Überlastet, krank, Urlaub, Rücksprache

In einer Verkehrsunfallsache meldet sich eine Groooooßkanzlei für den von unserem Mandanten verklagten Versicherer. Die Kanzlei verfügt bundesweit über fünf Niederlassungen. An dem Standort, von dem aus die Klage bearbeitet werden soll, arbeiten grob geschätzt 40 bis 50 Kollegen (jedenfalls soviel, daß die Grenzen des Zahlenraums, den ein durchschnittlicher Strafverteidiger beherrscht, deutlich überschritten ist).

Auf die Fristsetzung zur Klageerwiderung schreiben diese Kollegen an das Landgericht Berlin:

Überlastung

Die Kollegen tun mir echt Leid. Alle überlastet. Alle krank. Alle im Urlaub. Und dann auch noch der Versicherungsnehmer, mit dem man sich unterhalten muß. Gute Güte. #mimimimi

Obiter dictum:
Was – bitteschön – ist eine krankheitsbedingte Urlaubsvertretung?

Dieser Beitrag wurde unter Unfallrecht, Zivilrecht veröffentlicht.

16 Antworten auf Überlastet, krank, Urlaub, Rücksprache

  1. 1
    Tom says:

    „Was – bitteschön – ist eine krankheitsbedingte Urlaubsvertretung?“
    Bei uns(keine Rechtanwaltskanzlei) heißt das übersetzt::
    Müller ist im Urlaub, Schulz sollte vertreten hatte aber keine Lust und sich-bevor er unter der Arbeit zu sammenbricht- krank gemeldet. Da niemand im Büro Müller und Schulz leiden kann, läßt man deren Scheiß halt liegen. Sollen die sich doch drum kümmern wenn die wiederkommen.

    Ist doch ganz einfach oder?

  2. 2
    RA Anders says:

    Burnout in Urlaub vielleicht?

  3. 3
    WPR_bei_WBS says:

    Aber Sie haben noch nie um Fristverlängerung gebeten, oder? ;-)

    • Dochdoch. Nur sind unsere Textbausteine dafür nicht so verschwurbelt und – vor allem – gekennzeichnet von Selbstbewußtsein. crh
  4. 4
    Charlie says:

    @Tom: Nö, das ist ein kleinwenig anders.
    In diesen Großbuden muss den Kleinkram – so ne popelige VU-Sache – immer der Dienstgrad-Jüngste machen … also Schnulli.
    Die etwas größeren Sachen macht Müller, und der hat Urlaub. Dabei wird er eigentlich von Schulz vertreten … aber der ist jetzt leider krank geworden und kann die Urlaubsvertretung nicht machen.
    Die Müller-Sachen sind aber auch noch ziemlich popelig, und deswegen hat niemand sonst Lust, sich um die Urlaubsvertretung zu kümmern … man muss ja schließlich die wirklich großen Sachen machen.

    Damit bleibt die Urlaubsvertretung für Müller – krankheitsbedingt, weil nämlich Schulz nicht da ist – an Schnulli hängen, weil der sich nicht wehren kann.

    Und der hat dann – wegen krankheitsbedingter Urlaubsvertretung – für seine eigenen Popelsachen keine Zeit mehr. Also braucht er Fristverlängerung, bis Müller wieder da ist.

    Klar? ;-)

  5. 5
    K75 S says:

    Und dann auch noch der Versicherungsnehmer, mit dem man sich unterhalten muss.

    Wieso soll der Vertreter des Versicherers (hinter Ihrem Rücken?) direkt mit Ihrem Mandanten reden?

  6. 6
    von Kiedrowski says:

    @K75 S:
    Kanzlei Hoenig vertritt nicht den Versicherungsnehmer, sondern den Unfallgeschädigten, und hat den Unfallverursacher und/oder dessen Versicherung verklagt. Der Verursacher ist im Verhältnis zu seiner Versicherung der Versicherungsnehmer.

  7. 7
    Drucker says:

    Die Formulierungskünste des Textbausteinbevollmächtigten lassen wohl tatsächlich zu wünschen übrig.

    Was die eigentliche Sache angeht: Man kann da natürlich an Hackordnung und Unlust denken. Aber kann es nicht ebenso sein, dass sich da einer der Anwälte intensiv ins Thema eingearbeitet hat, temporär ausfällt und seine Kollegen die Sache bei ihm lassen möchten, um ihren Klienten optimal zu betreuen, statt die Sache von einer Vertretung nebenbei erledigen zu lassen? Ehe man nicht weiß, was dahintersteckt, sollte man sich nicht auf die schlechtestmögliche Interpretation versteifen.

  8. 8
    alter Jakob says:

    @ von Kiedrowski: Laut Sachverhalt ist der Mandant der Gegenseite aber doch der Versicherer. Zumindest meldet sich die „Grooooßkanzlei für den von unserem [Kanzlei Hoenigs] Mandanten verklagten Versicherer“ (siehe Einleitung).

    Die gegnerische Kanzlei sollte also mit dem Versicherungs“geber“ reden, nicht mit dem Versicherungsnehmer.

    • Der Versicherungs“geber“ (korrekt: der Versicherer oder die Versicherung) war aber bei dem Unfall nicht dabei. crh
  9. 9

    @K75 S:

    Sorry, da habe ich in meinem Blogbeitrag zuviel vorausgesetzt: Der Kollege von Kiedrowski hat es aber schon gut zusammengefaßt.

    Wir vertreten den Geschädigten und haben den Fahrer, den Halter des Fahrzeugs und den Versicherer auf der Gegenseite. Der Versicherer beauftragt idR seinen Lieblingsanwalt – hier die Großbude -, der sich dann bei Fahrer (und Halter) die Informationen abholfen muß. Das ist manchmal recht mühsam, weil dem Fahrer es oft völlig Brause ist, ob und wie der Unfallschaden reguliert wird. Dann kann es dort schonmal zu Problemen bei der Abwehr der Schadensersatzansprüchen kommen. Das ist dann in der Praxis sehr oft auch ein Grund für Fristverlängerungsanträge.

    Ich kenne einen Teil der Senioren aus der genannten Großkanzlei persönlich und weiß aus eigener Anschauung, daß dort solides Handwerk abgeliefert wird. Aber dem zitierten Textbaustein konnte ich dann doch nicht widerstehen …

  10. 10
    alter Jakob says:

    Wenn wir Erbsen zählen, dann schon bitte richtig:
    So wie man einen Versicherten auch Versicherungsnehmer nennen kann, kann man den Versicherer auch „korrekt“ Versicherungsgeber nennen.

    http://www.duden.de/rechtschreibung/Versicherungsgeber

    Und wenn die Großkanzlei sagt, sie müsse mit ihrer Mandantschaft reden, dann ist das nunmal der Versicherungsgeber und nicht der Unfallverursacher (Ich glaube natürlich trotzdem, dass Sie wissen mit wem die tatsächlich geredet haben).

    • Wenn ein Geschädigter den gegnerischen Haftpflichtversicherer und dessen Versicherungsnehmer (den Fahrer) gleichzeitig verklagt (was wir regelmäßig für unsere Mandanten machen), muß letzterer seinem Versicherer – der schließlich auch das Kostenrisiko allein trägt – die Prozessführung überlassen und der von dem Versicherer beauftragten Kanzlei auch eine Vollmacht für seine Vertretung erteilen, §§ 7 und 10 AKB.

      Übrigens: Schön, daß Sie an etwas glauben. Ist ja auch Ostern dieses Wochenende. crh

  11. 11
    le D says:

    Und, habt Ihr die Großbutze zur Arbeit gezwungen? § 225 II Var 2 ZPO

    • Unser Mandant hat Zeit. Viiiiiel Zeit. § 288 ZPO. crh
  12. 12
    Treysse says:

    Welche Grosskanzlei übernimmt denn solche Mandate?

    • Kanzleien, deren Mandanten große (Versicherungs-)Unternehmen sind, bekommen von denen nicht nur die Dickschiffe übertragen, sondern auch das Alltagsgeschäft.

      Und gerade bei Versicherern ist es an der Tagesordnung, daß sie zur Abwehr von Klagen ihrer Versicherungsnehmer – insbesondere vor den Landgerichten, §§ 78 ZPO, 46c BRAO – externe Anwälte beauftragen. crh

  13. 13
    BV says:

    @ le D, # 11:

    Man kann über § 225 II ZPO den Gegner nicht zur Arbeit zwingen. Man kann lediglich dem Gericht mitteilen, dass man gegen die zweite Fristverlängerung ist. Das Gericht entscheidet dann trotzdem selbst über den Antrag; eine Zustimmung der Gegenseite ist keine Voraussetzung für eine weitere Fristverlängerung.

  14. 14
    WPR_bei_WBS says:

    @crh:
    Das ist das erste mal dass ich höre, dass jemand eine Großbude des mangelnden, nach außen zur Schau getragenen, Selbstbewußtseins bezichtigt :-).
    Aber ich denke auch: Der arme Senior Associate mit Verantwortung für „Process and efficiency improvement & maintenance“ (= der Textbaustein-Mensch) wird wohl eine auf den Deckel bekommen, dass er die Arbeit vom Junior (oder Referendar) nicht vernünftig gegengelesen hat, so denn sein Partner hier mitliest :-).

  15. 15
    Mörki says:

    Ab welcher Größer ist eine Bude groß?

    • Darf ich Ihre Frage weiterleiten an das Eichamt, das Ihnen sicher ganz exakte Zahlen nennen wird? crh
  16. 16
    Profidilletant says:

    Vielleicht ist die Erklärung ganz einfach: bei den Kollegen wird Urlaub als eine Art Krankheit angesehen!