Warum macht man sowas?

proesterchenÜber den Hochmutfall von Richter K., über den ich am Freitag berichtet habe, möchte ich hier nochmal laut nachdenken.

Worum ging es?

Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, mit einem PKW innerorts die Grenze der erlaubten 30 km/h fahrlässig um 22 km/h überschritten zu haben. Das Fahrzeug war nicht auf den Betroffenen zugelassen. Die Ordnungsbehörde hatte den Fahrer ermittelt: Über das Kennzeichen, dann über das Geschlecht, die Einwohnermeldedaten und schließlich über einen Paßbildvergleich.

Ansatzpunkte für die Verteidigung in so einem Fall:

  • Fahreridentität
  • Korrekte Messung
  • Subjektive Kenntnis der Geschwindigkeitsbegrenzung

Nota bene: Der Betroffene muß nicht nachweisen, daß er „unschuldig“ ist; sondern die Beweislast liegt auf der Seite des Gerichts bzw. der Bußdgeldbehörde.

Das gerichtliche Verfahren bei Richter K.

Nach dem Einspruchsverfahren bei der Bußgeldstelle geht die Sache über die Staatsanwaltschaft zum Gericht. Dort würfelt man, welche Abteilung für das Verfahren zuständig ist. Hier ist das Glücksrad auf der Nr. 290 stehen geblieben.

Phase 1:
Also Richter K. bekommt die Sache auf den Tisch. Er schickt dem Verteidiger einen FETT GEDRUCKTEN Vorsatzhinweis und empfiehlt die Einspruchsrücknahme.

Wohlwollend übersetzt heißt das:
Wenn zur Überzeugung des Richter K. feststeht, daß der Betroffene vorsätzlich zu schnell gefahren ist, kann die Geldbuße verdoppelt werden.

De facto bezweckt Richter K. mit einem solchen Hinweis, daß der Betroffene wegen dieses Risikos auf die richterliche Überprüfung der behördlichen Maßnahme verzichtet. Zumindest bei einem juristisch unerfahrenen Betroffenen bzw. Verteidiger verfängt sowas oft.

Bei Richter K. hat das Methode: Er schafft sich auf diesem Wege die Arbeit vom Hals. Deswegen auch das ungewöhnliche Layout mit Großbuchstaben und Fettdruck. Der verwendete Konjunktiv („Es könnte Vorsatz sein.“) und die angebliche Fürsorge ist Mummenschanz.

Phase 2:

kuchen-kDer Einspruch wird nicht zurück genommen (das kann man im „Notfall“ später immer noch), also zündet Richter K. die zweite Stufe.

Er lädt zum Termin. Der Verteidiger gibt an, zu dem Termin urlaubsbedingt verhindert zu sein. Richter K. setzt neue Termine(!) fest: Exakt einen Tag vor Beginn und einen zweiten Termin genau einen Tag nach Ende des Urlaubs. Daß hier der Eindruck der Schikane entstehen muß, liegt auf der Hand. Und gleich zwei Termine für eine kleine Bußgeldsache – das gibt es nur in der Abteilung 290 des Richters K.

Phase 3:
Zu dem zweiten Termin lädt Richter K. die Halterin als Zeugin, vorgeblich um die Fahreridentität nachweisen zu können.

Im Klartext bedeutet das: Richter K. will die Ehefrau(!) eines Strafverteidigers(!) dazu befragen, ob ihr Ehemann das Auto gefahren hat. Daß diese vorgeschobene Zeugenvernehmung wegen § 52 StPO als ein von vornherein untauglicher Versuch (oder ist es ein Wahndelikt?) nur der Schikane dienen kann, um auf diesem Weg erneut zu versuchen, die Rücknahme des Einspruchs durchzusetzen, ist mehr als deutlich erkennbar.

Befangenheitsantrag
Das war dann der Punkt, zu dem der Betroffene über seinen Verteidiger mit einem Ablehnungsgesuch reagierte. Ich versichere hier ausdrücklich, daß dieser Befangenheitsantrag zurückhaltend und vollkommen sachlich – also nicht mit der sonst dem Blogleser bekannten Polemik – formuliert wurde. Es erfolgte die eskalierende Reaktion des Richter K.

Methodik
Diese Erfahrungen mit den Methoden des Richters K. haben nicht nur die hier beteiligten Rechtsanwälte gemacht. Es ist ein typisches Verhalten dieses Richters, das von vielen anderen Verteidigern bestätigt wird. Und wenn man mal als Verteidiger bei Richter K. auf der Galerie sitzt, um auf den Beginn „seiner“ Verhandlung zu warten, während vorn ein unverteidigter Betroffener oder Angeklagter von diesem Richter gegrillt wird, weiß man, daß die oben beschriebene Vorgehensweise kein Einzelfall ist.

WS-SlodyczeCS3Rechtsprechung über Richter K.
Gestützt wird diese Erfahrung von nicht wenigen Entscheidungen des Landgerichts und des Kammergerichts, mit denen in sehr deutlichen Worten die katastrophale Arbeit dieses Verkehrsrichters gegeißelt wird. Einige Beschwerdeentscheidungen erfüllten nach meinem Gefühl mehr als deutlich die Voraussetzungen für die Formulierung eines Anfangsverdachts hinsichtlich einer Rechtsbeugung. (Wobei ich mit diesem Begriff ansonsten sehr zurückhalten bin, aber hier halte ich ihn für durchaus angemessen.)

Obliegenheit
Viele der Kollegen trauen sich den Kampf mit diesem Richter nicht zu. Oder er ist ihnen zu aufwändig (was ich gut nachvollziehen kann). Unverteidigte Betroffene oder Angeklagte haben gegen diesen Richter überhaupt keine Chance. Deswegen meine ich, daß es mir als Organ der Rechtspflege auch obliegt, mit den mir zur Verfügung stehenden Mittel immer wieder und bei jeder sich bietenden Gelegenheit darauf hinweisen, daß Richter K. völlig ungeeignet ist zum Führen eines Richteramts.

a maiore ad minus
Ich denke mir: Wenn sich Richter K. sehenden Auges, was auf ihn zukommt, traut,

  • eine Vorsatzverurteilung anzudrohen,
  • mit der Terminierung zu provozieren,
  • sinnlose Zeugenvernehmungen anzusetzen,
  • Beweiswürdigungen vorwegzunehmen,
  • dummes Zeug in dienstliche Erklärungen zu schreiben,

was erlaubt er sich dann erst Recht, wenn er keinen Gegenwind zu befürchten hat. Wie verfährt Richter K. erst, wenn er einen unverteidigten Betroffenen oder unerfahrenen Verteidiger vor sich hat?

Unabhängigkeit ist kein Freilos für Willkür
Wegen der verfassungsmäßig garantierten Position des Richteramts ist es nun nicht so einfach, diesem Mann in die Katakomben des Kriminalgerichts zu versetzen. Die Grenzen zur Rechtsbeugung sind sehr, sehr weit gesteckt. Um einen solchen schlimmen Juristen wie Richter K. loszuwerden, bedarf es mehr als nur ein „erfolgreiches“ Ablehnungsgesuch. Aber wenn sich die Anzahl der Ablösungen, (Dienstaufsichts- und Rechts-)Beschwerden häufen, wird auch irgendwann einmal ein unabhängiger Richter das Faß zum Überlaufen bringen. Das Befangenheitsgesuch in meinem Fall ist daher ein weiterer, steter Tropfen dazu.

Deswegen habe ich sowas gemacht. Und ich würde es immer wieder tun.

Dieser Beitrag wurde unter Richter veröffentlicht und mit den Begriffen verschlagwortet.

20 Antworten auf Warum macht man sowas?

  1. 1

    Wenn ich hier nicht schon jahrelang mitlesen würde, dann hätte ich bei isolierter Betrachtung dieses Beitrags gedacht: hier geht aber echt die Phantasie durch. Aber wenn man die Beiträge zu diesem „Richter“ verfolgt – da bleibt einem echt was im Hals stecken. Das ist wirklich ein Gericht mitten in Europa? Pfui Deibel. Wer läßt so jemand weiter „richten“??

  2. 2
    Alles wurscht says:

    Hier würde mich eine Antwort/Stellungnahme der Gegenseite interessieren.

    Bei den erdrückenden Beweisen wird der Betroffene sich wohl eher durch Schweigen „verteidigen“. ;)

  3. 3
    Drucker says:

    Sachlich kann man dem allen ohne weiteres folgen, aber dass mit der Schilderung zugleich Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache gemacht wird, hat schon einen befremdlichen Beigeschmack und lässt die Frage entstehen, ob da nicht auch die Interessenlage des Autors die Darstellung färbt..

  4. 4
    Drucker says:

    … mal ganz abgesehen davon, dass völlig unverständlich ist, warum so ganz allgemein gesehen die Leute am Steuer nicht einfach mal ihren Gasfuß im Zaum halten können – dann gäbe es so ein Gezänk auch nicht, und kein Rechtsanwalt müsste die unschöne (und eigentlich wohl auch die Selbstachtung beeinträchtigende) Aufgabe übernehmen, erwischte Raser mit Erbsenzählerei, Haarspalterei und Herausgewinde vor dem verdienten Bußgeld zu retten. Und diesem Richter käme ganz nebenebei eine weit geringere Bedeutung zu.

    • Die Argumentation mit „Das hättest Du Dir vorher überlegen können!“ und „Sterben Verurteilenlassen wie ein Mann“ ist unter diesem Beitrag nicht nur off topic, sondern auch langweilig. Gehen Sie damit in’s Heiseforum, dort verstehen die Leute auch nichts vom Verfahrensrecht. crh
  5. 5
    R24 says:

    Tja, diese Richter wird man eben nicht los. Allenfalls werden sie mal umgesetzt, z.B. ins Arbeitsgericht. Weil man vielleicht vermutet, dass sie dort weniger Schaden anrichten. Es gab aber auch schon Fälle, in denen unfähige Richter zu Strafrichtern gekürt wurden. Vielleicht ist das ja so einer.

  6. 6
    WPR_bei_WBS says:

    Zumindest ist er Einzelrichter – das hat den Vorteil, dass er bei einem etwaigen Verfahren wegen Rechtsbeugung sich nicht auf Beratungsgeheimnis zurück ziehen kann.

  7. 7
    Hend says:

    Hallo zusammen,
    aber insbesondere @Drucker:

    Der Skandal ist doch nicht, dass jemand mit dem Wagen von crhs Frau zu schnell gefahren ist. Der Skandal wäre es auch nicht, wenn es tatsächlich crh gewesen wäre. Skandalös ist auch nicht, es auf einen Prozess deswegen ankommen zu lassen, oder ein Bußgeld erst einmal nicht zu akzeptieren — das ist aus elementaren Gründen der Rechtsstaatlichkeit das Recht eines Beschuldigten Man darf es durchaus klein kariert finden, wenn jemand stur auf sein Recht beharrt, ja, meinetwegen auch gegenüber crh, von dem wir aber immer noch nicht wissen, ob er schuldig ist oder nicht und solange das nicht klar steht, ist der Vorwurf eben auch nur virtuell und damit Unfug.

    Der Skandal ist, dass ein Richter sich in einem Verfahren so über die Rechte des Beschuldigten hinweg setzt und auf den folgenden Befangenheitsantrag mit einem Stinkefinger in Richtung Verteidigung und Beschuldigten reagiert, mit samt Hinweis, dass er (der Richter) sich das leisten kann und es dem Beschuldigten schon recht so geschehe.
    Skandalös ist, das solche Menschen Richter sein können, und ich bin froh, dass wenn das ganze schon passieren „muss“, es im fernen Preußen geschieht.

    Schöne Grüße aus Baden,
    Hend

  8. 8
    Non Nomen says:

    …es im fernen Preußen geschieht.

    „Preußen“ ist überalll….

  9. 9
    Pan Ja says:

    Popdiwek?

    Bardzo dobr? ilustracj?, Pan Krystianek.

  10. 10
    rofl says:

    Wenn es hier nur noch Privatfehden zwischen Richtern und Strafverteidigern, die ihre Knöllchen nicht bezahlen wollen, zu lesen gibt, werde ich das Ferne suchen.

    • Mal abgesehen davon, daß es mir völlig Wurscht ist, wo und was Sie lesen: Es geht hier nicht um eine persönliche Auseinandersetzung, sondern um die Darstellung eines unmöglichen richterlichen Verhaltens, das brandgefährlich für die Justiz und allein deswegen nicht akzeptabel ist. crh
  11. 11
    CobraCommander says:

    Hmm, Berlin? Merkwürdige Verfahren?
    Feiert der Mann zufällig am 30. dieses Monats seinen 123. Geburtstag?

  12. 12
    HugoHabicht says:

    @R24
    In einer Bußgeldabteilung kann er schon nur vergleichsweise wenig Schaden anrichten. Viel weniger denn als „richtiger“ Strafrichter z.B.

    Am besten wäre er beim Handelsregister aufgehoben, aber das geht ohne seine Einwilligung nicht, denn das ist in Berlin ein anderes Gericht (AG Tiergarten/AG Charlottenburg)

  13. 13
    Der wahre T1000 says:

    Ich finde es schon erstaunlich, dass man einfach dem Mann der Halterin das Knöllchen „anklebt“.

    Bei mir ist das meiner Frau passiert, obwohl es tatsächlich die Schwiegermutter war. Wie kommen die dazu einfach mal jemanden zu beschuldigen, nur weil er das passende Geschlecht und die gleiche Adresse hat? Der Beschuldigte muß sich dann mit dem gericht rumschlagen, Zeit aufwenden und bleibt auf diversen Kosten faktisch sitzen.

    Ätzend sowas.

  14. 14
    alter Jakob says:

    Ich dachte dass jemand anders es erwähnt, aber da das nicht passiert ist kann ich irgendwie doch nicht still bleiben:

    Phase 3, Absatz 2, Satz 2 stimmt grammatikalisch irgendiwe nicht. Der „untaugliche Versuch“ muss entweder gestrichen oder durch „als untauglicher Versuch“ ersetzt werden. Oder man baut den Satz um, bspw. „… ein untauglicher Versuch ist und nur der Schikane dienen kann,…“

    Nix für Ungut

    • Fixed. Danke! Der Satz ist aber im Ganzen immer noch recht unglücklich formuliert, jetzt bleibt er aber so. crh
  15. 15
    Miraculix says:

    Was muss ein Richter eigentlich anstellen damit ein Verfahren wegen Rechtsbeugung in Gang kommt?

  16. 16
    Andreas says:

    Das ist echt misslich: Da am AG Tiergarten nur Strafsachen und OWis verhandelt werden, kann man Richter K nicht einfach per jährlicher Änderung des Geschäftsverteilungsplans ins Zivilgericht/Handelsregister/Grundbuchamt versetzen, wie man das vor vielen Jahren bei Richter am AG Schill am AG Hamburg-Mitte machte. Vielleicht sollte man noch für besonders renitente Richter eine Spezialzuständigkeit für WEG-Sachen schaffen. Soll ja sehr beliebt bei Richtern sein ;-)

  17. 17
    rofl says:

    Ja, Herr Hoenig, da haben Sie einen unfassbaren Justizskandal sondergleichen aufgedeckt. Bananenrepublik ist Kindergeburtstag dagegen. Oder vielleicht doch das Knöllchen zahlen?!

    • Schade, daß Sie das Problem nicht begreifen. Es geht nicht um das Knöllchen, sondern um die Stellung eines Richters, der diese mißbraucht. Die vorliegende Konstellation ermöglicht es, die Öffentlichkeit recht plakativ auf diesen Mißstand und -brauch hinzuweisen. Die meisten unserer Mandanten knicken ein, wenn man ihnen vorschlägt, das Verfahren in dieser Art zu führen, weil sie die unkalkulierbaren Reaktionen des Richters fürchten. Mir hingegen, ist es völlig Wurscht, was am Ende des Verfahrens rauskommt.
       
      Die Möglichkeiten, die Verteidiger im Übrigen haben, Druck auf solche/diesen Richter zu machen, sind ansonsten eher nicht dazu geeignet, öffentliches Gehör zu erhalten.
       
      Und überhaupt:
      Ich möchte Sie jammern hören, wenn Sie wegen einer kleinen Strafsache (z.B. eine Unfallflucht nach einem Parkplatzrempler) vor einem solchen Verkehrsrichter stehen, der Zugriff auf Ihr wichtigstes Körperteil – Ihre Fahrerlaubnis – nimmt.
       
      Etwas weniger Überheblichkeit täte Ihnen ganz gut. crh
  18. 18
    Silke says:

    Es ist ja wenigstens erfreulich, dass der Befangenheitsantrag für begründet erachtet wurde – also der Richter K. jetzt nicht mehr in dieser Sache weitermachen darf. Das wird den schon gewaltig ärgern. Meistens werden Befangenheistanträge ja schon aus Prinzip abgeschmettert (eine Krähe hakt der anderen kein Auge aus..)
    Hier gabs dann doch mal ein paar neutrale und verantwortungsvolle Richter bei der Beschwerde-Entscheidung

  19. 19
  20. 20
    Neo says:

    Ein völlig entstelltes, buddhistisch angehauchtes Zitat aus http://www.bz-berlin.de/artikel-archiv/die-stimme-tibets-verzaubert-berlin:

    „‚Die sperren alles ein‘, lacht Lama Gelek“

    Richter K. ist wirklich eine außergewöhnliche Person; jeder hat gespürt, daß er an einer Begegnung mit einem Menschen teilnimmt, den man nicht oft im Leben trifft.