Ein kleiner Beitrag in einer Facebookgruppe für Strafverteidiger zeigte mir mal wieder, welche Folgen es haben kann, wenn sich Zivilisten an „das bisschen Strafrecht“ machen.
Der Ladendieb wird ertappt. Irgendeine nicht ganz so kleine Kleinigkeit hat er nicht bezahlt. Er war im Begriff, damit den Laden zu verlassen. als der Detektiv ihn stoppte. Die Wegnahme war filmisch dokumentiert.
Kein großes Ding also.
… macht ein Zivilrechtler mit links. Oder?
Eine gute Idee des Diebs …
… war es schon einmal, einen Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung zu beauftragen. Der Anwalt begleitete ihn durch das Ermittlungsverfahren, es kam zur Anklage und anschließender Verurteilung. Eine kleine Geldstrafe im Bereich unterhalb der Führungszeugniseintragungsgrenze, also irgendwas unterhalb von 90 Tagessätzen. Im konkreten Fall waren es davon 70 Stücker.
Erfolgreiche Verteidigung?
Nein! Sondern eine Existenzvernichtung.
Denn der verurteilte Straftäter war (sic!) Angestellter im sensiblen Bereich der Luftsicherheit. Das sind nicht nur Piloten, sondern auch Flugbegleiter und Bodenpersonal wie z.B. Gepäckträger. Für den Job am Airport gelten eben strengere Regeln als für einen Bademeister eines städtischen Hallenbads.
Ernsthaftes Beruferaten
Im Focus der Standardfragen eines Strafverteidigers gehören immer der Beruf, ggf. der ausländerrechtliche Status und andere Aspekte, an denen eine strafrechtliche Verurteilung anknüpfen könnte. Wenn man es also mit einer „Gepäck-Servicekraft“ auf TXL oder BER als Mandanten zu tun hat, muß die Zahl 7 in knallgelber Leuchtschrift erscheinen:
In § 7 Abs. 1a des Luftsicherheitsgesetzes …
… ist letzter Konsequnez geregelt, wer ohne Flugticket Koffer übers Flugfeld tragen darf und wer nicht. Und diese Vorschrift hat der zivilistische Kollege schlicht übersehen. Der Ladendiebstahl – aus welchen Gründen auch immer er erfolgte – führte in diesem Fall deswegen geradewegs zum Arbeitslosenamt.
Das Mittel der Wahl …
… einer Verteidigung in solchen Fällen ist die frühzeitige Intervention, also das Gespräch mit dem Staatsanwalt. Ziel hier hätte sein können eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO. Selbst hartleibige Strafverfolger lassen sich darauf ein, wenn im Einzelfall derart heftige Folgen eintreten. Spätestens beim Richter hätte man den Jobverlust mit großer Wahrscheinlichkeit vermeiden können.
Eigentlich kein Geheimwissen, man muß eben nur daran denken.
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Bild Flughafen Tempelhof: © Thomas Sturm / pixelio.de
70 Tagessätze für einen Ladendiebstahl?! Das war ja offenbar nicht der erste Kontakt des Mandanten zum Straf(prozess)recht, oder? Machen die Strafverfolger dann eine Einstellung wegen der heftigen Folgen mit einer entsprechend hohen Auflage mit?
So richtig Mitleid kommt bei mir nicht auf, wenn ich höre, daß ein Dieb jetzt nicht mehr unbeaufsichtigt mit meinem Gepäck ist.
Hat er ihn schon verlassen oder war er gerade erst dabei? Ist es auch schon strafbar wenn man sich mit Sachen auf einen Ausgang zubewegt? Es könnte ja auch sein, dass es einem nur schlecht geht und man kurz an die frische Luft musste. Das mitgenommene Teil aber „reservieren“ möchte, damit es niemand anderes nimmt?
Das haben wir im Fachanwaltskurs für Strafrecht als ALLER ERSTES gelernt, für welche Berufs-/Personengruppen solche Besonderheiten bestehen. Und das waren nicht gerade wenige!
@Daniel
Richter sind ja schlechte Ausreden gewöhnt. Die dürfte aber selbst bei einem erfahrenen Amtsrichter mit 30+ Dienstjahren noch Heiterkeit erzeugen.
Der Gesetzgeber will keine Diebe auf dem Rollfeld. Dieb wird vom Rollfeld entfernt. Finde den nicht-Fehler.
@Daniel: wenn ich mich nicht irre, ist es sogar schon als (versuchter) Diebstahl strafbar, sich im Geschäft was in die Jackentasche zu stecken, auch wenn man noch nicht mal im Bereich der Kassen (geschweige denn des Ausgangs) ist
@HugoHabicht
Der Gesetzgeber will in der Regel keine Diebe auf dem Rollfeld, wenn sie zu mindestens 60 TS verurteilt wurden. Das sollte ein Verteidiger schon im Blick haben.
@crh
Bei allem Respekt, aber normalerweise hat so einen Fall auch ein Zivilist im Griff.
Da hat die Luftsicherheitsfachkraft trotzdem noch Glück gehabt. Bei der Homeland Security wäre es in so einem Fall wohl weitaus ungemütlicher geworden.
PS. In Deutschland genügen doch schon 60 Tagessätze beziehungsweise mindestens zweimal geringere Geldstrafen, um als unzuverlässig im Sinne des WaffG zu gelten?
@ Daniel
Es gilt grundsätzlich schon als Diebstah, wenn das Gut außerhalb der Verfugungsgewalt des Ladens gebracht wird – also Z. B. In die Jackentasche gesteckt wird.
Warum wählt man überhaupt bei einer Strafsache statt einem Strafrechtler einen Zivilisten?
Ich gehe doch auch nicht mit Zahnschmerzen zum Bäcker. Und hier kostet der Zahnarzt auch nicht mehr als der Bäcker.
@Bernd
Das Bild ist etwas schief. Man geht mit Zahnschmerzen nicht zum Augenarzt, das würde besser passen.
Wie bei den Ärzten auch, gibt es bei den Anwälten Generalisten („Hausärzte“) und Spezialisten (Fachärzte, Fachanwälte). Pendant zum Zahnarzt wäre dann noch der Patentanwalt (komplett andere Ausbildung). Anders als bei den Ärzten ist das aber bei den Anwälten eine ziemlich junge Entwicklung, weshalb vielfach eben schlicht der Generalist aufgesucht wird. „Zivilist“ ist dabei übrigens ungefähr so spezialisiert wie „Arzt der alles macht, außer Kniebeschwerden“. Zivilrecht ist 90% von alles Jura und zerfällt in dutzende Unterrechtsgebiete mit vielfach erforderlicher höchster Spezialisierung. Ich glaube nicht, dass der Zivilist einen – zivilrechtlichen – Kartellrechtsfall angefasst hätte.
@ WPR: guck mal was ich 14 stunden vor dir geschrieben hatte ?
@ Bernd: es ist aber doch teurer. der „generalist“ hat das u. u. nach RVG abgerechnet. der strafrechtler hat dagegen – ob wahr oder unwahr – durch beinahe die gesamte strafverteidiger-anwaltschaft die ansicht durchgefochten und zur h. M. gemacht, dass man im strafrecht von den RVG-sätzen nicht leben könne, und daher quasi gezwungen sei, nach honorarvereinbarung abzurechnen.
@Egbert Sass
Ja, 60 Tagessätze sind die Grenze zwischen Un- und Zuverlässigkeit bei Selbstständigen, Waffenbesitzern bzw. Schützen-Prinzen und erzeugen Erklärungsbedarf bei der zuständigen Behörde, falls Du zufällig Nicht-Eingeborener und/oder Nicht-Staatsbürger bist.
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