Die Staatsanwaltschaft Cottbus ermittelt gegen eine größere Anzahl Beschuldigter. Irgendwann im Mai 2016 soll etwas passiert sein, was nicht den Spielregeln des Miteinanders zwischen Bürger und Polizei entsprochen hat.
Das wurde dem Mandanten mündlich vor Ort mitgeteilt; und später im August 2016 noch einmal gem. § 163a StPO auf Altpapier gedruckt. Ende September habe ich mich als Verteidiger für meinen Mandanten gemeldet und Akteneinsicht beantragt.
Nachdem ich aus Cottbus nichts gehört habe, folgte im November ein Einzeiler:
… erinnere ich an mein Akteneinsichtsgesuch vom **. September 2016.
Die lapitare Antwort ziemlich genau 1 Monat später:
Weitere Einzeiler, jeweils mit Anlage aller davor geschriebenen Einzeiler, erfolgten dann Ende Januar und Ende Februar 2017.
Ende März habe ich dann eine sechszeilige Dienstaufsichtsbeschwerde erhoben (wieder mit dem gesamten Erinnerungskonvolut als Anlage). Bis zum heutigen Tage – Ende April – habe ich aus Cottbus kein weiteres Lebenszeichen bekommen. Nichts. Nada. Niente. Nothing.
Ich denke mal, es ist nun an der Zeit, etwas Schwung in die Behörde zu bringen. Deswegen kommt nun das hier aus dem Fax der Staatsanwaltschaft Cottbus
An die
Behördenleitung der Staatsanwaltschaft Cottbus
– zHd. Herrn LOStA Bernhard Brocher –Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Brocher,
ich erhebe ich unter Bezugnahme auf meine in Kopie (erneut) beiliegenden Schreiben
Verzögerungsrüge nach §§ 198, 199 GVG.
Es ist nicht hinnehmbar, daß weder auf Erinnerungen, noch auf meine Dienstaufsichtsbeschwerde vom [DATUM] reagiert wird.
Die mangelnde Reaktion auf die Schreiben empfinde ich als unverschämten Affront gegen meine Person; zumindest einen kleinen Zweizeiler hätte die Höflichkeit im Umgang miteinander geboten.
Ich erwarte daher vom verständigen Betrachter dieser Sachlage Verständnis, wenn in Bezug auf die augenscheinliche Nichtbearbeitung hier der Verdacht keimt, daß gar eine vorsätzlich falsche Anwendung des Rechts durch Amtsträger bei der Bearbeitung dieser Rechtssache vorliegen könnte. Aus Fürsorgegründen weise ich daher hin auf § 339 StGB.
Weitere Verzögerungen des nun seit fast 1 Jahr andauernden Verfahrens sind nicht hinnehmbar. Die Verzögerungsrüge ist daher auch begründet. Meinem Mandanten erwächst aus seinem Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren der subjektive verfassungsrechtliche Anspruch darauf, daß dieses ohne vermeidbare Verzögerung durchgeführt wird (BVerfG NStZ 1984, 128; NJW 1992, 2472; 1993, 3254;1994, 967; 1995, 1277; BGHSt 24, 240; 26,1). Die Achtung seiner Menschenwürde und der Schutz seiner Grundrechte erfordert, daß die Eingriffe und Belastungen, die für ihn mit einem Strafverfahren verbunden sind, so kurz wie möglich gehalten werden (BGHSt 26, 6). Art.6 III a) EMRK garantiert ausdrücklich als Menschenrecht, daß das Strafverfahren in angemessener Frist von der Bekanntgabe des Schuldvorwurfes bis zur Rechtskraft abgeschlossen wird, damit er nicht während eines zu langen Zeitraumes unter der Last der Beschuldigung bleibt (EGMR JR 1968,463;BverfG NJW 1992,2472; BGH St 26, 238; OLG Stuttgart, NJW 1974, 284; Löwe-Rosenberg, StPO, Großkommentar, 25.Auflage 1997, vor § 213 Rdn. 20).
Vielleicht bewegt sich ja jetzt irgendwas. Oder -jemand.
Gern nehme ich weitere Vorschläge der geschätzten Leserschaft entgegen, womit man diesem Beamtenapparat wieder in Schwung bringen könnte.
Update:
Lieber Herr Staatsanwalt, der Sie wenige(!) Stunden(!), nachdem Sie mein Fax erhalten haben, hier angerufen und mich um Rückruf gebeten haben. Ich habe kein Interesse daran, diesen Konflikt wegzumoderieren. Da müssen Sie jetzt durch. Ich will eine Entscheidung über die Dienstaufsichtsbeschwerde und vor Allem: Die beantragte Akteneinsicht. Mit Ihren verwaltungsinternen Problemen und der vermuteten personellen Überforderung Ihrer Behörde habe ich nichts zu schaffen.
Was mich (als Nichtjuristen) interessieren würde: Warum ist es Ihnen/Ihrem Mandanten so wichtig, dass der Beamtenapparat aus dem Dornröschenschlaf erwacht? Der Kollege vom benachbarten lawblog.de weist doch immer darauf hin, dass eine lange Verfahrensdauer sich bei einer Verurteilung (ist ja immer möglich) positiv auf das Strafmaß auswirkt. Sollen die doch schlafen, solange sie wollen…
@1 – kann ja auch sein, dass der Mandant unschuldig ist. (Und vor dem Urteil ist er das ja auch kraft gesetzlicher Vermutung) Dann hätte der sogar ein ganz besonderes Interesse daran, dass das Verfahren zügig zum Ende kommt. Es gibt nämlich Berufsgruppen, wo ein anhängiges Strafverfahren berufliche Nachteile bedeutet, z.B. Hinausschieben einer Beförderung etc.
Gibt es für den keuschen (u.a. textbasierten) juristischen Laien-Voyeur nichts höherpünktliches / klimatischeres als die augenstillpöstliche Verkündigung einer possibilitären Anbahnung, dass ein prominent-protuberanter Staatsapparat zur Abwechslung einmal wieder gegen sich selbst vorgehen muss?
Juristische Laien-Gourmands sprechen unter vorgehaltener Hand (zur Vermeidung redundanter Schlackdarmdiplomatie) auch vom juristischen Rheuma.
Da kriegen die bestimmt richtig Angst!
Boahhhhh selten so gelacht…..Die Wörter Schwung und Beamtenapparat in einem Satz….. Was für ein Widerspruch- das ist quasi wie der HSV und die Deutsche Meisterschaft:-) :-)
Auch wenn ich einen anderen Verein in Hamburg vorziehe, so möchte ich doch darauf hinweisen selbst der HSV hat schon mal den deutschen Meister gestellt.
Ein Anwalt hat mal einem Landgerichts-Präsidenten ein Päckchen Traubenzucker geschickt und gebeten, den Traubenzucker zur physischen Stärkung zusammen mit flankierenden Worten zur psychischen Stärkung an einen langsamen Richter weiterzugeben.
(BVerfG 1 BvR 522/87 = NJW 1989, 3148)
Hab´ irgendwo mal gelesen, dass man Staatsanwälte mit ein paar Tütchen Vogelfutter zum rotieren bringen kann.
Vielleicht hilft´s hier ja auch.
@Schultern
Das war vor fast 30 Jahren. Wenn sie das (Tütchen weißes Pulver) heutzutage machen, ist das LG für Stunden wegen Terrorismusverdacht gesperrt. Die Folgen können sie sich selbst ausmalen.
Wozu die Aufregung? Ein mir bekannter Anwalt hat sich mit dem Finanzamt wegen einer Sache vor Gericht gestritten. War nichts wirklich großes, aber eben ein Streit. Bewegung kam in die Sache erst richtig, als er dem Gerichtspräsidenten zum 20-jährigen Jubiläum des Verfahrens gratulierte….
Wäre es nicht ratsam, mit Fremdwörtern sparsamer umzugehen, wenn man den Verdacht hat, dass solche nicht gerade eine persönliche Stärke sind?
Warum sollte die StA mehr als einmal schreiben, dass die Akteneinsicht erst erfolgen wird, wenn die Akte da ist? Mit solchen Akteneinsichtsgesuchen kann man doch gar nicht anders verfahren als sie in den Müll zu werfen – schon das Abheften kostet personelle Ressourcen, die man nicht übrig hat. Wenn die Staatsanwaltschaft aunfangen würde, sie jedesmal zu beantworten, verzögert sich die Erledigung aller anderen Verfahren nur noch mehr.
Und: Die Nichtreaktion auf die (oder Nichtweiterleitung der) Dienstaufsichtsbeschwerde tendiert ganz klassisch in die Richtung des roten Bereichs. Und exakt das ist die Stelle, wo es dem Personal-Ressourcen-Schoner richtig wehtut, wenn man ihn da anfaßt. crh
Herzlich willkommen in der Realität der – weitestgehend – rechtsfreien und demokratiefreien Stadt Cottbus!
Sie hätten aber natürlich auch etwas engagierter nachfragen können. – Wenn Sie erst nach über einem Monat mal nachfragen, wo denn die beantragte Akteneinsicht bleibt – und das nur mit einem kleinen Einzeiler – und selbst nach über drei Monaten verweigerter Akteneinsicht nur lapidar mit einem kleinen Einzeiler anfragen, haben Sie der STa Cottbus damit ja recht deutlich gezeigt, dass Ihnen diese Sache und Ihr Mandant wohl anscheinend nicht so wichtig ist. Andere Anwälte hätten da spätestens nach drei Wochen mal sehr ENERGISCH nachgefragt, wo denn endlich die Gerichsakte bleibt. Und dann im Wochenrhythmus, nich erst nach einem weiteren Monat. Aber Sie scheinen Ihre zeit ja lieber mit dem verbalen Befüllen Ihres Blogs zu verbringen. Kein Wunder, dass da wohl nicht allzu viel zeit für die Mandanten übrig bleibt.