Wenn man auf der Berliner Autobahn unterwegs ist, sollte man ab und an mal kontrollieren, wer so alles hinter einem herfährt. Dieser freundliche Moppedfahrer hat sich ausschließlich nach vorn orientiert. Um auf heranfliegende Multanovas, Traffipaxe und Poliscans zu achten. Und dann passiert sowas:
Da folgen zwei Polizisten (mit ihren hochkomplifizierten Berufsbezeichnungen) einem japanischen Zweirad, schalten ihre Dashcam ein und drücken auf die Tasten einer Stopuhr. Die Möglichkeiten, die Richtigkeit der Messung erfolgreich anzugreifen, sind durchaus vorhanden. Mal schauen, was die Meßdiener ins Protokoll geschrieben haben.
Nebenbei.
Für die, die es noch nicht wissen sollten:
Das Fahren auf den Berliner Autobahnen erfolgt innerorts. Mit der üblen Konsequenz, daß eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit bereits um mehr als 30 km/h zum Fahrverbot führen kann. Wenn der Verteidiger nicht aufpaßt.
wie lösen sich denn diese hochkomplifizierten Berufsbezeichnungen auf?
ggf.
Polizeikommissar [Unleserlich] Direktion Einsatz Begleitschutz und Verkehrsdienst im Auftrag Zentraler Verkehrsdienst 14 sowie Polizeioberkommissar [Unleserlich] Direktion Einsatz Begleitschutz und Verkehrsdienst im Auftrag Zentraler Verkehrsdienst 213
Gibt es irgendwann ein merkwürdiges Gefühl, wenn man mit gottweißwelchen Tricks Leute raushaut, die von der Polizei in unser aller Interesse aus dem Verkehr gezogen wurden? Denkt man da manchmal auch an die Toten, die auf das Gewissen notorischer Raser gehen?
@Drucker: Wieso sollte es? Wenn die Beamten alles richtig gemacht, sauber dokumentiert und ein ordentlich eingemessenes Gerät verwendet haben, sollte es schwer sein, DA komplett „ohne irgendwas“ raus zu kommen.
Ich würde mir eher überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, das Einsatzpersonal entsprechend zu schulen und anzuweisen (unter Hinweis auf die Folgen, die unsauberes Arbeiten nach sich zieht). Ein weiterer Ansatz könnte sein, für ausreichend Personal zu sorgen, damit Schludrigkeit und (notgedrungener) Pfusch aufgrund von Überlastung gar nicht erst aufkommen. Aber da baue ich wahrscheinlich grad mal wieder Wolkenschlösser…
@Flamebeard: wobei sich natürlich immer die Frage stellt, was beispielsweise „ordentlich eingemessen“ ist.
Reicht „einmal im Quartal nach Anleitung kalibriert“ oder muss es täglich sein – oder reicht kalibriert gar nicht und muss es monatlich zur Eichstelle? Hier gibt es viele Möglichkeiten für Anwälte – im Zweifelsfall muss dann jeweils ein Gutachten her, dass die Zeit seit der letzten Kalibrierung/Eichung nicht ausreichte, um selbst unter widrigsten Bedingungen das Messergebnis zu sehr zu verfälschen und keine absichtliche Manipulation möglich ist.
Ganz auf solche Nachfragen kann man allerdings auch nicht verzichten, denn sonst würde ein zwanzig Jahre altes nie kalibriertes Gerät im rauhen Dauereinsatz als „absoluter Beweis“ gelten, was auch nicht sein kann (dann wäre „ist geschätzt“ noch ehrlicher).
Beide Seiten wollen halt das Beste – die Bußgeldstelle, dass nicht zu schnell gefahren wird (und Geld hereinkommt), der Anwalt den Freispruch des Geblitzten.
Hier im gegebenen Fall mit Nachfahren und Video-Band-Aufzeichnung sind mögliche Ansatzpunkte: welche Framerate war eingestellt? Wie genau wird diese bei einer (wackeligen?) Fahrt mit 150km/h eingehalten? Wie ganggenau ist eine möglicherweise eingeblendete Uhr?
Solange nicht nachgewiesen werden kann, dass die Polizei hier mit Zeitraffer gearbeitet hat (also mit z.B. 15fps aufgenommen und mit 30fps abgespielt) dürfte allerdings immer noch „zu schnell“ herauskommen. Ob der Richter dann allerdings eher „nuja, ziehen wir mal 20% ab wegen eventueller technischer Unzulänglichkeiten, bleiben 118km/h und 38km/h zu viel“ oder „technisch nicht absolut sauber nachweisbar – Messung nicht zugelassen – Freispruch“ entscheidet (bzw. entscheiden kann(!)) ist ein anderes Thema – aber auch ersteres wäre beispielsweise nur 1 statt 3 Monate Fahrverbot – auch schon ein Erfolg für den Anwalt.
@Berliner: Sehr gut – nur dass „i. A.“ in diesem Fall für „im Aufbau“ steht.
@Engywuck: Es handelt sich ja nicht um irgendeinen lustigen Eigenbau, sondern um professionelle standardisierte und gerichtsfeste Systeme – sofern Sie entsprechend Ihrer Anleitung geeicht und bedient werden (und dies dokumentiert wird). Beispielsweise http://www.petards.com/emergency_services/provida_2000.aspx
@Flamebeard: Im BVkD befinden sich die Fachleute – die sind selbstverständlich entsprechend geschult.
Und da lässt sich der Mopedfahrer dann anhalten?
Naja…
@A. C.: selbst wenn es sich um ein „professionelles, gerichtsfestes“ System handelt: wie wird „gerichtsfest“ definiert? Richtig: von Gerichten, die den Anträgen der Verteidigung, das Gerät sei doch aus Grund X oder Y eben doch nicht geeignet zum Nachweis, nicht folgen.
Letztlich ist auch ein „gerichtsfestes“ System beispielsweise erstmal „nur“ eine Videokamera, ggf. mitsamt eingeblendetem Zeitgeber und Geschwindigkeitsmesser. Jedes dieser Teile kann schon *ab Werk* ungeeignet sein (ggf. nur in speziellen Situationen, z.B. bei Überhitzung zu schnell laufen), hat aber auf jeden Fall nur eine begrenzte Genauigkeit, die durch verschiedenste Einflüsse im Lauf der Zeit modifiziert wird. Wenn der Hersteller alle Einflüsse korrekt berücksichtigt gibt er eine korrekte Zeitspanne zwischen zwei kalibrierungen an – er kann aber auch etwas übersehen haben. Ebenso kann die kalibrierung nicht korrekt durchgeführt sein oder zu selten durchgeführt werden. Die letzteren beiden Punkte sind dabei sicher leichter nachweisbar :-)
Aber selbst wenn die Genauigkeit nicht mehr bei 99,9x% sondern „nur“ noch bei 90% liegt könnte ggf. die Aussage „egal ob nun 120 oder 150 real, hier war innerorts 50“ getroffen werden…
Zum Thma „Hersteller beachtet das nicht“ eine Anekdote aus einer anderen Richtung: jede Billig-Quarz-Armbanduhr geht pro jahr maximal einige Sekunden bis Minuten falsch. Nun haben Computer aber ja hetzutage regelmäßig Netzwerkanschlüsse, so dass manche Hersteller von Industrie-PCs hingehen, und standardmäßig ihre Uhr regelmäßig mit einem Zeitserver abgleichen. Dieser steht allerdings standardmäßig im Internet – und nicht jedes Gerät hat Internetzugriff… Bei manchen Geräten habe ich dann schon Abweichungen von einigen minuten nach wenigen Wochen(!) gesehen. Das ist dem Hersteller vermutlich nicht aufgefallen, er hatte ja Internetzugang an den Testgeräten – dennoch ein Zeichen dafür, wie ungenau Quarz-Uhren laufen können – evtl. auch erst nach einigen Jahren im Einsatz. Ich würde nicht ausschließen, dass vergelichbar „einfache“ Fehler auch bei Messgeräten auftreten. Dennoch würde ich als Physiker dann eben einfach die Ungenauigkeit hochsetzen und nicht gleich die ganze Messung verwerfen…
@Engywuck:
> Dennoch würde ich als Physiker dann eben einfach
> die Ungenauigkeit hochsetzen und nicht gleich die
> ganze Messung verwerfen.
Deswegen wurden dem Mandanten von CRH ja bereits 5% bzw. 10% (+Aufrundung) als Messtoleranz abgezogen. Das Messgerät wird also vermutlich 156,XX km/h oder 165,XX km/h angezeigt haben.
Sie erschrecken mich mit Autobahn und innerorts.
Reden wir über Straßen mit dem Schild Nr. 330?
@Mirko:
Schaun se doch ma hier: Da ist auch (für die A100) der Streckenverlauf eingezeichnet, der sich eindeutig innerhalb Berlins befindet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesautobahn_100
Als Ortsansässiger kann ich bestätigen, dass an keiner der A100-Auffahrten im Innenstadtbereich ein Ortsausgangschild „Berlin (durchgestrichen)“ steht. Denn das dürfte den Ausschlag über inner-/außerorts geben.