Wer ist für das beA-Chaos verantwortlich?

Nachdem das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) sich auf den Weg in Richtung Nulldevice gemacht hat, stellt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit für den bisher abgelieferten Schrott.

Es gibt derzeit zumindest zwei Paare Ohren, die sich zum Langziehen anbieten:

Die der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), also die Dachorganisation der 28 regionalen Rechtsanwaltskammern und Vertreterin der Interessen der Anwaltschaft auf Bundesebene und darüberhinaus.

Und die des französischen IT-Dienstleisters Atos, den die BRAK mit der Entwicklung und Programmierung dieser Kommunikationsschnittstelle zwischen und für Justiz und Rechtsanwälte/n beauftragt hat.

Ich bin mir da nicht sicher.

Aus zwangsrekrutierter Anwendersicht sehe ich

  • zunächst einmal das (zumindest aktuelle) Unvermögen von Atos, eine am Nutzer orientierte, sichere und praxistaugliche Software herzustellen.
  • Andererseits könnte man den Verantwortlichen bei der BRAK vorwerfen, eine Softwarebude ausgesucht, verpflichtet und scheinbar (nicht?) überwacht zu haben, die mir der Aufgabe schlicht überfordert zu sein scheint.

Mangels Detailkenntnissen kann ich mir insoweit kein abschließendes Urteil erlauben. Deswegen ziehe ich mich auf meine strafrechtlichen Grundstudiumskenntnisse der Mittäterschaft zurück, in deren Rahmen wird das verwerfliche Verhalten des einen dem jeweils anderen als eigenes zugerechnet.

Oder anders formuliert: BRAK und Atos in einen Sack gesteckt und (virtuell) draufgeschlagen – man trifft stets keinen Falschen.

Unsere Kanzlei haben die Versuche, dieses sich als praxisuntauglich erwiesenene System zu verstehen, zu installieren und in Betrieb zu nehmen, viel Zeit und reichlich Nerven gekostet; und Geld auch. Jetzt warte ich erst einmal so lange ab, bis die kollussiven Dilettanten bei der BRAK und bei Atos ihre Hausaufgaben gemacht haben. #SchnauzeVoll

update:
Pia Lorenz und Christian Dülpers beschreiben anschaulich das „Desaster beim Anwaltspostfach“ auf LTO: „Ist das beA noch zu retten?

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Bild: © Marcus Stark / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Allgemeines (Wanne), Rechtsanwälte veröffentlicht.

13 Antworten auf Wer ist für das beA-Chaos verantwortlich?

  1. 1
    Thorsten says:

    Neben Strafrecht mache ich ja noch dieses „Zivildings“, hierbei vor allem auch regelmäßig Eilsachen, in denen nicht einstweilige Verfügungen beantragt werden müssen. Wollte heute zwei mit beA rausschicken. Geht aber nicht. Alles gesperrt. Habe mir jetzt den EGVP-Client runtergeladen – soll ja am 14.2.18 komplett deaktiviert werden – und hoffe, dass es wenigstens damit klappen wird. Aber so viel hätte ich über ganz Weihnachten gar nicht essen können, wie ich gerade ko… möchte.

  2. 2
    hugo says:

    das geilste sind in meinen augen die ganzen unmittelbaren kosten, die wir da schon reingepumpt haben. Habe grad keine liste da, aber aus dem stegreif: der kammerbeitrag wurde explizit mit begründung beA erhöht, und dann natürlich die kosten für die karte, evtl. das lesegerät, und evtl. das zertifikat. unfassbar.

  3. 3
    Pitt says:

    Die BRAK ist in der Vergangenheit mehrfach auf Sicherheitslücken hingewiesen worden (unter anderem auch von Anwälten, die sich von Beginn an ins beA reingetüfelt haben). Alle Warnungen wurden ignoriert, Probleme heruntergespielt. Es gibt bzw. gab ein funktionierendes System (EGVP), aber man wollte gerne „was eigenes“ haben, hat aber bei der BRAK schlicht keine IT-Experten, die die Arbeitsergebnisse von Atos wirklich überprüfen können. Ich kann nur hoffen, dass die BRAK den Vorschlag des Deutschen EDV-Gerichtstages annimmt und externe Experten hinzuzieht, um das beA begutachten zu lassen. Hinzu kommt, dass die gesamte Informationspolitik und das Beschwerdemanagement, falls man es überhaupt so nennen mag, katastrophal ist. Wenn man Mist baut, sollte man auch gleich dazu stehen.

  4. 4
    Non Nomen says:

    Der Stichtag kann nicht gehalten werden kann, um das zu erkennen bedarf es keines Kaffeesatzes, keiner Teeblätter und auch keiner Kristallkugel. Ein gesetzlich vorgeschriebenes System, dessen Einrichtung die Zwangsteilnehmer eine Menge Geld gekostet hat, das will einfach nicht. Verpfuscht. Aber was nun? Wie geht es für die Anwaltschaft, die nicht tun kann was sie tun soll, nämlich die Kommunikation via beA, weiter?
    Hat die BRAK genug Gesäß im Beinkleid, die Nummer wegen offensichtlicher Unmöglichkeit wieder mal auf Trockeneis zu legen? ??? ??????? um es mal mit Lenin zu formulieren…Was tun???

  5. 5
    Mathan says:

    Ich hab bei „Atos“ aufgehört zu lesen…

  6. 6

    @ pitt:
    > Informationspolitik der BRAK< Das ist ein in diesem Zusammenhang unangebrachter Euphemismus. "Fakenews" trifft es wohl besser. Anders als CRH habe ich das beA in meinen Bürobetrieb ganz ordentlich einbinden können. Zwar nicht "Plug and play" sondern nur mit "Blood, sweat and tears", aber immerhin: geschaftt und das pünktlich! Deshalb schockiert mich die "Politik"der BRAK besonders. Niemand dort scheint aus den Erfahrungen mit ATOS in der Vergangenheit etwas gelernt zu haben. Und trotz Auswechselung der Presseabteilung, nach beA-Pleite Nr.1 in 2016, gibt es zum Thema von dort weiter nur Geschwurbel und "Fakenews" statt Fakten. Das muss angeprangert und geändert werden. Sofort! Ich habe meinen Weihnachtsbraten hier entsorgt: https://www.rafeske.de/index.php/blog/bueroalltag/51-bea-das-ende-vor-dem-anfang
    Morgen ist das Thema „beA“ Thema auf dem 34. CCC-Kongress in Leipzig, per Livestream ab 12.30 Uhr zu verfolgen:
    https://events.ccc.de/congress/2017/wiki/index.php/Session:BeA_-_das_neue_Anwaltspostfach
    Vielleicht nehmen die für diese „beA-Pleite Nr.2“ Verantwortlichen ja wenigstens zur Kennntnis, was dort -kostenlos!- an „KnowHow“ vermittelt wird.

    Ich suche mir jetzt ein Beißholz

  7. 7
    gsrgwrsgwrgwrg says:

    Ich kann mir gut vorstellen, dass ein in meiner Gegend ansässiger Anbieter neuer Kandidat werden könnte und ich kann mir genau so gut vorstellen, dass es mit diesem ähnlich witzige Ergebnisse geben wird.

    Ich freue mich.

  8. 8
    Hoppel says:

    Auch Spiegel-Online berichtet nun in einem ausführlichen Artikel über das Problem: http://www.spiegel.de/netzwelt/web/34c3-bea-bleibt-offline-die-postfach-pleite-a-1185198.html

  9. 9
    Justus Maria Wunderlich says:

    Werte ehemalige KollegInnen, haben Sie ernsthaft daran geglaubt, dass die gewählten Rechthaber Ihnen Glauben schenken würden, Sie sogar ernst nehmen würden? Sie sind doch nur willfährige Beitragskühe, die abgemolken werden können, damit man sich repräsentative Paläste hinstellen kann, wie in der Littenstraße in Bärlin. Ich habe keinerlei Mitleid! :-)

  10. 10
    BV says:

    Wer sich für die technischen Hintergründe interessiert, dem seien die Artikel bei Heise und Golem empfohlen. Zusammenfassung: Der Wahnsinn zum Kopfschütteln ;-)

  11. 11
    Klaus says:

    Bitte löschen Sie die Falschmeldungen auf Ihrer Seite: Die BRAK ist NICHT die Interessenvertretung der Anwälte, sondern die der amerik. Geheimdienste und der börsennotierten IT-Wirtschaft.

    KEIN Anwalt mag die BRAK

    Mehr als 50 % der Anwälte haben mit den Füßen abgestimmt und bisher KEINE Karte für den elektr. Blödsinn bestellt und vermeiden auf diese Weise auch die jährlichen Schutzgeldzahlungen an die BRAK.

    Stoppt das elektr. Anwaltspostfach!

    Mein Nachbar sagte:
    Die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung und bei den Anwälten steigt stündlich.

  12. 12
    RA Robert Meyen says:

    Wenn wenigstens nur die Technik dahinter Schrott wäre: selbst das Frontend ist kompletter Müll…

  13. 13
    Joachim Breu says:

    Axel C. Filges war’s, der im Juli 2013 dem Gesetzgeber ein „Wir schaffen das!“ entgegen geblökt hatte. Seither wurden p.a. 9,5 Mio. € eingesammelt, zwangsweise. Wenn mal wieder einer nach Lücken im Strafgesetz sucht, hier ist eine – § 263 ist mangels VermögensVERFÜGUNG der Kammermitglieder nicht einschlägig, über den Rest darf man nachdenken. Nur nicht laut.