Strafbefehl mit Kostenkeule und eine schlaue Idee

Manchmal ist eine Strafe, die für ein regelwidriges Verhalten verhängt wird, das geringere Übel.

Es sind die Kosten, die einen Kleinkriminellen aus den Schuhen werfen können. Das kann man in vielen Fällen jedoch recht gut vermeiden.

Dem Delinquenten wird eine relative Kleinigkeit zu Last gelegt. Die ansonsten unausgelastete Staatsanwaltschaft kommt ihrem Ermittlungsauftrag pflichtgemäß nach. Sie holt Auskünfte sämtlicher Telekommunikationsdienste (Telekom/Vodafone/O2/e-plus) für 35 IMEI-Nummern ein. Danach konnten die Ermittler den Sack zumachen und den Erlaß eines Strafbefehls beantragen.

Das Amtsgericht setzt antragsgemäß 30 Tagessätze zu je 15 Euro fest. Insgesamt beträgt die Geldstrafe also 450 Euro. Und es gibt keinen Eintrag ins Führungszeugnis.

Grund zur Erleichterung also? Der Mandant will den Strafbefehl akzeptieren und die Sache vergessen. Was rät ihm nun der Verteidiger?

Entscheidungshilfe
Wenn sich jemand eine Strafe einfängt, hat er auch die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 465 StPO. Eine klare Ansage.

In dem oben beschriebenen Fall bedeutet das aber das finanzielle Aus für’s nächste Jahrzehnt. Denn die Ermittlungsarbeit hat angeblich Kosten in Höhe von bummeligen 15.000 Euro ausgelöst. Dieser Betrag steht nun neben der Geldstrafe auf dem Deckel des Mandanten.

Konsequenz
Hier hilft jetzt nur noch der Einspruch gegen den Strafbefehl und der Versuch, gemeinsam mit Richter und Staatsanwalt eine Verhandlungslösung zu finden. Die könnte beispielsweise in einer Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Auflage (z.B. in Höhe von 500 Euro) bestehen, § 153a StPO. In diesem Fall bliebe die Kostenkeule aus.

Vorsorge
Allerdings fallen dann auch (verhältnismäßig geringe) Kosten für die Verteidigung an. Die hätten sich aber reduzieren lassen, wenn möglichst frühzeitig ein Verteidiger beauftragt worden wäre. Die Anwaltsleistung ist dann zwar immer noch nicht für lau zu bekommen. Aber unter’m Strich wäre es deutlich günstiger geworden.

Zum Strafverteidiger schon dann zu gehen, wenn man merkt, daß die Staatsgewalt aufmerksam geworden ist, ist eigentlich immer eine schlaue Idee.

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Besten Dank an den Rostocker Kollegen Sven Rathjens für die Anregung zu diesem Beitrag

Bild: ©Tanja Lidke / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Strafrecht, Strafverteidiger, Verteidigung veröffentlicht.

18 Antworten auf Strafbefehl mit Kostenkeule und eine schlaue Idee

  1. 1
    Philipp Marquort says:

    Ich würde den Satz „Zum Strafverteidiger schon dann zu gehen, wenn man merkt, daß die Staatsgewalt aufmerksam geworden ist, ist eigentlich immer eine schlaue Idee.“ schon auf die Phase der Polizei ausdehnen wollen…. Oft wird der Staatsanwalt erst auf einen kleinen Ganoven aufmerksam, wenn der kleine Ganove sich um Kopf und Kragen geredet hat…

  2. 2
    Ralph S. says:

    …oder einfach unterhalb der Pfändungsfreigrenzen leben. Den ‚Trick‘ wenden Dank Agenda 2010 immer mehr Menschen an.

  3. 3
    quicker-easier says:

    @Philipp Marquort:
    Ich vermute, crh meinte mit Staatsgewalt nicht nur die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Polizei.

    Und das „um Kopf und Kragen Reden“ scheint hier eher nicht das Problem zu sein: Hätte der Mandant von Anfang an ein Geständnis abgelegt, wären die hohen Ermittlungskosten vermutlich gar nicht angefallen. Von daher ist das möglicherweise (um’s eindeutig festzustellen, müsste man den Sachverhalt genauer kennen) ‚mal ein Beispiel dafür, dass es nicht immer sinnvoll ist, erst einmal zu schweigen und die Ermittlungen abzuwarten.

  4. 4
    WPR_bei_WBS says:

    @ Philipp Marquort:

    Auch die Polizei gehört zur Staatsgewalt

  5. 5
    Grusella says:

    Oh, ein Mandant, der sich ausnahmsweise mal nur indirekt verraten hat. Erst letzte Woche hatten wir in der Kanzlei wieder einmal einen Neunmalklugen als Mandanten. Der war von Anfang an der Meinung, dass er hinter unserem Rücken und entgegen der klaren Anweisung die Ausnahme von „niemals mit den Strafverfolgern kommunizieren“gefunden hätte. Tja, jetzt ist das Geständnis abgelegt. Es gibt kein „einfach mal anrufen“, das nicht in einer Katastrophe endet.

  6. 6
    Es ist 18:17 Uhr says:

    Überlege gerade, was sich der Gesetzgeber wohl so gedacht haben mag, als er eine Geldstrafe nach Tagessätzen definiert hat, die bei wenigen Euro liegen kann, aber die Verfahrenkosten nochmal oben rauf gepackt hat.

    Aber wahrscheinlich hat das wieder irgendwas mit dem Strafcharakter zu tun und ich verstehe es nur nicht.

  7. 7
    BrainBug2 says:

    @“Es ist 18:17 Uhr“
    Ja, Sie haben es nicht verstanden.

    Die Strafe ist auf die Einkommensverhältnisse des Verurteilten zugeschnitten.

    Die Verfahrenskosten sind von den Einkommensverhältnissen unabhänigig. Die Verfahrenskosten umfassen vielmehr die Kosten, die wegen der Durchführung des Verfahrens an sich entstanden sind. Dies ist für jedes Verfahren sehr unterschiedlich und kann sehr teuer werden, wenn z.B. Sachverständige eingeschaltet werden.

  8. 8
    Ralph S. says:

    @Brainbug2

    == 2-Klassen-Justiz.
    Der Wohlhabende kann sich den teure(re)n Anwalt leisten *und* lacht über z.B. 15k ‚Nebenkosten‘ – das Prekariat spielt Roulette (habe ich für BRAGO-Satz einen Anwalt oder einen Urteilsbegleiter erwischt?) und wird von den ‚Nebenkosten‘ ruiniert.

  9. 9
    BrainBug2 says:

    @Ralph S.

    Verfahrenskosten unterscheidet man in gerichtliche und außergerichtliche. Gerichtliche sind solche, die erst einmal der Gerichtskasse entstehen. Außergerichtliche Verfahrenskosten bezeichnet in diesem Zusammenhang die RA-Kosten für das gerichtliche Verfahren. In dem Beitrag von CRH geht es um die erheblichen gerichtlichen Verfahrenskosten.

    Der Vergleich mit der 2-Klassen-Justiz ist auch inhaltlich daneben: Verfahrenskosten sind rechtlich gesehen Schadensersatz. Es hat nichts mit 2-Klassen-Justiz zu tun, wenn man die von einem verursachten Schäden wieder ausgleichen muss.

    Wenn Sie mit einem Hammer einen Ferrari im Wert von € 150.000 total zerschlagen, dann müssen Sie Schadensersatz im Wert von € 150.000 leisten. Wenn Sie meinen Citroen auf diese Weise zerstören, müssten Sie nur einen Schadensersatz von € 500 leisten.

    Das hat nichts mit 2-Klassen-Justiz zu tun, sondern mit real life.

    Genauso ist das mit den gerichtlichen Verfahrenskosten. Wenn Sie eine Handlung begehen, die hohe Gutachterkosten nach sich zieht oder weil dann Zeugen aufwendig aus dem Ausland herbeigeholt werden müssen, dann müssen Sie im Fall der Verurteilung eben diese Kosten tragen – egal wie hoch Ihre Strafe ausfällt.

    Noch einmal: Verfahrenskosten sind (im Hinblick auf die juristische Kausalität vereinfachter) Schadensersatz.

  10. 10
    1. November says:

    @ brainBug
    Sie schreiben einen ganz schönen Stuss. Die Anwaltskosten (RA) eines Gerichtsverfahren sind keinesfalls außergerichtliche Kosten. Wie Sie fälschlich behaupten. Die RA-Kosten gehören selbstverständlich zu den Prozesskosten. (Verfahrenskosten) nicht nur die ie Gerichtskoxten.
    Und 18.17 Uhr hat vollkommen recht mit seiner Bemerkung zur 2-klasen-Justiz.

    • Bleiben Sie bitte höflich. Und achten Sie auf die korrekte Rechtschreibung. crh
  11. 11
    Fry says:

    In dem Kontext wäre ja mal interessant zu erfahren, ob man die Festsetzung der 15000 EUR irgendwie anfechten kann, zB auch hier mit einem Argument fehlender Verhältnismäßigkeit. Darf der Staat mit beliebig hohem Aufwand beliebig kleine Vergehen ermitteln?

    • Anfechten kann man alles. Die Frage des Erfolgs ist entscheidend. Die Aussichten insoweit sind nicht gut. crh

    In den USA sind ja so manche kleinen Straftäter nach der Strafe allein schon durch die Prozesskosten finanziell ruiniert. (und sie plädieren meist auf schuldig im Rahmen eines „Deals“, weil die Alternative ein Risiko beinhalten würde, auf Dekaden im Knast zu verschwinden). Solche Verhältnisse wollen wir hier ja nicht…

    • Tendenziell isses aber schon so. crh
  12. 12
    Ralph S. says:

    @Brainbug2, 19:12

    Naja, das ist der Unterschied zwischen der Theorie (da haben Sie mehr oder minder Recht) und der Praxis:
    1) Sie vergessen simple Fehlurteile und allfällige Rechtsbeugung – könnten 30-40%(!) sein¹ – Recht haben und Recht bekommen sind nicht nur sprichwörtlich 2 Paar Schuhe.
    2) Während der Wohlhabende sich zurücklehnen kann („na, dann beweist mir das erstmal!“) muss das Prekariat sich ernsthaft Gedanken darüber machen, ob bzw. in wieweit es mit der StA zur Vermeidung eben jener ersatzpflichtigen Kosten zusammenarbeitet (z.B. per Geständnis oder „Geständnis“)².
    3) Das Prekariat ist darüber hinaus auch aktiv damit ‚erpressbar‘, Ermittlungskosten ‚zu produzieren‘ („Sie gestehen jetzt, oder wir veranlassen die Untersuchungen X, Y und Z!“).

    Ja, und das nenne ich 2-Klassen-Justiz (obwohl ich die (wenigstens statistisch) weniger hochwertige rechtliche Vertretung des (behaupteten) Delinquenten noch gar nicht hineingerechnet habe.

    P.S. Noch ’ne Verschwörungstheorie: Wie war das mit dem forensisch unsauberen Bundestrojaner (er kann Schreiben (Dateien auf dem Rechner des ‚Durchsuchten‘ speichern)) – da müssen Sie nur den Falschen auf die Füsse getreten sein und schon haben Sie unschuldig ein Verfahren am Hals. Haben Sie eine grobe Idee über die Kosten für Forensik und psychiartische Begutachtung z.B. in einem KiPo-Verfahren?

    ¹ http://www.zeit.de/2011/28/DOS-Justiz
    ² siehe oben: „gemeinsam mit Richter und Staatsanwalt eine Verhandlungslösung zu finden. Die könnte beispielsweise in einer Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Auflage (z.B. in Höhe von 500 Euro) bestehen“ – und das ist relativ unabhängig von Schuld oder Unschuld.

  13. 13
    BrainBug2 says:

    @Ralph S.:
    Natürlich haben Sie Recht mit Ihrem letzten Posting. Allerdings kritisieren Sie damit weniger eine „2-klassen-Justiz“, sondern – meiner Meinung nach – richtig die „2-Klassen-Gesellschaft“.

    Das Recht versucht tatsächlich mit Instituten wie Prozesskostenhilfe die Unterschiede der 2-Klassen-Gesellschaft etwas auszugleichen. Dass dieser Ausgleich nicht klappt, liegt aber allein an den großen Klassenunterschieden. Mit Regelungen über den Zugang zum Recht können Sie da wenig ändern.

    Es ist in allen Lebenslagen so, dass Sie im Regelfall eine überdurchschnittliche Leistung erhalten, wenn Sie bereit und in der Lage sind, überdurchschnittlich viel zu bezahlen. Das ist beim Autokauf so, beim Zahnarztbesuch (vgl. nur endontoligische Wurzelbehandlung, Implantate etc.) und beim Anwalt auch so.

    Wir haben also gerade keine 2-Klassenjustiz, sondern eine 2-Klassengesellschaft, weil die für alle gleichen Kostenfolgen die Menschen sehr unterschiedlich hart treffen.

  14. 14
    Es ist nicht mehr 18:17 Uhr says:

    @BrainBug2

    Ahoi.

    Tipp: ich bin da gedanklich einen Schritt weiter gewesen. Hinweis auf den Strafcharakter.

    Wenn Sie schon bemerken, dass es eine „2-Klassen-Gesellschaft“ gibt und sehen, dass unsere Gesellschaft in vielen Fällen versucht einen Ausgleich zu schaffen (Sozialsysteme, Steuerprogression & weiß-der-Geier-was), dann sollte auch Ihnen die Gestaltung des Gesetzgebers in diesem Falle etwas seltsam vorkommen.

    Ich muss weg.

  15. 15
    Daarin says:

    Es handelt sich tatsächlich nicht um eine 2-Klassen-Justiz, da die Justiz dafür gar nichts kann. Sinnvoll wäre hier vielleicht eine Regelung, dass die Prozesskosten auf die Strafe gedeckelt sind, also hier in diesem Fall hat es 30 Tagessätze a 15€ gegeben heißt auch die zu zahlenden Prozesskosten dürften 450€ nicht übersteigen. Alles darüber müsste so oder so von der Staatskasse getragen werden.
    Andere Idee wäre eine Härtefallregelung. Würde hier mal einen ALG II Empfänger vermuten (15€ Tagessatz). Davon ab, dass bei dem nichts zu holen ist ist der dann auf viele Jahre hin wahrscheinlich sehr motiviert in Zukunft mehr Geld zu verdienen. Ach nee, wahrscheinlich doch nicht, wenn er für eine Lapalie (30 Tagessätze… welche Verbrechensklasse ist das so?) wahrscheinlich mehrere Jahre zahlen darf. Arbeit bedeutet eben auch Mehrausgaben, darf man nicht vergessen.

    P.S.: Ich bin erkältet und sowieso schon unkonzentriert und unleidlich, man sehe mir meine kruden Theorien nach.

  16. 16
    Ralph S. says:

    @Daarin
    Ein Hartzer hat 13 (max 14 – (409/30=13,63)) EUR Tagessatz.

    • Der „Standard-Tarif“ liegt in Berlin bei 15 Euro; in anderen Gerichtssprengeln gibt es auch schonmal 10 Euro oder darunter. crh

    BTW: Bei dessen Berechnung ist der Hartzer sogar ‚privilegiert‘ (insbesondere ggüber dem Mindestlöhner), da Miete und Nebenkosten nicht dem Einkommen zugerechnet werden. Nach der Formel „Mittelzuflüsse/30“ müsste sein Tagessatz bei mindestens 23 EUR liegen, in München eher bei 30+ EUR.

  17. 17
    1. November says:

    @ brainbug Nr. 13
    Bei Strafverfahren gibt es gar keine Prozesskostenhilfe.
    Das heißt, ein armer Beschuldigter oder gar Angeklagter kann sich gar keinen Anwalt leisten.das widerspricht natürlich dem angeblichen Sozialstaatssprinzip. Aber wen interessiert das schon, die Richter wohl anscheinend nicht. Nur wer sehr schwerer Verbrechen beschuldigt wird, kann sich dann wenigstens einen Pflichtverteidiger nehmen (den zunächst der Staat bezahlt). Also, Schwerverbrecher (Beschuldigte) – also z. bsp Mord oder Banküberfall haben in diesem Staat wesentlich bessere Verteigungsmoeglichkeiten als ein kleiner Ladendiebl, der vielleicht nur eine Wurst oder ein Stück Kuchen im Supermarkt geklaut hat (z.bsp deswegen weil er kein Geld hatt,, aber großen Hunger.

    • In der Tendenz liegen Sie richtig! Die Details für eine Pflichtverteidigung (genauer: „Notwendige Verteidigung“) regelt § 140 StPO. Etwas ausführlicher habe ich die Pflichtverteidigung hier erläutert.
       
      Ich bin auch schon kleinen Ladendieben und Schwarzfahrern zum Pflichtverteidiger bestellt worden, weil sie z.B. wegen einer psych. Erkrankung nicht imstande waren, sich selbst zu verteidigen; oder weil wegen der neuen Sache eine alte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen werden konnte.
       
      Und: Eine Pflichtverteidigung sollte in der Regel niemals eine schlechtere Verteidigung sein als eine Wahlverteidigung. crh
  18. 18