Monatsarchive: Mai 2017

Erst die Straftat und dann der Verdacht?

Manche Ermittlern möchte man nochmal zur Intensivbetreuung durch einen Nachhilfe-Lehrer in die Grundschule schicken.

Der Mann, der den unten zitierten Bericht geschrieben hat, bekommt monatlich am Ersten im Voraus frei Konto sein Gehalt dafür, daß er auf unseren Rechtsstaat aufpaßt.

Und was macht er? Sowas hier:

Ich habe vor vielen Jahren mühsam gelernt: Erst entsteht irgendwie ein Verdacht, dann sucht der Ermittler Beweise und ganz am Ende entscheidet der Richter, ob sich der Verdacht bestätigt hat und der Tatbestand einer Strafnorm erfüllt ist.

Aber dieser ZAM (ich habe gegoogelt: Zollamtmann. Exkurs: Was bedeutet die Abk.: „ZAM’in“. Süß, nicht?) kennt das anders: Er – und nicht der Richter – nagelt den Tatbestand erstmal fest, sucht sich dann ein paar Beweise zusammen und begründet schließlich irgendwie einen Verdacht.

Wenn er die Beweise gefunden hat. Und die wird er finden! Denn er weiß ja bereits auf Blatt 2(!) der Akte, daß die Voraussetzungen des § 266a StGB vorliegen. Und dann muß es ja die Beweise geben. Sonst wäre ja der Tatbestand nicht erfüllt.

Nebenbei:
Lesen Sie sich den § 266a StGB mal durch! Und bezeichnen Sie dann die Tatbestands-Voraussetzungen. Aber passen Sie auf, daß Ihnen nicht schwindelig wird, wenn Sie sich die Bezugsnormen aus dem Sozialversicherungsrecht zur Gemüte führen. Ich sach nur: „Sozialrechtsakzessorietät“.

Sowas macht unser ZAM aber mit links.

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Bild: © Petra Morales / pixelio.de

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Professionelle Rechtswegerschöpfung im Wald

Im Zusammenhang mit der Beschwerde von Deniz Yücel hatte ich in einem Blogbeitrag vor übertriebenem Optimismus gewarnt. Und auf die Fallstricke hingewiesen, die das sogenannte Subsidiariätsprinzip (Art. 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG) über den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht spannt.

Ein schönes Beispiel …
… dafür, daß selbst anerkannte Profis über diese Vorschrift stolpern können, zeigt der Beschluß der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht (BVerfG), vom 24. Mai 2017 – 2 BvQ 26/17.

Beschluß
Das Amtsgericht München hatte einen Durchsuchungsbeschluß erlassen, der die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei anordnete. Die Ermittler haben dann anläßlich der Durchsuchung Unterlagen und Daten sichergestellt.

(Kein) Rechtsmittel
Gegen diese Sicherstellung hatte sich die Kanzlei (und parallel auch die Mandantschaft der Kanzlei – Az: 2 BvQ 27/17) zunächst beim Amtsgericht München gewehrt (analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO), ohne Erfolg. Die Beschwerde der Kanzlei gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hatte das Landgericht noch nicht entschieden, für die Mandantschaft wurde diese Beschwerde gar nicht erst erhoben.

Das Ziel …
… nämlich die Verhinderung der Sichtung der sichergestellten bzw. beschlagnahmten Unterlagen und Daten durch die Staatsanwaltschaft, hat die Kanzlei dann mit einem Eilantrag auf eine einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu erreichen versucht.

Hat nicht funktioniert, …
… weil die Möglichkeiten des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes nicht ausgeschöpft wurden. Zu früh geschossen also.

Auf die Beschwerde nach § 304 StPO hätte das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufheben können. Eine Beschwerde-Entscheidung gab es noch nicht (s.o.). Zudem – und da genau liegt der subsidiäre Hund begraben – hätte das Landgericht (aka: Beschwerdegericht) nach § 307 Abs. 2 StPO von Amts wegen oder auf Antrag die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgericht bis zur Entscheidung über die Beschwerde aussetzen können.

Einen solchen (Aussetzungs-)Antrag hat weder die Kanzlei noch deren Mandantschaft gestellt. Aus-die-Maus.

Keine Laien
Wenn man sich jetzt mal anschaut, durch wen sich die Kanzlei und deren Mandantschaft hat vertreten lassen, sieht man, daß es sich keineswegs um Debütanten oder strafprozessuale Amateure handelt. Die Verteidiger sind ernst zu nehmende Schwergewichte.

und

Nicht lustig
Es ist natürlich leicht, sich über so einen vermeintlichen Anfängerfehler lustig zu machen. Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zeigen aber einmal mehr, daß Verfassungsbeschwerden keine Kindergeburtstage sind.

Nota bene:
Selbst wenn die Verfassungsgeschwerden zulässig gewesen wären, hätte das nicht zwingend auch deren Begründetheit zur Folge gehabt. Nicht ohne Grund liegen die Erfolgsquoten insoweit bei unter 5% (in Worten: fünf Prozent). Der verfassungsrechtliche Wald versteckt sich nicht selten hinter den Bäumen.

Was hat das nun mit Deniz Yücel zu schaffen?

Und da schließt sich nun der Kreis zur Menschenrechtsbeschwerde von Deniz Yücel. Wenn schon das Bundesverfassungsgericht sich schwertut mit der Annahme von Beschwerden, wird das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ganz bestimmt nicht einfacher sein.

Ich drücke Deniz Yücel und den anderen in der Türkei inhaftierten Journalisten dennoch sämtliche Daumen!

PS:
Eine Zusammenfassung der beiden Beschlüsse des BVerfG mit einem anderen Schwerpunkt hat Marc Chmielewski in der juve geschrieben. 

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Grüner wird’s nicht

So schon bunt und grün ist #Neukölln.

Sonnenallee / Ecke Jupiterstraße; kurz vor der Grenze zu Ostberlin Treptow.

Gestern (am Sonntag) haben wir sie wieder umgesetzt. Wer findet die Wanne und schickt ein schönes(!) Photo – zur Veröffentlichung hier – an hoenig@kanzlei-hoenig.de?

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Ge- und Befangen in der Verfahrensbeschleunigung

Ein Umsatzsteuerkarussell im XXL-Format beschäftigt zur Zeit eine Wirtschaftsstrafkammer. Der in der Anklageschrift behauptete Steuerschaden soll im sehr hohen zweistelligen Millionenbereich liegen. Beteiligt sind – neben den drei Angeklagten – von kleinen Rechnungsschreibern über Mittelständler bis hin zu Großindustriellen eine Vielzahl von überwiegend „gesondert verfolgten“ Beschuldigten aus mehreren Ländern. Entsprechend komplex ist der gesamte Verfahrensstoff, der insbesondere bei der Strafkammer für wenig gute Unterhaltung zu sorgen scheint.

Deswegen bietet sich hier an, das Verfahren durch eine Verständigung zwischen Gericht und Verfahrensbeteiligten nach § 257c StPO zumindest zu beschleunigen, jedenfalls zu vereinfachen, vielleicht auch kurzfristig zu beenden.

Klappt das mit dieser Verständigung nicht, könnte es sein, daß sich das Verfahren bis zum St. Nimmerleinstag hinziehen wird. Das hört sich vor dem Hintergrund der völligen Überlastung der Kammer und deren Geschäftsstelle überhaupt nicht gut an.

Nun hat das Gericht den Angeklagten ein Angebot gemacht, das einerseits nicht den Erwartungen und andererseits auch nicht den Spielregeln entsprechen könnte. Deswegen zeichneten sich auf der Stirn eines Angeklagten erhebliche Sorgenfalten ab, die seine Verteidiger in für das Gericht gar nicht wohlklingende Worte gefaßt haben:

Indem die Kammer mit ihrem Vorschlag die allgemeinkundigen Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts bewußt außer Acht lässt, hat sie auch für einen besonnenen Angeklagten durch die erkennenden Berufsrichter erkennen lassen, dass ihr die nötige Distanz in der Sache abhandengekommen ist, da sie für die Aussicht auf einen schnellen Abschluss des Verfahrens einen Vorschlag unterbreitet, dessen Verfassungswidrigkeit auf der Hand liegt. Denn es handelt sich bei dem Vorschlag eindeutig um das Ansinnen einer vom Bundesverfassungsgericht gerade verbotenen Absprache, welche auf die entsprechenden tatsächlich notwendigen Feststellungen verzichten will und verzichtet hat.

Da hat es ein Gericht nun schonmal gut gemeint, und dann haut ihm die Verteidigung die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19.03.2013 (2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10 sowie 2 BvR 2155/11) um die Ohren. Und zwar zu Recht!

Gut gemeint ist eben nicht immer gut gemacht.

Ich fürchte, so schnell wird die Kammer kein neues Deal-Angebot mehr machen. Was dazu führen wird, daß nun nach den Regeln der StPO verhandelt wird. Und nicht nach den Grundsätzen einer Mängelverwaltung in der Strafjustiz. Die Dealerei, die in der Praxis der völlig überlasteten Wirtschaftstrafsachen um sich gegriffen hat, hat ein nicht akzeptables Ausmaß angenommen.

Mir hat mal ein Richter gesagt: Wenn eine Anwaltskanzlei die Arbeit nicht vom Tisch kriegt, dürfe sie eben keine neuen Mandate annehmen. Das ist auf die Justiz entsprechend anwendbar – mit der Maßgabe, daß die Ressourcen für die Fallbearbeitung dann zur Verfügung gestellt werden müssen; weil die Annahmeverweigerung für das Strafgericht keine Alternative darstellt. Windschiefe Deals sind jedenfalls keine geeigneten Mittel zur Durchführung fairer und rechtsstaatlicher Verfahren.

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Bild: © tutto62 / pixelio.de

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Nein, die spinnen nicht!

Noch einmal ein paar Worte zu der Focus-TOP-Anwalts-Liste. Hier jetzt unter den Stichworten „Schnäppchen- und Konstenlos-Mentalität“

Was ist daran auszusetzen, wenn ein Wirtschaftsunternehmen einen (geschätzt) fünfstelligen Betrag in die Hand nimmt und damit ein Meinungsforschunsinstitut beauftragt, eine Umfrage unter Rechtsanwälten zu machen und deren Ergebnis in eine Tabelle zu schreiben? Was spricht dagegen, für die Veröffentlichung wiederum Geld zu investieren, um ein Sonderheft zu drucken, dafür zu werben und dessen Vertrieb zu organisieren?

Ziel dieser Investitionen ist sicherlich nicht, den befragten und gelisteten Anwälten ein barmherziges Geschenk zu machen. Es geht eben nicht um die Förderung der wirtschaftlichen(!) Interessen von Anwaltskanzleien. Wenn ein Rechtsanwalt auf Almosen angewiesen ist, sollte er sich ans Arbeitsamt wenden oder seinen Laden dicht machen. Der Focus-Verlag ist kein Müttergenesungswerk für notleidende Advokaten.

Focus will – wie jedes andere Unternehmen auch – eine Rendite aus dieser oben beschriebenen Investition erzielen. Dazu verkauft man die Sonderhefte für relatives Kleingeld an das Publikum und viele Seiten für Anwalts-Werbung im Heft zum Gegenwert eines dreijährigen Hartz-IV-Einkommens. Darüberhinaus bietet Focus dann auch noch die (begrenzte) Verwendung des „Siegels“ und der „Urkunde“ an. Für ebenfalls teuer Geld.

Wenn nun die Marketing-Abteilung einer Rechtsanwaltskanzlei die Ansicht vertritt, die Investition in diese Art der Werbung würde sich auszahlen für die Kanzlei (also lukrative Mandate bringen), dann kommt man mit dem Focus-Verlag in Contract. Wenn nicht, dann nicht. So einfach ist das!

Wo ist jetzt das Verwerfliche oder Kritikwürdige an dem Handeln des Focusverlags? Es wird kein gelisteter Anwalt gezwungen, das Angebot des Focus anzunehmen. Statt dessen kann er sogar kostenlos mit der Liste Werbung machen, wenn auch im eingeschränkten Rahmen, so wie ich es hier seit 2013 mache.

Woher kommt diese Anspruchshaltung, die Früchte der Investition eines fremden Unternehmens ernten zu wollen, ohne bereit zu sein, eine adäquate Gegenleistung dafür zu liefern. Für so ein Verhalten kann ein Biologielehrer locker ein paar deutliche Worte aus dem Tier- und Pflanzenreich vorschlagen.

Ich bin dankbar, daß mir der Focus diese – eingeschränkte – Möglichkeit gegeben hat, darauf hinweisen, daß unsere Kanzlei „überzeugt“. Und ich nörgele nicht herum, weil er mir diese Möglichkeit eben nicht uneingeschränkt zur Verfügung stellt. Ich bin kein Schnäppchenjäger und fordere nichts geschenkt. Sondern so, wie ich erwarte, daß meine Leistung entlohnt wird, bin ich bereit, für Leistungen anderer eine Gegenleistung zu bringen.

Und ja:
Mir ist bewußt, daß für den kundigen Insider das Ranking und das Siegel kaum belastbare Hinweise auf die Qualität der Arbeit des Gesiegelten liefern. Aber „kundige Insider“ sind auch nicht die Zielgruppe unseres Kanzleimarketings.

Und nein,
lieber und hoch geschätzter Herr Kollege Burhoff und liebe Kollegen, die Ihr in das gleiche Horn stoßt: Die Focus-Leute spinnen nicht. Die bekommen nämlich nicht – garantiert bis zum Lebensende, und für die Witwe sogar darüber hinaus – monatlich zum Ersten ein alimentierendes Gehalt auf’s Konto. ;-) Gönnen Sie den Kapitalisten ihre Gewinne!
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TOP-Anwalt 2017: Zum 5. Mal in Folge

Offenbar habe ich einen nachhaltigen Eindruck auf das Publikum gemacht. Denn seit 2013 habe ich nun zum 5. Mal „überzeugt“. Das schreibt mir der Focus:

Ich freue mich und ein bisschen stolz bin ich natürlich auch. Selbst dann, wenn ich mir die Hintergründe dieser Focus-Recherche verdeutliche.

Das Problem der Mandanten eines Strafverteidigers ist, daß sie in der Regel – wenn überhaupt – erst am Ende des Mandats entscheiden können, ob der Verteidiger gut *war*. So ein Ranking, wie das, was der Focus hier seit 2013 veröffentlicht, kann zumindest einen ersten Anhaltspunkt dafür liefern, daß man es nicht mit einem strafrechtlichen Laien zu tun bekommt, wenn man sich einem Anwalt aus der Liste anvertraut.

Das ist doch schonmal was. :-)

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Deniz Yücel vs. Türkei vor dem EGMR

Medienberichten zufolge hat der in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) erhoben.

Yücel sitzt seit Februar 2017 in Untersuchungshaft; ihm wird vorgeworfen, Terrorpropaganda und Volksverhetzung betrieben zu haben.

Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Ok, teilte den Medien mit, die Beschwerde werde …

… von seinem Gegenstand her unter die Fälle gerechnet, die vom Gericht vorrangig behandelt werden und als solche in kürzest möglicher Zeit untersucht werden sollen.

Ich (aka: leidenschaftlicher Berufsoptimist) möchte an dieser Stelle vor zuviel unberechtigtem Optimismus warnen. Denn die Hürden für die Zulässigkeit einer solchen Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK) sind nicht ohne, auch wenn Art. 35 Abs. 1 EMRK auf den ersten Blick einen recht überschaubaren Eindruck macht. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte …

… kann sich mit einer Angelegenheit erst nach Erschöpfung aller innerstaatlichen Rechtsbehelfe […] befassen.

Mir sind die Rechtsbehelfe im türkischen Haftverfahren nicht bekannt. In der deutschen StPO gibt es beispielsweise die mündliche Haftprüfung, die Haftbeschwerde, die weitere Beschwerde und schließlich noch die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde. Vergleichbares dürfte auch in der Türkei geregelt sein.

Optimismus-Dämpfer Nr. 1
Deniz Yücel ist seit etwas mehr als 100 Tagen inhaftiert. Innerhalb einer solchen Zeitspanne das Haftverfahren und anschließend auch noch das Eilverfahren einer Verfassungsbeschwerde zu durchlaufen, ist schon in Deutschland ein Job für Fortgeschrittene.

Soweit mir bekannt ist, betreibt die türkische Justiz an allen möglichen Ecken das Gegenteil dessen, was man als Verfahrensbeschleunigung bezeichnen könnte. Will sagen: Diese sogenannte „Subsidiarität der Menschenrechtsbeschwerde“ nutzen die türkischen Justiziellen, um den Weg nach Straßburg mit reichlich Steinen zu versehen.

Die türkische Kollegin Fethiye Cetin berichtete auf der diesjährigen Mitgliederversammlung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger unter vielem anderen von der Installation eines Bollwerks gegen Klagen zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Deswegen schließe ich allein aus dem Zeitablauf auf Probleme bei der Zulässigkeit der Beschwerde.

Optimismus-Dämpfer Nr. 2
Wer sich hier in Deutschland einmal näher mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer (deutschen) Verfassungsbeschwerde beschäftigt hat, weiß, welche ungeschriebenen Schwierigkeiten dieses auch dort geltende Subsidiaritätsprinzip (§ 90 Absatz II 1 BVerfGG) macht.

Der Rechtsweg ist nicht erst dann erschöpft, wenn alle formellen Rechtsbehelfe genutzt worden sind. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich allerlei informelle Rechtsbehelfe ausgedacht, um nicht zu früh in die Rechtsprechungskompetenz der ordentlichen Gerichte eingreifen zu müssen (und das ist auch gut so, wie ich meine).

Was sind nun diese informellen Rechtsbehelfe?
Das deutsche, teilweise ungeschriebene Prozeßrecht bietet da u.a. die Dienst-/Fachaufsichtsbeschwerde, Untätigkeitsbeschwerde, Gegenvorstellung, Anträge an die Staatsanwaltschaft und/oder das Gericht auf Einstellung des Verfahrens nach §§ 153, 153a, 154 und/oder 154a StPO … usw.. Es würde mich echt überraschen, wenn den türkischen Rechtsverdrehern ;-) nicht Vergleichbares eingefallen wäre.

Chancenlos?
Wir Juristen, besonders die Strafjuristen, haben es gelernt, so zu argumentieren, daß jedes(!) gewünschte Ergebnis als gesetzeskonform durchgeht. Auch und gerade in den Verfahrensvorschriften verlangen viele sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe eine Interpretation. Und das genau sind die Spielräume, innerhalb der sich nun auch die Richter beim EGMR bewegen werden.

Sind sie – wie ich – der Ansicht, daß Yücel „nur seinen Job“ als Journalist gemacht hat, als er über den Kurdenkonflikt und den Putschversuch vom Juli 2016 berichtete, und deswegen dafür nicht bestraft werden darf, werden die Richter seine Menschenrechtsbeschwerde als zulässig interpretieren. Wenn nicht, dann nicht. Ich bin gespannt, habe aber Hoffnung.

Nachwort:
Ich bin kein Verfassungs- oder Menschenrechtler, sondern Instanzverteidiger; Ergänzungen oder Korrekturen meiner Gedanken sind daher willkommen. Mit diesem Beitrag möchte ich gleichwohl auf die rechtliche Situation, in der sich Deniz Yücel befindet, aufmerksam machen, um damit zumindest für ein gewisses Verständnis des nun anstehenden Straßburger Verfahrens beizutragen.

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Bild: © Piratenpartei Deutschland

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On the road again

Es hat diesmal etwas gedauert mit dem Kosmetiker. Die alte Dame brauchte nach der letzten Saison nun wirklich auch mal eine besondere Pflege. Aber jetzt steht sie in neuem Glanz wieder auf der Straße:

Der Lackierer hat sich auch ganz besondere Mühe gegeben, wie diese Detailaufnahme zeigt:

Vor einiger Zeit hatte er die Fahrzeugfront auf Vordermann gebracht. Was bei mir nur ganz knapp nicht zum Herzkasper geführt hat.

Denn er hatte das Blech – und damit auch die historisch(!) wertvollen(!!) Beulen – vor dem Lackieren komplett zugespachelt und glatt gebügelt.

Die Spuren aus den Kreuzberger Straßenkämpfen der 80er-Jahre hat er nun – wie man sieht – liebevoll erhalten.

Besten Dank an das Spitzen-Team vom besten Kfz-Meister wo gibt, Peter Jaekel, Bohnsdorf!

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Ein knackiges Vernehmungsprotokoll

Auf der Brücke zwischen Herren-/Vater-/Himmelfahrtstag und Wochenende wird sich niemand von langen Blogbeiträgen von der Sonnenliege locken lassen.

Deswegen nur kurz ein knackiges, aber vollständiges Vernehmungsprotokoll:

So muß das! Damit läßt sich was anfangen. Jedenfalls von der Verteidigung.

Schönes Wochenende!

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Nur eine armselige CD

Die Verteidiger in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wollten sich nicht darauf verlassen, daß die Aschenputtel bei der Kriminalpolizei schon alles richtig gemacht haben. Wir wollten also nicht nur ins Töpfchen gucken, sondern auch ins Kröpfchen.

Ein solches Begehren wird nicht gern gesehen; denn welcher Ermittler läßt schon gern seine Arbeit von Strafverteidigern überprüfen. Aber diesmal hat’s funktioniert, ein entsprechender Antrag hatte Erfolg: Die Ermittler schickten eine CD mit der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zum Gericht, die das LKA für nicht verfahrensrelevant gehalten wurden.

Soweit, so gut.

Nun schickt mir das Gericht diese Mitteilung:

Zur Information: Es sind insgesamt 12 Verteidiger in diesem Verfahren engagiert. Die sollen sich nun die eine CD „teilen“.

Ich bin versucht, an den Vorsitzenden zu schreiben:

… beantrage ich die Unterbrechung des Verfahrens für mindestens 12 mal drei Werktage.

Für die Abholung des Datenträgers benötige ich einen Tag, das Kopieren in unserer Kanzlei nimmt etwa auch einen Tag in Anspruch, so daß ich die CD am dritten Tag wieder auf der Geschäftsstelle abgeben kann.

Für den Fall, daß ich die CD nicht vorbeibringen kann, wird es wohl ein oder zwei Tage länger dauern, bis der nächste Verteidiger sich den Datenträger zum Kopieren abholen bei.

Bei 12 Verteidigern ist also davon auszugehen, daß schätzungsweise 36 Tage benötigt werden, bis jeder der Verteidiger eine CD zur Einsichtnahme erhalten hat.

Danach kann dann festgestellt werden, ob es gelungen ist, den sechs in U-Haft sitzenden Angeklagten den Inhalt der CD zur Kenntnis und Durcharbeitung zur Verfügung gestellt werden konnte. Gegebenenfalls wird dann eine weitere Unterbrechung der Hauptverhandlung erforderlich werden.

Wenn der Vorsitzende aber etwas weiter denken würde als vom Estrich bis zum Teppichfilz, könnte er ja auf die Idee kommen, fünf weitere Kopien der CD anzufertigen, um diese den Verteidiger-Pärchen im nächsten Termin zu übergeben. Dann wäre eine unplanmäßige Unterbrechung sicher entbehrlich.

Wenn die Jusitzkasse den Verteidigern schon die Auslagen für die Anfertigung von Aktenkopien mehr erstattet, dann können sie ja auch die Kopien der Datenträger selbst anfertigen. Nicht wahr?!

Armes Landgericht! (… wird man ja wohl noch sagen dürfen).

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Bild: © Gisela Peter / pixelio.de

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