mit einem Hilfsangebot an den Berichterstatter, die intellektuelle Mangelernährung, unter der er zu leiden scheint, zu kompensieren, nicht veröffentlicht wurde … obwohl ich mich den Mühen einer Disqus-Anmeldung unterzogen hatte:

Liebe Gerichtsreporter oder die, die es werden wollen. Ich beiße nicht! Ihr könnt mich gern ansprechen, wenn Ihr Fragen habt oder Hintergrundinformationen braucht, um gute und unabhängige Artikel zu produzieren. Und nicht so einen Müll.

Admiror, o paries, te non cecidesse ruinis, qui tot scriptorum taedia sustineas.

In diesem Sinne: Frohes Fest!

Dieser Beitrag wurde unter Kafka - Der Process, Medien, Prozeßbericht (www.prozessbericht.de) veröffentlicht.

32 Antworten auf Überflüssiger Reporter

  1. 1

    Kleiner Schwank zur Weihnacht:
    Ich habe mich letztens mit der für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Beamtin bei der Staatsanwaltschaft Hamburg unterhalten. Im Smalltalk kam das Gespräch auch auf die Hamburger Presselandschaft, die der Berliner nicht ganz unähnlich ist – mitsamt ihren Problemen in der Gerichtsberichterstattung. Die Dame erzählte mir, sie habe vor kurzem den Hamburger Lokalblättern eine kostenlose Schulung angeboten, „damit die wenigstens Berufung und Revision auseinanderhalten“. Das Angebot wurde dankend abgelehnt mit der Begründung, das würden die Leser nicht verstehen.
    Und die Moral von der Geschicht: Glaub‘ nicht, dass die Presseleute auch nur im Ansatz interessiert, warum Du Deine Befangenheitsanträge stellst! :-)

  2. 2
    Miraculix says:

    Ihr Kommentar ist wirklich herrlich.
    Schade nur daß die Journaille das nicht verstehen wird.

  3. 3
    Subsumtionsautomat says:

    „Berichterstatter“ nennt man den Beisitzer der Kammer, der die Akte idealerweise am intensivsten vorbereitet hat und der am Ende das Urteil schreiben darf – in diesem Kontext ist die Verwendung dieser Bezeichnung für den berichtenden Gerichtsreporter also ein wenig verwirrend. Natürlich traue ich Ihnen, lieber Herr Hoenig, aber auch durchaus zu, dass sie diese Bezeichnung im vollen Bewusstsein ihrer Doppeldeutigkeit gewählt haben und auf diesem Wege auch dem entsprechenden Kammermitglied einen mitgeben wollten, weil das Verfahren Ihrer Ansicht nach schon aus Rechtsgründen nicht hätte eröffnet werden dürfen oder etwas in der Richtung. Falls das aber nicht der Fall sein sollte, rege ich an, die Bezeichnung zu ändern.

    • Geniale Assoziation. Denke ich nochmal drüber nach. ;-) crh
  4. 4
    Markus Stamm says:

    Die Autokorrektur des Editors war auch schon mal besser. Sie hat in das Wort Glossenjournalist beharrlich immer ein l zuviel eingefügt.

  5. 5

    Wir sollten einmal mehr darüber nachdenken (in Erinnerung rufen), warum das Modell BLonD-Zeitung ökonomisch funktioniert. (vereinfacht: aufgrund der Nachfrage der Masse – das sind nicht wenige als Käufer auftretende Leser)

    Dieser „Journalist“ erinnert mich an Mario Barth, jedoch ist Ersterer sicherlich eher unfreiwillig „komisch“. (Letzter bringt mich nicht direkt zum Lachen, Komik kann ich in seinem Wirken nicht erkennen. Allerdings gebe ich gerne zu Protokoll, dass ich beim Beobachten seines Publikums (bei seiner Arbeit) zum ridikulösen Verzerren der mimischen Muskulatur – vorwiegend tonisch – neige.)

    Zur Sache: Zwei Dinge stimmten mich passend froh.
    1. Das Epigramm in Latein am Ende (ich empfehle hierzu das vollumfängliche Verständnis der Semantik dazu zu erlangen, sofern noch nicht geschehen) und
    2. der gut imitierte Schreibstil der BLonD-Zeitung seitens des Autors und Rechtsanwaltes im undankbar verschmähten Kommentar – sofern ich das als überzeugter Nicht-Leser der „Zeitung“ beurteilen kann.

    Der hier integrierte Schwank von Herrn Nebgen im Kommentarbereich zeigt erheiternd auch, dass die gesellschaftliche Inklusion von Doofheit mit Dümmlichkeit (hier: seitens der Journalisten i.V. m. der dazugehörigen Leserschaft) gerechtfertig werden darf und womöglich soll. (Der Journalist darf sich von seiner Leserschaft nicht zu sehr unterscheiden, um authentisch zu bleiben – daher sind kostenlose Entwicklungshilfsangebote von bildungsnahen Informierten dankend abzulehnen.)

    Prosper versperum sanctum hodie meam habitationem circumpurgavi!

    Ansonsten verbleibe ich für die Feiertage das Beste wünschend.

  6. 6
    Peter says:

    Das lateinische Graffitto betreffend: Ich kaufe ein „i“. :-)

  7. 7
    Rößner says:

    Ich bin “ Freier – Journalist „,habe schon ähnliche verzapfte
    Kacke erfahren müßen,vielleicht hat ihn das Gericht extra eingeladen….“ Die Mafia trägt immerhin noch schwarz “

    In diesem Sinne…

    Jürgen Rößner

  8. 8
    Mirco says:

    Bis auf das überflüssige Wort überflüssig, das leider nicht belegt wird, gibt der Bericht doch einen schönen Eindruck der Verhandlung und der Enttäuschung des Autors über den Ablauf. Überschriften und Unterschriften werden übrigens gerne mal ohne Wissen des Autors in der Redaktion aufgepeppt, sind also nicht zwingend aus der Feder von Stevie Wonder. Das Löschen des Beitrags belegt allerdings eine gewisse Unsouveränität der Hausherren.

  9. 9
    asca says:

    Schade, dass Ihr schöner Kommentar nicht am richtigen Ort zu lesen ist. Ggf. das nächste Mal nach 18 Uhr hinzufügen – nicht selten ist dies dann bis zu den nächsten werktäglichen Morgenstunden online (außer es wird erst nach moderation freigeschaltet).

    Bzgl. Ihrem Text „obwohl ich mich den Mühen einer Disqus-Anmeldung unterzogen hatte“:
    Das klingt als wären Sie ebenfalls kein Fan dieses „Dienstes“ und Ihr Blog bleibt langfristig Disqus-frei? Dies zu hören ist wie ein kleines Weihnachtsgeschenk, dass dieser Blog damit besuchbar bleibt – zwei andere Blog haben mich wegen dieser Disqus-Seuche als Leser verloren.

    Ein frohes Fest dann Ihnen, Ihren Angehörigen und Mandaten!

    … asca

  10. 10
    Silke says:

    Lieber Herr Hoenig!
    Mit den Jounalisten ist es oftmals so wie mit den Anwälten – viele Vertreter dieses Berufsstandes leiden unter stark ausgepägter Egomanie zumindest stark narzistischem Charakter. (und sind oftmals unfähig mit Kritik umzugehen.) Insofern ist vollkommmen klar, dass IHR Kommentar der „Zensur“ zum Opfer fiel – und der redakteur natürlich NICHT auf Ihr Info-Angebot eingegangen ist. Aber: es wäre nett, wenn Sie mal den betreffenden artikel (oder Link) mit hier einstellen würden – damit sich jeder ein eigenes Urteil von dem Artikel machen kann. Allertdings war die Überschrift/ Einstieg des Artikels natürlich schon von extremer Arroganz geprägt (und juristischer Unkenntnis, da er die Befangenheitsanträge einfach als „überflüssig“ aburteilte. Wie gesagt, das klingt stark nach einem Egomanen, der sich mit seinem Artikel auf Kosten anderer profilieren bzw. wichtig machen will.
    Aber trotzdem noch mal die Bitte: nennen Sie bitte die zeitung und Link, wo der Artikel erschien. (denn die BILD-zeitung war es ja wohl wahrscheinlich eben nicht, obwohl manche das hier so verstanden haben). danke.
    Ihnen und allen anderen hier wünsch ich natürlich ein schönes und vor allem friedliches Fest.

  11. 11
    Klara says:

    Mich hat der Artikel interessiert – gefunden habe ich:

    • Das haben Sie ganz toll gemacht! Und wenn Sie jetzt noch ermitteln, warum ich die Verlinkung zu dem Artikel hier nicht haben möchten, kriegen Sie einen Keks. crh
  12. 12
    Neric says:

    Für Außenstehende und nicht wenige Insider stellt sich der Befangenheitsantrag wie folgt dar: Das Gericht zieht sich ins Beratungszimmer zurück, geht dort einmal um den Tisch, kommt wieder raus und erklärt sich für unbefangen.

    Unterstellt, deutsche Richter entscheiden allesamt ähnlich (Freispruchquote ~3%) und es gibt keine Sicherheit, dass anderere Richter mildere Urteile aussprechen, was bringt ein Befangenheitsantrag – abgesehen von krassen Evidenzfällen – dem Angeklagten wirklich?

    Damit meine ich nicht die Theorie mit ihren wundervollen Konzepten zur Wahrheitsfindung in einem idealtypischen Rechtsstaat, sondern die reale Praxis bei uns vor Ort. An welcher Stelle ist die faktische Überschneidung zwischen Befangenheitsantrag und Homöopathie konkret zugunsten des Angeklagten durchbrochen?

    Erst wenn diese Frage geklärt ist, kann man sich über den Gerichtsreporter lustig machen. Bislang hat der nämlich nur ausgerufen, dass der Kaiser nackt ist. Die typische Rechtfertigung, Kritiker seien entweder dumm oder inkompetent, kann insoweit leider nicht überzeugen, denn so offensichtlich ist das nicht.

    • Es geht hier nicht um Kritik an der Kritik. Sondern einerseits darum, daß der Reporter nicht richtig aufgepaßt hat, und sich andererseits anmaßt, über Dinge zu urteilen, die er, auch wenn er aufgepaßt hätte, offensichtlich nicht begriffen hat. Wenn Sie von Dummheit und Inkompetenz schreiben, könnte das in die richtige Richtung weisen. Anmaßung im Sinne von Arroganz wäre auch noch so ein Gedanke. crh
  13. 13

    @Peter
    Sie kaufen zielführend ein „i“. Richtig so!

    Ich rege zum Verkauf des zur Substituierung ausgeschriebenen (hilfsweise: auszuschreibenden) „e“ an. (so kommt es auf dem Markt nicht so leicht zu Buchstabenengpässen; der Käschfloh wird optimiert)

    Mit tiefbegabten Grüßen (an alle, auch an die weniger Süßen).

  14. 14
    Name, Vorname, Geburtsdatum says:

    Dabei handelt es sich nur um die zielgruppenorientierte Aufarbeitung der Geschehnisse zur Verkaufsförderung des von der Zeitung vertriebenen Abonnements. ;-)

    Insofern tippe ich mal, dass Herr Nebgen richtig liegt.

    Viel Erfolg & schöne Weihnachten (vielleicht auf einer einsamen Berghütte).

  15. 15
    Evi Denz says:

    „mein einigermaßen freundlicher Kommentar“

    Mich beeindruckt immer wieder, wie stark sich die Selbst- und Fremdwahrnehmung desselben Sachverhalts voneinander unterscheiden können.

  16. 16
    WPR_bei_WBS says:

    Was ich aus dem Artikel entnehmen kann, ist folgende Auffassung des Autoreise: Die Befangenheitsanträge wurden mit der Dauer und Art (US-Knast) sowie Folgen der U- / Auslieferungshaft begründet. Dazu meine Frage: Trifft dies zu?

    • Nein. Noch nicht einmal am Rande. Ihre Frage ist ein Beleg dafür, daß es dem Journalisten nicht gelungen ist, die tatsächlichen Themen der Ablehnungsgesuche zu erkennen und zu beschreiben.
       
      Es geht im Schwerpunkt um die Fragen der Zustellungsbevollmächtigung im weitesten Sinn, um die Verletzung des rechtlichen Gehörs und um einen Spezialfall der Vorbefassung. Hätte ich gern in bedarfsgerechten Häppchen serviert, wenn man mich danach gefragt hätte. crh
  17. 17
    Silke says:

    @crh: Mein Tip an Sie (ernst gemeint)
    1. Legen Sie eine Beschwerde beim Deutschen Presserat über diesen Artikel ein. Dieser verstö0t, insbesondere auch mit dem Eingangssatz, gegen die journalistische Sorgfaltstpflicht und den Ehrenkodex der Presse (zum dem sich definitiv die betreffende Zeitung bekennt)
    2. Schicken Sie eine Gegendarstellung (von Ihnen unterschrieben) an die Zeitung und fordern Veröffentlichung. Da Sie durch die falsche, abwertende Darstellung im Artikel („überflüssige Befangenheitsanträge“) persönlich in Ihren Rechten verletzt sind, insbes. in Ihrer Ehre und Sie als beruflich inkompetent dargestellt werden, haben Sie hier mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Anspruch sowohl augf Gegendarstellung wie auch einen Berichtigungsanspruch.
    Und schicken Sie eine Abmahnung (Unterlassungsauddorderung) an die zeitung, mit der Forderung, dass diese falsche, ehrverletzende und Ihre berufliche Reputation schädigende Behauptung/ Äußerung unterlassen wird.
    Nutzen Sie Ihre Rechte (statt hier nur empört über den Redakteur rumzumaulen)

  18. 18
    Mirco says:

    @Silke
    Die Presse und Meinungsfreiheit gilt für die ansonsten altehrwürdige und seriöse Zeitung genauso wie für die Blogbetreiber und -befüller. Die Meinung, dass Befangenheitsanträge in aller Regel überflüssig sind, fällt sicher genauso darunter, wie die Einordnung des Artikel und seines Autors hier.

    @WPR_bei_WBS
    Ich kann bei bestem Willen keine Themen der Ablehnungsgesuche erkennen. Alle Aspekte, die die unakzeptable schreckliche Lage des Mandaten beschreiben, belegen logischerweise die besondere Dramatik als Folge des Fehlverhalten des Gerichts, und werden entsprechend erwähnt, aber müssen inhaltlich nicht unbedingt was mit dem Gesuch zu tun haben.

    @CRH
    Ich kann im Artikel hier keine Argumente gegen „überflüssig“ erkennen und freue mich daher auf die folgenden „Häppchen“ .

  19. 19
    Silke says:

    @ Mirco:
    Sie können mir glauben, dass ich ein sehr großer Fan des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung bin – Art. 5 GG, ebenso wie der Pressefreiheit – zumal ich selbst aus der Medienbranche bin.
    ABER: Unwahre Tatsachenbehauptungen sind nun mal verboten. Und die Presse hat eben nicht nur besondere Rechte – sondern auch PFLICHTEN. Vor allem die PFLCHT zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung. Und die Behauptung im Artikel – fettgedruckter Einstiegssatz, „Der Prozess gegen ….begann mit einem bunten Strauß überflüssiger Befangenheitsanträge“ – ist eben schlichtweg eine falsche Tatscachenbehauptung, die zudem den Verteidiger (also crh) als inkompetenten Anwalt darstellt. Dieser EinstiegsSatz ist eben keine Meinungsäußerung, sondern der Redakteur BEHAUPTET und stellt es so dar, dass es sich um überflüssige Befangenheitsanträge handelt.
    Das ist definitiv unseriös und inakzeptabel von dem Redakteur und ein eklatanter Vertsoß gegen die Sorgfalts/ WahrheitsPFLICHT der Presse. Die bei Berichten über Gerichtsverfahren, und erst recht über Strafprozesse in ganz besonders hohem Maße beachtet werden müssen. Der Redakteur hat keinerlei Recht diese vom Verteidiger gestellten Bef-Anträge als „überflüssig“ zu bezeichnen, er maßt sich damit etwas an, was er nicht darf, berichtet unwahr und manipuliert die Leser. Zu behaupten, die Bef-Anträge seinen „überflüssig“ ist schlichtweg unzulässig, weil es das legitime gesetzliche Recht des Angeklagten bzw. dessen Verteidigers ist, die Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Der Angeklagte hat nämlich einen grundgesetzlichen Anspruch darauf, dass der Strafprozess von unparteiischen und unvoreingenommenen Richtern durchgeführt und geurteilt wird. Und wenn nach Eindruck des Angeklagten/ seines Verteidgers diese Neutralität bei den betreffenden Richtern nicht gegeben ist, hat der Verteidiger eben das Recht – und sogar die PFLICHT (im Interesse seines Mandnaten) solche Befangenheitsanträge zu stellen. Ob diese Bef-Anträge begründet sind oder nicht, darüber entscheidet einzig und allein das Gericht (also andere Richter dieses Gerichts) – und keinesfalls ein kleiner, wichtigtuerischer Lokalreporter der „Frankfurter Rundschau“. (der wahrscheinlich nie in seinem leben auch nur eine einzige Jura-Vorlesung an der Uni besucht hat). Also schlichtweg gar nicht die juristische Kompetenz hat um das beurteilen zu können. Und selbst falls die Bef-Anträge für unbegründet erklärt werden (was allerdings leider oft geschieht, um die eigenen Richterkumpels zu decken) dann waren die Bef-Anträge aber auf gar keinen Fall überflüssig. Denn – wie gesagt – der Verteidiger hat hier von den gesetzlichen Rechten Gebrauch gemacht, um das Grundrecht seines Mandanten auf einen unparteiischen, unvoreingenommen Richter zu schützen. Und daher hat Herr Hönig bezgl. des Einstiegssatzes des Artikels, bezgl. der Tatsachenbehauptung „überflüssige bef-Anträge“ durchaus einen Gegendarstellungsanspruch. Das steht ihm gesetzlich zu gemäß § 10 Hesssisches Pressegesetz. Ach und übrigens, die FR ist schon lange nicht mehr so seriös und bedeutend wie sie mal war; stand 2012/13 sogar schon vor der Pleite/ Einstellung. Naja, kein Wunder bei solch schlechten, oberflächlichen und inkompetenten Artikeln.

  20. 20
    RA Ullrich says:

    @ Neric:

    Sie fragen allgemein nach dem Sinn von Befangenheitsanträgen angesichts der häufigen Ablehnung derselben. Vorauszuschicken ist zunächst, dass „einmal um den Tisch herumgehen und dann ablehnen“ nur bei unzulässigen Befangenheitsanträgen geht (wozu auch solche gehören, die nicht einmal ansatzweise eine diskutable Begründung beinhalten, hier begibt sich das Gericht aber u.U. schon auf dünnes Eis). Zulässige aber möglicherweise unbegründete Befangenheitsanträge gegen alle Mitglieder des Spruchkörpers müssen anderen Richtern vorgelegt werden (was auch der Grund dafür ist, warum zum Leidwesen des inkompetenten Journalisten an diesem Verhandlungstag nichts mehr weiter passierte).

    Mögliche taktische Gründe für ein Befangenheitsgesuch können sein:
    1. Man rechnet tatsächlich damit, dass es für begründet erachtet und ein unliebsamer Richter aus dem Verfahren entfernt wird (ja, das gibt es gelegentlich)
    2. Man hofft darauf, dass es zu Unrecht abgelehnt wird und man deshalb für den Notfall wegen der Mitwirkung eines befangenen Richters einen schönen absoluten Revisionsgrund in der Hinterhand hat (das kann man in der Revision nämlich nur rügen, wenn der Befangenheitsantrag auch gestellt wurde).
    3. Man will – aus welchen taktischen Gründen auch immer – Zeit schinden.
    4. Man will dem Gericht einen Warnschuss verpassen, um prozessuale Unregelmäßigkeiten abzustellen, gegen die eine separate Beschwerde nicht zulässig ist (kann durchaus helfen, da der erfolglos abgelehnte Richter danach häufig darauf achtet, sich keine Blöße mehr zu geben, die möglicherweise doch noch zu einer erfolgreichen Ablehnung führen könnte).

    Nr. 3 und Nr. 4 wollen allerdings gut überlegt sein, da der erfolglose Befangenheitsantrag oft zu einem sehr eisigen Verhandlungsklima führt, welches den erzielten Vorteil u.U. nicht wert ist.

  21. 21
    HugoHabicht says:

    Das mit der Dauerredner-Koryphäe scheint gesessen zu haben. Dass der betroffene Journalist so arg viel mißverstanden hat, kann man dem Artikel sonst nämlich nicht entnehmen. Im wesentlichen geht es darin um den (angeblichen) Sachverhalt als solchen und kaum um die mündliche Verhandlung, zu der es ja auch offenbar nicht viel zu schreiben gibt. Da habe ich schon deutlich schlechtere Artikel über Gerichtsverfahren gelesen. Schön finde ich ja die Wortneuschöpfung „Hilsbetrüger“.

    @Neric
    Befangenheitsanträge werden manchmal mit Blick auf eine mögliche Revision gestellt. Dann können sie durchaus durchschlagende Wirkung entfalten.

  22. 22
    Mirco says:

    @Silke
    Ich sehe „überflüssig“ mehr als Meinung und weniger als Behauptung, eine Meinung, mit der Autor auch nicht alleine dastehen wird, wenn die Anträge abgelehnt werden sollten. Selbst wenn der Antrag erfolgreich sein sollte, kann man immer noch der Meinung sein, er wäre überflüssig, weil der nächste Richter den Angeklagten genauso verurteilen würde.

  23. 23
    Silke says:

    @ Mirco
    So wie es im Artikel formuliert wurde, stellt es eine Tatsachenbehauptung dar, keine Meinungsäußerung. Im übrigen muss bei solchen Sachen ohnehin der Kontext beachtet werden, in dem die Äußerung gefallen ist. hier: Gerichtsbericht in einer Zeitung – mit besonders hoher Verpflichtung zu seriöser, wahrheitsgetreuer Berichterstattung.
    Im Übrigen: Sie haben eine recht merkwpürdige Rechtsauffasssung, wenn Sie ernsthaft meinen, der Bef-Antrag wäre auch dann überflüssig, wenn er für begründet erachtet würde. weil ja ein anderer Richter den Angeklagten auch verurteilen würde..
    Bei Ihnen steht also schon von vornhetrin fest, dass der/ die Richter (egal welche) den Angeklgten verurteilen werden.
    Tja – dann braucht man ja eigentlich auch gar keine Verhandlung – jedenfalls gemäß Ihrer Logik, wenn ja die Verurteilung schon feststeht. Da kann man sich das ganze Gerichtsverfahren ja eigentlich sparen. Überflüssige Befangenheitsanträge und überflüssige Verhandlung…

  24. 24
    Mirco says:

    @Silke
    Ich bitte zu unterscheiden zwischen dem, was eine Meinung ist und dem, was meine Meinung sein könnte.

  25. 25
    M.A.S. says:

    @Silke: „So wie es im Artikel formuliert wurde, stellt es eine Tatsachenbehauptung dar, keine Meinungsäußerung.“ Interessant. Das haben Sie entschieden oder doch jemand, der dafür relevant ist? Das gilt übrigens auch für all die anderen Aussagen, die Sie hier als Fakten in die Welt blasen.

    „Gerichtsbericht in einer Zeitung – mit besonders hoher Verpflichtung zu seriöser, wahrheitsgetreuer Berichterstattung.“ Diese Verpflichtung gibt es, sogar eine besonders hohe? Oder ist das nur etwas, was wir gern so hätten?

  26. 26
    Silke says:

    @ M.A.S.
    Ich empfehle Ihnen mal einen Blick in die höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere Bundesverfassungsgericht, zum Thema Presserecht und Äußerungsrecht. Ich kenne mich damit jedenfalls recht gut aus, (offenbar im Gegensatz zu Ihnen) – zumal ich selbst schon einige Gerichtsverfahren zu diesem Thema geführt habe.
    Und eine gesetzliche PFLICHT zu seriöser, wahrheitsgetreuer Berichterstattung gibt es tatsächlich – auch wenn Sie das anzweifeln, das können Sie nachlesen in jedem Landespressegesetz – und ist zudem im sogenannten Pressekodex (Ehrenkodex der Presse) verankert, zu dem sich nahezu alle deutschen Tageszeitungen (Verkaufszeitungen) verbindlich verpflichtet haben.
    (auch wenn sich an die Wahrheitspflicht manche Redakteure/ zeitungen leider nicht halten – aber genau daraus entspringen dann Gegendarstellung, Berichtigungs – und Unterlassungsansprüche gegen diese Zeitung/ Redakteur). Der Gegendarstellungsanspruch ist ebenfalls verbindlich in jedem Landespressegesetz verankert.
    In diesem Sinne wünsche ich allen ein Gutes neues Jahr.

  27. 27
    M.A.S. says:

    Niemand kann und wird irgendeinen Zweifel daran haben, daß Sie sich aus eigener Prozeßerfahrung insbesondere mit der höchst- und ganz allgemein mit der richterlichen Rechtsprechung zum Thema Presserecht und Äußerungsrecht recht gut auskennen und deshalb dem Hausherrn dieses Blogs hilfreich zur Seite treten können (aus lauter Bescheidenheit in der Anonymität des Internetes), hat er doch oft genug betont, in zivilrechtlichen Angelegenheiten rechtliche Unterstützung zu benötigen.

    Ihr Urteil wird er sicher besonders zu schätzen wissen, kann er doch in diesem Fall auf dieses Utensil (https://i0.wp.com/www.kanzlei-hoenig.de/wp-content/uploads/info/2008/12/kugel02-1024.jpg) verzichten.

  28. 28
    Waschi says:

    @Silke:
    Nun hat aber Herr Hoenig in der Überschrift des Blogbeitrags ja selbst behauptet, der Reporter sei überflüssig. Ist das nicht dann auch eine Tatsachenbehauptung? Muss C.R.H. jetzt eine Gegendarstellung veröffentlichen mit dem Inhalt, er habe zwar noch nicht genau herausgefunden, wozu der Reporter zunutze sein soll, er sei aber wohl doch nicht überflüssig? Oder ist der Reporter gar wirklich überflüssig? Wenn ja, wie kann CRH das beweisen? Gibt es dafür Sachverständige? Fragen über Fragen… aber als Spezialistin können Sie die sicher auch beantworten.

  29. 29
    Silke says:

    @ MAS
    :))) – witziges Foto
    @Waschi
    Die Überschrift von crh „Überflüssiger Reporter“ ist unschwer erkennbar Ironie/ Satire und auch als Meinung von crh erkennbar, und damit natürlich gedeckt von Art. 5 GG. Außerdem gibt es im Äußerungsrecht das „Recht zum Gegenschlag“ (auch höchstrichterl. bestätigt), d.h., wer öffentlich verbal angegriffen wird, darf verbal zurückschlagen, durchaus auch mit deutlichen, drastischen Worten. (Nicht erlaubt sind natürlich sogenannte „Formalbeleidigungen“ wie etwa das berühmte „A—loch“ u.ä.). Eine Gegendarstellungsforderung braucht Herr Hoenig deswegen jedenfalls definitiv nicht befürchten. Ist ja auch eher harmlos die Bemerkung. Im übrigen würde ich Herrn Hoenig empfehlen, sich wenigstens bei der Chefredaktion über den Artikel, konkret über die unzulässige Behauptung zu beschweren, seine Befangenheitsanträge seien überflüssig. Denn ich vermute mal, crh wird sich das wohl (leider) doch nicht trauen, eine Gegendarstellung und/ oder berichtigung bei der Zeitung einzufordern. Insofern waren meine gutgemeinten Hinweise wohl sowieso umsonst. Sozusagen „überflüssig“. ::))
    Außerdem habe ich fast die Befürchtung, dass ich Herrn Hoenig mit meinen Tips eher etwas verschreckt habe. Er gibt gar keinen Mucks mehr von sich. Vielleicht traut er sich jetzt gar nichts mehr zu sagen…was sehr schade ist.
    Das war natürlich nicht meine Absicht.
    Aber vielleicht schreibt er ja doch gerade an einer gepfefferten Unterlassungsklage an den überflüssigen Reporter…und hat daher keine zeit.
    ich jetzt aber auch nicht mehr.
    Nochmals: allen einen guten Rutsch und viel Glück für 2017!

  30. 30
    Mirco says:

    @Silke
    Mit dem „Recht zum Gegenschlag“ werfen Sie eine interessante Frage auf. Schränkt man sich mit dem Gegenschlag das Recht auf Unterlassung oder Gegendarstellung ein?

    Bei der Tatsachenbehauptung fehlt mir immer noch die Tatsache in „überflüssig“, also der Maßstab, der daraus die wahre oder falsche Aussage erkennen lässt.

  31. 31
    Silke says:

    @ Mirco
    der verbale Gegenschlag grenzt den (ursprünglichen) Gegendarstellungsanspruch nicht ein. Die Gegendarstellung muss an gleicher Stelle in der Zeitung veröffentlicht werden, wo der Artikel (bzw. die beanstandete Äußerung) stand, also gleiche Seite, gleiche Größe. Übrigens muss für den Gegendarstellungsanspruch die beanstandete Äußerung/ Behauptung nicht mal unbedingt falsch sein. (Im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch, der ist nur berechtigt bei wirklich falschen Tatsachenbehauptungen oder „Schmähkritik“)
    Für alle weiteren Fragen diesebzüglich wenden Sie sich dann aber mal bitte an einen FA für Presserecht, ich hab nicht so viel zeit, hier auf weitere Fragen zu diesem Thema zu antworten.
    Und bezügl. der „überflüssigen“ Bef-Anträge hatte ich schon weiter oben ausgeführt, weshalb das in diesem konkreten Artikel als Tatsachenbehauptung gewertet werden muss. Weil es der Redakteur eben als dogmatische Tatsachenbehauptung dargestellt hat. Und eben nicht als seine persönl. Meinung. Das hätte er ja tun können, zum bsp. so: „Der Prozess gegen .. begann mit einem bunten Strauß von Befangenheitsanträgen, die wohl überflüssig sein dürften.“ Dann wäre es erkennbar seine Meinung gewesen, obwohl die Bef-Anträge trotzdem nicht überflüssig waren. Aber so hat er es nicht formuliert. Sondern hat ganz bewusst behauptet, DASS die Befangenheitsanträge überflüsssig waren – und damit auch beim Leser den Eindruck erweckt, dass der Strafverteidiger inkompetent ist und unsinnige, überflüssige Anträge stellt und unsinnige Prozesshandlungen begeht.
    Im Übrigen: auch das Bild mit dem „bunten Strauß“ (überflüssiger Bef-Anträge) ist schlichtweg absurd und ein völlig falsches sprachliches Bild.
    Was haben die drei Befangenheitsanträge mit einem bunten Blumenstrauß zu tun?! : NICHTS.
    Eine falsche, unsinnige Metapher. (Zumal die drei Befangenheitsanträge inhaltlich wahrscheinlich weitestgehend identisch waren, nur eben extra gegen jeden einzelnen der drei (Berufs)-Richter gestellt wurden. So wie es Vorschrift ist, weil ein gegen die gesamte Kammer gestelltes Ablehnungsgesuch schon deshalb unzulässig wäre, (weil eben jeder Richter einzeln abgelehnt werden muss). Wegen dem unsinnigen und unpassenden Sprach-Bild mit dem „bunten Strauß“ gibt es aber natürlich keinen Gegendarstellungs- o. Unterlassungsanspruch (da Herr Hönig dadurch ja nicht in seiner Ehre/ Persönl.Recht/ Reputation verletzt ist) – sondern das ist schlichtweg schlechter Journalismus. Sprachliche Inkompetenz des Redakteurs

  32. 32
    Nero says:

    Kleiner Hinweis für Pedanten: Bei der Google-Suche nach dem Artikel den Suchbegriff nicht mit “ einschließen, da „Der Prozess beginnt mit einem bunten Strauß überflüssiger Befangenheitsanträge“ kein exaktes Zitat ist.

    P.S.; Wenn der/die Angeklagten damit durchkommen, gerate ich in Versuchung, die selbe Businessidee zu melken. Offensichtlich bietet diese dem Kunden einen echten Mehrwert.