Kennen Sie den? Kommt ein Mann mit einen halben Hähnchen zu Tierarzt und fragt:
„Kann man da noch etwas machen?“
Dieser Witz ist in unserer Kanzlei schon vor vielen Jahren zu einem Running Gag geworden. Und wird in Fällen wie dem folgenden bemüht.
Dem Mandanten wurden drei Straftaten zur Last gelegt, für die er im Strafbefehlsverfahren verurteilt wurde.
- Urkundenfälschung: Geldstrafe – 190 Tagessätze
- Diebstahl: Geldstrafe – 90 Tagessätze
- Erschleichen von Leistungen: 160 Tagessätze
Die Strafbefehle sind rechtskräftig. Der Mandant hat die Geldstrafen nicht bezahlt. Die Vollstreckungsstelle der Staatsanwaltschaft hat ihn zum Haftantritt geladen.
Die Zweiwochenfrist ist seit drei Wochen abgelaufen. Der Mandant schickt uns die Ladungen und fragt:
„Kann man da noch etwas machen?“
Tja, ich fürchte, das gibt 440 Tage lang keine Grillhähnchen, sondern „Wasser und Brot“. Wenn nicht die 440 Tagessätze sofort bezahlt werden.
Hilfreich ist in solchen Fällen, sofort(!) mit der allerersten Post der Polizei einen Strafverteidiger um Hilfe bitten. Also schon dann, wenn das Hähnchen noch friedlich nach Körnern pickt.
Auch wenn der Strafbefehl erlassen wurde, gibt es noch Möglichkeiten, den Gang zum Grill zu verhindern. Zum Beispiel hier: www.strafbefehl-berlin.de.
Selbst danach noch hätte man eine kleine Chance, um den Knast – die Ersatzfreiheitsstrafe – herum zu kommen: Zahlen (was oft mangels (Grill)Kohle nicht funktioniert) oder Schwitzen statt Sitzen.
Wenn der Gockel aber erst mal neben den Pommes auf dem Grillteller liegt, braucht der Delinquent keinen Strafverteidiger mehr. Denn zaubern können wir noch nicht (wir arbeiten aber daran).
Was rät nun der Strafverteidiger diesem Mandanten?
Alternative Ideen sind in den Kommentaren willkommen.
RSV abschliessen.
Da kann man bestimmt noch was retten, Hauptsache es zahlt jemand anderes für die Rettung.
OmG, ist diese geistige Inkompetenz nicht eigentlich strafmildernd?
Bevor er die Zahnbürste einpackt, könnte er nicht noch versuchen, eine Schwitzen-statt-Sitzen-Arbeit zu bekommen und die dann anzutreten und dann mit der StA zu reden? Oder ist das wirklich schon zu spät?
Vielleicht kann man mit einer „Nachträglichen Bildung der Gesamtstrafe“ (§ 55 StGB und § 460 StPO) die Anzahl der einzupackenden Zahnbürsten noch reduzieren, falls die Reihenfolge von Taten und Strafbefehlen passt.
Was hier schon funktioniert hat: Zuerst alles Geld zusammenkratzen was man hat und überweisen, dann Zahnbürste nehmen und in die JVA und dort sofort schriftlich Arbeit beantragen mit Darstellung der eigenen Notlage. Der entsprechende Kumpel hatte noch in derselben Woche eine Tätigkeit und konnte damit die Anzahl der abzusitzenden Tage auf ca. ein Drittel reduzieren.
Ein Potsdamer, der eine rechtskräftig gewordene Haftstrafe vermeiden wollte, verfuhr so: Er fuhr in Urlaub und postete von dort ein Video, worin er mitteilte, das er dort bleiben wolle. Im Hintergrund war das Eingangsschild eines Restaurants zu sehen. Die Polizei bekam heraus, auf welcher Insel er war. Kurz darauf postete der Mann ein weiteres Video, diesmal mit dem Potsdamer Hauptbahnhof als Hintergrund. Jetzt rechnen viele damit, dass er aus der Haft mal etwas postet.
Zumindest wenn er in den offenen Vollzug einer niedersächsischen Haftanstalt gelangt, dürfte ein Grillhähnchen kein Problem werden.
In jedem Fall selbst stellen, draußen alles regeln und möglichst vernünftig mit den Beamten in der JVA umgehen. In der Haft arbeiten, Geldstrafe zurückzahlen (Nutzung des Überbrückungsgeldes wird m.E. nicht möglich sein). Und vielleicht besorgt er sich mal ne Urlaubsadresse.
Wenn der Gnadenantrag im vorliegenden Fall aufschiebende Wirkung hat, mag das eine Möglichkeit sein, draußen noch einige Dinge zu regeln. Ansonsten sehe ich keinen Sinn darin.
Neben dem Gnadenantrag unbedingt bei der StA und gleichzeitig beim Justizminister Aufschub der Vollstreckung im Gnadenwege beantragen. Wirkungsvoll sind gelegentlich auch (nervende) persönliche Vorsprachen beim Gnadenreferenten im Ministerium ;-)
„Sie werden aufgefordert, die folgende Strafe…..binnen zwei Wochen…..anzutreten.“
Als Arbeitsrechtler bin ich ja mal neugierig: Geht man dann einfach während der „Öffnungszeiten“ dahin ? Oder macht man zweckmäßigerweise einen Termin ? Und was bringt man mit? Nur eine Zahnbürste oder auch ein paar Bücher ? Gar einen e-Book Reader ? Fragen über Fragen ;-)
Magels Erfahrung frage ich mal: Gibt es in der Haftkantine kein halbes Hähnchen gebrauchen?
@AJ Ein eBook-Reader mit WLAN oder 3G wird die JVA wohl nicht erlauben. Und ein Gerät ohne (z.B. Thalia TouchMe) wird heutzutage nicht mehr verkauft …
@crh
Habe ich in der Praxis anders erlebt. Auch Einweisungs- und Vollstreckungsplan für Niedersachsen meint, „Ersatzfreiheitsstrafen (…) an männlichen Personen werden in der nach dem Vollstreckungsplan für den offenen Vollzug zuständigen Justizvollzugsanstalt oder Abteilung vollzogen, sofern nicht besondere Umstände des
Einzelfalles oder der zugrunde liegende Haftzweck die Unterbringung im geschlossenen Vollzug erforderlich machen.
Wie das konkret abläuft, z.B. ob die Anstalt von amts wegen einen Antrag bei der StA stellt, ist mir nicht geläufig.
@AJ
Besser ist es, am Tage möglichst früh dort zu erscheinen. Möglichst nicht vor Feiertagen. Vorher anrufen, was die jeweilige Anstalt erlaubt. Falls es sich um eine Anstalt des offenen Vollzuges handelt, macht es sogar Sinn, einmal dort vorbeizufahren und einen Inhaftierten zu fragen, der die Anstalt gerade verlässt. Die geben bisweilen bessere Informationen heraus.
Na dann mal ganz fix zur Santander und den 10.000.- sofortkredit beantragen, vielleicht kann er sich dann ja noch rauskaufen :D
Der erste Gedanke ist, dass man zuerst doch Himmel und Hölle in Bewegung setzt um die Mücken zusammenzukratzen.
Wenn man aber die Reihe an Taten (Urkundenfälschung, Diebstahl, Erschleichen von Leistungen) auf sich wirken lässt, erkennt man schnell, dass dies bei dem Herrn ein hoffnungsloses Unterfangen ist.
Also => Zahnbürste einpacken und ab zur JVA.
kann der Verteidiger denn kein Darlehen gewähren??