Nur eine armselige CD

Die Verteidiger in einem Verfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wollten sich nicht darauf verlassen, daß die Aschenputtel bei der Kriminalpolizei schon alles richtig gemacht haben. Wir wollten also nicht nur ins Töpfchen gucken, sondern auch ins Kröpfchen.

Ein solches Begehren wird nicht gern gesehen; denn welcher Ermittler läßt schon gern seine Arbeit von Strafverteidigern überprüfen. Aber diesmal hat’s funktioniert, ein entsprechender Antrag hatte Erfolg: Die Ermittler schickten eine CD mit der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) zum Gericht, die das LKA für nicht verfahrensrelevant gehalten wurden.

Soweit, so gut.

Nun schickt mir das Gericht diese Mitteilung:

Zur Information: Es sind insgesamt 12 Verteidiger in diesem Verfahren engagiert. Die sollen sich nun die eine CD „teilen“.

Ich bin versucht, an den Vorsitzenden zu schreiben:

… beantrage ich die Unterbrechung des Verfahrens für mindestens 12 mal drei Werktage.

Für die Abholung des Datenträgers benötige ich einen Tag, das Kopieren in unserer Kanzlei nimmt etwa auch einen Tag in Anspruch, so daß ich die CD am dritten Tag wieder auf der Geschäftsstelle abgeben kann.

Für den Fall, daß ich die CD nicht vorbeibringen kann, wird es wohl ein oder zwei Tage länger dauern, bis der nächste Verteidiger sich den Datenträger zum Kopieren abholen bei.

Bei 12 Verteidigern ist also davon auszugehen, daß schätzungsweise 36 Tage benötigt werden, bis jeder der Verteidiger eine CD zur Einsichtnahme erhalten hat.

Danach kann dann festgestellt werden, ob es gelungen ist, den sechs in U-Haft sitzenden Angeklagten den Inhalt der CD zur Kenntnis und Durcharbeitung zur Verfügung gestellt werden konnte. Gegebenenfalls wird dann eine weitere Unterbrechung der Hauptverhandlung erforderlich werden.

Wenn der Vorsitzende aber etwas weiter denken würde als vom Estrich bis zum Teppichfilz, könnte er ja auf die Idee kommen, fünf weitere Kopien der CD anzufertigen, um diese den Verteidiger-Pärchen im nächsten Termin zu übergeben. Dann wäre eine unplanmäßige Unterbrechung sicher entbehrlich.

Wenn die Jusitzkasse den Verteidigern schon die Auslagen für die Anfertigung von Aktenkopien mehr erstattet, dann können sie ja auch die Kopien der Datenträger selbst anfertigen. Nicht wahr?!

Armes Landgericht! (… wird man ja wohl noch sagen dürfen).

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Bild: © Gisela Peter / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Justiz, Richter veröffentlicht.

19 Antworten auf Nur eine armselige CD

  1. 1
    Fry says:

    Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier Spielchen gespielt werden. Übrigens mehr von Gerichts-und Staatsanwaltsseite als Verteidigerseite. Und immer auf dem Rücken der Beschuldigten/Angeklagten.

  2. 2
    theo says:

    Wenn schon im Gericht keine Kopien der CD gefertigt werden können: Kann man die Daten nicht im Gericht auf einen mitgebrachten Laptop kopieren? Wäre doch einfacher und schneller …

    • Selbstverständlich gibt es noch weitere effektive Möglichkeiten, um die Daten unter den Verteidigern zu verteilen. Meine Kritik richtet sich gegen den Richter, der (mir) den Eindruck vermittelt, die Rechte der Verteidigung seien lästige Störfaktoren *seines* Verfahrens. Denn schlicht zu faul ist er – hoffentlich? – nicht.
       
      Und: Zeigen Sie mir bitte, an welcher Stelle meines Surface‘ ich die CD reinstecken soll? ;-) crh
  3. 3
    DC Daniels says:

    Kann man 650MB nicht einfach mal hochladen. Ich dachte es gibt mittlerweile so ein verschlüsseltes System für Juristen.
    Aber lieber noch weitere 50 Jahre bei Papier DHl i

  4. 4
    Thorsten says:

    Armes Berlin, reiches Frankfurt. Solche Probleme, dass mehrere Verteidiger sich eine CD „teilen“ sollen, kenne ich hier zum Glück nicht. Die CDs, die vom LG kommen, sind sogar richtig schön bedruckt, farbig mit Landeswappen und allem Pipapo.

  5. 5
    HugoHabicht says:

    @DC Daniels
    Das beA kommt zum 01.01.2018. Ob das dann ausgerechnet beim Landgericht Berlin funktioniert und solche Datenunmengen wie etwa 600MB verkraften wird, wird man sehen.

  6. 6
    theo says:

    @crh

    Surface, OK, das ist in diesem Fall dann nicht sooo praktisch. Evtl. kann man über USB (falls vorhanden) ein entsprechendes USB-CD Laufwerk anschließen?

    Könnte ein Lösungsansatz sein, um derartige Schikanen soverän zu umgehen… :-) Th.

  7. 7
    Der wahre T1000 says:

    @theo: Man kauft sich doch kein Surface, um dann ein externes Laufwerk mit sich rumzuschleppen. Da hätte man ja gleich einen anständigen Laptop kaufen können…

  8. 8
    Non Nomen says:

    In eine Cloud einstellen und das PW weitergeben geht auch. Ist aber nicht wirklich ernst gement. Obwohl, Berlin…???

  9. 9
    Muss hier dringend aus dem Büro raus says:

    Einer der Verteidiger kopiert sich den Kram, haut es in einen TC Container und gibt es weiter?

    Im Rahmen der Akteneinsicht dem Landgericht einen CD Brenner spendieren?

    Der Kammer beim nächsten IT-Verfahren die Sachkenntnis absprechen?

    Fragen über Fragen.

  10. 10
    Der wahre T1000 says:

    Es ist wirklich lächerlich.

    CD zu brennen ist natürlich ein Aufwand. Aber CD sind auch UR-alt. Selbst DVD zu brennen ist schon altertümlich (obwohl: schneller). BD brennt keiner, weil man für Daten soviel Platz kaum braucht, wenige einen BD-Leser haben und Filme als .mkv sowieso viel besser laufen.

    Kurz: die Silberscheiben sind töter als tot. Wer benutzt solche Anachronismen noch?

    Ist es denn wirklich ein Problem die Daten kurz auf ein paar USB-Sticks zu schieben? Aktuelle Hubs beschreiben problemlos 8 oder 16 Sticks gleichzeitig. Selbst wenn man langsame Sticks dranstöpselt dauert das kaum ein paar Minuten.
    Das 10er-Pack 8GB gibt es ab bummelig 50 Euro. Und die passen sogar an ein Surface. Kann man beim Verwender passend recyceln oder für künftige Vorgänge zurückgeben, sofern richtig gelöscht.

    *Kopfschuettel.*

  11. 11
    Muhkas says:

    @Vorredner:
    uSB-Sticks sind ein super Einfallstor für Viren. Es ist nicht unüblich , dass du auf Rechnern aus Sicherheitsgründen keine Sticks einstecken darfst. Von daher ist die gute alte CD garnicht mal so schlecht.

  12. 12
    Realist says:

    Natürlich sind das Spielchen.

    Keiner der beteiligten Anwälte wird auch nur einen Blick in 100.000 Seiten irrelevanter Telefonüberwachungsprotokolle werfen.

    Er wird sie allenfalls ausdrucken lassen (um nochmal € 15.000 Druckpauschale abzugreifen) und dann entsorgen.

  13. 13
    Dem Büro entkommen says:

    @Realist

    Wäre ich Beschuldigter, würde ich mir den Kram reinziehen wollen.

    „Nicht verfahrensrelevant“ heißt möglicherweise nur, dass es nicht belastend ist.

  14. 14
    setrok says:

    @Muhkas:
    Gegen die Zusendung eines originalverpackten USB-Sticks kann eigentlich keiner was haben. Es müsste ja nicht einmal ein großer sein. 1GB würden reichen, wenn es so kleine USB-Sticks überhaupt noch zu kaufen gibt.
    @Realist:
    Es wird wahrscheinlich kaum jemand alle Aufzeichnungen hören. Aber mit aktueller Software kann man einen Index anlegen und in Sekundenschnelle 100.000 Seiten nach interessanten Schlüsselwörtern durchsuchen. Und wenn man die Wörter geschickt wählt, auch die Suchergebnisse in vertretbarer Zeit durchgehen.

  15. 15
    Pascal Rosenberg says:

    @Realist:

    Der geneigte Anwalt hat in der Regel bereits bestimmte Anhaltspunkte, wonach er suchen will. Dazu braucht er aber natürlich die kompletten Original-Unterlagen, da er ja nicht wissen kann, wo in den Unterlagen sich das Gesuchte befindet. Insofern ist das kein Spielchen, sondern ein Grundrecht auf vollständige Akteneinsicht, für das es gute Gründe gibt.

    Sollten Sie einmal die Hilfe eines Strafverteidigers benötigen, und das kann einem auch ganz schnell passieren, obwohl man unschuldig ist, dann können Sie dem ja sagen er braucht sich die Akte nicht kommen lassen. Ist Papierverschwendung. ;) Sie verstehen was ich meine.

    Und was die Kopierkosten angeht, so darf der geneigte Anwalt eh nur das einreichen, was notwendig ist. Und bei so einem Betrag wird der Beamte in der Abrechnungsstelle sehr genau hinsehen. Die sind nämlich selbst bei einer Kopieanzahl von 20 Seiten meist schon skeptisch, ob es denn nun wirklich nötig war, die 20 Seiten auszudrucken.

    Entsprechende Beispiele finden Sie sogar hier und in allen anderen Anwaltblogs, die Ihnen die Google-Suche liefert.

  16. 16
    Der wahre T1000 says:

    @Muhkas: USB-Sticks stellen natürlich eine Gefahr dar, weil sie sich z.B. als HID (Human Interface Device = Tastatur) anmelden und einen Rechner übernehmen können. Das erfordert dann aber einen speziell dafür programmierten Controller.

    Unterstellt man, dass die Finanzverwaltung normale Speichersticks einkaufen und verwenden würde, sind die Daten darauf wohl identisch mit jenen auf einer CD. Damit ist auch die Gefahr genau die gleiche. Kurz: auch auf CD kann Malware sein.

  17. 17
    Muhkas says:

    @Der wahre T100:
    Es ist vermutlich nicht davon auszugehen, dass über den Weg aktiv versucht wird einen Angriff zu führen.
    Allerdings gehörtes zu einem guten Sicherheitskonzepts dieses durchzuziehen. Man legt schliesslich auch einen Sicherheitsgurt nicht nur dann an, wenn man einen Unfall befürchtet.

    Ich wollte ihn erster Linie dafür sensibilisieren , dass die Mitnahme von USB-Sticks lange nicht immer so selbstverständlich ist wie wir es aus dem Alltag kommen

    Das es Zeitgemäß und auf lange Sicht für alle Seiten einfacher sowie günstiger wäre Daten digital zur Verfügung zu stellen steht auf einem ganz anderen Blatt.

  18. 18
    HugoHabicht says:

    @ T1000
    CD/DVD sind auch in jeder ordentlichen Finanzbuchhaltung unerläßlich, weil einmal im Jahr die ganzen digitalen Rechnung (die heute überall anfallen) auf einen nicht nachträglich veränderbaren Datenträger (=DVD/CD) gebrannt werden müssen.

    Es mag für Privatmenschen die Technik des letzten Jahrtausends sein, wer professionell arbeitet, kommt um die Dinger nicht herum.

  19. 19
    Waschi says:

    @T1000, @Hugo Habicht:
    Und selbst BD-Datendisks werden genau in diesem Zusammenhang genutzt – nämlich als Speicher für große Datenmengen, die bei der forensischen Auswertung von Datenträgern extrahiert wurden.