Monatsarchive: April 2017

Gentrifizierung: Nicht überall in Neukölln

Wir befinden uns im Jahre 2017 n.Chr. Ganz Nord-Neukölln ist von den Zugereisten gentrifiziert …

Ganz Nordneukölln?

Nein!

Ein von unbeugsamen Neuköllnern bevölkertes Haus in der Weserstraße hört nicht auf, den Eindringlingen Widerstand zu leisten. Und das Leben ist nicht leicht für die westdeutschen Kapitalanleger, die als Besatzung in den befestigten Lagern Charlottenburgorum, Mittum, Wilmersdorforum und Steglitzum liegen …

Never give up! Venceremos! 8-)

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Der Zeugenbeistand: Wozu eigentlich?

In Strafverfahren sind Zeugen das wichtigste Beweismittel. Deswegen besteht die Beweisaufnahme vor Gericht überwiegend aus der Vernehmung von Zeugen. Sie werden vom Gericht (vor-)geladen und müssen dann auch erscheinen. Sonst gibt es ein Ordnungsgeld und es droht die Vorführung.

In aller Regel sind solche Vernehmungen nicht das, was man sich als kurzweilige Unterhaltung am Vormittag wünscht. Mal giftet den Zeugen der Staatsanwalt an, weil er den Angeklagten entlastet. Alternativ grillt der Verteidiger den Belastungszeugen. Und der Richter droht noch vor Beginn der Vernehmung mit Freiheitsstrafen für den Fall falscher Aussagen; sogar Fahrlässigkeit kann bestraft werden.

Auf den ersten Blickl ist es recht überschaubar, was der Zeuge leisten soll: Schlicht wahrheitsgemäß über das berichten, an das er sich erinnert. Wenn er sich nicht erinnert, soll er das mitteilen und gut is.

Aber schaut man mal in den Maschinenraum des Strafprozesses, entdeckt man vielgestaltige Rechte und Pflichten eines Zeugen.

Neben dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO fallen hierunter auch das Beanstandungsrecht bei Fragen, die unter § 68a StPO fallen sowie solchen, die unzulässig, ungeeignet sind oder nicht zur Sache gehören, § 241 Abs. 2 StPO. Ferner Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit, §§ 171b, 172 GVG, z.B. zur Wahrung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, Anträge auf Ausschluss des Beschuldigten, § 247 StPO, das Recht auf Abgabe eines zusammenhängenden Berichts, § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO, die Einflussnahme bei der Protokollierung sowie generell die Vermeidung von Aussagefehlern und Missverständnissen. (Zitiert aus BVerfG 2 BvR 941/09)

Scheinbar simple Fälle sind also nicht selten nur scheinbar simpel. Wenn also eine Zeugenladung eintrudelt, sollte sich der Geladene ein paar Gedanken machen, ob es nicht ratsam wäre, sich Rat einzuholen.

Dazu bietet sich an, mal einen Strafverteidiger zu befragen. Der kann dann prüfen, ob es sinnvoll ist, den Alleingang zum Gericht zu wagen. In nicht wenigen Fällen wäre es für den Zeugen jedoch besser, sich begleiten zu lassen: Von einem anwaltlichen Zeugenbeistand.

Dieser Zeugenbeistand paßt dann auf, daß die oben zitierten Rechte des Zeugen von den anderen Verfahrensbeteiligten geachtet werden. In nicht seltenen Fällen wird das Gericht dem Zeugen einen Rechtsanwalt als Beistand beiordnen. Dann übernimmt zunächst die Landes-/Justizkasse die Kosten des Beistands und schreibt sie ggf. dem verurteilten Angeklagten auf den Deckel.

Merksatz:
Es könnt‘ alles so einfach sein, isses aber nicht. Denn dann bräuchte man ja keine (Straf-)Juristen.

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Inschwungbringung

Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt gegen eine größere Anzahl Beschuldigter. Irgendwann im Mai 2016 soll etwas passiert sein, was nicht den Spielregeln des Miteinanders zwischen Bürger und Polizei entsprochen hat.

Das wurde dem Mandanten mündlich vor Ort mitgeteilt; und später im August 2016 noch einmal gem. § 163a StPO auf Altpapier gedruckt. Ende September habe ich mich als Verteidiger für meinen Mandanten gemeldet und Akteneinsicht beantragt.

Nachdem ich aus Cottbus nichts gehört habe, folgte im November ein Einzeiler:

… erinnere ich an mein Akteneinsichtsgesuch vom **. September 2016.

Die lapitare Antwort ziemlich genau 1 Monat später:

Weitere Einzeiler, jeweils mit Anlage aller davor geschriebenen Einzeiler, erfolgten dann Ende Januar und Ende Februar 2017.

Ende März habe ich dann eine sechszeilige Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben (wieder mit dem gesamten Erinnerungskonvolut als Anlage). Bis zum heutigen Tage – Ende April – habe ich aus Cottbus kein weiteres Lebenszeichen bekommen. Nichts. Nada. Niente. Nothing.

Ich denke mal, es ist nun an der Zeit, etwas Schwung in die Behörde zu bringen. Deswegen kommt nun das hier aus dem Fax der Staatsanwaltschaft Cottbus

An die
Behördenleitung der Staatsanwaltschaft Cottbus
– zHd. Herrn LOStA Bernhard Brocher –

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Brocher,

ich erhebe ich unter Bezugnahme auf meine in Kopie (erneut) beiliegenden Schreiben

Verzögerungsrüge nach §§ 198, 199 GVG.

Es ist nicht hinnehmbar, daß weder auf Erinnerungen, noch auf meine Dienstaufsichtsbeschwerde vom [DATUM] reagiert wird.

Die mangelnde Reaktion auf die Schreiben empfinde ich als unverschämten Affront gegen meine Person; zumindest einen kleinen Zweizeiler hätte die Höflichkeit im Umgang miteinander geboten.

Ich erwarte daher vom verständigen Betrachter dieser Sachlage Verständnis, wenn in Bezug auf die augenscheinliche Nichtbearbeitung hier der Verdacht keimt, daß gar eine vorsätzlich falsche Anwendung des Rechts durch Amtsträger bei der Bearbeitung dieser Rechtssache vorliegen könnte. Aus Fürsorgegründen weise ich daher hin auf § 339 StGB.

Weitere Verzögerungen des nun seit fast 1 Jahr andauernden Verfahrens sind nicht hinnehmbar. Die Verzögerungsrüge ist daher auch begründet. Meinem Mandanten erwächst aus seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren der subjektive verfassungsrechtliche Anspruch darauf, daß dieses ohne vermeidbare Verzögerung durchgeführt wird (BVerfG NStZ 1984, 128; NJW 1992, 2472; 1993, 3254;1994, 967; 1995, 1277; BGHSt 24, 240; 26,1). Die Achtung seiner Menschenwürde und der Schutz seiner Grundrechte erfordert, daß die Eingriffe und Belastungen, die für ihn mit einem Strafverfahren verbunden sind, so kurz wie möglich gehalten werden (BGHSt 26, 6). Art.6 III a) EMRK garantiert ausdrücklich als Menschenrecht, daß das Strafverfahren in angemessener Frist von der Bekanntgabe des Schuldvorwurfes bis zur Rechtskraft abgeschlossen wird, damit er nicht während eines zu langen Zeitraumes unter der Last der Beschuldigung bleibt (EGMR JR 1968,463;BverfG NJW 1992,2472; BGH St 26, 238; OLG Stuttgart, NJW 1974, 284; Löwe-Rosenberg, StPO, Großkommentar, 25.Auflage 1997, vor § 213 Rdn. 20).

Vielleicht bewegt sich ja jetzt irgendwas. Oder -jemand.

Gern nehme ich weitere Vorschläge der geschätzten Leserschaft entgegen, womit man diesem Beamtenapparat wieder in Schwung bringen könnte.

Update:
Lieber Herr Staatsanwalt, der Sie wenige(!) Stunden(!), nachdem Sie mein Fax erhalten haben, hier angerufen und mich um Rückruf gebeten haben. Ich habe kein Interesse daran, diesen Konflikt wegzumoderieren. Da müssen Sie jetzt durch. Ich will eine Entscheidung über die Dienstaufsichtsbeschwerde und vor Allem: Die beantragte Akteneinsicht. Mit Ihren verwaltungsinternen Problemen und der vermuteten personellen Überforderung Ihrer Behörde habe ich nichts zu schaffen.

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Demo gegen die geplante Strafrechtsverschärfung

Der RAV ruft gemeinsam mit den zahlreichen anderen Organisationen für

Donnerstag, den 27. April 2017 um 18 Uhr
vor dem Bundestag

zu einer Kundgebung gegen die geplante Strafrechtsverschärfung für Angriffe auf Vollstreckungsbeamte auf! Dazu wurde eine Pressemitteilung (pdf) mit detaillierten Informationen veröffentlicht.

In zweiter und dritter Lesung steht am Donnerstag, den 27.04.2017 die Änderung des StGB zum Schutz von Polizist*innen auf der Tagesordnung des Bundestags.

Gegen die geplante Gesetzesverschärfung haben sich RAV, das Grundrechtekomitee, die Humanistischen Union, die Int. Liga für Menschenrechte und die VDJ bereits in einer umfangreichen Stellungnahme vom 20.03.2017 gewandt.

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Zeugenverhinderungsservice

Zeugen sind neben den Angeklagten die bedauernswertesten Beteiligten an einem Strafverfahren.

Erst sitzen sie auf dem zugigen Gerichtsflur und warten – teilweise stundenlang – darauf, irgendwann aufgerufen und vernommen zu werden.

Zeugen, die die Anklagevorwürfe stützen, werden nicht selten von den Verteidigern gegrillt.

Wenn Zeugen hingegen zugunsten eines Angeklagten aussagen, müssen sie damit rechnen, mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Falschaussage überzogen zu werden.

Und wenn sich der Zeuge nach der Quälerei dann die Tarife anschaut, die unter dem Begriff „Zeugenentschädigung“ zusammengefaßt werden, schießt ihm das Wasser in die Augen.

Staatsbürgerliche Pflicht hin oder her: Ich würde es mir mindestens dreimal überlegen, ob ich mich freiwillig als Zeuge zur Verfügung stellen soll. Oder besser nicht.

Das Amtsgericht Tiergarten hat sich nun eine weitere Schikane ausgedacht, potentielle Zeugen am Hören, Sehen und Sprechen zu hindern. Es gibt ab sofort grundsätzlich kein Bargeld mehr für die Auslagen, auf deren Erstattung der Zeuge einen Anspruch hat. Verdienstausfall und Fahrtkosten gibt es ab sofort nur noch auf schriftlichen Antrag:

Ich bin mir sehr sicher, daß ein Großteil der Zeugen mit diesem Antragsformular (PDF) völlig überfordert ist. Die Justizverwaltung spart also nicht nur die Kosten für das Personal, das den gebeutelten Zeugen, die kein abgeschlossenes Hochschulstudium hinter sich haben, behilflich sein könnte. Mir fällt dazu der Begriff Unverschämtheit ein.

Aber vielleicht vertritt „Ihre Entschädigungsstelle bei dem Amtsgericht Tiergarten“ ja auch die Ansicht, daß Bargeld nur das Gehör beinträchtigt, den Blick vernebelt und den Mund verstopft.

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Null Toleranz für Verwaltung und Urlaub

Wer wissen will, warum kleinere Strafverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in Berlin so elend lang dauern, kann sich anhand von Aktenvermerken, wie zB. der eines renitenten Richters, informieren:

Ich fasse das mal zusammen:

  • Es gibt ein erhöhtes Fallaufkommen im Bereich der Betäubungsmitteldelikte beim Amtsgericht. Wer meint, das hänge mit der Null-Toleranz-Strategie und den ständigen sinnlosen Kontrollen in der Hasenheide und im Görlitzer Park zusammen, denkt in die richtige Richtung.
  • Die Justizverwaltung schließt eine Spezialabteilung für genau diese „Null-Toleranz´-Delikte“. Die Akten der strafverfolgten Kiffer verstauben vier Monate lang auf einer unterbesetzten Geschäftsstelle.
  • Parallel dazu wird den Richtern irgendwelcher Verwaltungskrempel übergeholfen, damit sie sich auch ja nicht um ihren eigentlichen Job kümmern können.
  • Und jetzt macht der letzte engagierte und aufmüpfige Richter auch noch Urlaub.

Es bleibt (für den Fortgang der Verfahren, nicht für den Richter) zu hoffen, daß die Wiedervorlage („Wv“) nicht die Dauer seines Urlaubs wiedergibt.

Wer in so einem Laden arbeiten will, muß nicht nur über ein gutes Examen verfügen, sondern – viel wichtiger – über ein extrem dickes Fell. Überlegt Euch das gut, lieber Nachwuchs.

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Ein Weichblitz in Neukölln

Die Wanne ist noch beim Kosmetiker. Sie soll dem TÜV-Prüfer gefallen. Wegen des H-Kennzeichens. Nur historisch wertvolle Fahrzeuge bekommen das Prädikat „automobiles Kulturgut“. Dafür muß das gute Stück in Schuß gehalten werden.

Und solange freue ich mich, wenn ich andere Fahrzeuge aus derselben Liga sehe. Wie zum Beispiel dieses nette Wohnmobil:

Ein Opel Blitz aus den 50er Jahren in Gestalt eines Löschgruppenfahrzeugs 8 (kurz: LF 8) mit einem kleinen Gag bei der Wahl des modernen Kennzeichens. Sehr schönes Auto.

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Öffentlichkeitsarbeit: So bitte nicht!

In den Anfängen meiner Tätigkeit als Strafverteidiger habe ich die Medienvertreter grundsätzlich vom Hof gejagt. Erst nachdem ich die eine oder andere gute Erfahrung mit Journalisten machen konnte, habe ich mich nach und nach umorientiert. Nicht ohne ein- oder zweimal in ein offenes Messer der Journaille gelaufen zu sein – glücklicherweise ohne damit meinen Mandanten geschadet haben.

Gelernt habe ich dabei, daß es nicht ganz so trivial ist, im Rahmen einer Strafverteidigung mit der Presse, dem Radio oder dem Fernsehen zu reden. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die vorteilhafte Darstellung meiner Person (ja, auch Anwälte sind manchmal eitel).

Im Focus ;-) Mittelpunkt steht allein das Mandanteninteresse: Nützt es meinem Auftraggeber, wenn ich mit den Medien spreche? Wenn nicht, dann darf man allenfalls reden, ohne etwas zu sagen.

Zu diesem Problemkreis werden hilfreiche Bücher und/oder Fortbildungsveranstaltungen für Strafverteidiger (pdf) angeboten, deren Lektüre bzw. Besuch sehr sinnvoll ist.

Denn bei aller Kontakt- und Auskunftsfreude sollte das wichtigste Gut einer Mandanten-Anwalt-Beziehung nicht vergessen werden: Das Vertrauensverhältnis, das entscheidend auf der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit beruht. Nicht ohne Grund wird der Bruch des Berufsgeheimnisses berufsrechtlich (§ 43a BRAO, § 113 BRAO) und strafrechtlich (§ 203 StGB) geahndet. Unbedachtes Geschwätz kann also im Ernstfall durchaus die Lizenz kosten.

Sofern der Verteidiger weiß, wie es funktioniert, kann die Kontaktaufnahme mit – seriösen – Journalisten sehr hilfreich sein. Wer die Risiken kennt, kann die Chancen nutzen, die diese Wechselbeziehung bietet.

Wenn ich aber sowas hier in der Zeitung lese, stellen sich mir die Nackenhaare auf:

Litigation-PR ist ja eine feine Sache. Aber diese Zitate sind eher katastrophal – zuvörderst für den Beschuldigten und nicht zuletzt auch für den Rechtsanwalt, den ich nicht als „Strafverteidiger“ bezeichnet wissen möchte. So geht das nicht!

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Bild: © LaLuca / pixelio.de

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In eigener Sache: eMail-Kurs repariert

Die Sicherung des Kanzleinetzwerks ist eine komplizierte Angelegenheit. Damit nicht jeder hier reingucken kann, betreiben wir einen recht hohen Aufwand. Bisher auch mit Erfolg. Und nicht zuletzt Dank hervorragender Unterstützung von Chef-Operator & Lebensretter Jan Kalf von Advoservice.

Da die Entwicklung der Technik auch nicht an uns vorbeigeht, werden wir regelmäßig mit frischer Hard- und Software versorgt. Das führt aber im Einzelfall aber auch schon mal zu Problemen.

So reklamierte eine Abonnentin unseres kostenlosen eMail-Kurses, daß plötzlich die Lektionen ausblieben. Ein Blick in den seit Jahren bei uns zuverlässig arbeitenden FollowUpMailer brachte keine Erkenntnis. Die Konfiguration des eMail-Servers war nicht nur unverändert, sondern auch korrekt. Trotzdem gingen die Testmails nicht raus.

Erst ein Blick in die Konfiguration der Portfilter unserer IT-Security-Soft brachte es ans Licht. Ein Mausklick und alles war wieder gut.

Wir können nun gern weitere Kurs-Anmeldungen entgegen nehmen. Kostet nix, bringt aber viel, wenn man mal (ausnahmsweise!) in einer Bußgeldsache auf einen Verteidiger verzichten will. Ist wesentlich einfacher als so ein Kanzleinetzwerk sicher zu machen.
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Bild: © C. Nöhren / pixelio.de

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Schöner Wohnen in SO36

Lohmühlenstraße, Ecke Görlitzer Park, SO36

Ein paar Schritte weiter (Landwehrkanal, Richtung Kanzlei am Paul-Lincke-Ufer) siehts dann so aus:

Dit is Kreuzberg!

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Bilder: © HU

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