Die Verteidigung hat mehrere Möglichkeiten, sich gegen einen Haftbefehl zu wehren. Eine davon ist die Haftbeschwerde.
Sie ist allerdings ein zweischneidiges Rechtsmittel. Wenn es zum Erfolg führt, wird der Haftbefehl aufgehoben. Dann kann man schonmal ein Kerzlein anzünden.
Wird die Beschwerde jedoch als unbegründet zurückgewiesen, hat die Verteidigung regelmäßig ein zusätzliches Problem.
Darüber berichtet der Kollege Burhoff in seinem Blogbeitrag über den Beschluß des Bundesgerichtshof vom 14.07.2016 (StB 20/16).
Die Verteidigung des Angeklagten Wohlleben in dem NSU-Verfahren hat Beschwerde gegen den Haftfortdauerbeschluß des Oberlandesgerichts erhoben. In in diesem Beschwerdeverfahren ging es auch um die Frage, ob sich der dringende Tatverdacht im Laufe der Beweisaufnahme verfestigt oder verflüchtigt hat.
Das Oberlandesgericht hat in diesem (angegriffenen) Haftfortdauerbeschluss den dringenden Tatverdacht bestätigt. Damit hat das Gericht auch signalisiert, dass es sich auf Verurteilungskurs befindet.
Nun hat der Bundesgerichtshof in diesem Beschwerdeverfahren die Ansicht des Oberlandesgerichts über den Verdachtsgrad bestätigt. Und das auch noch auf über 8 Seiten episch begründet. Damit hat die Verteidigung wohl kaum noch Aussicht darauf, dass sich das Oberlandesgericht am Ende der Beweisaufnahme anders – gegen den BGH – entscheiden wird.
Der Kollege Burhoff schreibt dazu:
Das ist natürlich etwas, was man als Verteidiger gar nicht gerne liest, aber ein solches Präjudiz ist die große Gefahr bei solchen Rechtsmitteln. Man könnte auch sagen: Der BGH richtet es schon mal….
Es (und Burhoff in seinem Blogbeitrag) stellt sich nun die Frage, ob die Verteidiger des Angeklagten Wohlleben dieses Risiko nicht kannten und einen kardinalen Fehler mit der Erhebung der Haftbeschwerde begangen haben.
M.E. hätte man es besser gelassen.
Ich weiß es nicht. Denn die Verteidiger, jedenfalls der Cottbuser Rechtsanwalt Olaf Klemke, sind keine Anfänger in ihrem Beruf. Deswegen gehe ich davon aus, dass die Verteidigung mit der Haftbeschwerde (zumindest auch) andere Ziele verfolgt haben, die für die nicht eingeweihte Öffentlichkeit nicht auf den ersten Blick erkennbar sind.
Das Ergebnis der Entscheidung des Bundesgerichtshofs muss also nicht so zwingend eine Katastrophe für den Angeklagten sein, wie es der Kollege Burhoff darstellt.
Es wäre nicht das erste Mal, dass die Ablehnung eines Antrags der Verteidigung einen (beabsichtigten) Erfolg darstellt. Allerdings ist dem Kollegen Burhoff insoweit zuzustimmen, dass es grundsätzlich empfehlenswert ist, das Ergebnis einer Haftbeschwerde zu kennen, bevor man sie einlegt. Es sei denn, der Angeklagte hat nichts mehr zu verlieren.
Einmal mehr möchte ich an die bewährte Züchterweisheit erinnern:
Am Ende werden die Schweine fett.
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Bild: © UWe / pixelio.de
Dann warten wir mal ab, wie fett die Schweine werden, nachdem der BGH das OLG noch mal gefüttert hat.
Aber worin könnte denn so ein geheimer Plan bestehen?
Das OLG zu irgendwelchen Äußerungen provozieren, die man dann zur Grundlage eines Befangenheitsantrags macht? Offenbar nicht, denn so wie es aussieht, wurde ein entsprechender Antrag nicht gestellt.
Einfach nur ausloten, wie das OLG bestimmte (Beweis-)Fragen bewertet? Aber ist es das wert? Und hätte dazu nicht auch ein Beweisantrag gereicht?
Oder ein Vorgehen nach dem Motto „steter Tropfen hält den Stein“ – also die Haftbeschwerde möglichst oft erheben in der Hoffnung, man könne das OLG nach und nach überzeugen? Aber wie soll das gehen, wenn der BGH die eigene Argumentation in allen Punkten widerlegt?