In Strafverfahren sind Zeugen das wichtigste Beweismittel. Deswegen besteht die Beweisaufnahme vor Gericht überwiegend aus der Vernehmung von Zeugen. Sie werden vom Gericht (vor-)geladen und müssen dann auch erscheinen. Sonst gibt es ein Ordnungsgeld und es droht die Vorführung.
In aller Regel sind solche Vernehmungen nicht das, was man sich als kurzweilige Unterhaltung am Vormittag wünscht. Mal giftet den Zeugen der Staatsanwalt an, weil er den Angeklagten entlastet. Alternativ grillt der Verteidiger den Belastungszeugen. Und der Richter droht noch vor Beginn der Vernehmung mit Freiheitsstrafen für den Fall falscher Aussagen; sogar Fahrlässigkeit kann bestraft werden.
Auf den ersten Blickl ist es recht überschaubar, was der Zeuge leisten soll: Schlicht wahrheitsgemäß über das berichten, an das er sich erinnert. Wenn er sich nicht erinnert, soll er das mitteilen und gut is.
Aber schaut man mal in den Maschinenraum des Strafprozesses, entdeckt man vielgestaltige Rechte und Pflichten eines Zeugen.
Neben dem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO fallen hierunter auch das Beanstandungsrecht bei Fragen, die unter § 68a StPO fallen sowie solchen, die unzulässig, ungeeignet sind oder nicht zur Sache gehören, § 241 Abs. 2 StPO. Ferner Anträge auf Ausschluss der Öffentlichkeit, §§ 171b, 172 GVG, z.B. zur Wahrung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses, Anträge auf Ausschluss des Beschuldigten, § 247 StPO, das Recht auf Abgabe eines zusammenhängenden Berichts, § 69 Abs. 1 Satz 1 StPO, die Einflussnahme bei der Protokollierung sowie generell die Vermeidung von Aussagefehlern und Missverständnissen. (Zitiert aus BVerfG 2 BvR 941/09)
Scheinbar simple Fälle sind also nicht selten nur scheinbar simpel. Wenn also eine Zeugenladung eintrudelt, sollte sich der Geladene ein paar Gedanken machen, ob es nicht ratsam wäre, sich Rat einzuholen.
Dazu bietet sich an, mal einen Strafverteidiger zu befragen. Der kann dann prüfen, ob es sinnvoll ist, den Alleingang zum Gericht zu wagen. In nicht wenigen Fällen wäre es für den Zeugen jedoch besser, sich begleiten zu lassen: Von einem anwaltlichen Zeugenbeistand.
Dieser Zeugenbeistand paßt dann auf, daß die oben zitierten Rechte des Zeugen von den anderen Verfahrensbeteiligten geachtet werden. In nicht seltenen Fällen wird das Gericht dem Zeugen einen Rechtsanwalt als Beistand beiordnen. Dann übernimmt zunächst die Landes-/Justizkasse die Kosten des Beistands und schreibt sie ggf. dem verurteilten Angeklagten auf den Deckel.
Merksatz:
Es könnt‘ alles so einfach sein, isses aber nicht. Denn dann bräuchte man ja keine (Straf-)Juristen.
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Bild: © Rainer Sturm / pixelio.de
„Leider viel zu selten von Gerichten, Staatsanwälten und Verteidigern gesehen und angesprochen: Die so genannte „Rückbelastungsgefahr“, die auch dem selbst bereits rechtskräftig abgeurteilten Zeugen die Möglichkeit der Auskunftsverweigerung nach § 55 StPO eröffnet, um zu verhindern, dass ein ehemals Beteiligter an seinen Taten nachträglich die Keule herausholt, um ihn dann seinerseits wegen seiner Aussagen zu „bestrafen“.“
Quelle:
https://ungereimtheiten.wordpress.com/2013/02/02/die-nicht-vergessene-ruckbelastungsgefahr/
„In nicht seltenen Fällen wird das Gericht Rechtsanwalt dem Zeugen als Beistand beigeordnet“
irgendwas an dem Satz ist falsch…
Danke. crh
Gerichtsbegleitung ohne Rechtsberatung für Geschädigte leisten auch die seminargeschulten (ehrenamtlichen) Mitarbeiter des WEISSEN RINGS e.V.
beigeordnen
dat Wort jibbet nich, Carsten :-)
Ich – als Kuscheltier – habe meinen Großen Strafrechtsschein durch über 8.000 HV-Besuche in den letzten 15 Jahren aktualisiert. Zwölf gute erfolgreiche Strafverteidiger durfte ich erleben. – Und Strafverteidigern bleibt die Urteilsberatung verschlossen, aus der ich in neun Jahren Schöffenamt Nektar saugen durfte.
@crh:
Der Kommentar zum Weißen Ring geht ein wenig an der Sache vorbei, finde ich:
– Erstens ist es regelmäßig eben nicht so, dass das Gericht den Zeugenbeistand beiordnet; und dann muss man sich ihn erstmals leisten können.
– Zweitens gibt es natürlich Situationen, in denen ein Zeuge vor allem strafprozessuale Expertise an seiner Seite braucht. Mindestens genauso oft geht es aber einfach darum, menschliche Unterstützung zu bekommen. Und das bringen auch Anwälte nicht so ohne weiteres mit.
– Drittens: Natürlich ist ein erfahrener Fachanwalt für Strafrecht dem ehrenamtlichen Weißer-Ring-Helfer in vielen Punkten überlegen. Nur: der erfahrene Fachanwalt für Strafrecht ist eben nicht der Normalfall in deutschen Gerichten. Der Normalfall ist der Feld-Wald-und-Wiesenanwalt, der neben Mietstreitigkeiten, Kündigungsschutzklagen und Unfallregulierung auch ein bisschen Strafrecht macht. Und was dabei rauskommt, ist selbst aus Sicht der ‚Gegenseite‘ manchmal echt gruselig.
[…] Der Zeugenbeistand: Wozu eigentlich?, […]