Mit welchem Nachdruck manche Wirtschaftsstrafsachen bearbeitet werden, zeigt wieder einmal eindruckvoll das folgende Beispiel.
Im Zusammenhang mit einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung schreibt der Zivil-Rechtsanwalt der Gegenseite eine Strafanzeige gegen den Mandanten meines Mandanten und meinen Mandant. Mein Mandant ist also Rechtsanwalt, gegen den und dessen Mandanten nun ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde. (Alles klar soweit? ;-) )
In solchen Fällen – also wenn man zivilrechtlich nicht weiterkommt – brennt es den Zivilisten unter den Nägeln. Deswegen überschreibt der Strafanzeigeformulierer seinen überaus(!) wichtigen(!!) Schriftsatz mit:
Wie aus solchen Ecken zu erwarten ist die Strafanzeige ein richtig fetter Schriftsatz mit 100 Anlagen, der bei den behördlichen Strafverfolgern stets das Verlangen nach Freudentänzen auslöst. Nicht.
Auf Blatt 60 der Akte verfügt die süddeutsche Staatsanwaltschaft am 16.06.2016 erleichtert:
Am 22.9.2016, am 25.10.2016 und am 24.11.2016 schickt die zunehmend verzweifelte Behörde aus Süddeutschland an ihre Kollegen hier in Berlin diesen Textbaustein:
Irgendwann ist dann bei der Staatsanwaltschaft Berlin jemand auf die Hilferufe aufmerksam geworden und hat sich dieser ungeliebten Sache angenommen. Und gleich weiter gegeben an die zuständigen armen Menschen am Platz der Luftbrücke, die sich gegen solche Aufträge nicht wehren können.
Aber nicht, daß hier irgendjemand glaubt, daß es jetzt lohooos geht. Drei Monate später schickt eine andere Abteilung des Polizeipräsidenten eine eMail an die Staatsanwaltschaft mit einem Fristverlängerungsantrag:
Am 10. Juni 2017 bekommt mein Mandant, Rechtsanwalt R., Post vom LKA – die nach § 163a StPO vorgeschriebene Anhörung in Form einer Vorladung für die erste Juli-Woche. Ich habe mich sogleich als Verteidiger gemeldet und die übliche Akteneinsicht beantragt.
Das Aufatmen des Polizeibeamten, dessen Schreibtisch fast auf dem alten Tempelhofer Flughafen steht, habe ich bis hier nach Kreuzberg am Landwehrkanal gehört. Er konnte die Sache sofort wieder abschließen und das Aktenpaket zurück nach Moabit schicken, mit einem kleinen Abschlußbericht. Nur die Staatsanwaltschaft entscheidet über die Akteneinsichtsgesuche der Verteidiger.
Jetzt ist Anfang November 2017 und ich sitze an der Erarbeitung einer Verteidigungsschrift, mit der sich mein Mandant gegen die vom einem Zivilrechtler erhobenen Tatvorwürfe zu Wehr setzt. Ich glaube, daß ein paar Zeilen reichen, um die Staatsanwaltschaft dazu zu motivieren, sich mit sinnvolleren Aufgaben zu beschäftigen … und das Verfahren einzustellen.
Solche Ermittlungsverfahren sind immer wieder eine große Freude für alle Beteiligten. Aber die Hoffnung der Zivilrechtler stirbt zuletzt.
Wer sagt Ihnen, dass das vornehmliches Ziel Ihres geschätzten Kollegen nicht einfach war, Ihrem Mandanten Aufwand, Aufregung und/oder Kosten zu produzieren?
Das hat er jedenfalls erreicht…
CRHs Mandant ist Anwalt. Da wirds sich mit der Aufregung in Grenzen halten. Auch der Aufwand wird sich in Form von einem „Hier, das Schreiben Carsten, mach Du mal.“ in Grenzen gehalten haben. Und die Kosten vermutlich auch.
Aaaaaber, wenn wir schon bei den Kosten sind: Die werden bei einer 59 seitigen Anzeige bei der Gegenseite wohl um einiges höher sein. Und jetzt raten wir mal – a) das ist Aufwand für den Anwalt, b) das ist neutral für den Anwalt, c) das ist zusätzlicher Umsatz für den Anwalt :-)
Nur ein Hinweis: E-Mail, nicht eMail (das ist auch im Impressum falsch geschrieben)
(dieser Kommentar kann gelöscht werden)
@Ein Leser:
1. Ist das nicht sowas von Wurscht?
2. Wo steht, dass Webseiten in Duden-Deutsch verfasst sein müssen?
3. Betrachten Sie „eMail“ einfach als Eigenname wie iPhone und schon kann man damit leben.
4. am wichtigsten: E-Mail sieht einfach verkehrt aus. Das sieht eigentlich fast jeder der etwas IT-Nähe (wie Herr Hoenig, sonst hätte er keine so ordentliche Webseite) hat so.
Stattdessen eher der Kontrahinweis für Herrn Hoenig:
Hier im Kommentar-Formular steht „E-Mail“, bitte korrigieren ;-)
Immer dieses Zivilisten-Bashing…. ;-)
Aber mal unabhängig von der Frage, dass 100 Anlagen ein wenig zuviel des Guten in einer „eiligen Sache“ gewesen sein dürften und sich der Zivilist wohl auch etwas kürzer hätte ausdrücken können:
Mehr als ein Jahr Bearbeitungszeit durch die StA / Polizei ist schlicht nur noch ein Armutszeugnis (das nimmt ja BERliner Verhältnisse an – oh, ach ja).
Und einen (erfahrenen) Zivilisten, der irgendwelche – zivilen – Hoffnungen in eine Strafanzeige steckt, gibt’s nach meiner Erfahrung sowieso nicht.
Meistens steht hinter einer Anzeige der Wunsch des Mandanten.
Ich jedenfalls hab’s noch nie erlebt, dass die Ermittlungen in einer Strafsache irgendwelche Erkenntnisse zu Tage gefördert hätten, die man zivilrechtlich hätte verwerten können und an die man nicht auch anders herangekommen wäre (mit Ausnahme vielleicht von eBay (oder E-Bay?) Betrügereien, bei denen man nur eine Bankverbindung als einziges Indiz hat um den „Vertragpartner“ zu ermitteln – sowas wird aber auch oft eingestellt).
Und dass sich ein Strafrechtler über Aktendicke mockiert, mutetdann doch etwas seltsam an. Die Strafrechtler sind doch immer diejenigen, die geradezu stolz darauf sind, wenn sie mal wieder von mehreren Kartons voll Leitz-Ordner berichten können, die sie im Rahmen der Akteneinsicht zugesandt bekommen haben. Sowas in Zivilsachen? Eher nicht…
@ 5 vorletzter Abs.: Ich hab’s hingegen schon oft erlebt als Zivilanwalt in Arzthaftungssachen. In der Regel finden sich in den Strafakten brauchbare Gutachten unabhängiger Sachverständiger, bezüglich derer man auch schon im Strafverfahren erfolgreich Ergänzungen erwirken kann; die Gutachten kann man dann für das Zivilverfahren gem. § 411a ZPO verwursten. Das ist höchst kostengünstig für den (geschädigten) Mandanten, weil die StA gleichsam gratis arbeitet (aus Mandantensicht).
In Berlin ist doch ohnehin Stillstand der Rechtspflege:
https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2017/10/staatsanwaltschaft-fehlen-mitarbeiter-berlin-knispel.html
Und keine Gegenanzeige wg falscher Verdächtigung?
Also wenn schon, dann denn schon. Kampf mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln. Beliebt ist auch die parralle Anzeige bei der Kammer. Auf dass irgendwas mal hängen bleibt.
Ist doch ei9n Armutszeignis, dass jeder die Sache an den nächsten weiterschiebt und so die ganze Bürokratur erst richtig wirkt. Wäre Zeit für kurze Wege.
Ich erinnere mich an die ein oder andere Sache – wieder im Zusammenhang mit Handwerkern und „fehlerhafter Abrechnung“ – wo es mich auch in den Fingern juckte, zumindest „Prozessbetrug“ zu rufen. Mein Anwalt riet konsequent von der strafrechtlichen Schiene ab, vor allem mit dem Argument, „das bringt nichts“.
Das war sicher guter Rat, aber mal nachdenken: wieso eigentlich „bringt das nichts“? Ist unsere Strafjustiz so beschäftigt mit den kleinen Raubkopierern und Hasch-Rauchern (und den Spam-Mailern an CRH :-), dass konsequentes Kunden-Bescheißen strafrechtlich risikolos möglich ist? Maximales Risiko ist, nicht durchzukommen oder gelegentlich was zurückzuüberweisen.
So sieht’s wohl aus.
@ WPR_bei_WBS
Gerade auch Anwälte reagieren bisweilen kopflos bis panisch, wenn sie mit einem Strafverfahren überzogen werden. Nicht zuletzt, weil sie wissen, wie schlecht die Justiz bisweilen arbeiten kann.
@ DonJon
Das ist so nicht richtig. Es gibt ganze Fallgruppen, in denen man zivilrechtliche Ansprüche nur mit Hilfe des Strafrechts durchgesetzt bekommt. Das betrifft neben solchen Betrugsdelikten á la eBay (bei denen am Schluss selten was raus kommt), z.B. Fahrerflucht, Unterhaltsprellerei (hier ist das Strafrecht besonders erfolgreich)
@HugoHabicht
Mal abgesehen davon, dass ein Strafverfahren „Druck macht“:
Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort: Der einzige relevante Punkt „Ermittlung des Täters bzw. Tatfahrzeug“ gelingt doch eh nur, wenn Zeugen vor Ort waren oder das ganze Geschehen per Kamera (Parkhaus) aufgezeichnet wurde. Das gelingt auch – zumindest was das Fahrzeug angeht, wenn es denn Zeugen etc. gibt, auch OHNE polizeiliche Ermittlung.
Verletzung der Unterhaltspflicht – einzig in Betracht kommt hier doch nur die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Unterhaltspflichtigen. Und nun? Welche besseren Ermittlungsansätze hat denn denn die Polizei im Vergleich zu dem Unterhaltsgläubiger, der dann ja eh nach den möglichen Aufenthaltsorten gefragt wird?
Gut, der Beschuldigte mag ja ZUFÄLLIG in eine Kontrolle geraten, das ist aber auch schon das Einzige „plus“ der Ermittlungsbehörden. Eine darüber hinaus gehende „aktive“ Suche erfolgt aber meist nicht, schon gar nicht, wenn sich der/die Gute ins Ausland abgesetzt hat. Ich hab mit Facebook schon wesentlich schnellere Erfolge erzielt den Unterhaltsschuldner zu finden. Und noch sinnvoller ist es, dann einen Detektiv zu beauftragen (so sich das denn lohnt). Und vollstrecken darf man dann doch wieder alleine.
Die Strafverfolgungsbehörden also als Mittel zu benutzen, um kostengünstig (und vor allem zeitnah) an Informationen zu gelangen, die man für die zivilrechtliche Geltendmachung/Durchsetzung benötigt ist wirklich das allerletzte Mittel und – mit Verlaub – seltenst von Erfolg gekrönt.
Erst recht gilt das übrigends wenn die zivilrechtliche Materie nur ein ganz kleines bißchen schwieriger wird – Strafrechtler können halt kein BGB.
Um mal bei den zwei Beispielen zu bleiben:
Beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort ist oftmals nicht das vollständige Kennzeichen bekannt, trotzdem gelingt es der Polizei immer wieder, den Täter bzw. zumindest das Tatfahrzeug zu ermitteln. Bei dem Tatfahrzeug werden dann auch noch gleich die Unfallspuren gesichert. Wie kommen Sie an die denn sonst ran, wenn das Auto in der Garage steht?
Beim Thema Unterhalt: Kommt halt immer darauf an, wie engagiert die Polizei ist. Wenn wirklich ermittelt wird, hat man den Schlawiner häufig schnell. Die Leute gehen ja nicht RAF-mäßig in den Untergrund. Detektiv kann man sich dann sparen. Die Zwangsvollstreckung macht gerne mal ein Bewährungsurteil mit entsprechender Auflage obsolet. Ist bei manchen Gerichten regelrecht Standard. 6 bis 12 Monate mit, Auflage: zahlen. Die Zahler-Quote ist deutlich besser, als beim Gerichtsvollzieher.
@HugoHabicht: Die Polizei kommt nicht an das Auto, wenn es in der Garage steht. Die ist abgeschlossen und ich werde mich hüten, denen aufzuschliessen.
Wenn sie das Auto im öffentlichen Strassenraum antreffen, dürfen sie gerne inspizieren.
@Dieter
Bei begründetem Verdacht kommen die mit einem Durchsuchungsbeschluß – und zwar zu Recht.
@DonJon
> Verletzung der Unterhaltspflicht
Die Einschaltung der Strafverfolger führt auf extrem schnellem Weg zu Verknastung. Das hilft müden Zahlern ungemein auf die Sprünge.