Zeugenverhinderungsservice

Zeugen sind neben den Angeklagten die bedauernswertesten Beteiligten an einem Strafverfahren.

Erst sitzen sie auf dem zugigen Gerichtsflur und warten – teilweise stundenlang – darauf, irgendwann aufgerufen und vernommen zu werden.

Zeugen, die die Anklagevorwürfe stützen, werden nicht selten von den Verteidigern gegrillt.

Wenn Zeugen hingegen zugunsten eines Angeklagten aussagen, müssen sie damit rechnen, mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Falschaussage überzogen zu werden.

Und wenn sich der Zeuge nach der Quälerei dann die Tarife anschaut, die unter dem Begriff „Zeugenentschädigung“ zusammengefaßt werden, schießt ihm das Wasser in die Augen.

Staatsbürgerliche Pflicht hin oder her: Ich würde es mir mindestens dreimal überlegen, ob ich mich freiwillig als Zeuge zur Verfügung stellen soll. Oder besser nicht.

Das Amtsgericht Tiergarten hat sich nun eine weitere Schikane ausgedacht, potentielle Zeugen am Hören, Sehen und Sprechen zu hindern. Es gibt ab sofort grundsätzlich kein Bargeld mehr für die Auslagen, auf deren Erstattung der Zeuge einen Anspruch hat. Verdienstausfall und Fahrtkosten gibt es ab sofort nur noch auf schriftlichen Antrag:

Ich bin mir sehr sicher, daß ein Großteil der Zeugen mit diesem Antragsformular (PDF) völlig überfordert ist. Die Justizverwaltung spart also nicht nur die Kosten für das Personal, das den gebeutelten Zeugen, die kein abgeschlossenes Hochschulstudium hinter sich haben, behilflich sein könnte. Mir fällt dazu der Begriff Unverschämtheit ein.

Aber vielleicht vertritt „Ihre Entschädigungsstelle bei dem Amtsgericht Tiergarten“ ja auch die Ansicht, daß Bargeld nur das Gehör beinträchtigt, den Blick vernebelt und den Mund verstopft.

Dieser Beitrag wurde unter Behörden, Gericht, Justiz, Zeugen veröffentlicht.

8 Antworten auf Zeugenverhinderungsservice

  1. 1
    Non Nomen says:

    Und wenn die teuren Zeugen sich durch dass Formular gekämpft haben dürfen sie dann noch so lange warten wie mancher Pflichtverteidiger auf Honorar-Vorschuss und die Begleichung der Gebührennote warten „durfte“. Da möchte man als Zeuge doch glatt auf Vorkasse bestehen…

  2. 2
    RA Jörg Jendricke says:

    In Bayern ist das schon seit Jahren so. Nur noch bargedllos. Und Verjährung des Anspruchs nach 3 Monaten.

  3. 3

    soso – Auszubildende haben also keinen Verdienstausfall….

  4. 4
    Bernd says:

    Man ist dort bei Gericht einfach nur fortschrittlich und hat sich mit seinen Methoden an die Wirtschaft angepasst. ;)

    Um so höher man die Latte legt um etwas zu bekommen, um so höher ist der Prozentsatz, der am Ende aus Zeitgründen oder Nerven gewollt oder auch ungewollt, da geistig unbewaffnet, verzichtet. Man legt die Latte so hoch wie es rechtlich möglich ist und spart am Ende Zeit und viel Geld. Schneller kann man gar nicht Geld verdienen.

  5. 5
    Korinthen K. Acker says:

    und das ÖPNV-Ganztagsticket soll man auch im Original da lassen? na denn ….

  6. 6
    Der wahre T1000 says:

    Was passiert eigentlich, wenn ein Zeuge auf die Ladung zum Termin mit einem Schreiben reagiert, worin er um Vorschuß bittet, da er ansonsten mangels Geld nicht kommen könne? Bekommt der dann das Geld vorweg? Oder einen polizeilichen Taxidienst? Wer weiß genaues?

  7. 7
    wareinmaleinzeuge says:

    War am kleinen Tiergarten, da in der Strasse oestlich, kP ob das Tiergarten oder Moabit ist, auch schon ein paar gestandene Jahre her.

    Die haben bei jeder Zeugenaussage versucht mir Verdienstausfall aufzuquatschen, ich wollte aber einfach nur jedes mal so schnell raus wie moeglich.

    Die waren sehr erstaunt davon das ich nach vielen Jahren genau das Gleiche zu Protokoll gab was ich auch schon bei der Polizei niederlegte, so als ob sowas noch nie geschehen sei.

    Je nach dem um was es fuer Dinge geht, wuerde ich mal beim Zeugenbeistand nachfragen der da mit im Haus ist, die werden sicherlich auch bei der schriftlichen Antragsstellung helfen.
    Affig finde ich das auf jeden Fall, wegen den paar Euro auch noch Briefmarken koepfen muessen, statt direkt dort vorstellig zu werden.

    @T1000 ich schaetze das gibt polizeilichen Taxidienst mit Forderung der Befoerderungskosten.

  8. 8
    Anno Nüm says:

    ZuSEG § 14 Vorschuß
    (1) Geladenen Zeugen und Sachverständigen ist auf Antrag ein Vorschuß zu bewilligen,
    wenn sie nicht über die Mittel für die Reise verfügen oder wenn ihnen, insbesondere
    wegen der Höhe der entstehenden Reisekosten, nicht zugemutet werden kann, diese aus
    eigenen Mitteln vorzuschießen.