Ein Umsatzsteuerkarussell ist eine feine Sache. Der Fiskus hat damit ein Investment-Modell erfunden, mit dem er aus nicht viel mehr als warme Luft Millionenbeträge für den maroden Staatshaushalt zaubern kann.
Wie das Dukatenvermehrungskarussell funktioniert, hatte ich im vergangenen Jahr bereits beschrieben.
In einem aktuellen Steuerstrafverfahren dümpeln die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seit ein paar Monanten vor sich hin.
Die Verteidiger machen es den Ermittlern aber auch nicht einfach; deren Mandanten bestreiten einfach das, was man ihnen vorwirft. Der (in Teilen sehr streitige) Sachverhalt wird aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlich bewertet. Und wenn dann auch noch Auslandsermittlungen notwendig werden, kommen die klassischen Strafverfolgungsbehörden an ihre Grenzen.
Da haben es die Finanzbeamten wesentlich leichter. Sie werfen ihre Grundrechenmaschine an, tüten den ausgedruckten Bon ein und verschicken ihn mit Anschreiben per Post.
In der vergangenen Woche meldete sich mein Mandant mit hochrotem Kopf bei mir. Er habe einen Brief vom Finanzamt bekommen, berichtete er; und übermittelte mir einen wenig freundlichen Textbaustein des Finanzamts für Körperschaften:
Diese Art von Post ist in Steuerstrafverfahren nicht unüblich. Deswegen hatte ich den Mandanten auch schon darauf vorbereitet. Die Schnappatmung setzte bei ihm aber bei der Anlage zu diesem Schreiben ein:
Ich habe spontan mit dem Mitverteidiger Kontakt aufgenommen. Dessen Mandant hatte Vergleichbares erhalten.
Zahlt Dein Mandant oder legst Du ihm das erstmal aus?
Kein Problem, antwortete der Kollege:
Tja, da muß ich dann wohl auch ran … ist ja noch ein wenig Zeit bis zum 20.07.2016.
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Bild Karussell: Uwe Wagschal / pixelio.de
Staat müsste man sein!
Die Steuerprivilegien des Staates sind beeindruckend. In Tateinheit mit offensichtlich lukrativen Rechtsgeschäften plane ich locker im Ansatz für mein nächstes Leben die Inkarnation als Staat.
Als Staat werde ich mich dann in meiner Freizeit mit freundlichen juristischen Personen treffen und Strategiespiele spuin sowie juristische Pflanzen und Tiere (vgl. „Organismen“ in KAGB – Kapitalanlagegesetzbuch oder: Warum es einen besonderen Charme hat, Gesetzestexte zu lesen, die aus einer anderen Sprache ins Deutsche übersetzt wurden und nach juristischer Migration mit konsekutiver erfolgreicher Integration sportliche Rechtskraft in Deutschland entfalteten) beobachten und dokumentieren.
Versteh da die Aufregung nicht, da steht ja nur, dass der Finanzbeamte zu prüfen hat, ob der Adressat möglicherweise zahlen muss, das ist ja keine Aufforderung, die Zahlung zu leisten.
@ Owe, # 2:
Die Aufregung hängt wohl eher am zweiten Schreiben, welches man schon erahnt. Das hier ist die Anhörung. Danach kommt dann die Zahlungsaufforderung…
Verstehe die Aufregung nicht. Umsatzsteuer ist für jemanden anderen immer gleichzeitig Vorsteuer. Normalerweise ein durchlaufender Posten. Aber wenn es sich um Betrüger handelt und zu Unrecht (mehrfach) Vorsteuer geltend gemacht wurde, muss das Geld doch auch irgendwo geblieben sein. Es braucht sich also niemand zu wundern, dass irgendwann die Rechnung präsentiert wird.
„Umsatzsteuer ist für jemanden anderen immer gleichzeitig Vorsteuer. Normalerweise ein durchlaufender Posten.“
Außer halt für Verbraucher…
~ die sich aber wiederum selten mit Umsatzsteuerbescheiden konfrontiert sehen.
Wo steht da etwas von einer Fälligkeit zum 20.07.2016?
So wie ich das sehe, waren die Beträge bereits im letzten Jahr fällig.
Joa, Fälligkeit ist da wohl im Jahr 2015 eingetreten.
Was passiert denn, wenn die Forderung deliktisch würde (und ein Haftungsbescheid rechtskräftig)? Hätte der Mandant die Sache ewig an der Backe oder was macht man in einem solchen Fall?
@ich
Würde die Forderung aus einem Delikt stammen, unterfällt sie ggf. nicht der Restschuldbefreiung in einem Privatinsolvenzverfahren, wenn der Gläubiger das beantragt. Folglich hat der Verantwortliche das bis ans Ende seiner Tage am Hals.
Sollten die 40.5 Mio. USt. nicht problemlos von den ca. 213 Mio. Umsatz zu zahlen sein…
@AG
Ist soweit klar. Außerdem dürfte der (deliktische) Steuerschuldner nicht erlasswürdig sein.
Was dann? Schließt man einen Vergleich mal aus, kann man wohl nur auf eine Hyperinflation warten.
Und diese Summe konnte nicht durch Zwangsvollstreckung beigetrieben werden? Echt nicht?
Warum versucht das FA es nicht mal mit einer Taschenpfändung?
@ct: … und für Gesetzesübertreter.
@KaDi: Weil Anwalt Liebling und sein Lieblingsgerichtsvollzieher inzwischen beide a.D. sind.
Ich wurde dem Finanzamt Ratenzahlung anbieten. Ansonsten Insolvenz anmelden.
@ct,
wie RA SG schon ansprach, sind Verbraucher bei der Umsatzsteuer nicht Steuerschuldner, nur wirtschaftlicher Träger (indirekte Steuer).
@Ich
Erlasswürdigkeit sehe ich in so einem Fall eher mal nicht. Der Fiskus wird die Privatinsolvenz betreiben und alle paar Jahre mal nach den Millionen sehen. Irgendwann wird man das dann ggf. niederschlagen.
Wahrscheinlicher wird es sein, dass der Betreffende irgendwann mal wieder was arbeitet und dann wird mit ggf. zu erwartenden Erstatungsansprüchen aufgerechnet.
Alles unter der Voraussetzung, dass ein Haftungsbescheid rechtskräftig würde.
Wie das bei Haftungsansprüchen so ist, wird hier dieselbe Forderung gegen den Steuerschuldner und gegen den Haftungsschuldner beigetrieben … und in Fällen dieser Art eben gegen mehrere Haftungsschuldner. Ein Karussell hat nun mal viele Sitzplätze … ;-)
Das bedeutet also, dass es dem Fiskus durchaus reicht, wenn einer die Schuld bezahlt … oder einige … aber eben nicht unbedingt alle ein bisschen was.
Es könnte also eine erfolgversprechende Strategie sein, das Finanzamt durch entsprechende Angaben in die Lage zu versetzen, sich das Geld woanders zu holen … dann ist man seine (Haftungs-)Schulden auch los.
Es könnte aber auch sein, dass ein solches Vorgehen der eigenen körperlichen Unversehrtheit nicht zuträglich ist. Dann lebt man besser gesund und verschuldet … ;-)