Ein schönes Beispiel dafür, wie manche Rechtsschutzversicherer den Aufwand für Versicherungsleistungen reduzieren möchten, liefert im vergangenen Jahr die Rechtsschutz Union.
Der Verteidiger hat im Auftrag seines Mandanten dessen Versicherer angeschrieben. Es ging die Zusage der Rechtsschutz Union, die die Kosten der Verteidigung in einer Bußgeldsache übernehmen sollte. Genau dafür hat der Mandant einen Versicherungsvertrag abgeschlossen. Und seine Prämien bezahlt.
Die Kosten einer (engagierten) Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid können im Einzelfall schon einmal einen vierstelligen Betrag ausmachen.
Um einen solchen Aufwand möglichst zu vermeiden, also um die Kosten der Verteidigung zu „sparen“, machte die Rechtschutz Union dem Mandanten des Verteidigers ein unethisches Angebot. Der Versicherer schrieb den Mandanten direkt an, also am Anwalt vorbei:
Das ist in dieser Form in unserer Praxis noch nicht vorgekommen. Ich glaube auch nicht, daß die Rechtsschutz Union sich das bei uns getraut hätte.
Auf was für kranke Ideen so’n schlecht ausgebildeter und deswegen auch schlecht bezahlter Sachbearbeiter dieses Versicherer kommen kann … man glaubt es nicht.
Meiner Meinung nach liegen solchen Schreiben grundlegende strategische Entscheidungen, wenigstens der mittleren Führungsebene zu Grunde.
Die Macht/’Schuld‘ eines Sachbearbeiters erstreckt sich eher auf ‚unglückliche‘ Formulierungen oder Auswahl von Textbausteinen.
Das macht die Sache ja so schlimm – es ist mMn nicht 1 ‚Ausrutscher‘ eines übereifrigen Sachbearbeiters…
Welcher Mandant der noch halbwegs bei Sinnen ist würde sich bitte darauf einlassen?
Grade dann wenn Fahrverbote und/oder Punkte, mit ggf weiteren Folgemaßnahmen, im Raum stehen wird es für den Mandanten doch erst Interessant und wichtig den Bußgeldbescheid aus der Welt zu schaffen.
Der Umstand, dass die RS das Bußgeld übernehmen will, kommt mir nicht unbekannt vor.
War das vielleicht schon mal Thema im RSV-Blog?
Solange kein Fahrverbot, keine Punkte oder kein sonstiges empfindliches Übel drohen, finde ich die Vorgehensweise auch wirtschaftlich sinnvoll. Natürlich nur aus Sicht der Versicherung und des Mandanten. Der RA hat da natürlich was gegen, er macht keinen Umsatz…
In Zivilsachen ist mir das schon mehrfach begegnet. Aus Sicht des Mandanten auch gut, wenn die RSV zwar Rechtsschutz gewähren muss, aber die Erfolgsaussichten doch so niedrig sind, dass es für sie billiger kommt, den Anspruch zu befriedigen als die Kosten für die Klage zu übernehmen.
Was ist daran so schlimm? Den wesentlichen Haken an dem Angebot hat die Versicherung selbst in Fettdruck klargestellt. Der zweite Haken ist natürlich die Voreintragung, aber die ist häufig nicht so gravierend.
Ansonsten ist das doch eigentlich ein faires Angebot: der Versicherungsnehmer fährt zwar schlechter als im Fall eines Freispruchs, aber besser als im Fall einer Verurteilung ohne diese Zusage.
Übrigens finde ich die Anmerkung zur Ausbildung und Bezahlung der Sachbearbeiter etwa unangebracht. Zumal so ein Angebot wohl kaum auf Initiative eines einzelnen Sachbearbeiters beruht: zumindest die Grundentscheidung, solche Angebote in bestimmten Fallkonstellationen zu machen, dürfte wohl eher generelle Firmenpolitik sein.
Ich frage mich, wie günstig Rechtsschutzversicherungen sein könnten, wenn es solche offensichtlichen Prozesshansel nicht gäbe.
Ich finde die Herangehensweise des Versicherers völlig fair und in Ordnung und vor allem im Sinne der anderen versicherten.
Ist das erlaubt bzw verboten? Zum einen finde ich die Kommunikation am beauftragten Anwalt vorbei sehr komisch, zum anderen dieser Kuhhandel mit dem „Wir zahlen ihr Ordnungsgeld“.
Gab es nicht mal Ärger mit einer „Versicherung“ für Schwarzfahrer in Berlin (?) die ein ähnliches Konzept hatte?
Ich finde das sehr kundenfreundlich von der Versicherung. So hat der Kunde weniger Laufereien usw. und die Sache ist glatt erledigt. Für die Anwälte ist das natürlich umsatzschädlich und ärgerlich.
Wirtschaftsunternehmen denken wirtschaftlich, statt ihren Kunden den Genuß einer Gerichtsverhandlung mit rundumsorglos-Verteidigung zu ermöglichen.
Wer hätte das gedacht?
Das Problem ist doch, dass sie schreiben sie zahlen das Verfahren und das Bußgeld. Egal wie es ausgeht!? :D Das wäre lustig :D
Ob sich das Angebot für den Kunden „lohnt“, weiß er erst in 3 – 4 Jahren. Dann erst weiß er, ob noch weitere Verkehrsverstöße erfolgten. Erst dann weiß er, ob dieser erste Verkehrsverstoß/Punkt ihm später die Fahrerlaubnis (o.ä.) kosten wird. Vielleicht kann man bei dem Verstoß jetzt was machen (Einstellung, Freispruch), bei den späteren Verstößen nicht.
@HugoHabicht
Die Rundumsorglos-Verteidigung ist genau das, was das Wirtschaftsunternehmen Rechtsschutzversicherung seinen Kunden verkauft.
Aufgabe der Rechtsschutzversicherung ist, ggf. die Verteidigung zu finanzieren, nicht aber, Bußgelder zu bezahlen.
Fehlt nur noch, daß die Krankenversicherung dem Krebspatienten anbietet:
Verzichte auf die teure Chemotherapie, dafür bezahlen wir Dir einen 3-Wochen-Luxusurlaub.
Übrigens haben die Kaskoversicherer relativ empfindlich reagiert, als Werkstätten damit warben, im Kaskofall auf die Selbstbeteiligung zu verzichten. Und die Staatsanwaltschaft fand das auch nicht so toll.
Leider fallen Geldbußen ja nicht unter § 258 StGB. Sonst hätten wir jetzt eine Menge Spaß….
Hmmm… ja die Überschift „unethisch“ trifft es durchaus sehr gut. Unetische Angebote heißen allerdings natürlich nicht, dass sie schlecht für das jeweilige Individum sind. Zudem sind es ja Angebote und man kann selbst gut abwägen.
Allerdings muss man natürlich dann auch die z.B. von RA Schepers genannten Punkte (Zweideutigkeit zufällig!) im Kopf haben.
Auch das Beispiel mit Chemotherapie/Urlaub KANN für einen Patienten die bessere Wahl sein. Bei manchen Krebs sagen sich einige Patienten, wozu die Strapazen einer Chemo in Kauf nehmen um dann nur paar Monate länger zu „leben“. Stattdessen lieber die letzten Wochen noch voll ausleben. Wenn man dafür einen Urlaub bekommt – super.
Unethisch ist es halt, weil schwer zu sagen ist, ob man bei einem solchen Angebot noch objektiv/frei entscheidet und man das Indivium zu etwas drängt.
Schwierig… hmmm… aufgrund dessen überlege ich gerade, ob ich mal den Spieß umdreht und ein Kuhhandel mit meiner Versicherung anstelle. Gerade ein persönl. Rechtsstreit, wo ein Vergleich definitiv nicht passieren wird, aber eigentlich der Differenzbetrag geringer sein wird, als was nun gerade losgetreten wird… nämlich zahlreiche Zeugeneinladungen und zusätzliche Gerichtstermine.
Mal die Versicherung anschreiben, ob man mir ein ähnliches unethisches Angebot macht?
Achja und auch auf den Fall bezogen:
Auch hier kann es für den Mandanten sein, dass er es so gut findet, wenn die Sache gegessen ist und er eben klar für sich entscheidet, dass ihm die Risiken bewusst sind, dass in den nächsten 3-4 Jahren was passieren könnte.
Ich persönlich würd mich freuen, öfter solche „unkomplizierten“ Lösungen zu bekommen. Solange ich es auch mit einem „Ihr spinnt ja wohl!“ ablehnen kann – es ist ja lediglich eine zusätzliche Option.
Wo ist das Problem? Betriebswirtschaftlich ist das für den Versicherer sinnvoll, und der finanzielle Schaden für den VN = 0. Bleibt die Überlegung, ob der VN bereit ist, auf den Flensburg-Punkten sitzenzubleiben. Die diesbezügliche Abwägung ist dem erwachsenen und anwaltlich vertretenen VN aber durchaus zumutbar, zumal es um eine Owi ohne sozialethisches Unwerturteil geht.
Lustig, dass die Anwälte genau dann „ethische“ Probleme erkennen, wenn ihr eigenes Portemonnaie betroffen ist.
Ist es auch unethisch, wenn keinerlei Folgen wie Punkte oder Fahrverbot drohen, also unterhalb der Eintragungsgrenze?
Es ist in meinen Augen ebenso viel oder wenig unethisch wie der mittlerweile gesetzlich geregelte Deal im Strafrecht. Der Betroffene kann abwägen, ob er die Punkte in Kauf nimmt und gleichzeitig die Geldbuße spart oder eben nicht. Falls nicht, geht er halt das Risiko ein, am Ende zu zahlen und zu laufen. (Ich unterstelle mal, dass es um Straßenverkehr und Punkte geht.)
In die Röhre kuckt tatsächlich nur der Anwalt, dem sein „im Einzelfall schon einmal vierstelliges“ Honorar für die Verteidigung in einer OWi-Sache entgeht…
@ RA Schepers:
In der privaten KV ist es gang und gäbe, dass eine Beitragsrückerstattung angeboten wird, wenn man zB in einem Kalenderjahr keine Leistungen in Anspruch nimmt.
Dieser Kunde hat doch Glück. Eine andere Taktik dieser Versicherung lautet so:
1. Senden Sie uns lückenlos sämtlichen Schriftverkehr in der Sache zu.
2. Erklären Sie uns dies, erklären Sie uns da, beschaffen Sie dies, beschaffen Sie das.
3. Dann wird nicht geantwortet bis sich dis Anfrage durch Fristablauf erledigt.
Als beauftragter Anwalt würde ich in diesem Fall SOFORT den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen diese Unversicherung beantragen. Es liegt eine rechtswidrige Störung des Verhältnisses zum Mandanten durch eine dritte Partei vor. Zum Schreiben selbst: Wer darauf reinfällt, glaubt auch an den Osterhasen. Diese Unversicherungs – Taktik ist die älteste der Welt. Der VN soll um jeden Preis von der ihm rechtlich zustehenden Inanspruchnahme der VL abgehalten werden. Der weitere Verlauf sieht dann so aus: Der VN fällt darauf rein und weiß nicht, dass ihm aus dem oben gezeigten Schreiben KEIN Rechtsanspruch zugutekommt. Dann antwortet die Unversicherung plötzlich nicht mehr. Dann ist die Rechtsmittelfrist in der Bußgeldsache abgelaufen. Dann meldet sich der VN verzweifelt bei der Unversicherung und selbige antwortet ihm schnippisch, dass die Rechtsmittelfrist nunmehr leider abgelaufen & der Fall somit aussichtslos sei. Anwalts- und Prozesskosten werden NICHT übernommen. DAS ist das Ziel dieser Gauner.
@ Stefan Groebl: Das stimmt so nicht ganz. Das Schreiben ist ein verbindliches Vergleichsangebot der RSV zur Abwicklung des Rechtsschutzfalles , wenn der VN das nachweislich annimmt (bevor er etwa eingelegte Einsprüche zurücknimmt und die RSV das Angebot womöglich zurückzieht), dann erwächst ihm daraus durchaus ein Anspruch.
Eine Frechheit ist das Anschreiben des VN am Anwalt vorbei, da hierdurch zum einen die Mandatierung missachtet und zum anderen das Misstrauen zum Ausdruck gebracht wird, der böse geldgeile Anwalt würde das Angebot womöglich unterschlagen und nicht mit dem Mandanten besprechen (möglicherweise möchte man auch vermeiden, dass der Mandant gar zu genau über die möglichen Spätfolgen des Punktes oder – wenn ein Unfallgeschehen zu Grunde liegt – über mögliche faktische Auswirkungen der Einspruchsrücknahme auf den Zivilprozess aufgeklärt wird.
Ansonsten kann man es natürlich unethisch finden, dass die böse Versicherung für den VN die von diesem möglicherweise wohlverdiente Buße bezahlen will, verboten ist das jedoch nicht (ebensowenig wie das erst nach der Tat erfolgte Angebot, jemandes Geldstrafe zu bezahlen, auch wenn letzteres im Hinblick auf § 258 StGB in der Rechtsprechung kontrovers diskutiert wurde). Wenn das Angebot ordnungsgemäß über den Rechtsanwalt gelaufen wäre, wäre dagegen m.E. nichts einzuwenden, vorausgesetzt natürlich, der Mandant meint, den Punkt in Flensburg verkraften zu können, wenn es im konkreten Fall einen gäbe. Wirtschaftlich sinnvoll aus Sicht der Versicherung ist es auf jeden Fall, da in Owi-Sachen Rechtsschutz unabhängig von einer Prüfung der Erfolgsaussicht eingelegt werden muss und statistisch ein sehr hoher Anteil von Einspruchsverfahren gegen verkehrsrechtliche Bußgeldbescheide, vor allem wenn es um Blitzer geht, erfolglos bleibt.
@RA Ullrich: warum ist das „Anschreiben der Versicherung am Anwalt vorbei“ eine Frechheit. Der VN ist doch der Vertragspartner der Versicherung. Und der Vertragsgegenstand ist die Übernahme von Kosten, die durch die Beauftragung eines Anwalts entstehen.
Auch wenn der hier eingeführte Vergleich ein bisschen hinkt: Ich würde meiner (privaten) Krankenversicherung was husten, wenn Sie an mir vorbei mit meinem Arzt irgendwelche Rechnungsdetails bespricht oder Deals eingeht.
@Moneypenny: ganz so kritisch wie Sie würde ich es nicht formulieren ;-)
Aber ich kann auch kein ethisches Problem darin sehen, wenn die Wahlmöglichkeiten des VN erhöht werden. Es werden auch keine Informationen zurückgehalten. Und es steht dem VN auch frei, sich zu diesem Angebot rechtlich Rat einzuholen.
Wollen wir nicht alle mehr Eigenverantwortung und Bürger, die bewusste & informierte Entscheidungen treffen?
Guten Tag Herr Rechtsanwalt Ullrich, also schön, nehmen wir für einen Augenblick an, dass aus dem besagten Schreiben eine Rechtspflicht zur Zahlung der Buße erwachsen ist: Die ganz große Mehrheit der zu Unrecht abgewiesenen Versicherungsnehmer erhebt KEINE Deckungsklage, weil es ihnen z.B. an Geld, Kenntnis oder Kraft fehlt. „Rechtsverbindliche“ Zusagen von Versicherungen sind oft deren Papier nicht wert.
Nur für mein Verständnis: Sie glauben also, dass, nachdem der VN auf das obige Schreiben hin sich dazu entscheidet, das Angebot der Versicherung anzunehmen und entsprechend das Schreiben mitsamt seiner Bankverbindung unterzeichnet zurücksendet
a) die Versicherung sich anschließend weigert zu zahlen und
b) der VN sich das auch noch gefallen lässt?
Ja, das glaubt er. Er ist zwar in juristischen Fragen nicht so richtig fit („Der VN fällt darauf rein und weiß nicht, dass ihm aus dem oben gezeigten Schreiben KEIN Rechtsanspruch zugutekommt“), aber dafür kennt er sich gut mit pösen Versicherungen und deren dummen Versicherungsnehmern aus. Zumindest, wenn man Vorurteile, Pauschalierungen und Allgemeinkekse als ‚auskennen‘ gelten lässt.
Unabhängig davon ist die Masche der Versicherung rein betriebswirtschaftlich nachvollziehbar. Schon aus dem Grunde soltte man als VN misstrauisch werden.
@M.A.S.: Was genau an dem von dir Troll wiederholten Zitat belegt juristische Unkenntnis?! Wenn du ein Problem mit meiner Ansicht hast, dass Versicherungen so ziemlich alles für die Kostenreduzierung tun, kannst du es ja sicherlich ganz konkret und in deinen eigenen (!) Worten darlegen.
Welcher Teil der Erklärungen von RA Ullrich hat Sie überfordert?
@AndreasSpengler: Wenn der VN von vorne herein die Kommunikation mit der Versicherung tatsächlich selbst übernehmen möchte (Rechtsschutzfall schildern, ggf. begründen, warum Erfolgsaussicht besteht und Deckungszusage anfordern, Kosten einreichen, auf Versuche der knausrigen Versicherung reagieren, die eingereichten Kosten zu Lasten des VN zu kürzen, etc.), dann ist es natürlich völlig OK, wenn die Versicherung mit dem VN direkt kommuniziert. Da es jedoch so ist, dass der RA einige der o.g. Tätigkeiten besser kann als der Durchschnittsmandant, beauftragen gefühlte 90 % der Mandanten ihren RA damit, die Kommunikation mit der Versicherung von der Deckungsanfrage bis zur Abrechnung mit zu erledigen. Diejenigen, die das tun, möchten erstens mit diesem Kram nicht belästigt werden und möchten zweitens, dass es der Fachmann für sie erledigt und fragen sich drittens möglicherweise, für was für einen schlimmen Finger ihre RSV denn den RA hält, dass sie es für nötig hält, ein solches Angebot an diesem vorbei zu kommunizieren.
Ich hatte Mitte des Jahres auch so ein Angebot vorliegen. Allerdings hatte es mein Anwalt bereits im Vorfeld fürsorglicherweise für mich abgelehnt. Das fand ich dann auch nicht so freundlich.
AFAIR war das Angebot der Versicherung auch etwas höher als das Bußgeld. Wohl um die vier Wochen Fahrverbot ein wenig auszugleichen.