Die Porzellankiste

Unverzichtbare Grundlage des Verhältnisses zwischen dem Verteidiger und seinem Mandanten ist das Vertrauen. Ohne das läuft in einem Strafmandat nichts.

Das weiß auch der Gesetzgeber, deswegen hat er den § 203 StGB geschaffen. Danach wird ein Vertrauensbruch böse bestraft.

Daneben – und für die Verteidiger unserer Kanzlei eigentlich noch wichtiger – stehen die zentralen berufsrechtlichen Regeln, die hier von der Rechtsanwaltskammer München übersichtlich zusammengestellt und erläutert wurden.

Der Berliner Kollege, Dr. Niklas Auffermann, hat die Regeln für die Inanspruchnahme externer Dienstleister auf den Seiten der Rechtsanwaltskammer Berlin vorgestellt.

All das dient der Erhaltung der entscheidenden Geschäftsgrundlage, dem Gefühl des Mandanten, daß er von seinem Verteidiger nicht verraten wird.

Der Grund dafür, daß ich diesen Blogbeitrag schreibe, ist ein Kommentar, der unter unserer Mitteilung über die Abschaffung der Papierakte in unserer Kanzlei stand.

Das ist auf den ersten Blick tatsächlich ein wunder Punkt. Schaut man dann einmal genauer hin, werden weitere Probleme erkennbar.

Mitarbeiter, Referendare und studentische Aushilfen unterstützen die Verteidiger beim Arbeiten. Überwiegend werden die Kanzleiserver oder Telefonanlagenvon von qualifizierten Technikern gewartet. Die wenigsten Anwälte reinigen ihre Kanzleiräume selbst. Auch wenn eine Reparatur, ein Umbau oder ein Umzug ansteht, verlassen die wenigsten Anwälte ihren bequemen Schreibtischsessel.

Für all solche und vergleichbare Arbeiten werden in aller Regel nicht-anwaltliche und/oder externe Dienstleister beauftragt. Eben weil es im Alltag auch nicht anders geht.

Nun ist es nicht so, daß ein Anwalt jeden x-beliebigen Menschen an die Interna einer Strafverteidigerkanzlei heranläßt. Die Auswahl und die Überwachung zuverlässiger Dienstleister ist der wesentliche Punkt. Darüberhinaus verpflichten sich die Externen zur Verschwiegenheit und unterzeichnen ein solches Formular:

Eine hundertprozentige Garantie ist das alles nicht, das liegt auf der Hand. Denn selbst dann, wenn Verteidiger sich selbst an den Kopierer stellt, und die Akten einscannt, gibt es Sollbruchstellen: Wird die Festplatte des Kopierer zuverlässig gelöscht, bevor das gebrauchte Gerät gegen ein neues ausgetauscht wird? Um nur ein Beispiel für viele Datenleckfallen zu nennen.

Es kommt also stets auch auf den Verteidiger an, wie sensibel er mit den unterschiedlichen Anforderungen an die Geheimhaltung umgeht. Bußgeldakten sind anders zu handhaben wie die Informationen über den Aufenthaltsort eines per Haftbefehl gesuchten Mandanten. Ein Parkverstoß ist mit dem Steuerbetrug eines Vorstandsvorsitzenden nicht vergleichbar. Entsprechend gestuft ist bei uns auch der Umgang mit den Daten organisiert. Es wäre übertrieben, den Schwarzfahrt-Vorwurf auf einem vom Netzwerk getrennten und verschlüsselten Speichermedium zu verwalten.

Zum dem Thema, das den „Vater der Pozellankiste“ umtreibt: Unser Berliner Dienstleister für’s Aktenkopien ist eine Rechtsanwaltskanzlei, die die Straf- und Bußgeldakten bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften abholt, einscannt und uns auf geschütztem elektronischem Wege übermittelt.

Im Grunde gibt es eine absolute Datensicherheit nur für solche Daten, die nicht erhoben werden. Und ausschließlich mit einer Glaskugel ausgestattet kann kein Strafverteidiger arbeiten.

Für den oben genannten Bedenkenträger bedeutet das: Wenn Du verhindern willst, daß „Deine Ermittlungsakte“ dem beschriebenen Risiko ausgesetzt wird, solltest Du darauf achten, daß erst gar keine angelegt wird. 8-)

Dieser Beitrag wurde unter In eigener Sache veröffentlicht.

12 Antworten auf Die Porzellankiste

  1. 1
    TOK says:

    „Für den oben genannten Bedenkenträger bedeutet das: Wenn Du verhindern willst, daß „Deine Ermittlungsakte“ dem beschriebenen Risiko ausgesetzt wird, solltest Du darauf achten, daß erst gar keine angelegt wird. 8-)“
    Erinnert ein wenig an: „Wer nichts zu verbergen hat, braucht nichts zu befürchten.“

  2. 2
    HerrHausS says:

    Zitat: “ Bußgeldakten sind anders zu handhaben wie die Informationen über den Aufenthaltsort eines per Haftbefehl gesuchten Mandanten.“

    Am „wie“ sollt ihr Sie erkennen, die Siegerländer.
    Grüße aus der kalten Heimat.

  3. 3
    Daarin says:

    Entschuldigen Sie bitte Herr Hoenig, aber vergleichen Sie hier nicht Äpfel mit Birnen? Die Dienstleistung des Aktenscannens beinhaltet ja, dass man zumindest die Akte in die Hand nimmt, wenn nicht sogar liest (um zu prüfen das auch alles da ist). Das Reinigen der Kanzlei sollte so etwas normalerweise nicht beinhalten.

    Des Weiteren ist das Vergessen den Kopierer seiner Festplatte zu entledigen keine Sollbruchstelle, denn sie soll ja nicht brechen.

  4. 4
    Bedenkenträger says:

    Ich würde auch nicht zu einem Anwalt gehen, der meine (Papier-)Ermittlungsakte derart aufbewahrt, dass Referendare, studentische Hilfskräfte, Reinigungskräfte, Handwerker etc. darin Einsicht nehmen können.

  5. 5
    DeeZwoo says:

    @Bedenkenträger:
    Puh, dann wird es schwer, dann kommt wohl nur eine Mini-Kanzlei in Frage, in der der Anwalt alles selbst macht und die Ehefrau abends noch dort putzt (gendergerecht auch andersherum denkbar).
    Tatsächlich bietet die moderne Datenverarbeitung sehr viel sicherere Mechanismen sensible Daten nur autorisierten Mitarbeitern zugänglich zu machen, als selbst der abschließbare Aktenschrank im Zimmer des Anwalts selbst. Nur dem Admin muss man dann noch trauen können.

  6. 6
    Ostblockkennerin und Kennerin des Lebens says:

    Ein altes russisches Sprichwort sagt:
    Zeige mir das Schwalbennest, aus dem es nicht zwitschert…..

    Und Stalin soll gesagt haben, dass alles, was mehr als einer weiß, kein Geheimnis mehr ist.

    Albert Einstein (wahlweise Napoleon, Luther, Nero o.ä.) soll immer wieder zu seinen Leuten gebrüllt haben:

    Nichts ist sicher!
    Das ist sicher!

  7. 7
    Bedenkenträger says:

    @DeeZwoo: Papierakten in einer Anwaltskanzlei so aufzubewahren, dass Unbefugte darin Einsicht nehmen können, wäre doch auch pflichtwidrig und ein nach dem BDSG zu sanktionierender Vorgang.

  8. 8
    WPR_bei_WBS says:

    @ DeeZwoo

    Bei einem extrem sicheren System ist man selbst dem Admin nicht ausgeliefert – da wird dann alles Verschlüsselt und an die eigentlichen Daten kommt der Admin ohne die entsprechenden Passwörter (Token, Dateien etc.) auch nicht dran.

  9. 9
    WPR_bei_WBS says:

    Ein interessanter Blogbeitrag und eine Frage an crh (und andere Mitlesende natürlich auch):

    Da Ihre „Zuliefer-Kanzlei“ diesen Dienst ja nur für Anwälte und Versicherungen anbietet, können Sie einen ähnlichen Anwalt / Anbieter für privat empfehlen?

    Sprich jemand, der die Akteneinsicht vornimmt und die eingescannten Pamphlete dann online zugänlich macht?

    Ich weiß, dass kann im Prinzip jeder Anwalt, z. B auch crh – aber es wird ja seinen Grund haben, dass Sie das auch für Ihre Fälle mitunter outsourcen. Ich denke mal eine Kanzlei, die das in entsprechender Menge macht, kann dies effizienter machen und diese Effizienz dann auch in Form der Kostennote an den Mandanten weiter geben :-).

    • Das, was Sie andenken, läßt sich nur im Rahmen eines Mandats erreichen, das Sie einem Rechtsanwalt erteilen. Die Kanzlei Blau, die für uns die Akten abholt, einscannt, zurückbringt und uns dann die Kopien überläßt, nimmt von Ihnen keine Mandate an, weil sie keine Interessenvertretung übernimmt.
       
      Wir übernehmen keine reine Akteneinsichts-Aufträge (mehr), weil wir entweder komplett verteidigen oder gar nicht.
       
      Vielleicht übernehmen andere Anwälte solche reinen Aktenkopienbesorgungsmandate; auf konkrete Anfragen an konkrete Anwälte bekommen Sie konkrete Antworten. crh
  10. 10
    M.A.S. says:

    WPR_bei_WBS: im Netz finden sich relativ problemlos entsprechende Anbieter, die sich auf diese Dienstleistung spezialisiert haben.

  11. 11
    Neuling says:

    @Daarin
    In der Praxis wird so gut wie kein Scandienstleister sich auch noch mit den Inhalt des Scanguts befassen. Dafür ist schlicht keine Zeit oder wirtschaftlich darstellbarer Raum gegeben.

    Es wird auch nicht sortiert, sondern schlicht in der Reihenfolge des Belegguts erfasst.

    Selbst bei weitergefassten Dokumentenmanagementsystemen, die das Beleggut indizieren, kommen automatisierte Text- oder Barcodeerkennungen zum Einsatz.

    Das jemand den inhalt auch noch liest ist im üblichen Workflow eher nur eine theoretische Gefahr.

  12. 12
    meine5cent says:

    Nur mal interessehalber zum Dienstleister mit „Tätigkeitsschwerpunkt: Akteneinsicht“ : eine Kanzlei, die keinerlei Interessenvertretung übernimmt, sondern mehr oder weniger ein Copyshop ist?
    Und die RA-Kammer (oder ggf. schlimmer: das Finanzamt ….) hat damit keine Bauchschmerzen von wegen Freiberufler vs. gewerbliche Tätigkeit?