Öffentlichkeitsarbeit: So bitte nicht!

In den Anfängen meiner Tätigkeit als Strafverteidiger habe ich die Medienvertreter grundsätzlich vom Hof gejagt. Erst nachdem ich die eine oder andere gute Erfahrung mit Journalisten machen konnte, habe ich mich nach und nach umorientiert. Nicht ohne ein- oder zweimal in ein offenes Messer der Journaille gelaufen zu sein – glücklicherweise ohne damit meinen Mandanten geschadet haben.

Gelernt habe ich dabei, daß es nicht ganz so trivial ist, im Rahmen einer Strafverteidigung mit der Presse, dem Radio oder dem Fernsehen zu reden. Dabei denke ich nicht in erster Linie an die vorteilhafte Darstellung meiner Person (ja, auch Anwälte sind manchmal eitel).

Im Focus ;-) Mittelpunkt steht allein das Mandanteninteresse: Nützt es meinem Auftraggeber, wenn ich mit den Medien spreche? Wenn nicht, dann darf man allenfalls reden, ohne etwas zu sagen.

Zu diesem Problemkreis werden hilfreiche Bücher und/oder Fortbildungsveranstaltungen für Strafverteidiger (pdf) angeboten, deren Lektüre bzw. Besuch sehr sinnvoll ist.

Denn bei aller Kontakt- und Auskunftsfreude sollte das wichtigste Gut einer Mandanten-Anwalt-Beziehung nicht vergessen werden: Das Vertrauensverhältnis, das entscheidend auf der Vertraulichkeit und der Verschwiegenheit beruht. Nicht ohne Grund wird der Bruch des Berufsgeheimnisses berufsrechtlich (§ 43a BRAO, § 113 BRAO) und strafrechtlich (§ 203 StGB) geahndet. Unbedachtes Geschwätz kann also im Ernstfall durchaus die Lizenz kosten.

Sofern der Verteidiger weiß, wie es funktioniert, kann die Kontaktaufnahme mit – seriösen – Journalisten sehr hilfreich sein. Wer die Risiken kennt, kann die Chancen nutzen, die diese Wechselbeziehung bietet.

Wenn ich aber sowas hier in der Zeitung lese, stellen sich mir die Nackenhaare auf:

Litigation-PR ist ja eine feine Sache. Aber diese Zitate sind eher katastrophal – zuvörderst für den Beschuldigten und nicht zuletzt auch für den Rechtsanwalt, den ich nicht als „Strafverteidiger“ bezeichnet wissen möchte. So geht das nicht!

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Bild: © LaLuca / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Medien, Rechtsanwälte, Strafverteidiger veröffentlicht.

6 Antworten auf Öffentlichkeitsarbeit: So bitte nicht!

  1. 1
    Ryker says:

    Wieso, Strategie geht offensichtlich in Richtung Unzurechnungsfähigkeit. Passt doch.

  2. 2

    Folgende ungewöhnliche, künstlerisch initiierte Beobachtungen habe ich gemacht und bringe sie hiermit noch nicht formvollendet als Skizze zu Elektronikpapier:

    1. Der Autor C.R. Hoenig nutzt stilsicher (in der Sache) diabolische Lächler (vgl. 3. Absatz, dextrös des hinter Gittern verbrachte Wortes „Focus“). Die psychologische Wirkung entfaltet auch außerhalb meiner Küche erhebliche Wirkung.

    2. Jörg, der Rechtsanwalt des zitierten Zitates, ist durchaus – wenngleich erweitert in seiner Funktion – als Strafrechtler tätig. Allerdings auch auf der anderen Seite der „Theke“ (so habe ich es hier formulierlich gelernt) bzw. als hochrangiger Zeuge. Ggf. ist die publizistische Metastasierung solcher behavioristisch-klinischen Mandantendeskriptionen einer komplexen, wenn auch ungewöhnlichen Verteidigungsstrategie zuordenbar.
    Gedanklich eskalierende Wahngebäudearchitekten könnten allerdings auch vom Wolf in der Schafsrobe ausgehen und eine weiterführende Rolle vermuten: Der Rechtsanwalt als verdeckter Adhäsionskläger – sofern noch eine Rechnung (mit dem Mandanten) offen ist.
    Wie angedeutet, nur spekulativ – ich bin doch Kunstler [sic] (und alles fur die Kunder [sic]).
    Vielleicht werde ich noch einmal auf meine alten Tage Schurnalist?

    3. Im richtigen Umgang mit der Presse verweise ich gerne auf Bundeskanzler. a.D. Dr. H. Kohl.

    Heute ist Mohntag, dies ist der wöchentlich wiederkehrende Gedenktag für das Opium für das Volk. Daraus folgt:

    „Glauben zu Wissen verhält sich wie
    Indiz zu Beweis.“ (Das habe ich gerade mit Tante Erna besprochen. Ich gehe erst einmal zum Frisör.)

    Amen.

  3. 3
    Waschi says:

    Bekommt man als Anwalt bei spektakulären Fällen eigentlich auch mal von den Medien Geld angeboten? Für Interviews oder für Informationen/Fotos/etc?
    Oder kommt es vor, dass die Medien mit dem Mandanten irgendwelche Deals abschließen und dann vom Anwalt verlangen, daß Vereinbarte umzusetzen?
    Ich frage rein interessehalber, nicht dass ich Ihnen oder dem Anwalt Jörg S unterstellen wollte, auf so was einzugehen.

    • In den über 20 Jahren, in denen ich als Anwalt unterwegs bin, ist mir das ein einziges Mal angeboten worden (im Zus’hang mit einer Brandstiftung an einem KFZ, von einer Reporterin, die für RTL unterwegs war.). Geld spielt in der Regel keine Rolle. Ist auch ohne Bares eine Win-Win-Situation: Der Journalist bekommt entweder einen O-Ton oder Hintergrund; und die Verteidigung die Chance, ihren Standpunkt in die Öffentlichkeit zu bringen oder/und darüber zu neuen Erkenntnissen/Hinweisen zu kommen. crh
  4. 4
    BV says:

    Würde er vielleicht nicht einmal selbst behaupten… „Neben der Fachanwaltschaft im Arbeitsrecht sind wir vornehmlich im Handels- und Gesellschaftsrecht, Erbrecht, Verkehrsrecht und Familienrecht tätig.“

  5. 5
    Fry says:

    Ich finde, wirklich gute Journalisten MÜSSEN unangenehm sein. Haben dafür keine Prügel sondern Lob verdient.

    Unsere weichgespülte und gleichgeschaltete Presse nervt, weil sie eben nicht mehr „investigiert“ und informiert, sondern tendenziöse Kommentare als Nachrichten platziert.

    Die Gerichtsberichterstattung gibt dafür gute Beispiele in beide Richtungen.

  6. 6
    Waschi says:

    @Fry:
    Mal abgesehen von dem unsinnigen Geschwätz von der „weichgespülte[n] und gleichgeschaltete[n] Presse“: Eigentlich hat doch auch niemand etwas anderes behauptet, oder? Die Kritik von @crh richtet sich doch nicht gegen die Presse, sondern gegen den Verteidiger. Wenn der zu viel über seinen Mandanten erzählt, ist es aus Sicht der Presse natürlich legitim, das dann auch zu drucken.