Monatsarchive: Mai 2018

Drohnen und Strafrecht

Selbstverständlich bleibt den Piloten von Multicoptern – umgangssprachlich: Drohnen – der potentielle Kontakt zum Strafrecht nicht erspart. Aber so einfach wie eine Schwarzfahrt oder ein Ladendiebstahl macht es die aktuelle Gesetzeslage den Strafverfolgern nicht.

Der Beziehungsstatus zwischen Drohnenpiloten und Ermittlungsbehörden lautet bislang: Es ist kompliziert.

In einem Artikel von Sebastian Leber im Tagesspiegel wird der Kollege Tim Hoesmann zitiert, der einen schönen Vergleich formuliert hat:

… es sei wie damals nach der Erfindung des Automobils. Im 20. Jahrhundert hätte jede Gemeinde eigene Höchstgeschwindigkeiten festgelegt, es habe lange gebraucht, einheitliche Regeln zu finden. „Und natürlich gab es diejenigen, die Autos für komplett überflüssig hielten, weil die Postkutschen doch bestens funktionierten.“ Dieselben Auseinandersetzungen stünden jetzt den Drohnen-Freunden und -Gegnern bevor.

Einen (groben) Überblick über Regeln und Verbote für Drohnen- und Multicopterflüge findet man auf den Seiten von berlin.de. Diese Vorschriften sind auf geduldigem Papier gedruckt, werden von den meisten Piloten allerdings eher sparsam gelesen und noch weniger beachtet.

Und die Ermittlungsbehörden verfügen über kompetentes Personal und notwendige Technik in ungefähr gleichem Umfang wie die Behörden zu der Zeit, in der Carl Benz mit seinem Motorwagen die ersten Gäule auf den staubigen Dorfstraßen erschreckt hat.

Das wird sich ändern, wenn ernst zu nehmende Verantwortungsträger in den verwaltungsbeamteten Mühlen den Regelungsbedarf und das Ermittlungspotential erkannt haben. Bis sich im Anschluß daran dann auch noch die Strafrichter mit dem neumodischen Zeug auskennen, wird es noch ein Weilchen dauern … Alles nicht so wild, solange es Strafverteidiger gibt, die noch über einen gesunden Spieltrieb verfügen.

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Cottbusser Lichtbildausweise

Die Ladung zu einem Termin vor dem Amtsgericht Cottbus enthält eine Legaldefinition des Begriffes „Lichtbildausweis“:

Was es in Cottbus nicht alles gibt. Ob ein Anwaltsausweis ausreicht, um als Strafverteidiger Einlaß zu erhalten?

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Gewerbsmäßige Hähnchenschenkel und Pralinen mit Lachs

An der Uni lernt der gemeine Jurastudent, was ein *gewerbmäßiger* Diebstahl im Sinne des § 243 Abs. 1 Ziffer 3 StGB ist:

Ein gewerbsmäßiger Diebstahl liegt vor, wenn der Täter sich aus der wiederholten Tatbegehung eine fortlaufenden Einnahmequelle von einigem Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen will, ohne dass er daraus ein kriminelles Gewerbe zu machen braucht.

Soweit die Theorie. Nun die Praxis der hochgerüsteten Berliner Staatsanwaltschaft:

Mit so ’nem Unsinns-Zeug müssen sich verbeamtete Prädikatsjuristen, die an Resopalschreibtischen in engen ungemütlichen Kammern zwischen staubigen Aktendeckeln sitzen, beschäftigen und mit mittelalterlichen Arbeitsmitteln bearbeiten. Und schlußendlich aufrecht stehend mit total ernstem Gesichtsausdruck eine mühsam zusammen geklöppelte Anklageschrift verlesen.

Was bin ich froh, daß dieser Kelch an mir vorüber gegangen ist und aus mir – wider der Erwartungen meiner Eltern – dann doch was Vernünftiges geworden ist.

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Defizitärer Bayer mit der Axt in der (rechten) Hand

In einem Mitglieder-Rundschreiben reklamiert die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e. V. die neuerlichen Ausfälle des Herrn Dobrindt.

Der jüngste Angriff des CSU Landesgruppenvorsitzenden im Bundestag, Alexander Dobrindt, bietet Anlass, Presseerklärungen des RAV (pdf) und der Berliner Rechtsanwaltskammer (pdf) zu dokumentieren, denen sich die Vereinigung inhaltlich anschließt. Denn Dobrindts Ausführungen zur Anti-Abschiebungsindustrie, d.h. über engagierte Asylrechtsanwältinnen und Anwälten stehen nicht allein. Kürzlich trug die CDU/CSU und der Deutsche Richterbund vor, dass Verteidiger Strafverfahren durch das exzessive Stellen von Beweis- und Befangenheitsanträge systematisch verschleppten.

Der in Teilen der CDU/CSU grassierenden populistischen Abwertung von Anwältinnen und Anwälten, die wenig mehr tun als die Rechte ihrer Mandanten mit den im Rechtsstaat zulässigen Mitteln zu wahren, muss Einhalt geboten werden.

Die in Bezug genommenen Pressemitteilung Nr. 4 des RAV vom 7. Mai 2018

Frontal-Angriff auf den Rechtsstaat
Alexander Dobrindt (CSU) gegen das Grundrecht auf Rechtsschutz

In der vergangenen Woche scheiterte in Ellwangen der Versuch der Direktabschiebung eines Asylbewerbers nach Italien. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte dessen Asylantrag zuvor als unzulässig abgelehnt, weil es Italien für die Durchführung des Verfahrens für zuständig hielt.

Kurz nach der gescheiterten Abschiebung rückten mehrere hundert, teils schwer bewaffnete (Sonder-)Einheiten der Polizei nachts in die Landesaufnahmeeinrichtung ein, um den Betroffenen festzunehmen. Dieser befindet sich seitdem in Abschiebehaft. Sein Rechtsanwalt geht davon aus,
dass Italien nicht zuständig ist und eine Abschiebung daher rechtswidrig wäre. Immerhin 40 Prozent der Abschiebescheide werden von deutschen Gerichten wegen menschenrechtlicher Bedenken abgelehnt.

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, äußerte am Wochenende gegenüber der Bild am Sonntag: »Es ist nicht akzeptabel, dass durch eine aggressive Anti-Abschiebe-Industrie bewusst Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert wird«. Wer mit Klagen versuche, die Abschiebung von Kriminellen zu verhindern, so Dobrindt, arbeite nicht für das Recht auf Asyl, sondern gegen den gesellschaftlichen Frieden.

Weder in dem konkreten Fall, noch grundsätzlich geht es bei Asylsuchenden um ›Kriminelle‹, noch handelt es sich bei medizinischer Versorgung und Diagnostik (Stichwort ›Gefälligkeitsgutachten‹) oder bei der Rechtsvertretung von Geflüchteten um eine ›Industrie‹. Für alle mit dem Rechtsstaat in
Konflikt befindlichen Personen gilt:

Die gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit von Behördenentscheidungen ist ein zentrales Element 1des Rechtsstaats und gerade aus diesem Grunde in Art. 19 Abs. 4 GG als Grundrecht jedes Menschen formuliert. Die Aufgabe der Anwaltschaft ist es, den Einzelnen zur Wahrung seiner Grundrechte gegen den Staat zu schützen. Damit wird der Rechtsstaat nicht sabotiert, sondern verteidigt.

Fakt ist:
Unangekündigte Direktabschiebungen – die Betroffenen werden meist mitten in der Nacht aus den Heimen geholt, ihnen wird sodann über mehrere Stunden ohne richterlichen Beschluss die Freiheit entzogen – bedeuten für den Abzuschiebenden sowie alle übrigen Bewohnerinnen und Bewohner des Heims massive Stresszustände und lösen oft existenzielle Ängste aus. Im Jahr 2017 gab es allein am Flughafen Frankfurt/Main 18 Fälle von Selbstverletzungen oder Suiziden im dortigen Transitgewahrsam.

Oft steht zum Zeitpunkt der Abschiebung noch gar nicht endgültig fest, ob diese rechtmäßig durchgeführt werden kann. Dies ist etwa dann der Fall, wenn noch Rechtsmittel gegen die Abschiebung anhängig sind oder aber noch eingelegt werden sollen.

Und auch die Rechtsanwaltskammer Berlin positionierte sich am 07.05.2018 eindeutig zu den Äußerungen von Alexander Dobrindt im Zusammenhang mit den Vorfällen in Ellwangen:

Die Wahrnehmung rechtsanwaltlicher Aufgaben ist ein unverzichtbarer Garant für Rechtsstaatlichkeit in Deutschland

Laut Presseberichten soll der CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag, Alexander Dobrindt, erklärt haben, dass durch die Erhebung von gerichtlichen Klagen zur Über-prüfung von Abschiebeentscheidungen „bewusst die Bemühungen des Rechtsstaates sabotiert und eine weitere Gefährdung der Öffentlichkeit provoziert“ werden. In diesem Zusammenhang hat er auch die verfahrensbeteiligten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte als Teil einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ denunziert.

Zu diesen erschreckenden Äußerungen stellt die RAK Berlin fest:

Jeder Mensch, der sich in Deutschland aufhält, unterliegt denselben gesetzlichen Regelungen. Deren Einhaltung zu sichern und durchzusetzen, ist Aufgabe einer unabhängigen Rechtspflege, zu der neben den Gerichten auch die anwaltlichen Vertreterinnen und Vertreter der am Verfahren Beteiligten gehören. Die Wahrung eines rechtsförmigen und allein Recht und Gesetz unterliegenden Verfahrens dient der Verteidigung des Rechtsstaates sowie der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und verhindert zugleich Willkür und Ungerechtigkeit. Dazu gehört auch das für jedermann verbriefte Recht, in allen Verfahren den Rechtsweg auszuschöpfen, um falsche und damit rechtswidrige Entscheidungen auszuschließen.

Die von Dobrindt erhobene Unterstellung, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte würden sich bei der Wahrnehmung ihrer kraft Verfassung zugewiesenen Aufgaben als Teil einer „aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie“ verdingen, ist nicht nur ein schwerer Schlag ins Gesicht aller Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sondern legt zugleich die Axt an die Wurzeln unseres Rechtsstaates. „Diese Auffassungen von Herrn Dobrindt offenbaren nicht nur eklatante Defizite beim Erfassen der einen Rechtsstaat determinierenden Strukturen, sondern sind zudem ein alarmierender Beleg des bewussten Zündelns, um den gesamtgesellschaftlichen Konsens in unserem Land zu zerstören“ stellt der Präsident der RAK Berlin, Dr. Marcus Mollnau, fest.

Es ist unerträglich, auf welche Weise sich dieser Dobrindt den brauen Rassisten anbiedert, mutmaßlich in der trügerischen Hoffnung, Wählerstimmen von der AfD zurück zu gewinnen.

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Kanzlei-Wanne: Sie ist wieder da

Nach einer langen Winterpause steht sie wieder auf der Straße in Kreuzberg:

Wie in jeden Winter der vergangenen Jahre hat unser Wannen-Pflege-Meister Peter Jaekel keine Mühen gescheut, das gute Stück zu erhalten. Während es in den vergangenen beiden Jahren um die linke (2016) und rechte (2017) Fahrzeugseiten ging, war in diesem Jahr das Dach mal wieder der Schwerpunkt der Pflege.

Nun strahlt sie wieder in vollem Glanz. Deswegen: Besten Dank in die Bohnsdorfer Meisterwerkstatt.

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Nazi-Ursel und ihre Ladung zum Haftantritt

Die mit Recht und rechtskräftig zu einer Haftstrafe von zwei Jahren ohne Bewährung verurteilte Rechtsextreme Ursula Haverbeck ist ihrer Ladung zum Haftantritt nicht gefolgt. Neben der Taten, wegen der sie verurteilt wurde, ist das die nächste Dusseligkeit.

Wenn das Gericht rechtskräftig eine Freiheitsstrafe festgesetzt hat und d. Verurteilte noch auf freiem Fuß ist, verschickt die Vollstreckungsstelle der Staatsanwaltschaft eine Ladung zum Haftantritt.

Hier in Berlin werden diese so genannten „Selbststeller“ regelmäßig in eine Haftanstalt des offenen Vollzugs geladen. Das sind Gefängnisse, die für Gefangene konzipiert sind, von denen man ausgeht, daß man sie bald „lockern“ kann.

Die Verwaltung schaut sich die Neuankömmlinge ein paar Wochen an, dann gibt es in verschiedenen Lockerungsstufen den ersten Ausgang bis später den offenen Vollzug, das heißt, der Gefangene kann tagsüber die Haftanstalt (zum Arbeiten) verlassen und kommt erst zum Abendbrot wieder rein. Wenn alles glatt geht, erfolgt dann auch die vorzeitige Entlassung nach der Hälfte (eher selten) oder nach Zweidritteln (schon häufiger) der Haftzeit.

Wenn der Verurteilte dieser Ladung allerdings nicht „freiwillig“ folgt, wird er geholt. Dann nämlich wird ein Vollstreckungshaftbefehl wegen „Flucht“ erlassen, der regelmäßig geradewegs nach Ergreifen des Flüchtlings zur Einlieferung in den geschlossenen Vollzug führt und Lockerungen in weite Ferne rückt.

Also hat die 89-jährige Nazi-Ursel sich selbst einen Nachschlag abgeholt, als sie sich geweigert hat, der freundlichen Einladung der Strafvollstrecker zu folgen. Sie wurde heute in ihrem Zuhause gepflückt und eingetütet.

Ob ihr Verteidiger Wolfram Nahrath, ein deutscher Neonazi-Kader und Rechtsanwalt, es versemmelt hat, sie entsprechend zu beraten, oder ob die Greisin altersstarrsinng war, ist mir nicht bekannt.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, daß das mit der Resozialisierung in diesem Fall auch nichts werden kann. Das klappt schon mit jüngeren Strafgefangenen nicht.

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Bild: © Marco Barnebeck(Telemarco) / pixelio.de

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Neuköllner Unordnungsamt

Der Klassiker des zweierlei Maßes:

Die Mitarbeiter des Neuköllner Ordnungsamts überwachen den stehenden Verkehr. Um Falschparker aufschreiben zu können, parken sie bequem auf einem freien Platz, von dem aus sie es nicht weit haben, damit sie die anderen Kreuzungsparker dingfest machen können.

Quid licet Ordnungsamt, non licet gemeiner Bürger.

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Parfum fürs Leben

Womit man sich aus Sicht eines Strafrechtlers seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, zeigt dieser Ausschnitt aus einem Haftbefehl:

Man muß schon Strafjurist sein, um verstehen zu können, daß man durch einen Diebstahl von zwei Flaschen Parfum und mit einer Nagelschere in der Tasche soviel Geld verdienen kann, daß man davon Miete und Strom bezahlen und dann auch noch Lebensmittel einkaufen gehen kann. Und dafür dann auch noch in den Knast kommt.

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Kommunikationslos gegrillt

Angefangen hatte es mit insgesamt acht Angeklagten. Übrig geblieben sind nach 26 Hauptverhandlungsterminen noch vier. Die anderen wurden „zur gesonderten Verfolgung und Aburteilung“ abgetrennt.

Der Tatvorwurf lautete u.a. auf eine Vergewaltigung. Entscheidendes, überwiegend einziges Beweis-„Mittel“ war die geschädigte Zeugin, die behauptete, von fünf der Mitangeklagten vergewaltigt worden zu sein. Diese Behauptung wurde dokumentiert in drei polizeilichen Vernehmungen und vier Vernehmungen in der Hauptverhandlung. Insgesamt gab es am Ende zahlreiche Abweichungen und eklatante Widersprüche in den Darstellungen; nicht nur am Rande, sondern entscheidend auch im so genannten Kerngeschehen.

Die Angeklagten hatten sich teilweise eingelassen, allerdings bestritten sie uni sono, gegen den Willen sexuell mit der Zeugin verkehrt zu haben. Es sei einvernehmlicher Sex gewesen, für den man gezahlt habe.

Die Verteidigung hat die Widersprüche mehrfach in unterschiedlichen Beweisanträgen und Erklärungen thematisiert; es gab heftige Diskussionen über den Umfang der weiteren Beweisaufnahme.

Irgendwann sprach der Vorsitzende dann ein Machtwort und setzte eine Frist für weitere Beweisanträge. Die Frist war verstrichen, die Beweisaufnahme wurde geschlossen, die Staatsanwaltschaft und die Verteidigung haben plädiert und die Angeklagten hatten ihr letztes Wort.

Danach wurde die Hauptverhandlung bis zur Urteilsverkündung für 10 Tage unterbrochen.

Zwei Tage vor der geplanten Urteilsverkündung wurde die Zeugin (erneut) in einem der Trennverfahren vernommen. Sie lieferte eine weitere Variante der Vorfälle und berichtete Widersprüchliches, insbesondere auch wieder im Kerngeschehen. Darüber wurden wir von der dortigen Verteidigung informiert.

Diese Informationen haben wir in einem neuen Beweisantrag verwertet, der den Umfang von 14 Seiten hatte. Etwa zwei Stunden vor dem Urteils-Verkündungs-Termin war der Antrag fertig gestellt und sprudelte dann in Form einer Ankündigung aus dem Fax der Geschäftsstelle der zuständigen Strafkammer. Das Gericht war also vorgewarnt, als es – verspätet wie immer – losging.

Das Urteil konnte also nicht wie geplant verkündet werden, sondern es ging zurück in die Beweisaufnahme. Wir hatte mit Zeter und Mordio des Vorsitzenden und der Staatsanwältin gerechnet. Aber stattdessen blickte ich bei der Verlesung der 14 Seiten der Antragsschrift in tiefenentspannte Gesichter der fünf Richter. Und war sicher, das Gericht haut uns den Antrag nach kurzer Beratung um die Ohren und schickt die Angeklagten ins Gefängnis.

Die Beratungspause dauerte auch nicht lange, bevor der Vorsitzende den ablehnenden Beschluß verkündete. Die Begründung hatten wir allerdings anders erwartet: Unsere Beweisbehauptungen unterstellte das Gericht als wahr, akzeptierte also das als zutreffend, was wir erst mühsam durch eine Zeugenvernehmung in das Verfahren einführen wollten.

Wir waren aber immer noch unsicher, was jetzt in den Köpfen der Richter abging, denn auch unseren (nunmehr vierten) Antrag auf Einholung eines Glaubhaftigkeitsgutachtens lehnte das Gericht ab: Es verfüge über eigene Sachkunde, brauche also keinen Sachverständigen. Der Klassiker.

Erst als im Anschluß daran (und nach erneuter Schlußzeremonie mit Plädoyers, Anträgen und letzten Worten) der Urteilstenor verkündet wurde, wußten wir: Wir hatten das Ziel erreicht.

Das Gericht teilte in der Begründung des Urteils mit: Auf der Grundlage dieser vielfältigen Geschichten, die die Zeugin der Polizei und uns erzählt hat, läßt sich kein Urteil gründen, das die Angeklagten teilweise für mehrere Jahre in den Knast schicken soll.

Was ist schiefgelaufen in diesem Verfahren?

Es fehlte an der Kommunikation zwischen dem Gericht und den anderen Verfahrensbeteiligten. Wäre den Verteidigern früher bekannt gegeben worden, daß das Gericht die massiven Zweifel an der Glaubhaftigkeit der belastenden Aussagen der Zeugin mit den Verteidigern teilte, hätte man die intensive und stundenlange Befragung der Zeugin – durch acht (!) Verteidiger – vermeiden können. Obwohl wir das Gericht immer wieder darum gebeten, teilweise gefordert hatten, eine vorläufige Bewertung der Beweislage zu liefern, hat das Gericht gemauert.

Welche Alternativen hatte die Verteidigung in solch einer Situation also – außer die Aussagen der Zeugin in jedem kleinsten Detail zu hinterfragen, jedes auch noch irgendwie vielleicht in Bezug stehendes Randgeschehen zu beleuchten, Akten aus führeren (verhältnismäßig uralten) Verfahren beizuziehen, Social-Media-Accounts zum Gegenstand der Beweisaufnahme zu machen und so weiter und so fort.

Die Zeugin hat mir am Ende Leid getan, daß sie derart gegrillt wurde. Auch für die Angeklagten war diese Langstrecke eine erhebliche Belastung (die teilweise auch zum Job-Verlust führte). Aber nur dadurch ist es am Ende zu einem Ergebnis gekommen, das für unsere Mandantin im Grunde akzeptabel erscheint.

Das hätte man echt einfacher haben können, wenn „man mal darüber geredet“ hätte. Eine klare Kante wäre das richtige Mittel gewesen, um für alle Beteiligten einen gangbaren Weg zu finden.

So haben wir nun einen Erfolg erzielt, über den wir uns nur sehr eingeschränkt freuen können.

Nicht nebenbei:
Die Zeugin war zur Tatzeit noch keine 16 Jahre alt.

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Bild „Eingemauertes Telefon“: © www.fotofixfax.com / Bild „Grill“: © Dieter / beide via pixelio.de

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