Gegen meine Mandantin und weitere Beschuldigte wurde seit 2011 ein Ermittlungsverfahren geführt. Es ging um mehrere Immobilienfinanzierungen. Die Tatvorwürfe waren die üblichen Verdächtigen: Betrug (§ 263 StGB) und Urkundenfälschung (§ 267 StGB).
Nun wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ich erhielt den lapidaren Wurde-eingestellt-Einzeiler der Staatsanwaltschaft, der bei uns einen Textbausteinreflex auslöst:
Ich nehme Bezug auf die Einstellungsnachricht vom [DATUM] und beantrage unter Hinweis auf Ziffer 88 RiStBV, der Verteidigung ausführlich und im gebotenen Umfange die Gründe der Einstellung mitzuteilen.
Recht schnell reagierte die Staatsanwaltschaft mit diesem Schreiben:
Angefügt war der an den Anwalt der Geschädigten gerichtete Einstellungsbescheid. Diese hatten im Januar 2011 in ihrer Strafanzeige einen sechsstelligen Schaden reklamiert. Das Schreiben der Staatsanwaltschaft begann mit diesem lustigen Intro:
Dann folgt auf gut zwei Seiten eine lieblos von einem Oberstaatsanwalt zusammengeschusterte Begründung, warum …
… sich im hiesigen Verfahren ein strafbares Verhalten der Beschuldigten nicht belegen …
… läßt.
Und am Ende können die Geschädigten den Satz lesen, der mir das Blut zum Kochen gebracht hätte, wenn ich an deren Stelle gewesen wäre.
Für nicht erforderlich gehalten hat der Herr Oberstaatsanwalt eine wenigstens gemurmelte Entschuldigung. Aber sowas sieht die RiStBV ja auch nicht vor. Sondern nur die lapidare Rechtsmittelbelehrung.
Ich glaube, es wäre nicht gut gewesen für mein Vorstrafenregister, wenn ich die Beschwerde gegen die Einstellung hätte schreiben müssen. Zumindest sollten die Kollegen, die die Geschädigten vertreten, mal die Voraussetzungen für die Amtshaftungsansprüche prüfen. Aber vielleicht haben die ja auch allen Grund, den Mantel des Schweigens darüber zu legen. Denn als Vertreter seines Mandanten sollte man nicht übersehen, daß bei der Staatsanwaltschaft auch nur Menschen Beamte arbeiten, die man nicht selten mal anstupsen muß, damit sie funktionieren.
Nur nebenbei: Das Verfahren gegen meine Mandantin wäre auch ohne Eintritt der Verfolgungsverjährung eingestellt worden. Aber wenn schon die Verteidigung durch aktives Nichtstun zum Erfolg führt, muß man nicht teure Verteidigungsschriften verfassen und zur Akte reichen.
und dann wundern, warum das Vertrauen in die Justiz sich mehr und mehr in Wohlgefallen auflöst.
Tja, hätte die StA damals gleich alles Mögliche getan, um die Verjährung zu unterbrechen (EDV mitgenommen, 200 Kartons Unterlagen) und wäre Ihrem Mandanten das „erfolgreiche Geschäftsmodell“ durch die voreiligen Maßnahmen aufgrund einer haltlosen Strafanzeige zerstört und die wirtschaftliche Existenz vernichtet worden, würden Sie nach einer Einstellungsbegründung ohne Verjährungszusatz vermutlich im StrEG-Antrag etwas schreiben, was ebenfalls wenig gut für das Vorstrafenregister wäre. Sozusagen eine lose-lose-Situation für die Staatsanwaltschaft, entweder gar nichts tun oder zu viel..
Und mit der Amtshaftung sieht es eher schwierig aus, da müsste man mindestens nachweisen, dass 1. noch irgend etwas zu holen gewesen wäre und 2. man selbst nicht verschlafen hat, etwas in Richtung Sicherung von Ansprüchen zu unternehmen (BGH III ZR 209/15).
Gibt es denn einen Grund, eine Beschwerde zu schreiben? Ich nehme mal an, dieser Blogeintrag soll kein HInweis darauf sein, dass die Verjährung doch nicht eingetreten ist. Damit dürfte das Strafverfahren doch definitiv um sein. Und Amtshaftung im Hinblick auf etwaige zivilrechtliche Ansprüche dürfte vermutlich auch kaum in Betracht kommen, da die Geschädigten in dieser Hinsicht wohl – unter anderem aus Gründen der drohenden Verjährung – schon selbst aktiv geworden sein dürften.
Selbst wenn die Kollegen eine Amtshaftungsklage einreichen würden: Bringt das überhaupt was? Aufgrund der Verfolgungsverjährung lässt sich ja ein ggf. Im Raum stehendes strabares Verhalten, was zu SE fürhren könnte ja gar nicht beweisen. Oder geht es da um die Erstattung der unnützt aufgewendeten Anwaltshonrorare etc? Als Anwalt würde ich da wohl auch nicht so schnell springen, denn der Eintritt der Verfolgungsverjährung hätte ja von diesen ggf. verhindert werden müssen, was dann ja wieder ein Fall für eine Klage gegen den Anwalt wäre. Oder?
@AG: Daumen hoch!
Keine Amtshaftung in Sicht.
Es ist nicht mal klar, welcher Schaden durch Eintritt der Verfolgungsverjährung entstanden sein soll. Zivilrechtlich hätte der Gegener schon viel früher die Pflöcke einschlagen können und müssen (ist ja vielleicht auch erfolgt…).
Regelmäßig wird die StA ja in derartigen Fällen vor den Karren gespannt, wenn man noch ein paar Beweise braucht. Wenn die nun nicht kommen ist das halt … sehr ärgerlich.
Oder anders: Man kann ja noch nicht einmal darstellen, welchen Schaden man aufgrund (!) der Schlamperei der StA erlitten hat, denn dafür bräuchte man ja deren Ermittlungsergebnisse, die ja nicht vorliegen, weil Verfolgungsverjährung eingetreten ist (round and round it goes, where it stops nobody knows…)
Wer nachtreten will kann ja immer noch die allseits beliebte Dienstaufsichtsbeschwerde erheben formlos, fristlos, nutzlos…
Also die Anwälte des oder der angeblich Geschädigten erstatten Strafanzeige und schauen dann 6 Jahre lang tatenlos zu, wie nicht nur in puncto Strafverfolgung, sondern auch für alle zivilrechtlichen Ansprüche die Verjährung eintritt?? Bei einem sechsstelligen Schaden??
@ Hugo
Hab ich – in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche – ausdrücklich nicht geschrieben.
Der Punkt ist: Wir wissen einfach zu wenig (um nicht zu sagen nichts) über das Verhalten der Anwälte der Geschädigten.
Es kann sein, dass die Ansprüche zivilrechtlich verfolgt wurden und dass die Anwälte nur hofften im Rahmen der Ermittlung mehr Material zu erhalten. Es kann sein, dass es sich lediglich um ein Nachtreten der Geschädigten handelte, dessen es gar nicht bedurfte (in zivilrechtlicher Hinsicht). Es kann auch sein, dass auch der Anwalt geschlampt hat. Es kann auch ohne weiteres sein, dass hier verjährungshemmende Maßnahmen rechtzeitig ergriffen wurden. Wir wissen es einfach nicht.
Was ich sagen wollte war ausschließlich, dass ich keinen Raum für Amtshaftungsansprüche gegen die StA sehe.
Mal unabhängig von der bereits angesprochenen nicht nachweisbaren Kausalität (Ermittlungsverfahren – Schaden), dürfte hier auch eine sogenannte subsidiäre Haftung zu beachten sein.
Und wenn es wirklich absolut essentiell für die Geltendmachung eines zivilrechtlichen Anspruches gewesen sein sollte, dass hier ermittelt wurde (was ich mir ehrlich gesagt kaum vorstellen kann) wären möglicherweise vorrangig die Anwälte der Geschädigten im Regress und keinesfalls die StA.
Auch unter diesem Aspekt also keine Amtshaftung.
Wenn’s hier übrigends um die Ermittlung der „Täter“ ging (die Beschuldigten waren aber bekannt!), „tickt“ die Verjährungsuhr ohnehin immer noch, vgl. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.