Er ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Der Verdacht, daß sich die Staatsanwaltschaft Berlin keine Laus in den Pelz setzen wollte. Mit einem Strafverfahren gegen einen der Vier Strafverteidiger.
Wie alles begann
Die 29. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main verhandelte den Kafka-Process, in dem ich den Angeklagten verteidigte.
Ich hatte das Landgericht um eine Vorschuß auf meine Reisekosten gebeten. Der Rechtspfleger verweigerte die Vorschußzahlung mit den Argumenten-Dreisprung:
- Das haben wir noch nie so gemacht!
- Wo kommen wir denn da hin?!
- Da könnte ja jeder kommen!
Daraufhin hatte ich meine Teilnahme an den kommenden Verhandlungstagen erst einmal abgesagt. Dem Vorsitzenden Richter Moritz R. gefiel das ja nun überhaupt nicht, weil das gesamte Verfahren zu platzen drohte. Darüber habe ich einen ausführlichen Testbericht zum Thema „Krawalljuristen“ geschrieben.
Jener Blogbeitrag enthielt eine Passage, die dem Präsidenten des Landgerichts übel aufstieß:
Und zwar so übel, daß er mir völlig unübel nachredete, ich hätte eine Straftat begangen:
Die aufmarschierte Oberstaatsanwältin subsumierte summarisch den Blogbeitrag und insbesondere den zitierten Absatz unter die Vorschriften § 186 StGB und § 187 StGB.
Wie jeder Beschuldigte, der seine sieben Sinne beieinander hat, habe ich mich sogleich um eine solide Verteidigung gekümmert. Und obwohl Strafverteidiger die mit großem Abstand schwierigsten Mandanten sind, haben meine Verteidiger Bernd Eickelberg, Kerstin Rueber-Unkelbach und Werner Siebers keine Sekunde gezögert, das Mandat anzunehmen.
Nächtelange haben wir dann gemeinsam eine Verteidigungsstrategie entwickelt. Ziel war es, sowohl die Frankfurter als auch die Berliner Strafjustiz gnadenlos in die Knie zu zwingen.
Nach den ultimativen Verteidigungsschriften an die Staatsanwaltschaft Berlin …
und
… haben wir uns auf einen Strafkammerprozeß im Saal 700 des Kriminalgerichts vorbereitet, bei dem wir die honorigen Zeugen der Anklage – VRiLG R., Rechtspfleger R. und den Präsidenten Dr. W. – nach allen Regeln der Verteidigerkunst auf heißen Kohlen grillen wollten.
Und was macht die schneidigste Behörde Berlins? Sie zieht den Schwanz und stellt das Verfahren ein. Mit der nach Ziff. 88 RiStBV angeforderten Begründung:
Liebe Kerstin Rueber-Unkelbach, lieber Bernd Eickelberg, lieber Werner Siebers. Habt ganz herzlichen Dank für diese erfolgreiche Verteidigung gegen eine übergriffig scheinende hessische Justiz, die austeilen kann, aber nicht einstecken!
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin, das Verfahren wegen § 193 StGB einzustellen, ist allerdings noch eine Diskussion wert. Wenn man das Geschehen mal ernsthaft auf’s Wesentliche runterbricht und sich die „Wahrnehmung berechtigter Interessen“ genauer anschaut: Wessen Interessen habe ich eigentlich vertreten, als ich (erfolgreich) versucht habe, den mir zustehenden Reisekostenvorschuß durchsetzen?
Naja, die Einstellung nach § 170 II StPO ist ja beschwerdefähig, Herr Präsident.
Menno!
Ich hätte erwartet, daß ein gestandener Strafverteidiger weiß, wie er es bis in eine Hauptverhandlung schafft.
Die Hauptverhandlung wäre ganz großes Kino geworden.
Aber so? Uns hier mit einer billigen Einstellung nach §170 II StPO abzuspeisen, ist enttäuschend.
Andererseits adelt dieser Vorgang Kollegen Hoenig.
Wenn schon der Präsident des Landgericht Frankfurt am Main seinen Blog liest…
Was ist eigentlich aus dem Kafka Prozess geworden? LG
Die Hauptverhandlung braucht es doch gar nicht mehr. Dieser Blogbeitrag, der den Beteiligten sicher bekannt wird, reicht zum „grillen“ völlig aus. Niemand wird gern öffentlich blamiert.
Grins.
„wegen aller in Betracht kommender Delikte“
Wenn man als Profi zu solchen Phrasen greift, ist für die Gegenseite doch schon klar, dass man nur Wind im Beutel hat.
Da wäre es besser gewesen die runtergelassene Hose vorher hochzuziehen, bevor man das Licht einschaltet. ;)
Was mag sich eigentlich ein Mandant denken, wenn er mitbekommt, dass sein Verteidiger den Vorsitzenden Richter gerade mit Rechtsbeugungsvorwürfen (also dem schlimmsten, was man einem Richter antun kann) beleidigt – und das nicht mal im Interesse des Mandanten oder wegen irgendetwas Wichtigem, sondern wegen seines Reisekostenvorschusses??
Ich jedenfalls würde mir denken, dass dieser Verteidiger hier gerade riskiert, dass der Richter seinen Ärger hierüber hinterher an mir auslässt, und dass der Richter, wenn er sein Handwerk versteht, einige Möglichkeiten hätte, dies zu tun, ohne dass man das höheren Ortes korrigieren lassen kann. Und dann würde ich mir dreimal überlegen, ob ich wirklich 6 Monate länger im Knast verbringen will, nur weil mein Verteidiger gerne in eigener Sache Krawall macht.
Ein Verteidiger hat seinen Beruf verfehlt, wenn er sich einem offenen Regelverstoß nicht entgegen stellt und sich durch notfalls auch robustes Auftreten Respekt verschafft.
Zur Sache selbst: Ein Verteidiger ist nicht verpflichtet, in Vorlage zu treten. Wenn die Staatskasse den Reisekostenvorschuß nicht zahlt, ist erstmal der Mandant an der Reihe. Und der wird sich bedanken, wenn der Verteidiger zu Kreuze kriecht …
BTW: Der Erfolg am Ende des Verfahrenskomplexes hat mir i.Ü. Recht gegeben. crh
Den Spaß einer Hauptverhandlung mit den angereisten Zeugen hätte ich mir aber gegönnt.
Ich gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft sie auf den Kosten für die Verteidigung sitzen lassen möchte?
Natürlich, das ist häufig der Plan.
Erstaunlich,dass Sie sich drei (!) Strafverteidiger in eigener Sache gönnen – aber Stress machen, wenn das Gericht Ihnen mal die Reisekosten zu einemr Mandsntenverhandlung nicht vorschieben will. Sondern Ihnen die Reisekosten erst im Nachhinein erstatten wollte, wie üblich.
Ich kann mir richtig vorstellen, wie schön und anregend es gewesen sein muss, bei gutem Essen und gutem Wein (oder Berliner Weiße mit Schuss, wer’s mag) mit guten Strafverteidigern im Séparée eines guten Restaurants die Verteidigungsstrategie zu besprechen. Ende gut, alles gut!
@ 1. November
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Ich verlange von meinem AG auch, dass ich ihm die Spesen nicht finanzieren muss, ebenso pünktliche Zahlung des Gehalts. Wofür ich dann MEIN Geld ausgebe bleibt trotzdem meine Sache, selbst wenn ich aus Spass an der Freude einmal im Monat eine 100 EUR Cohiba mit einem 500 EUR-Schein anzünde um sie dann im Görlitzer Park einem Drogenspürhund zum Fressen zu geben.
„nichts finden konnte, was auch nur die Wahrnehmung berechtigter Interessen erreicht“
Da war wohl von Verteidigerseite eigentlich das Gegenteil gemeint? Die berechtigten Interessen wären ja ein Rechtfertigungsgrund, und wenn keine da sind, ist das eher weniger gut?
@ WPR
Ich nehme an, kluge Menschen wissen, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Ich schließe mich da auch durchaus der Meinung vom @ Mandantenversteher an und finde auch, dass dieser unnötige Konflikt nicht gerade im Interesse des Mandanten von crh war. Gerade auch deswegen, weil crh sicher reich genug ist, dass er die Reisekosten zunächst auch selbst hätte bezahlen können.
uebrigens, zu Ihrem (hinkenden) Vergleich: angenommen Sie erhalten Ihr Gehalt vom AG jeweils am 25. Des Monats. Glauben Sie Ihr Arbeitgeber wuerde Ihnen schon am 1. Des Monats dieses Gehalt zahlen, nur weil Sie das eben schon vorher bekommen wollen…?!
@ WPR
Ich nehme an, die meisten hier werden wissen, was das eine mit dem anderen zu tun hat.
Ich schließe mich da übrigens der Meinung von Mandantenversteher an und finde auch, dass crh hier nicht im Sinne seines Mandanten gehandelt hat.
Ziemlich seltsam, die persönlichen Vermögenswerte, die wahrscheinlich sauer erteidigt sind, als Vorwand zu nehmen für die dreiste Forderung, erstmal alles selber vorzuschießen und dann ad calendas graecas abzuwarten. Hier hat jemand ganz offenkundig nicht kapiert, dass das Recht für arm und reich gleich ist. So die Theorie. Verlangt das aber jemand in der Praxis, geht das große Geschrei los?? Als Mandant würde ich einen Wahlverteidiger zum Teufel schicken (vielleicht noch etwas weiter), wenn der sich von Gericht und Rechtspfleger auf der Nase herumtanzen lässt und ich dann auch noch diese Willkürschrullen bezahlen soll.
@1. November
Was wäre denn, wenn im Arbeitsvertrag „der Arbeitnehmer kann einen Vorschuss fordern…“ steht….
Im Gesetz zu den angesprochenen Reisekosten steht das jedenfalls so drin…
@ 1. November
Den Punkt mit „Arbeitgeber die Spesen vorschiessen / finanzieren“ haben sie wohl (absichtlich?) überlesen.
Und noch mal: Was hat crh’s Vermögenslage damit zu tun? Warum soll er Verpflichtet sein, dem Staat einen kostenlosen Kredit zur Verfügung zu stellen?
@ Non Nomen
„Als Mandant würde ich einen wahlverteidiger zum Teufel schicken..“ Im konkreten Fall dürfte es sich wohl um eine Pflichtverteidigung gehandelt haben, sprich RA Hoenig- war seinem Mandanten vom Staat als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.waere er wahlverteidiger gewesen, hätte crh keinen einzigen Cent für seine Reisekosten vom Staat fordern dürfen dann hätte sein Mandat alles selbst zahlen müssen.
Insoweit hatte crh natürlich Anspruch darauf, dass der Staatlichen seine Reisekosten zahlt. Aber er hätte sich diese im nAchhinein erstatten lassen können. So wie es eben üblicherweise der Fall ist. Dass er jedoch in einer solchen Schärfe dies als Vorschuss gefordert hat, verbunden mit der Drohung sonst gar nicht zur Verhandlung zu kommen, finde ich persönlich sehr verantwortungslos von crh gegenüber seinem Mandanten. Und diese extreme Schärfe, die crh dabei an den Tag gelegt hat, hat der Präsident des LG ja offenbar sogar als Straftat empfunden. Also – ein unnötiger Konflikt mit unnötig viel Aufregung.
@ 1. November
Falsch! Es ist eben üblich, für die Spesen einen Vorschuss zu erhalten. Und auch ganz verständlich und (in anderen Bereichen) normal. Und die Frage ist doch viel eher, warum der unfähige Rechtspfleger da so einen Terz drum macht. Wenn hier jemand einen unnötigen Konflikt vom Zaun bricht, dann sind das der Rechtspfleger und der Präsident des LG. Denn eine Straftat ist in dem Schreiben von crh nun weiss Gott nicht zu finden (wie sowohl die Art der Anzeige als auch das Ergebnis zeigen), selbst wenn wir uns tatsächlich eins darüber waeren, dass hier Schärfe vorliegt. Wie gesagt, erst fällt der Rechtspfleger eine inkompetent Entscheidung, und dann erkennt der Richter, vermutlich im Stress, nicht, was er eigentlich Entscheiden müsste, sondern bringt zwei Sachverhalte durcheinander. Da muss man dann halt etwas deutlicher werden, erst recht wenn die Zeit eng wird. Und ein „sonst kann ich nicht kommen“ weckt dann schon mal die Lebensgeister. Jetzt aber denn anmaunzen, der hier das ‚Opfer‘ von Fehlern war, grenzt schon an Obrigkeitshörigkeit.
Und wie crh schon schrieb, ein Anwalt soll auch gegen einen Richter Stellung beziehen, wenn dieser Falsch liegt. Einen Urteiksbegleiter braucht kein Mensch (zumindest keiner, der auf der Anklagebank sitzt oder dem der Rechtsstaates lieb und teuer ist).
Wehret den Anfängern!
Davon abgesehen, dass mir unklar und auch völlig egal ist, ob es wirklich („nur“) um den Vorschuss ging oder (auch) um das Fristende mit Ablauf des 1. Februar: Glückwunsch!
Natürlich haben Sie die Interessen Ihres Mandanten / Ihrer Mandantin vertreten, die ein großes Interesse an einer effektiven Verteidigung ihres in der Sache wohl lange mandatierten Verteidigers hatte.
Nicht nachvollziehen kann ich allerdings, dass das LG Frankfurt / Main so empfindlich ist, wegen jeder Kleinlichkeit gleiche eine Strafanzeige, mutmaßlich während der Arbeitszeit, zu erstatten. Ich stelle mir dann immer die Frage, ob ich meine Lebenszeit so verschw… verbrauchen wollte. Was soll diese Anzeige bewirken? Die ganze Party hat für den Staat wahrscheinlich höhere Kosten verursacht als der zunächst nicht bewilligte Vorschuss.
Aber ich bin ja auch kein Richter (Präsident?) am Landgericht und werde auch auch nicht so schnell gallig, wenn mir etwas nicht passt.
Jedenfalls ist jetzt Wochenende. Allerseits viel Erholung.
Es kann natürlich auch sein, dass ein Verteidiger auf diese Weise sich höhere Reisekosten vorab vom Gericht bewilligsn lässt als dann später von ihm wirklich verwendet werden. Auf die Art kann sich ein Anwalt vielleicht noch nett und rechtswidrig etwas ‚dazu verdienen“….
Und wenn Sie die mit diesem Blogbeitrag verlinkten Artikel und Kommentare aufmerksam gelesen und auf sich wirken gelassen hätten, bevor Sie Ihren Kommentar geschrieben haben, dann hätten Sie im konkreten Fall auch feststellen können, daß hier keine „nette und rechtswidrige Hinzuverdienstmöglichkeit“ bestanden hat:
Der von Ihnen formulierte Verdacht eines gewerbsmäßigen Betrugs hat unter keinem Blickwinkel Substanz. crh
@ 1. November
Danke für Ihren letzten Beitrag. Jetzt haben Sie selbst bewiesen, dass Sie entweder ein Troll oder ein mental herausgeforderter Mitmenschen sind:
Denn ganz offensichtlich kennen (oder wollen nicht kennen) Sie den Unterschied zwischen einer Vorauszahlung und einer (Spesen) Abrechnung nicht. Theoretisch könnte crh also nur die Zinsen für ein paar Wochen / Monate auf den Mehrbetrag bekommen. Also im Bestfall ein paar Cent – bei der derzeitigen Geldmarktlage hätte er dem Staat vermutlich sogar ein paar Cent an negativen Zinsen erspart.
@WPR_bei_WBS
Ihr Tatverdacht bezüglich „Troll“ oder „mental herausgeforderter Mitmenschen“ [sic] spannt ein demaßen großes Wahrscheinlichkeitsintervall auf, dass ich mir konsekutiv anheimgestellt habe, zu antworten.
„Mental herausgefordert“ lässt sich definieren als „kognitiv elementarisiert“. Ein „kognitiv elementarisierter Troll“ wäre aus rein logisch-semantischer Erwägung heraus ein Oxymoron, wobei diese figurhetorische Konstruktion durchaus auf den ein oder anderen Sozialdemokraten anwendbar wäre. Dann erfahren allerdings andere Begriffe wie „Politiker“ eine funktionale Anwendung. Trolle an sich suchen sich kognitiv elementarisierte Mitmenschen als Wirte aus.
Über Trolle ärgern sich lediglich die Wirte, kommensalistische Co-Alphabeten bleiben altitudorelaxiert und degoutieren lediglich Exempel ohne Anmut.