Keine Langeweile für Wirtschaftsstrafrechtler

Die bekannten und in bestimmten Kreisen der Bevölkerung beliebten Umsatzsteuer-Karussells – Insider sprechen auch von Missing trader fraud – sind eigentlich out. Zuviele Steuerfahnder haben das System mittlerweile verstanden.

Deswegen haben sich findige Sparfüchse neue Steuertricks einfallen lassen: Die Cum-Cum- oder Cum-Ex-Tricks. Hört sich fast ein bisschen öbszön an, die Beträge, über die aktuell in den Medien gesprochen wird, sind es aber auch.

Wie man mit diesem relativ aktuellen Steuersparmodell an das Geld anderer Leute kommt, ohne dafür arbeiten zu müssen, hat Zeit Online in einem Erklärvideo verständlich aufgearbeitet.

Um welche Beträge es sich dabei handeln soll, haben ein paar findige Journalisten anschaulich darzustellen versucht, auf Zeit Online: Bummelige 31,8 Milliarden Euro soll der angeblich-vermutliche Steuerschaden betragen. Einfach zu berechnen ist das nicht, deswegen bin ich vorsichtig mit dieser Behauptung.

Wer etwas tiefer in diese Materie einsteigen will und trotzdem (zumindest erst einmal) die staubige Fachliteratur nicht anpacken möchte, kann es sich mit dem Artikel unter der Überschrift „Der größte Steuerraub in der deutschen Geschichte“ heute Abend auf der Couch bequem machen.

Aber Vorsicht!
Don’t try this at home. Das Modell ist nur etwas für Erwachsene. Auch die zu erwartende Freiheitsstrafe, wenn sich denn eine Verurteilung nicht vermeiden läßt.

Ich kann mir schon gut vorstellen, wie sich gelangweilte WiJs-Staatsanwälte und unterforderte Wirtschaftsstrafkammern auf diese abwechslungsreichen Verfahren freuen …

Dieser Beitrag wurde unter Richter, Staatsanwaltschaft, Steuerstrafrecht, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

8 Antworten auf Keine Langeweile für Wirtschaftsstrafrechtler

  1. 1
    AkimboSlice says:

    War das nach geltendem Recht überhaupt strafbar oder haben die Investoren lediglich eine Lücke genutzt, die es jetzt zu schließen gilt? Also hat der Staat überhaupt Aussicht auf Rückerstattung?

  2. 2
    HugoHabicht says:

    Viel Feind, viel Ehr.

    Die Verfahren dürften ordentlich Aufmerksamkeit bringen und dem ZEIT-Artikel nach zu schließen, handelt es sich bei den Delinquenten auch nicht wirklich um „hart Jungs“, die auch mal 2+ Jahre auf einer Anklagebank sitzen, ohne pieps zu sagen. Da dürften haufenweise Deals drin sein und haufenweise Konfliktverteidiger, die hinterher beleidigt sind, weil der böse Wilhelm Brause über den armen Unschulds Lammandanten allerlei Unerfreuliches gesagt hat, was erstes gar nicht stimmt und man zweitens dem Lammandanten gar nicht hätte nachweisen können. Menno.

    Das sind glaube ich recht dankbare Fälle für die Spezialankläger + -richter.

  3. 3
    Der wahre T1000 says:

    Im Zsammenhang mit Kapitalertrsgssteuerbescheinigungen gab es in der Vergangenheit eine ganze Reihe steuerliche Probleme. Die meisten aufgrund gepfuschter Gesetze. Hätte man die pauschale Steuer gegen Bescheinigung erst gar nicht eingeführt, dann gäbe es die Probleme nicht.

    Jedenfalls ist es – ich weiß das aus eigener Erfahrung – nicht nur legal eine Steuerbescheinigung für KESt auszustellen, sondern es ist in bestimmten Fällen sogar gesetzlich vorgeschrieben. Es würde mich nicht wundern, wenn die o.g. Geschäfte genau da reinfallen.

    Solange kein Gestaltungsmißbrauch im Sinne von § 42 AO vorliegt, ist das rechtlich nicht angreifbar und strafbar schon mal gar nicht. Es kann allenfalls strafbar werden, wenn sich die Parteien eines solchen Wertpapierkarussells zum Prellen des Fiskus abgesprochen haben und es keine anderen wirtschaftlichen Gründe für den An- bzw. Verkauf von Aktien gab. Das wird angesichts marktüblicher Spekulationen und schwankenden Kursen der Aktien allerdings kaum nachzuweisen sein; zumindest wenn die Angeklagten den Mund halten.

  4. 4
    mööp says:

    Dazu gab es bereits Anfang 2016 eine Doku im ÖR: https://www.youtube.com/watch?v=YEUok276phM

  5. 5
    Nicht der Hilmar says:

    Im Vergleich zu den TARGET2-Salden (Forderungen) und anderer Konstruktionen nur Peanuts.

    Verurteilt wird der Kram trotzdem.

  6. 6
    HP says:

    auch wenn ich hier inhaltlich leider nichts beitragen kann fände ich es schön, wenn Sie das autoplay bei diesem Video deaktiveren könnten.

  7. 7
    Klaus says:

    Diesem Wunsch schließe ich mich an. Webseiten, die ungefragt anfangen loszuplärren, sind ungefähr so lustig wie Werbung von Autodocs.

  8. 8
    Arno Nym says:

    Mein lieber crh, mal wieder ein spannender und toller Blog-Beitrag, aber könntest Du bitte in Zukunft darauf achten, daß Videos, welche Du einbettest, nicht Autoplay machen? Das nervt ein wenig, man muß jedesmal, wenn man hierhin „surft“, erst runterscrollen und das Video abschalten!

    Danke!

    • Zeit Online bietet leider keinen Link auf das Video an, bei dem es keinen automatischen Start gibt. Ich verlinke nun auf die Seite von Zeit Online. Mich nervt sowas auch. crh