Das richtige Strafmaß aus Sicht des Berufungsgerichts

Der Mandant wurde vom Amtsgericht zu einer bedingten Freiheitsstrafe verurteilt. Es gab Zoff unter Saufkumpanen um eine Flasche Jim Beam. Nachts um 3 Uhr.

Die Staatsanwaltschaft sah in dem Tatgeschehen einen Raub, die Verteidigung war mit der Körperverletzung einverstanden (also mit der Verurteilung wegen der Körperverletzung ;-) ).

Außerdem war der Staatsanwaltschaft das Strafmaß zu niedrig angesetzt. Sie legte Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein. Zwei Tage später und noch fristgerecht ging auch die Berufung des Mandanten beim Gericht ein.

Die Hauptverhandlung vor der Berufungskammer begann der Vorsitzende Richter mit den folgenden weisen Worten:

Wenn sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung ein Rechtsmittel gegen ein Urteil einlegen, ist das ein sicheres Indiz dafür, daß das Urteil und das Strafmaß in Ordnung sind.

Das fand die Verteidigung gut. Die Staatsanwaltschaft zierte sich noch etwas und war dann zu einer Einigung bereit: Wenn die Verteidigung ihre Berufung zurück nimmt, dann stimme sie der Rücknahme zu und erkläre anschließend ihrerseits die Rücknahme.

Gesagt. Getan. Rechtskraft. Und alle waren zufrieden.

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Bild: © Wolfgang Dirscherl / pixelio.de

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9 Antworten auf Das richtige Strafmaß aus Sicht des Berufungsgerichts

  1. 1

    Und genau deshalb lege ich fast immer Rechtsmittel ein, wenn die Staatsanwaltschaft nicht auf selbige verzichtet.

  2. 2
    Techniker says:

    Kissinger (soweit ich mich erinnere): „Ein Kompromiss ist nur dann gerecht, brauchbar und dauerhaft, wenn beide Parteien damit gleich unzufrieden sind“

  3. 3
    Adagio says:

    Herr Hoenig, war es Ihr Mandant? Wenn ja, warum wurde nach der Aussage des Richters nicht sofort ein Befangenheitsantrag eingebracht?!

    • Weil es nicht sinnvoll war. crh
  4. 4
    HugoHabicht says:

    @Adagio
    damit der Richter dann rausgeschossen wird und der Ersatzmann sich der Rechtsmeinung der Staatsanwaltschaft anschließt?

    Mit der häßlichen Folge, dass aus dem popeligen Vergehen der Körperverletzung womöglich doch noch ein Raub wird?

  5. 5
    Marius says:

    Welche Folgen hat es denn, wenn erst die Verteidigung die Berufung zurücknimmt, die Staatsanwaltschaft zustimmt und dann erst ihrerseits die Berufung zurücknimmt? Wie werden die zusätzlichen Verfahrenskosten verteilt?

    • Mit der Reihenfolge der Rücknahme-Erklärungen (erst Verteidigung, dann Staatsanwaltschaft) wollte die Staatsanwältin sicherstellen, daß die Verteidigung es sich nach der Rücknahmeerklärung der Staatsanwaltschaft wieder anders überlegt. Es ist ein Ritual, mehr nicht. Die Kosten werden geteilt. crh
  6. 6
    Andreas says:

    Und wer sichert dem Vertediger zu, dass die SA es sich nicht anders überlegt?

    Nur mal so als Nicht-Jurist, sondern eher Hobby-Spieltheoretiker…

  7. 7
    HugoHabicht says:

    @Andreas
    Nimmt die StA die Berufung zurück, die Verteidigung aber nicht, gilt die Regel der „reformatio in peius“. D.h. der Angeklagte kann ab diesem Zeitpunkt nur noch gewinnen, das Strafmaß kann nur noch gesenkt werden.

    Das ist andersrum nicht so. Wenn es nur noch die Berufung der StA gibt, kann der Mandant durchaus noch milder bestraft werden oder sogar frei gesprochen werden.

    Das einzige was sich ändert ist, dass in dem Moment in dem der Angeklagte zurück nimmt (oder sein Verteidiger für ihn), die Staatsanwaltschaft das Verfahren jederzeit einseitig beenden kann. Und das ist ja genau das, was die Verteidigung hier erreichen will.

  8. 8
    Fry says:

    …weisen Worten…

    … rein zufällig auch die Worte, die zu maximaler Arbeitsminimierung passen …

    • Richter sind klug. Niemals faul. crh
  9. 9
    Silke-Fanclub-Dusseldoof says:

    Wann kommt denn mal wieder was Neues von oder über Silke?