Strafrecht soll jetzt einfacher gemacht werden. Jedenfalls ein Teil. Auch wenn ich strafrechtlichen Reformvorhaben stets skeptisch gegenüberstehe: Das hier könnte was werden. Jedenfalls grundsätzlich.
Eigentlich habe ich Rechtswissenschaft studiert, weil ich nichts mit Mathematik zu tun haben wollte. Daraus wurde nichts: Ohne Rechnerei kommt man auch als Jurist(*) nicht aus. Das merkt der Advokat spätestens bei der Abrechnung seiner Vergütung.
Aber dann sollte es wenigstens ein Rechtsgebiet sein, wo sich das Rechnen auf ein Minimum beschränkt: Also Strafrecht. Auch daraus wurde nichts. Selbst in Kapitalstrafsachen wie Mord und Totschlag wird gerechnet, und wenn es nur die Rückrechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit ist.
Schließlich kam es erstens schlimmer und zweitens als ich mir hätte träumen lassen. In meinen 20 Jahren Tätigkeit als Strafrechtler habe ich meinen Lebensunterhalt überwiegend mit Betrug, Untreue, Urkundenfälschung, Insolvenzstraftaten und vergleichbaren Sachen verdient. In diesen Sachen geht es fast ausschließlich um’s Geld, und damit um Zahlen.
In den letzten Jahren holten mich weitere Unbillen ein: Die Strafverfolgungsbehörden entdeckten zunehmend den Verfall und die Einziehung (§§ 73 – 76a StGB), die in der Strafprozeßordnung durch die Buchstabenparagraphen wie §§ 111b ff StPO begleitet werden. Allein diese Vorschriften sind schon nur für Erwachsene geeignet.
Aber, wie geschrieben: Es geht noch schlimmer. Man schaue sich nur mal die Sicherstellung durch dinglichen Arrest nach § 111d StPO an. Dessen Absatz 2 enthält den Supergau für einen Strafrechtler:
Die §§ 917 und 920 Abs. 1 sowie die §§ 923, 928, 930 bis 932 und 934 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung gelten sinngemäß.
Ein umfassender Verweis in das Zivilprozeßrecht, was jeder halbwegs zurechnungsfähige Jurastudent, der ein Glas Wein von einem Glas Bier unterscheiden konnte, weiträumig gemieden hat. Und das mutet man nun einem Strafverteidiger zu.
Glücklicherweise haben sich ein paar Juristen aufgeopfert und zumindest ein schlaues Buch dazu geschrieben. Mit der Hilfe von Thomas Rönnau konnte ich mir bereits vor einigen Jahren „Die Vermögensabschöpfung in der Praxis“ (sponsored link) erarbeiten.
Jetzt endlich, nachdem ich mir das ganze mathematisch-zivilrechtliche „Herrschaftswissen“ mühsam erarbeitet und nun im Griff habe, kommt der Gesetzgeber her und will alles wieder glattbügeln.
Seit dem 5.9.2016 gibt es den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (PDF)„. Darin heißt es:
Das geltende Recht wird der hohen kriminalpolitischen Bedeutung der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung nicht gerecht. Zwar geben das Strafgesetzbuch (StGB) mit dem Institut des „Verfalls“ und die Strafprozessordnung (StPO) mit der Möglichkeit der vorläufigen Sicherstellung von Vermögenswerten („Beschlagnahme“ und „dinglicher Arrest“) der Strafjustiz ein – jedenfalls im Prinzip – durchdachtes Abschöpfungsmodell an die Hand. Das Regelungswerk ist jedoch äußerst komplex und unübersichtlich. Zudem ist es mit zahlreichen rechtlichen Zweifelsfragen belastet. Strafgerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiet der Vermögensabschöpfung sind in hohem Maße fehleranfällig.
Die Juristen der Bundesregierung können nämlich auch nicht rechnen, deswegen verfolgen sie das Ziel, …
… das Recht der Vermögensabschöpfung durch eine grundlegende Reform zu vereinfachen.
Nun, bis sich diese Regelung in der Praxis wiederfindet, wird es noch ein Weilchen dauern. Und wenn ich mir die 115 Seiten des Regierungsentwurfs (PDF) anschaue, wird das mit der Vereinfachung auch eher schwierig. Aber vielleicht liegt das ja auch daran, daß es sich bei den Juristen der Bundesregierung um Zivilrechtler handelt. ;-)
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(*) Es sei denn, man ist Richter – der rechnet nicht.
Bild: © Esther Stosch / pixelio.de
Mathe hat aber nichts mit Rechnen zu tun!
Fragen Sie mal einen Mathematiker, warum er für simples addieren einen Taschenrechner benutzt. Der wird entrüstet antworten, er habe schließlich Mathematik studiert und nicht Rechnen ;-)
Auf meiner Recherche nach dem Wort Unbillen, welches ich ein leblang noch nicht gehört habe stieß ich auf folgendes,
Nun, vorab erstmal ist die falsche Schreibweise: Unbillen
Es gibt nämlich nur das Wort „Unbill“, welches immer im Singular verwendet wird. Es entstand aus dem mittelhochdeutschen „unbil“ und bedeutet „ungemäß“. Man benutzt es vor allem als Synonym für „ungerechte Behandlung“ oder „Kränkung“. Ein Wort bzw. ein Plural namens Unbillen gibt es also nicht.
„habe ich meinen Lebensunterhalt überwiegend mit Betrug, Untreue, Urkundenfälschung, Insolvenzstraftaten und vergleichbaren Sachen verdient“.
Echt jetzt? Nicht mit Strafverteidigung? Aber wenigstens nicht mit Mord und Raub.
Sry, ich bin weit von Belehrungen entfernt! Ich habe ein neues Wort gelernt und dazu, wie man es nicht verwendet. Sie gehören zu meiner tgl. Lektüre, der Artikel konnte mich nicht wirklich begeistern.
Ich bin weder Jurist, noch Student, ich mag Ihren Schreibstil.
Ansonsten bin ich bei Maiks Aussage^^