Im Zusammenhang mit einer Steuerstrafsache konnte ich es nicht vermeiden, Kontakt mit dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg aufzunehmen. Das Finanzamt hat in seiner bescheidenen Art eine Rechtsansicht vertreten, die im Widerspruch zu der von mir vertetenen Ansicht steht. Es ging schlicht um den Umfang einer Vollmacht, nicht um steuerrechtliche Probleme.
Ich habe dann im Auftrag meines Mandanten um Hilfe gerufen, nämlich beim zuständigen Finanzgericht. Dort ist man bemüht, den von beiden Seiten vorgetragenen Sachverhalt zu ermitteln. Dabei soll ich nun mithelfen. Das ist erst einmal und grundsätzlich in Ordnung; auch ein Strafverteidiger hilft gern wo er kann.
Nun erreichte mich ein Fax aus Cottbus:
Hey, warum muß mir der Richter, der mich um Vorlage einer Urkunde und Mitteilung einer internen Information bittet, einen Brief in dieser völlig verquasten Sprache schreiben? Kann der Mann (oder ist es eine Frau, ich weiß es nicht) mich nicht persönlich anreden, mich nicht bitten, statt mir was von oben herab aufzugeben, und den Brief nicht selbst namentlich unterschreiben? Warum gibt er (oder sie) mir mit diesem Sprachmüll das Gefühl, ich sei verpflichtet, nach seiner Obrigkeitpfeife tanzen zu müssen?
Was sind das für Leute da in der Finanzgerichtsbarkeit? Sind die alle so übel drauf? Und warum „geben die mir auf“, Mandatsgeheimnisse auszuplaudern?
Adressat der Auflage und ist der Antragsteller und nicht Sie.
Wenn man sich mal von dem Wortlaut des Anschrei(b)ens lösen möchte, hinter dem sich der Richter zu verstecken versucht, erkennt man leicht den eigentlichen Adressaten des von oben nach unten gerichteten Rapportkommandos. Berücksichten Sie bei Ihrer Interpretation, daß Juristen gelernt haben, mit ganz feinem Besteck zu formulieren. crh
Naja. Streng genommen geben die Ihnen gar nix auf. Die Aufforderung richtet sich an den Mandanten (=Antragsteller). Und wenn der entscheidet, dieser Aufforderung nachzukommen, haben Sie mit ihrer Verpflichtung zur Verschwiegenheit kein Problem.
Dass es nicht als Bitte formuliert ist, ist imo auch korrekt, denn das ist nunmal keine unverbindliche Bitte. Es ist eine Aufforderung des Gerichts, zur Sachverhaltsaufklärung beizutragen. Das ist ein Unterschied.
Und der verquaste Stil: Berufskrankheit, würde ich sagen.
Ich glaube, eine mögliche Ursache für die Wortwahl des Richters gefunden zu haben: Wenn das der *V*RiFG angeordnet haben sollte, wird dieser zu 70% seine Arbeitskraft für sinnvollere Tätigkeiten einsetzen. Statt Finanzgerichtsverfahren zu führen, wird er viellleicht den Rest seiner Kapazitäten für’s Golf- oder Tennis-Spielen einsetzen. Das wäre zumindest eine nachvollziehbare Erklärung für sein Sprachgefühl.
Ist die Vollmachtsvorlage notwendig?
Im Übrigen gelten im Steuerverfahren auch andere Spielregeln als im Strafverfahren (AO ./. StPO). Aber das ist hier nicht das Thema. crh
ad 3) Lernt man als Strafverteidiger eigentlich nicht, dass man immer ein ganzes Dokument lesen sollte? Wenn ja, dann würde Ihnen auffallen, dass im GVPl (pdf) der Vorsitzende des 9. Senats zwar dort nur zu 30% eingesetzt wird, zugleich aber im 2. Senat zu 70%!
Oder sollte das witzig sein?
Warum mangelt es an respektvollem Umgang, wenn man etwas „aufgibt“ bzw. fordert? Wegen dem fehlenden „bitte“? Es ist nun einmal Grundsatz der Amtsermittlung, dass das Gericht den Sachverhalt aufzuklären hat (und nicht kann). Wie soll das Gericht denn seiner Pflicht vernünftig nachkommen, wenn nicht durch Aufforderung? Im Gegenteil, ohne vernünftige Aufklärungsversuch müsste man von einem Verfahrensmangel ausgehen. Natürlich steht es den Beteiligten frei, nicht mitzuwirken. Dann müssen die Beteiligten aber in letzter Konsequenz auch mit einer non liquet Entscheidung leben.
Doch … schon … ;-)
Der Gegensatz ist auch nicht so sehr „AO ./. StPO“, sondern vielmehr „FGO / StPO“. Und da gilt dann eben § 62 Abs. 6 FGO: „Die Vollmacht *IST* *SCHRIFTLICH* zu den Gerichtsakten einzureichen.“ Die Vollmacht KANN nachgereicht werden, und das Gericht KANN dafür eine Frist setzen.
Für einen Strafverteidiger ist das zwar ungewohnt, aber ein Steuerrechtler wird eigentlich niemals auf Grund einer ausschließlich mündlich erteilten Vollmacht tätig, und die Beifügung einer Kopie zum verfahrensstartenden Schriftsatz ist Standard.
Soweit es um „Kenntnis erlangen“ geht, kommt es auf die Umstände an, die für § 122 AO eine Rolle spielen. Verwaltungsakte (Steuer- und Haftungsbescheide) sind dem Betroffenen „bekannt zu geben“ und nur dann förmlich zuzustellen, wenn das ausdrücklich bestimmt ist (§ 122 V AO). Die bloße Bekanntgabe setzt bereits Fristen in Lauf; wird sie bestritten, hat die Behörde den Zugang nachzuweisen.
schlägt § 122 I S.2 AO vor. Wir streiten u.a. um die Frage, ob ich für einen Haftungsbescheid „empfangsbevollmächtigt“ war. crh
Es wäre also hier zu prüfen, ob ein Fristproblem besteht. Schlichtes Mauern („Mandatsgeheimnnisse“) geht aber nicht; der Betroffene (Haftungsschuldner) hat auf Anfrage die Bekanntgabe entweder zu bestätigen oder zu bestreiten. Im Besteuerungsverfahren besteht Mitwirkungspflicht (§ 90 AO).
Und zum § 90 AO noch ein Wort: Wenn ich mal wieder mehr Zeit habe, können wir uns auch über das Spannungsverhältnis zwischen der steuerrechtlichen Mitwirkungspflicht und den strafprozessualen Verteidigungsrechten unterhalten. Das ist aus hiesiger Sicht ein richtig spannendes Thema. Jedenfalls, sobald wieder mal ein Finanzbeamter auf der anderen Seite mitdiskutiert.
Ich danke für Ihr Mitdenken, das mir ein paar neue Ideen gebracht hat. Werfen Sie mir nun im Gegenzug auf meine Kritik vor, daß ich Ihnen nicht den vollständigen Sachverhalt geliefert habe. Aber Tenor diese Blogbeitrags war ja auch nicht die Vollmachtsproblematik, sondern ich rege mich „nur“ über den unangemessenen Tonfall dieses Richters auf. That’s all.
Es war mir ein Vergnügen. crh
Der Richter bittet nicht, weil im Gesetz steht, dass er nicht bittet, sondern etwas anordnen oder aufgeben kann § 79 FGO.
Würde er nur bitten, käme vermutlich irgendein Schlaumeier auf die Idee, das sei ja gar keine Anordnung gewesen wie gesetzlich vorgesehen, also habe man das als unverbindliche Bitte angesehen und es gebe somit mangels Anordnung oder mangels Verschulden keine Präklusion etc. (so wie der Bürger beim Mahnen ja auch nicht freundlich an die Zahlung erinnern durfte, um Verzug herbeizuführen…)
Im Zivilrecht gibt es parallel dazu zB einen § 273 Abs.2 ZPO, in dem ebenfalls von Anordnungen die Rede ist. Also schlichter Gesetzeswortlaut.
Warum soll auch bei so grundlegenden Aufgaben nicht auch ein respektvolleres Miteinander möglich sein?
Die Verwendung einer Aufforderung anstelle einer Bitte erinnert irgendwie an den Leuchturm A853.
Es steht nicht nur im Gesetz, sondern ist für jeden, der schonmal einen Zivil-, Arbeitsgerichts-, Verwaltungs-, Sozial- oder Finanzgerichtsprozess geführt hat, eine absolut übliche Ausdrucksweise.
Und in der Sache ist ein Prozess wegen Aussetzung der Vollziehung eines Haftungsbescheids vielleicht auch nicht gerade der geeignetste Ort, um über die Nichtvorlage von Vollmachten zu streiten … Hoffentlich muss der Mandant es nicht ausbaden (indem ihm z.B. das Geschäftskonto gepfändet wird).
Die Kritik an dem Sprachstil verstehe ich (und muss dabei an meinen alten Chef denken, der immer sagte: „Wer so schreibt, der denkt auch so“ – wobei er da mehr Schriftsätze von Kollegen meinte).
In der Sache – wenn ich sie richtig verstanden habe – dürfte sich die Frage der Beweislast (wirksame Zustellung) stellen. Und ob man das mit einer solchen Anordnung erledigen kann, wage ich dann doch zu bezweifeln.
Allerdings: Finanzgerichte… Da haben wir mal ein Verfahren im Zusammenhag mit Kindergeld gewonnen und sind trotzdem in die Kosten veruteilt worden, da wir bzw. der Mandant die Sachvershaltsaufklärung ja schon im Vorverfahren hätte leisten können.
Andere Prozessordnungen, andere Sitten…
Dann üben wir mal Sachverhaltsquetsche:
1. Akt
Rudi Rüpel macht als GF seiner GmbH irgendwas, was das Finanzamt nicht mag, bspw so einen fiesen Zapper zur Reduktion der Bareinnahmen einsetzen oder Scheinrechnungen verbuchen.
2. Akt
Dann kommt Herr Böse von der Steuerfahndung und greift alles auf und macht seinen Bericht, der zu erhöhten Steuerfestsetzungen führt. Gleichzeitig wird das Strafverfahren angeleiert und der bloggende crh meldet sich als Verteidiger bei der BuStra. Nach vergeblichen Vollstreckungsversuchen fällt dem Amtsmeier Böse dann ein, dass er doch den Rudi Rüpel in Haftung nehmen könne.
3. Akt
Einestags findet crh nun Haftungsbescheide des Amts im Briefkasten, die an ihn als Bevollmächtigten des Rüpel ausweisen. Crh kontaktiert natürlich sofort seinen Mandanten und legt vorsorglich Rechtsbehelf beim Amt ein und erbittet (fordert nicht!) aufschiebende Wirkung.
4. Akt
Natürlich will das Amt Fakten schaffen und die Kavallerie (Vollstreckung) losschicken, solange bei Rüpel noch der Porsche zu holen ist und Gelder auf Konten liegen und nicht durch die horrenden Strafverteidigerhonorare aufgefressen wurden: Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung.
5. Akt
Crh bittet den Rüpel nun um schriftliche Vollmacht um den golfspielenden Finanzrichtern Arbeit zu verschaffen und wendet sich mit dem Eilantrag ans Gericht. Das Gericht fordert und crh liefert lieber den Blogbeitrag statt Richterfutter.
Epilog
Das Gericht weist den Antrag als unbegründet zurück, denn es unterstellt, dass crh dem Rüpel zumindest eine Kopie der Bescheide hat zukommen lassen, damit er prüfen kann, ob crh nun tatsächlich Gerichtsgebühren verbraten soll. Auf eine Empfangsvollmacht kommt es denn auch gar nicht mehr an, denn das Gericht nimmt eine Heilung des Bekanntgabemangels an und verweist auf eine Analogie zu § 8 VwZG.
an RA crh:
1. Ihr Antrag auf Aussetzung der VZ ist wahscheinlich inhaltlich gut begründet, so dass Ihrem Antrag vom Finanzgericht eigentlich stattgegeben werden müsste.
aber genau das will der Richter/ Gericht offenbar unbedingt verhindern und versucht es jetzt mit ein paar Tricksereien, um den gut begründeten Antrag doch noch irgendwie ablehnen/abschmettern zu können.
ziemlich typisch für das Finanzgericht Berlin-Bbg, die arbeiten leider öfter mal sehr unseriös und versuchen auf Biegen und Brechen dem Finanzamt/ Staat das Geld der Bürger zuzuschanzen (wie ich auch aus eigener Erfarung bezüglich eines verfahrens am FG Cottbus weiß)
2. da es sich hier um eine richterliche Anordnung (analog zur richerlichen Verfügung in Zivilverfahren) handelt, hätte her natürlich auch mitgeteilt werden müssen, WELCHER RICHTER diese Anordnung erlassen hat. (!) Daher ist dieses Schreiben/ Anordnung eigentlich bereits wegen formalen Fehlers rechtswidrig/ unwirksam. Daher mein Tip: Fordern Sie das Gericht unter Bezugnahme auf das Schreiben dazu auf, Ihnen mitzuteilen, welcher Richter diese Anordnung getroffem hat. Fordern Sie also sozusagen eine „Vollmacht“/ Legitimierung für dieses bis dato rechtswidrige FG-Schreiben an.
Dadurch gewinnen Sie a) Zeit und b) machen Sie dem betreffenden Richter klar, dass er mit so miesen (Macht)-Spielchen bei Ihnen nicht durchkommt. Außerdem haben Sie auch deshalb einen Anspruch auf Nennung des Richters , weil Sie ja für einen möglichen befangenheitsantrag gegen den Richter dessen Namen kennen müssen.
3. Das Schreiben des FG ist auch deshalb seltsam, weil der „Antragsteller“ – also Ihr Mandant, dazu aufgefordert wird, die (vorgerichtlche) Vollmacht einzureichen. Was soll das?! Da Sie ja (nachweislich) der Bevollmächtigte für dieses FG-Verfahren sind, hätte diese Aufforderung an Sie als Bevollm. gehen müssen. Im vorliegenden Fall – mit direkter Aufforderung an den Mandnaten – hätte das Gericht dieses Schreiben/ Aufforderung zusätzlich auch persönlich an Ihren Mandanten schicken müssen. Fragen Sie mal nach, ob der ein solches Schreiben bekommen hat.
wie schon gesagt, der Richter vetsucht hier offenbar mit Tricksereien Ihren begründeten Antrag doch noch irgendwie abwimmeln zu können..
Willkommen in der Welt des Fiskus, Herr Kollege. Nicht wundern über diese Art. Beim Fiskus (und seinen Gerichten) herrscht die Vorstellung einer Unterordnung. Des Staatsbürgers unter die Obrigkeit, dem Fiskus und seine Gerichte. Und schon der alte Fritz sprach ja den Gemeinen aus dem Volk nur in der dritten Person an. So möge er also tun, was Herr Finanzrichter ihm aufgetragen hat.
Nur den Hungerturm, den haben sie noch nicht wieder eingeführt. Kommt vielleicht noch. Und wenn er dann nicht spurt, so wird er sehen, wie ihm geschieht.
@Charlie:
Steuerrechtler meint Fachanwalt für Steuerrecht?
Als Steuerberater habe ich von den wenigstens Mandanten schriftliche Vollmachten und gerade wieder habe ich eine Sachbearbeiterin beim Finanzamt über den AEAO zu dem von Herrn Hoenig angesprochenen § 80 belehrt, in dem ausdrücklich steht, dass bei Steuerberatern von einer Bevollmächtigung auszugehen ist und auch sonst Vollmachten nur bei begründetem Zweifel angefordert werden sollen.
@Chak
Steuerrechtler meint RA u. StB.
Und natürlich bin ich (ersichtlich) von einer fehlenden §62 FGO-Vollmacht ausgegangen; dass es um §80 AO geht, ist erst durch crh’s Anmerkungen zu meinem Kommentar klargeworden.
Ich würde kein FG-Verfahren ohne Vollmachtsvorlage anleiern, arbeite im alltäglichen FinA-Verkehr aber auch nicht mit schriftlichen Vollmachten. Obwohl – die Fälle, wo ich eine brauche, werden immer mehr … nicht bei den Finanz- oder Steuerämtern, aber versuchen Sie mal, als Service für den Mandanten einen fehlenden Kontoauszug bei der Bank oder eine Jahresabrechnung beim Energieversorger anzufordern. Das war früher deutlich einfacher … ;-)
ich mag ja selber zu verquast denken, aber gibt es wirklich eine Möglichkeit, die „verquaste“ Sprache durch Einfache Sprache oder gar Leichte Sprache zu ersetzen – ohne dass hierbei Rechtslücken entstehen?
Immerhin werden ja schon keine Schachtelsätze verwandt. Auch schonmal was :-)