Wer freiwillig an seiner eigenen Überführung mitwirken möchte, findet bei der erkennungsdienstlichen Behandlung eine gute Gelegenheit dazu. Noch besser gelingt den Ermittlungsbehörden der Tatnachweis, wenn man obendrein auch noch bei einem DNA-Test mitwirkt; freiwillig, selbstverständlich.
Wie das funktionieren kann, zeigt dieser Fall.
Wilhelm Brause war jugendlicher Intensivtäter. Man hat ihn immer mal wieder beim Kiffen und Klauen erwischt. Aus dieser Zeit stammen Lichtbilder und sonstige Daten von ihm, die sorgsam in den Tiefen der polizeilichen Datenbanken behütet wurden.
Ein paar Jahre später gab es dann einen bewaffneten Überfall auf eine Tankstelle. Der Mitarbeiterin wurden die Photos der üblichen Verdächtigen vorgelegt, auf daß sie den Räuber wiedererkenne. Und sie erkannte Wilhelm Brause.
Das reichte der Polizei für einen Besuch bei Brause zuhause. Für die Geschichte auf der Tankstelle fand man nichts. Brause war zwar ein Schlingel, aber kein Räuber. Das wurde ihm dann später auch von den Ermittlern attestiert.
Nun könnte man denken, Wilhelm habe durch diese Erfahrung gelernt: Wenn man einmal in den Datenbanken registriert ist, kann man künftige Besuche oder gar schlimmere Maßnahmen der Strafverfolgungsbehörden nicht ausschließen.
Der Rat eines jeden Strafverteidiger daher:
Niemals – in Worten: NEVEREVER – einer ED-Behandlung oder einem DNA-Test auf freiwilliger Grundlage zustimmen. Nur wenn es gar nicht anders geht, beispielsweise weil ein Richter die entsprechende Maßnahme anordnet, sollte man den Gang ins Photostudio antreten und sich ein Wattestäbchen in den Hals stecken lassen.
Wie die Ermittler gegen diesen Rat angehen,
zeigt dieses Protokoll:
Ein tolle Strategie der Ermittlungsbehörden
Erst konstruiert erhebt man einen Vorwurf, dann bittet man den Beschuldigten, Entlastungsbeweise zu liefern. Diese Entlastungsbeweise können dann in den kommenden 100 Jahren dazu genutzt werden, neue Vorwürfe zu konstruieren erheben. Das macht man solange, bis man ihn bei irgendwas erwischt.
Erwischt
Wilhelm Brause hat es dann auf diesem Wege eingeholt. Man fand einige Monate später seine DNA in der Nähe einer Cannabisplantage. Zusammen mit den Jugendsünden gab das einmal mehr Anlaß für einen freundlichen Hausbesuch.
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Bild: © Stefan Bayer / pixelio.de
Dummheit gehört bestraft.
Wobei hier die Strafe „lebenslang“ ist, was dann doch etwas hart ist.
Wir werden nie erfahren ob die alte DNS-Probe nicht auch ausgereicht hätte um auf ihn als Verdächtigen zu kommen.
Vielleicht steht der Schlingel ja aus Gründen der Einsamkeit oder so auf Hausbesuche. ;-)
Im Ernst, m. M. ’ne miese Nummer die vermutliche Naivität derart auszunutzen. Smells like das staatliche Äquivalent zum Enkeltrick der Gauner …
@crh:
Finden Sie es nicht ein bisschen inkonsequent, einerseits das hohe Lied der Unschuldsvermutung zu singen, wenn’s um sie eigenen Mandanten geht, diesen Grundsatz aber über Bord zu werfen, sobald es um Strafverfolger geht? Wenn Sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass die Polizei den Tatvorwurf nur konstruiert hat, sollten Sie die Beamten wegen Verfolgung Unschuldiger (§ 344 StGB) anzeigen. Wenn es solche Anhaltspunkte nicht gibt, sollten Sie auch nicht suggerieren, Ihr Mandant sei hier Opfer eines Verbrechens geworden.
nach einer freiwilligen gabe einer dna-probe kann man doch im nachhinein jederzeit die freiwilligkeit widerrufen. damit sollte das dna-muster aus den datenbanken gelöscht werden. oder irre ich?
@Waschi:
Der Herr Hoenig hat ihr keine Unschuldsvermutung zu Fall gebracht, weil der den Ermittlern gar keine strafbaren Handlungen unterstellt hat.
Das, was die Ermittler gemacht haben ist das Konstruieren eines Tatverdachts. Das ist aber nicht verboten, sondern Polizeiarbeit. Der Ermittler „konstruiert“ immer einen möglichen Tathergang. Dabei kann er dann selbst darauf kommen, dass das so nicht gewesen sein kann oder überlässt das dem Staatsanwalt oder dem Richter. Solange der Ermittler nicht grob fahrlässig gehandelt hat ist das nicht strafbar. Und die Gelegenheit dieses Konstruktes dann mitzunehmen und gleich mal die DNA-Datenbank zu updaten ist dann eben eine linke Nummer. Zumal ohne die ‚freiwillige‘ Zustimmung niemals ein entsprechender Abstrich durchgekommen wäre. Das wusste der Ermittler auch und hat sich gefreut als die Brause naiverweise zugesagt hat.
Wenn der Zeuge jemanden bei der Wahllichtbildvorlage wiedererkennt, kann man in egal welcher Bedeutung nicht davon sprechen, die Polizei habe den Vorwurf gegen diesen „konstruiert“.
@Pascal Rosenberg:
Wir haben offenbar ziemlich gegensätzliche Vorstellungen von Polizeiarbeit:
@crh hat der Polizei nicht vorgeworfen, sie hätten einen möglichen _Tathergang_ „konstruiert“, sondern einen _Tatvorwurf_. Und unter „einen Vorwurf konstruieren“ verstehe ich, sich wider besseres Wissen einen unbegründeten Vorwurf zusamnenzureimen. Ich glaube nicht, dass ich @crh mit der Unterstellung Unrecht tue, genau diese Bedeutung habe er auch implizieren wollen. Und das ist natürlich nicht normale Polizeiarbeit – es ist bestenfalls „nur“ rechtswidrig und schlimmstenfalls ein Verbrechen (nämlich dann, wenn der konstruierte Verdacht Grundlage für Ermittlungen gegen den Verdächtigen wird). Grobe Fahrlässigkeit spielt in diesem Zusammenhang übrigens gar keine Rolle. Verfolgung Unschuldiger ist ein Vorsatzdelikt.
Andererseits ist es natürlich keine „linke Nummer“, die Unerfahrenheit oder Naivität eines Beschuldigten auszunutzen (solange man den Beschuldigten dabei nicht täuscht oder unzulässig unter Druck setzt). Das wiederum IST normale Polizeiarbeit, und wer damit nicht umgehen kann, sollte sich vielleicht einfach von Cannabisplantagen und ähnlichem fernhalten.
Wann lernt die Polizei endlich, sich von CRHs Mandanten fernzuhalten? Sie können doch damit nur verlieren. Erfolgreich=fies, erfolglos=dumm.
Ich kann Herrn Hoenig aus eigener Erfahrung gute Arbeit attestieren, bzw. genau genommen seinem Kollegen Herrn Glienke.
Aber man kann es einem Strafverteidiger mit eigener Dummheit auch echt schwer machen. Es gibt halt solche Mandanten und Andere.
Wie sieht das denn aus, wenn man als gänzlich unbeschriebenes (also, zumindest polizeilich) Blatt mal eine DNA Probe zwecks Ausschluss abgegeben hat, um einen mutmasslichen räuberischen Erpresser der Strafverfolgung zuzuführen? Der Tatverdächtige hatte Spuren am Pkw des Unschuldsbengels hinterlassen.
Werden solche Daten auch inoffiziell, aber ewig aufbewahrt und ggf. wiederverwendet, oder geht man damit anders um als mit den Daten von Stammkunden?
@Unschuldsbengel: Sind Sie wirklich so naiv, dass Sie an das Gute glauben? Was die Polizei bekommt, das füttert sie in den Computer. Und von dort aus geht es automatisch in die Datenbanken anderer Behörden, in Backups usw. Was da einmal drin ist, wird nie wieder gelöscht. Ist einfach gar nicht machbar, selbst wenn man eine gerichtliche Durchsetzung der Löschung erreicht hat.
Und ja, es wird unterschieden, ob es eine vermeintliche Täterprobe ist oder nicht. Ändert aber nichts daran, dass die Software bei einem späteren Suchdurchlauf darauf keine Rücksicht nimmt und einfach ALLE bekannten Datensätze abgleicht/durchsucht.
Wenn man also seine DNA abgibt, z.B. bei einem gewollten Ausschluss von 20.000 Männern in der Umgebung einer Vergewaltigung, dann kann man das nicht rückgängig machen. Im Gegenteil: hier war man ja sogar Verdächtiger.
Aber ich lasse mich gern eines besseren Belehren.
@ #12:
Nein, ich bin nicht wirklich naiv, mir war aber seinerzeit durchaus daran gelegen, daß die Polizei den gesuchten finden und von mir unterscheiden kann. Ich habe zwar kurz drüber nachgedacht ob ich das wirklich will als der Kripobeamte mit dem Wattestäbchen da war, mich aber letztlich doch dafür entschieden. Ich würde als braver Bürger hoffen, daß solche Proben bzw. die daraus gewonnenen Daten wirklich nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden. Mangels Naivität fürchte ich aber, daß ein pflichtbewusster Polizist vorher eine Kopie davon in der Datenbank „abheftet“.
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