Unangenehm

Ein Zeuge hat Pflichten, die manches Mal unangenehm sein oder werden können. Und wenn dann auch noch die Ermittlungsbehörde die Arroganz der Macht durchblicken läßt, wird es problematisch mit dem Zusammenspiel zwischen Ermittlern und Zeugen.

Die Polizei wollte mit dem Zeugen sprechen, deswegen sollte er auf die Polizeidienststelle kommen. Aber ein Zeuge ist nicht verpflichtet, der Ladung der Polizei zu folgen und/oder auszusagen. Dazu hatte der Zeuge in diesem konkreten Fall aber weder Zeit, noch Lust. Das hat der Beamte der Amtsanwaltschaft gepetzt. Deswegen schreibt nun der Amtsanwalt dem Zeugen einen Brief:

Unannehmlichkeiten

Nun hat der Zeuge die Wahl:

  • Opfert er freiwillig (!) seine Zeit und stattet der Polizei einen Besuch ab?
  • Oder wartet er schlicht ab, ob der Amtsanwalt die Unannehmlichkeit auf sich nimmt, eine Zeugenvernehmung zu organisieren (und hofft insgeheim darauf, daß es dem Ermittler zu unangenehm ist, sich mit dem Volk abzugeben)?

Mir stößt der vorletzte Satz dieses Briefes unangenehm auf:

Die völlig entbehrliche Drohung mit dem empfindlichen Übel für den Fall, daß der Zeuge einer amtsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Ladung nicht folgt, macht auf mich einen eher hilflosen Eindruck.

Einerseits wirbt die Ermittlungsbehörde – durchaus nachvollziehbar – um Verständnis für die Zeugenladung; auf der anderen Seite liefert sie aber genau den Grund, weshalb sich der Bürger so weit wie möglich fernhalten sollte von Amtsanwälten, die es für erforderlich halten, mit Roßtäuschertricks zu arbeiten.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Zeugen veröffentlicht.

19 Antworten auf Unangenehm

  1. 1
    Waschi says:

    Worin soll da eine Rosstäuscherei liegen?

    Was in dem Schreiben steht, ist inhaltlich völlig korrekt (was bei einem behördlichen Standardschreiben selbstverständlich ist), und es ist auch nicht irgendwie (bewusst) missverständlich formuliert (letzteres ist nicht ganz so selbstverständlich).

    • Der Hinweis auf die Ordnungsmittel ist mißtverständlich, jedenfalls für die meisten meiner Mandanten. Der Zeuge kann erst dann mit diesen empfindlichen Übeln überzogen werden, wenn er einer (qualifizierten) Ladung der Amts-/Staatsanwaltschaft nicht folgt. Mit dieser Art der Belehrung entsteht bei dem (juristisch) unausgebildeten Menschen aber der Eindruck, daß das Ordnungsgeld bereits fällig wird, wenn er der (nächsten) polizeilichen Ladung nicht Folge leistet. Diese Täuschung ist geschickt, eben weil sie – aus der Ferne betrachtet – juristisch korrekt ist. Aus der Sicht des Erklärungsempfängers jedoch entsteht ein falscher Eindruck; und genau damit „spielt“ die Ermittlungsbehörde. Das ist Rosstäuschung auf hohem Niveau, und deswegen verwerflich. crh
  2. 2
    WPR_bei_WBS says:

    Eben, der Ton macht die Musik. Wenn die Polizei schon mit einer „Vorladung“ kommt (und der Amtsanwalt von ‚unentschuldigt‘ faselt) würde ich auch auf quer stellen. Wie wäre es denn, mal nett anzufragen wann es einem passen könnte – anstatt sich die eigene Arbeit dadurch leicht zu machen, indem man über anderer Leute Zeit verfügen will.

    Ach, eine Alternative hätte ich noch: Einfach solange wie möglich *entschuldigt* fernbleiben ;-)

    • Der zivile Ungehorsam ist sehr oft eine effektive Methode, um dem Amtsmann das Leben nicht leicht zu machen. Aber Vorsicht beim Spannen des Bogens! crh
  3. 3
    Waschi says:

    @crh:
    Dass Staatsanwaltschaften gelegentlich mit juristisch korrekten, aber bewusst missverständlich formulierten Texten arbeiten: geschenkt. Wobei man darüber streiten kann, ob das nun gleich „verwerflich“ ist.

    Aber im vorliegenden Text ist nun wirklich sehr klar formuliert, dass die Aufforderung, zur Polizei zu gehen, nur eine Bitte ist und die Daumenschrauben erst ausgepackt werden, wenn auch diese Bitte ignoriert wurde. Das geht nicht nur aus den Formulierungen hervor, sondern auch aus der Gliederung des Schreibens in Absätze.

  4. 4
    BV says:

    Die Sorge im Kommentar zu Kommentar #1 trage ich eher nicht. Der Hinweis auf die Ordnungsmittel bezieht sich doch sehr deutlich auf das Ausbleiben zur amts-/staatsanwaltschaftlichen bzw. richterlichen Vernehmung.

    Man mag sich darüber streiten, ob ein solcher Hinweis in den Hinweis gehört. Aber er ist nicht falsch und durchaus eine sinnvolle Ergänzung, wenn sich der „renitente“ Zeuge möglicherweise ansonsten überlegt, auch dieser Vernehmung trotz Verpflichtung fernbleiben zu wollen.

    Letztlich handelt es sich bei dem Schreiben um eine argumentative Bitte, die nach meiner Lesart nicht besonders scharf formuliert ist.

  5. 5
    Ellen says:

    Ich stimme Waschi zu.

    Dass ein Ordnungsgeld erst dann fällig wird, wenn man einer staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Ladung nicht nachkommt, ergibt sich aus den beiden Sätzen davor. Denn wo keine Verpflichtung, da auch kein Ordnungsgeld. Ich sehe hier keine Täuschung.

  6. 6
    Marner says:

    Vielleicht sollte man der EINladenden Polizeidienststelle ein nettes Angebot bezüglich Termin, Fahrtkosten- und Aufwandsentschädigung unterbreiten und abwarten ob die Sache dann noch so dringend ist.

  7. 7

    @Waschi

    Sie sind gerade Opfer dieser Formulierung geworden – denn Sie haben es – genau wie vermutlich 90% der Laien – exakt falsch verstanden, so wie es vom Verfasser des Schreibens natürlich auch gewollt war.

    > Aber im vorliegenden Text ist nun wirklich sehr
    > klar formuliert, dass die Aufforderung, zur Polizei
    > zu gehen, nur eine Bitte ist und die
    > Daumenschrauben erst ausgepackt werden,
    > wenn auch diese Bitte ignoriert wurde.

    Genau das ist nämlich falsch. Die Daumenschrauben werden erst ausgepackt, wenn er der richterlichen Ladung nicht nachkommt.

  8. 8
    Waschi says:

    @Der Adminblogger:
    ich habe das Schreiben schon richtig verstanden. Anscheinend kenne ich mich aber besser mit mittelalterlichen Foltermethoden aus. Da wurden die Daumenschrauben und andere Werkzeuge nämlich nicht gleich nach dem Auspacken angewendet, sondern erstmal vorgezeigt.

  9. 9

    @All:

    Die Diskussion darüber, wie was zu verstehen ist, belegt meine These, daß die Hinweise derf AA (bewußt?) so formuliert wurden, daß sie mißverständlich sind. Und genau das prangere ich an.

  10. 10
    jj preston says:

    @crh

    Ich sehe das ganz ähnlich.

    Wie heißt es noch so schön? „Wer ficken will, muss freundlich sein.“ Müssten eigentlich alle Beamten kennen, die spätestens in den 80er Jahren pubertiert haben. Sollten sie vielleicht auch mal beherzigen. Dieser „Seit 5 Uhr 45“-Charme scheint ja in diesem und einigen anderen Fällen wenig erfolgversprechend zu sein – berechtigtes Sachinteresse hin oder her.

  11. 11
    Chak says:

    Das so viele Kommentatoren das Schreiben als in Ordnung ansehen zeigt das Problem.

    Warum soll man in einer freundlichen Bitte auch gleich das emfindliche Übel für einen sehr viel späteren Schritt androhen?

    Ich würde da auch auf stur schalten, insofern wären derartige unterschwellige Drohungen eher kontraproduktiv.

  12. 12
    Waschi says:

    Vielleicht sollte man mal klarstellen, dass es nicht zwingend zum Selbstverständnis von Amts- und Staatsanwälten gehört, besonders zuvorkommend oder nett zu sein. In diesem Kontext finde ich das Schreiben ausgesprochen freundlich formuliert. Ich kenne sowas eher ohne den ersten, an die Bürgerpflicht appellierenden Teil.

    Und ja: Es gibt Schreiben der Strafverfolgungsbehörden, die auf mehr oder weniger subtile Weise missverständlich formuliert sind. Und das geschieht dann oft auch nicht versehentlich, sondern absichtlich. Wobei die Absicht dabei oft weniger beim konkreten Absender des Schreibens liegt (hier der Amtsanwältin), sondern bei demjenigen, der sich den Text ausgedacht hat. Denn oft sind das vorgefertigte Textbausteine.

    ABER:
    – Ich finde, die Kritik passt zum vorliegenden Fall nicht, denn das Schreiben ist in dieser Hinsicht vergleichsweise deutlich.

    – Und ich sehe nach wie vor nicht, warum das problematisch sein soll. Solange das Schreiben für einen durchschnittlichen, aufmerkamen Leser noch verständlich ist, ist es vielleicht nicht besonders zuvorkommend, die Unachtsamkeit eines Empfängers auszunutzen. Aber wie gesagt: es ist auch nicht Sinn der Sache, sich besonders zuvorkommend zu verhalten.

  13. 13
    J.K. says:

    @Marner [6]
    So ein ’nettes Angebot bezüglich Termin, Fahrtkosten- und Aufwandsentschädigung‘ habe ich einer Polizeidienststelle mal gemacht. Daraufhin hat eine dieser Personen bei mir angerufen (!) und was von staatsbürgerlicher Pflicht etc. gefaselt.
    Meine Antwort war knapp: Lesen bildet, z.B. § 25 BPolG. Und der Hinweis, das ich weitere Anrufe als Belästigung einstufen werde.
    Daraufhin kam eine Gebrüll was mich zum Auflegen veranlasst hat. Nie wieder was gehört.

  14. 14
    sunny says:

    Also ich finde das Verhalten des Beamtens fuer (relativ) verwerflich, haette aber als Laie der mehrere Lawblogs liest und schon ein dutzend verschiedener Gesetzesbuecher las (die nicht das SGB sind) haette das eindeutig verstanden als Offerte mir den Stress mit dem Staatsanwalt zu ersparen (was ja nicht der Wahrheit entspricht)
    im Gegensatz zu anderen Schreiben die ich auf Blogs sah, wo ein wesentlich eindeutigerer Zwang dargestellt wurde.

  15. 15
    Willi says:

    Noch mal zurückkommen auf die Frage mit der Fahrtkostenerstattung, Verdienstausfall etc.
    Bei der polizeilichen Vorladung bekommt man nichts, korrekt? Ist ja halt auch freiwillig.
    Wie ist das bei der richterlichen Vorladung, da muss man ja zwingend erscheinen. Wird da dann auch Arbeitszeitausfall entschädigt und Fahrkosten erstattet?

  16. 16
    Pit says:

    @ Willi:

    Das ist so nicht richtig. Selbst für die polizeiliche Zeugenvernehmung bekommt der Zeuge eine Entschädigung nach dem JVEG. Mit der Freiwilligkeit des Zeugen, bei der Polizei zur Vernehmung zu erscheinen, hat das nichts zu tun.

  17. 17
    Grundgesetz says:

    Geschickt gemacht, ein Übel anzudrohen für eine Sache die noch gar nicht relevant ist.
    Mit dem Trick nutzt man die schwache Lesekompetenz großer Teile der Bevölkerung aus.

    Ein Beispiel: Die Firma gibt die Unterlagen für die Urlaubsplanung vom kommenden Jahr heraus. Darin werden die Mitarbeiter „angehalten“ alle Urlaubstage zu verplanen. Keiner der gewerblichen Mitarbeiter die ich dort kannte, haben geschnallt, das es keine Pflicht gibt, alle Urlaubstage zu verplanen.

    Vor allem Zuwanderer sind besonders stark betroffen. Selbst wenn diese gut deutsch können, bleiben ihnen doch etliche Feinheiten verborgen.

  18. 18
    NeiHuem says:

    Entweder ist es eine Bitte, oder man erwähnt Daumenschrauben. Tut man letzteres, ist es keine Bitte mehr.

    Und „unentschuldigtes“ Fernbleiben bei einer freiwilligen Sache…?

    „Es ist zwar legal, aber genau das ist das Problem: _dass_ es legal ist.“ (John Oliver in anderem Kontext)

  19. 19
    Bin erstaunt says:

    Ein Bekannter* hat vor einiger Zeit nach der Vorladung durch die Polizei und der „Ermahnung“ durch den StA (er hatte abgesagt) ebenfalls eine nochmalige Vorladung durch die Polizei erhalten, und die war folgendermaßen überschrieben:
    „Vorladung auf staatsanwaltschaftliche Anordnung“ und weiter unten dann „Bei der schriftlichen Anordnung durch die Staatsanwaltschaft kann bei unentschuldigtem Fernbleiben die Vorführung angeordnet werden.“
    Also wenn das nicht BEWUSSTE Irreführung ist, was dann?