Monatsarchive: März 2018

Die Schnellmerkerin bei der Staatsanwaltschaft

Das Verfahren trägt ein Aktenzeichen aus dem 2011. Spätestens seit September 2012 wird die Sache von der Staatsanwältin M. bearbeitet. Sie schusterte auch die Anklage zusammen, nachdem sie sich nicht an die Absprachen mit der Verteidigung gehalten hat. Trotz nach Ansicht der Verteidiger grober Mängel wird die Anklage vom Januar 2016 zugelassen.

Nach vier Hauptverhandlungsterminen im April/Mai 2017 mit einer zweistelligen Anzahl von Zeugen und ordnerweise Urkunden mußte die Hauptverhandlung ausgesetzt werden, weil die 2. Richterin in den Mutterschutz ging.

Nun wird der zweite Durchgang geplant. Auf Band VI der Hauptakte (es gibt noch ein paar Kisten mit Beiakten, die vom LKA und der Staatsanwaltschaft angelegt wurden) findet sich nun dieser fröhliche Vermerk der Staatsanwältin, die diese Sache seit Blatt 1 Band I bearbeitet hat:

Bei den Wirtschaftsabteilungen der Staatsanwaltschaft arbeiten ausschließlich hochqualifizierte Spitzenjuristen und Leuchttürme der Jurisprudenz. Grundsätzlich jedenfalls. Es soll Ausnahmen geben. Wird gemunkelt.

Die einzig richtige Reaktion kam dann von der Staatsanwältin, der die Hochleistungsjuristin das Verfahren vor die Füße kippen wollte:

Sachen gibt’s, die glaubt man nicht, wenn man sie nicht selbst miterlebt hat.

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Fernsteuerungsmedizin

Ich habe ein paar Zeilen über die medizinischen Versorgung von Gefängnisinsassen geschrieben.

Da hatten nämlich ein paar Leute eine hervorragende Idee, die in der JVA Moabit bestimmt auch umgesetzt wird. Irgendwann. In den nächsten 50 Jahren. Vielleicht.

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Bild: © Paul-Georg Meister / pixelio.de

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Absurdes Schauspiel vor dem Zivilgericht

Nach langen Jahren hat es mich wieder einmal erwischt. Ich konnte es nicht verhindern. Ein Auftritt vor dem Zivilgericht. Ich bin völlig fassungslos!

Der Fall:
In einem recht engen Parkhaus kommt es im Juni 2014 zum Streifanstoß zweier PKW, die dort rangierten. Der Beklagtenvortrag gibt den Streitstand wieder:

Die Behauptungen sind unzutreffend. Nicht das fahrende Beklagtenfahrzeug fuhr gegen das stehende Klägerfahrzeug, sondern das fahrende Klägerfahrzeug gegen das stehende Beklagtenfahrzeug.

Der Schaden:
Der (optische) Schaden am (verkehrssicheren) Fahrzeug der Klägerin beträgt rund 3.300 Euro. Der Versicherer des Beklagten zahlte daraus die Hälfte. Die andere Hälfte soll nun die Klage bringen.

Neben diesem Sachschaden macht die Klägerin auch noch Ansprüche aus einem Personenschaden geltend: Ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 1.000 Euro sollen es sein. Durch den Unfall habe sich eine therapieresistente Vorerkrankung verstärkt, sie leide seitdem unter Schlafstörungen und rheumatischen Beschwerden.

Dann geht es noch um eine Auslagenpauschale in Höhe von 20 Euro.

Das Verfahren:
Die Prozeßakte, die mir zur Verfügung gestellt wurde, umfaßte über 70 Seiten. Es hatte schon ein Termin stattgefunden, zu dem zwei Zeugen mit Dolmetscher geladen waren und angehört wurden. Nun fand ein weiterer Termin statt, in dem ich als Terminsvertreter und Prozeßbevollmächtigter die Klägerin vertreten habe.

Der Termin:
Erschienen waren der Anwalt – ein Profi aus einer hochspezialisierten, überregionalen Kanzlei, die aufgelöste und aufgeregte Klägerin und ich. Der Aufruf erfolgte pünktlich. Der Präsenzfeststellung folgten die vom Richter ins Protokoll diktierten „Anträge aus der Klageschrift vom August 2015“, der „Klageabweisungsantrag vom Januar 2016“ sowie die Ankündigung einer Entscheidung – voraussichtlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens – „am Schluß der Sitzung“. Nach etwa 90 Sekunden war sie Sache erledigt.

Die Klägerin verstand die Welt nicht mehr. Ich habe dann etwa noch eine gute halbe Stunde versucht, ihr zu erklären, was dieser Zirkus hier soll.

Es ist mir schwergefallen, dabei sachlich zu bleiben. Denn dieser Termin, zu dem sich zwei erwachsene Rechtsanwälte, eine Urkundsbeamtin und ein erfahrener Richter morgens früh um viertelnachneun im Gericht treffen, zu dem eine hyperventilierende Klägerin extra angereist ist, war sowas von sinnlos und überflüssig.

Wofür muß man sich dazu im Gericht treffen?
Auf diese Frage bestätigte der Kollege, das sei alles völlig normal, er wisse gar nicht, warum ich mich so echauffiere.

Jetzt, wo ich noch einmal darüber in Ruhe nachdenke: Wie verdorben muß der menschliche Verstand eigentlich sein, um sich so eine aberwitzige und absurde Show-Einlage vor einem Amtsgericht bieten zu lassen? Durch diese „Gerichtsverhandlung“ sind mir gute 2 Stunden meiner Arbeits- und Lebenszeit gestohlen worden.

Und wenn ich mir jetzt auch noch die finanzielle Seite anschaue, wird mir schwindelig: Dafür bekommt der Zivilrechtsanwalt noch nicht einmal ein Honorar! Unglaublich.

Der Fall an sich ist schon kompletter Kappes:
Wegen ein paar Kratzern am Kotflügel eines Mittelklassefahrzeugs und ein wenig aufgeblasenem Unbehagen wird über 4 Jahre ein wahnsinns Aufriß gemacht. Und damit beschäftigen sich auch noch hochqualifizierte Menschen, die so tun, als gäbe es nichts Wichtigeres. (Was ich von der Klägerin halte, schreibe ich hier besser nicht.) Das ist doch völlig bekloppt!

Wir leben in einer sonderbaren Welt … und ich bin heilfroh, daß diese für mich nicht das Zivilrecht ist.

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Satanisten und Zaubersäfte

Eine eMail, die uns heute erreichte, die ich noch nicht so richtig einzuordnen weiß.

Was soll ich dem Absender antworten?

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Sprachliche Sensibilitäten

Die Staatsanwaltschaft München I schickt meinem Mandanten die nach § 163a StPO vorgesehene Anhörung.

Ihnen liegt zur Last … bla

Soweit, so üblich. Dann folgt bereits der erste Satz, der mir auffällt. Er klingt irgendwie anders, als das, was ich an der Uni gelernt habe, wenn der Beschuldigte sich schriftlich zu den Tatvorwürfen äußern soll.

Die Bayern so:

Nach § 163 a der Strafprozessordnung haben Sie ein Recht darauf, zu der gegen Sie erhobenen Beschuldigung gehört zu werden.

Das Gesetz so:

… daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich […] zu äußern.

Vielleicht bin ich zu spitzfindig. Ein Recht zu haben … ist das nicht für den Durchschnitts-Michel die Aufforderung, dieses Recht auch möglichst zu nutzen? Aber nicht Gelegenheit muß man nutzen. Wirklich nur wieder ein gespaltenes Haar?

Im weiteren Verlauf der Anhörung verstärkt sich mein Gefühl noch, der Beschuldigte soll an dieser Stelle des Verfahrens möglichst zur Äußerung veranlaßt werden.

Sollten Sie sich innerhalb der Frist nicht äußern, wird davon ausgegangen, dass Sie von Ihrem Recht, sich zu der gegen Sie erhobenen Beschuldigung zu äußern, keinen Gebrauch machen wollen.

Uiuiui. Der Beschuldigte und ein Verzicht auf sein Recht? Und dann folgt auch noch die überall (also nicht nur in München) übliche Drohung mit dem empfindlichen Übel, nach Aktenlage entscheiden zu wollen, wenn keine Äußerung erfolgt.

Ich habe zurück geschrieben:

… macht Herr Gottfried von Gluffke vorläufig von seinem Recht Gebrauch, sich durch Schweigen zu verteidigen und sich nicht zur Sache einzulassen. Nach der Akteneinsicht komme ich auf die Sache zurück.

Zur Diskussion stehen also das „Recht, sich zur Sache einzulassen“ und das „Recht, sich durch Schweigen zu verteidigen“.

Subtile Unterschiede in der Formulierung ein und am Ende desselben Rechts deuten auf die unterschiedlichen Intensionen der Formulierenden hin. Die Sprache ist nicht nur das Handwerkszeug der Juristen, sie ist manchmal auch verräterisch.

Der Gesetzgeber hat es neutraler formuliert: Die Strafverfolger sollen dem Beschuldigten die Gelegenheit geben, sich zu äußern. Der Beschuldigte kann diese Gelegenheit nutzen. Oder – besser – erst einmal nicht.

Aber nun noch ein Zitat aus der Anhörung zur Ehrenrettung der bayerischen Strafverfolger, die auf weitere wesentliche Rechte hinweisen:

Es steht Ihnen jedoch nach dem Gesetz frei (§ 136 Abs. 1 StPO), ob Sie sich zu der Beschuldigung äußern wollen oder nicht. Auch können Sie jederzeit einen von Ihnen zu wählenden Verteidiger befragen und einzelne Beweiserhebungen beantragen. Unter den Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 und Abs. 2 StPO (d .h. insbesondere bei einer besonderen Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage oder bei einer Straferwartung von mehr als einem Jahr) können Sie die Bestellung eines Pflichtverteidigers beanspruchen.

Der frühe Hinweis auf das Recht, sich an einen Verteidiger zu wenden, ist nicht nur richtig, sondern auch gesetzlich zwingend vorgeschrieben.

Dann aber hat der staatsanwaltliche Textbaustein zugunsten des Beschuldigten übertrieben: Die Bestellung eines Pflichtverteidiger bereits im Ermittlungsverfahren kommt äußerst selten vor. Daß dennoch darauf hingewiesen wird, beweist, daß nicht alles, was eine Staatswaltschaft schreibt, schlecht sein muß. ;-)

An dieser Stelle aber noch einmal die eisenharte Regel:

Erst die Aktensicht. Dann die Stellungnahme.
Niemals, NIEMALS!, in umgekehrter Reihenfolge.

Detaillierte Infos und Einzelheiten zu dem Thema „Wie reagiert man am besten auf einen Strafvorwurf?“ gibt es hier, in unseren „Sofortmaßnahmen“.

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Die Empfehlung eines Staatsanwalts

Hier trudelte vor ein paar Tagen eine eMail ein, mit der sich ein Referendar auf eine Stelle im Rahmen meiner Anwaltsstation bei uns bewarb. Das ist nichts Besonderes, damit haben schon einige Karrieren als Strafverteidiger begonnen.

Ins Auge fiel mir aber dieser Satz in seinem Anschreiben:

Dass mir nun Ihre Kanzlei von meinem Stationsausbilder bei der Staatsanwaltschaft empfohlen wurde, hat mich daher nun dazu bewogen, mich bei Ihnen zu bewerben.

Das macht mich ja nun neugierig … mindestens. Ein Staatsanwalt empfiehlt uns als Ausbilder für einen künftigen Juristen, der dann die Befähigung zum Richteramt haben wird.

Machen wir nun etwas komplett falsch. Oder alles richtig?

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Bild: © M. Großmann / pixelio.de

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