Monatsarchive: Juni 2018

Die Abmahnung aus einem Schweriner Gemischtwarenladen

In perfekt klingendem zivilrechtlichem Duktus schreibt mir der Junior der Kanzlei Bendlin und Partner aus Schwerin, Herr Rechtsanwalt Andreas Bendlin einen dreiseitigen Brief.

Er habe festgestellt, dass der von mir verfaßte Blogbeitrag „Frag Andreas aus dem Gemischtwarenladen“ nach wie vor über das Internet abrufbar sei.

Ferner hat er zwischenzeitlich festgestellt, daß ich offenbar einen weiteren Blogbeitrag verfasst hätte: Fragwürdig unproffesionell.

Herrn Bendlin stößt es übel auf, daß ich geschrieben habe:

Zu inkompetent, der Andreas, um seinem Mandanten von einem völlig aussichtlosen Prozeß abzuraten

Irgendein Kommentator habe die Schweriner Kanzlei als „Familienklitsche“ bezeichnet; das hätte ich mir zueigen gemacht, weil es immer noch in den Kommentaren stehen soll. Ich habe aber noch nicht nachgeschaut, ob er damit Recht hat; aber Klitsche würde ich zu seiner Kanzlei nun wirklich nicht sagen wollen, ganz ehrlich!

Herr Bendlin fühlt sich zudem dadurch in seiner Ehre gekränkt, daß ich die Kanzlei seiner Familie als Gemischtwarenladen bezeichnet hätte. Besonders schwerwiegend erachtet er es, daß ich jegliche Sachlichkeit und Distanz verloren hätte,was allenfalls von einer Naturalpartei erwartet werden könne.

Der Kollege wirft mir vor, daß ich bewusst meine Stellung als Rechtsanwalt für meine Entgleisungen nutzte und versuchte, durch meinen Kanzlei-Blog dem ganzen einen soliden „Anstrich“ zu geben. Hörthört: Unser Weblog als solider Anstreicher!

Und wie so proffessionelle Zivilrechtler eben so sind, hat Rechtsanwalt Bendlin mich unter Fristsetzung bis zum 4. Juli 2018 aufzufordern, eine ordnungsgemäße strafbewerte Unterlassungserklärung abzugeben.

Ich soll es nämlich unterlassen:

1. Die Kanzlei des Unterzeichners als Gemischtwarenladen zu bezeichnen und/ oder entsprechende Formulierung auf Ihrer Website https://www.kanzlei-hoenig.de und/ oder dem dazugehören Blog zu verwenden oder zuzulassen.

2. Den Unterzeichner als „Junior des Gemischwarenladens Herwig Bendlin und Partner“ zu bezeichnen und/ oder entsprechende Formulierung auf Ihrer Website https://www.kanzleihoenig.de und/ oder dem dazugehören Blog zu verwenden oder zuzulassen.

3. Die Kanzlei des Unterzeichners als „Familienklitsche“ zu bezeichnen und/ oder entsprechende Formulierung auf Ihrer Website https:l/www.kanzlei-hoenig.de und/ oder dem dazugehören Blog zu verwenden oder zuzulassen.

4. die Behauptung aufzustellen, der Unterzeichner sei zu inkompetent um seinen Mandanten im Zusammenhang mit dem beim Landgericht Berlin zum Aktenzeichen 52 0 307/17 geführten Verfahren von einem aussichtslosen Prozess abzuraten.

Die oben genannten Formulierung und Bezeichnung von meiner Internetseite zu entfernen und sicherzustellen, dass diese nicht mehr aufrufbar sind , hatte er gleichzeitig mich aufzufordern, schreibt mir der Kollege.

Und da das auch alles seinen Grund hat, gibt mir Herr Andreas Bendlin mit auf den Weg:

Ich hätte insbesondere mit dem zweiten Blogeintrag ein Verhalten an den Tag gelegt, dass auf mangelnde Einsichtsfähigkeit und Wiederholung meinerseits schließen lässt. Deswegen gehe er von einer entsprechenden Wiederholungsgefahr aus, insbesondere, wenn ich die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgäbe.

Tja, und jetzt?

Was mache ich denn nun?


     

 

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Danke vorab für ein paar solide, rechtlich einwandfreie Ratschläge; ich kenn‘ mich mit sowas ja nicht aus.

Obiter dictum:
Was mich an dieser Sache besonders nervt? Das ist dieses geschwollene pseudoamtliche Deutsch, in dem der Kollege mit mir zu sprechen versucht. Müssen Zivilrechtler so reden?

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Die BRAK und die beA-Karte

Ich hatte am 26.06.2018 in einem Blogbeitrag über die Kosten für frustrierte (frustierende?) „Leistungen der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer“ gemeckert.

Offenbar war ich nicht der Einzige; es gibt weitere, insbesondere zivilrechtlich besser als ich ausgestattete Kollegen, die sich bei der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) beschwert haben. Das hat zu einer Reaktion der BRAK via Newsletter vom 28.06.2018 geführt:

Gebühren für beA-Karten – ohne beA?

Anfang dieser Woche gingen bei den meisten Kolleginnen und Kollegen Rechnungen der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer (BNotK) für von ihr erbrachte Leistungen – nämlich: die Ausstellung und Auslieferung einer beA-Karte (bzw. beA-Karte Signatur) – ein. Das wirft bei vielen Fragen auf, steht doch das beA bekanntermaßen derzeit nicht zur Verfügung.

Für die beA-Karten ist ausschließlich die BNotK zuständig. Der Anspruch der BNotK auf Zahlung des Entgelts für bestellte beA-Karten entsteht mit Ausstellung der Karte. Die Abrechnung erfolgt jährlich. Die vorübergehende Abschaltung des beA-Systems hat auf den Zahlungsanspruch der BNotK keine Auswirkungen. Sollten Sie Fragen zu Ihrer Rechnung haben, wenden Sie sich bitte direkt an die BNotK (per E-Mail unter bea@bnotk.de oder unter https://bea.bnotk.de).

Die BRAK ist mit Atos wegen möglicher Schadensersatzansprüche, die der Ausfall des beA-Systems verursacht hat, im Gespräch. Sie sind noch nicht abschließend geprüft und verhandelt. Bei Realisierung werden sie, wie bereits in der Vergangenheit praktiziert, eine künftige Reduktion des beA-Anteils am Kammerbeitrag bewirken (näher dazu Nitschke, BRAK-Magazin 2/2018, 10).

Vergebliche Aufwendungen von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten für beA-Karten sind eine von mehreren mit Atos zu verhandelnden Positionen. Die BRAK ist bemüht, für sie eine möglichst pragmatische Lösung zu erreichen. Die BRAK empfiehlt Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, sich die Verjährungsfrist zu notieren, bittet aber darum, derzeit wegen etwaiger Schadensersatzansprüche noch nicht auf die BRAK oder Atos zuzugehen.

Ich bin mir noch nicht ganz sicher, ob ich der Bitte Folge leisten möchte.

Für den Mist, den die Verantwortlichen bei der BRAK verursacht haben, sollten sie eigentlich auch geradestehen und nicht versuchen, über die lange Bank den Das-erledigt-sich-irgendwann-von-selbst-Punkt zu erreichen.

Andererseits könnte die massenhafte Geltendmachung von Schadensersatz-Forderungen durch die Kollegen gegenüber der BRAK bei der wünschenswerten Lösung der Probleme auch hinderlich sein.

Erkennbar sind die ehrlichen Bemühungen der BRAK-Vorderen um Schadensbegrenzung durchaus – aus Sicht eines Strafverteidigers handelt es sich dabei um ein strafmaßreduzierendes Nachtatverhalten, das Berücksichtigung finden muß.

Für die Beantwortung meiner Frage kann ich ja auf ein bewährtes Hilfsmittel zurückgreifen. :-)

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Bearbeitungsgebühr für die Vertragsänderung

Wir haben die Prozesse unserer Mandatsbearbeitung optimiert. Das Ergebnis gestattet es uns, die Anzahl der Nutzerlizenzen unserer Anwaltssoftware zu reduzieren – von 8 auf 7 Lizenzen. Das spart 48 Euro netto monatlich.

Ich habe mich daher an das Unternehmen gewandt, das uns seit 2014 bei der Arbeit mit der Software unterstützt und dabei hilft, die Bugs (die jede Anwaltssoftware an der einen oder anderen Stelle hat) im Griff zu behalten.

Über den groben Kamm geschert paßt es seit 4 Jahren, wohl auch, weil wir die Beratungs- und Hilfeleistungen stets gern und pünktlich vergüten. Und zwar mit einem Betrag in der Höhe, für den sich andere Menschen neuwertige Mittelklassewagen kaufen.

Auch auf meine Bitte, die Reduzierung der Lizenzen zu organisieren, reagierte das Unternehmen flott und versorgte mich mit den Formularen, die der Hersteller der Software für solche weltbewegenden Änderungen vorsieht. Die eMail meines Geschäftspartners beinhaltete aber auch den folgenden Hinweis:

Für die Vertragsänderung würde eine Bearbeitungsgebühr von 75,- € berechnet werden.

Nota bene: Für das Übersenden und Entgegennehmen eines Formulares zur Änderung eines langjährigen Vertragsverhältnisses, aufgrund dessen wir jährlich round about 5.000 Euro zahlen, und das noch viele Jahre fortgesetzt werden sollte; eigentlich.

Auf diesen Hinweis habe ich dann in der mir eigenen Art reagiert. Dennoch bekam ich diese Rechnung:

Ich habe gestern die ursprünglich avisierten 75 Euro zuzüglich der Umsatzsteuer an diesen erfahrenen Marketing-Spezialisten überwiesen. Und mache mir so meine Gedanken … andere Mütter haben ja auch hübsche Töchter.

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beA und der Optimismus der BRAK

Weltbewegende Ereignisse heute: Die deutsche Fußballmannschaft spielt gegen Südkorea. Und die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) will auf einer Präsidentenkonferenz über den neuen Anschalttermin für das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) entscheiden.

Der Kollege Andé Feske, seinerseits Mitglied des Vorstands (Abteilung VI) der Rechtsanwaltskammer Berlin, lobt in seinem Blogbeitrag vom 22.06.2018 die beabsichtigte Nichtwiederinbetriebnahme der Adressierbarkeit von beA-Postfächern für „Jedermann“.

Für den „Rest“ findet Rechtsanwalt Feske allerdings deutliche Worte:

Der Optimismus der BRAK übersteigt die Akzeptenz der Nutzer bei weitem.

Der überwiegende Teil der Anwälte wäre dankbar für ein funktionierendes und – vor Allem – sicheres beA. Die Art und Weise, wie die BRAK und ihre Auftragnehmer diesen Wunsch nach einer zeitgemäßen Kommunikationsmöglichkeit umgesetzt haben, und mit welch lausigen Ergebnis, entspricht nicht nur nicht dem Stand der Technik, sondern auch nicht den Wünschen seriös und gewisshaft arbeitender Rechtsanwälte.

Auch als Berufsoptimist habe ich so meine Zweifel, daß die BRAK das noch irgendwann einmal auf die Reihe bekommt.

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Greenpeace und das Suchbild mit Wanne

Eine tolle Aktion von Greenpeace, mit der für den schnellen Kohleausstieg geworben wird. 30 Hektoliter gelbe Farbe – selbstredend mit Umweltengel – auf den Kreisverkehr gekippt, gibt von oben gesehen das Bild einer Sonne:

Unsere Kanzlei-Wanne umkreist die GreenPeace-Sonne als Trabant, auch wenn sie nur schwer auf dem Bild zu erkennen ist.

So effektiv diese Straßenmalerei ist: Nicht jeder ist damit einverstanden. Die Ermittlungsbehörden haben schon den Anfangsverdacht (mindestens) einer Straftat:

Es ist der § 315b StGB, der hier einschlägig sein könnte – in concreto: Die Beeinträchtigung der Sicherheit des Kreisverkehrs durch die (auch nur vorübergehende) Beschädigung oder Beseitigung der Fahrbahnmarkierungen. Nicht ohne strafrechtliches Risiko das Ganze.

Welches Gewicht in diesem Zusammenhang die Grundrechte, insbesondere aus Art. 5 GG, und die Wasserlöslichkeit der Farbe haben, wird die Diskussion im Zusammenhang mit der „Rechtswidrigkeit“ der Aktion zeigen. Es gibt weitere Verteidigungsmöglichkeiten …

Die Grenzen zwischen zivilem Ungehorsam und Verstoß gegen Strafrecht stehen nicht fest. Grenzen sind im Übrigen dafür geschaffen, an sie heranzutreten. ;-)

Update und Such-Hinweis:
Wer die Wanne auf dem GreenPeaceBild noch nicht gefunden hat – hier noch ein Hinweis :

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Bild Sonne ©: Screenshot Greenpeace Twitter
Bild Aktionskunst ©: Hannibal Hanschke via Spiegel

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Leistung und Gegenleistung im Zusammenhang mit dem beA

Ich habe eine Rechnung bekommen. Für „Leistungen der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer“ im Zusammenhang mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA):

Mir juckt es in den Fingern, dazu einen passenden Kommentar zu schreiben. Ich lasse es aber vielleicht besser.

Nur eine Frage:
Wie bekomme ich die Grafik eines ausgestreckten Mittelfingers auf das Überweisungsformular, mit dem ich meine Gegenleistung an die Zertifizierungsstelle schicke?

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Strafverteidiger und Steuerberater im Wirtschaftsstrafsachen

Sowohl Steuerberater als auch Strafverteidiger sind gleichermaßen Juristen, die sich jedoch auf unterschiedlichen Gebieten spezialisiert haben. Grundsätzlich haben die beiden Rechtsgebiete Strafrecht und Steuerrecht wenig miteinander zu schaffen.

Es gibt aber auch Verzahnungen dieser Rechtsgebiete; gut bekannt ist das Steuerstrafrecht. Aber auch bei dem Vorwurf einer Insolvenzverschleppung ist steuerrechtliches Know How entscheidend, zum Beispiel um aus der Finanzbuchhaltung die Frage nach einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit beantworten zu können.

In solchen Fällen ist es ratsam, die Verteidigung nicht allein einem Steuerberater oder allein einem Strafverteidiger anzuvertrauen; jedenfalls dann nicht, wenn nicht nur einem kleinen Gemüsehändler der Schwarzhandel mit Bananen oder dem Handwerker der zu späte Insolvenzantrag wegen Überschuldung vorgeworfen wird.

Der professionelle Start
Ich habe nun einen Fall übernommen, in dem die Mandantin eigentlich alles richtig gemacht hat. Ihr Steuerberater hat eine Strafverteidigerin empfohlen, die die Mandantin in einem Insolvenzstrafverfahren verteidigen sollte. Der Steuerberater hat sich im Ermittlungsverfahren in die zweite Reihe zurückgezogen und die Verteidigerin mit Informationen aus der Buchhaltung und mit Interna der Unternehmungen versorgt.

Mit diesem Material hätte die Verteidigerin eine solide Verteidigung aufbauen und eine Anklageerhebung voraussichtlich vermeiden können. Wenn sie denn mit den Auswertungen des Steuerberaters aus den Buchhaltungen professionell umgegangen wäre.

Der Beginn einer Bruchlandung
Statt dessen hat sie sich die Sache einfach gemacht. Das Paket, bestehend aus den vollständigen Auswertungen sowie einer ausführlichen Stellungnahme des Steuerberaters mit Handlungsvorschlägen, hat sie schlicht mit einem knappen Schriftsatz an die Staatsanwaltschaft geschickt, den sie dann abschließt mit den Worten:

Die Tatbestandsmerkmale sind nicht gegeben. Somit wird beantragt, das Ermittlungsverfahren gegen unsere Mandantin gemäß § 170 StPO einzustellen.

Diesem im klassischen Sprachduktus eines soliden Zivilrechtlers formulierten Antrag ist die Staatsanwaltschaft nicht gefolgt. Die Wirtschaftsreferentin der Staatsanwaltschaft hat statt dessen die Auswertungen des Steuerberaters ausgewertet und der Mandantin wurde über ihre Verteidigerin noch einmal rechtliches Gehör gewährt:

Bevor ich das Verfahren abschließe, gebe ich Ihnen noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Absturz
Das hat die Verteidigerin auch für eine weitere kurze Verteidigungsschrift genutzt, die im Wesentlichen folgenden Satz enthielt:

Es ist Bezug zu nehmen auf die eingereichten Unterlagen und es wird angeregt, den Steuerberater als Zeugen zu den genannten Umständen zu hören.

Glücklicherweise hat die Staatsanwaltschaft sich darauf beschränkt, die Rosinen aus den von der Verteidigerin übermittelten Unterlagen herauszupicken, und nicht auch noch den Steuerberater zu den sonstigen Interna befragt. Es reichte auch so schon für die Anklage zur Wirtschaftsstrafkammer.

Wie man sieht, reicht es nicht aus, …
… neben einem Steuerberater auch einen Strafverteidiger zu engagieren, wenn man sich in einer ausgewachsenen Wirtschaftsstrafsache verteidigen möchte. So wie zumindest grundlegende Kenntnisse des Strafprozeßrechts beim Steuerberater hilfreich sind, ist es erforderlich, daß der Verteidiger ein gewisses Verständnis des Steuerrechts hat.

Rettungsversuche
Ob die Anregung der Vorverteidigerin, den Steuerberater als Zeugen zu vernehmen, eine konkludente Schweigepflichtentbindungserklärung darstellt, weiß ich nicht. Die Mandantin hat sie auf meinen Rat jedenfalls vorsorglich widerrufen.

Und ob die – unauthorisiert – eingereichten Unterlagen aus der Buchhaltung wegen fehlender (weil nicht vorher eingeholten) Einwilligung der Mandatin einem Beweisverwertungsverbot unterliegen, werden wir dann mit der Strafkammer in der Hauptverhandlung erörtern. In einem Verfahren, das bei sachgerechter Verteidigung, eigentlich nicht hätte zur Anklage führen müssen.

Wiederbelebung
Es macht wenig Freude, eine abgestürzte Verteidigung wieder auf die Beine zu stellen – sowohl für den Verteidiger als auch für den Mandanten. Erfreulichere Ergebnisse auf einfacherem Weg erreicht man, wenn man so früh wie möglich mit einer professionellen Gestaltung des Verfahrens beginnt.

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Bild: © Karin Jung / pixelio.de

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Methusalem und die Staatsanwaltschaft

Eine Party im Sommer 2014 führte ein Jahr später zu einer Strafanzeige. Seitdem ermittelte erst das Landeskriminalamt (LKA), nach Erstellung eines Schlußberichts im Februar 2016 dann die Staatsanwaltschaft. Dort dümpelt die Akte seitdem vor sich hin und wird ab und zu von der einen Fensterbank auf die andere verschoben.

Dem Mandanten, gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe (was auch ein Teil des Problems dieses Falles ist), brennt es unter den Nägeln. Deswegen habe ich seit März 2016 ein paar (drei oder vier) Mal um Akteneinsicht nachgefragt, die dann auch endlich im August 2016 hier eintrudelte, obwohl die Ermittlungen seinerzeit noch nicht vollständig abgeschlossen waren.

Nun habe ich im August 2017 noch einmal den aktuellen Sachstand angefragt. Auch nach dreimaliger Erinnerung, zuletzt im Mai 2018, bekam ich keine Rückmeldung, keine Antwort, keine Reaktion, kein Garnix. Das ist dann spätestens der Moment, in dem meine Assistentin in der Regel den Textbaustein „DAB“ per Fax nach Moabit schickt.

Weil ich aber die armen Zuständigen für Dienstaufsichtsbeschwerden bei dieser Staatsanwaltschaft zutiefst für ihren Job bedauere, versuche ich es doch erst noch einmal auf der Sachbearbeiterebene.

Ich werde jetzt noch 14 Tage abwarten, dann muß sich einer dieser bemitleidenswerten Oberstaatsanwälte (oder wer sonst für diesen Mist zuständig ist) durch die ihm fremde Akten arbeiten, um mir auf Altpapier gedruckt zu schreiben, daß wieder niemand irgendwas falsch gemacht hat, ich binnen zweier Tage aber die ergänzende Akteneinsicht erhalten werden und dann – bittebitte – die Dienstaufsichtsbeschwerde wieder zurücknehmen möge (wofür es hier auch einen Textbaustein gibt).

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Bild Amtsschimmel: © Claus Zewe / pixelio.de

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Susanna, Ali B. und ein rechtsstaatliches Verfahren

Ich kenne die Details nicht, aber ich bekomme Bauchschmerzen, wenn ich mir das Verfahren gegen Ali B. und das Verhalten der Strafverfolgungsbehörden anschaue (soweit es die Medienberichterstattung erlaubt).

Eine Entführung?
Da gibt es einen hochrangigen Polizeibeamten, der sich mal eben in einen eigens für ihn reservierten Flieger setzt, um einen irakischen Staatsbürger aus dem Irak abzuholen. Weder im Irak (das ist mir eigentlich auch egal) noch hier in der Bundesrepublik (das ist das Gefährliche) hält sich dieser Beamte und seine ihn kollussiv unterstützenden Kollegen an die Regeln eines Verwaltungsverfahrens, das unsere Gesetze aus guten Gründen (und vor dem Hintergrund ganz übler Erfahrungen) für Auslieferungen vorschreiben.

Wer deswegen bei der Polizei Bedenken anmeldet, bekommt die unpassende Unverschämtheit hingerotz:

Ali B. könne sich ja „an ein Verwaltungsgericht in Bagdad“ wenden, wenn er sich durch den Vorgang in Erbil in seinen Rechten verletzt sehe, sagt ein hessischer Beamter.

Aus so einem Statement spricht die schiere Verachtung aller Gedanken und Motive der EMRK und unser Verfassung. Beamte mit solchen Einstellungen gehören nicht in den Polizeidienst.

Von weiteren Sperenzchen der Bundespolizei (und des selbstverständlich völlig ahnungslosen Bundesinnenministeriums) berichten Moritz Baumstieger und Ronen Steinke in der Süddeutschen Zeitung vom 11.06.2018.

Be-/Verhinderung einer Verteidigung?
Der zweite Akt ist der weitere Verlauf des Ermittlungsverfahrens. Dazu schaue man sich einmal § 141 Abs. 3 StPO an:

Der Verteidiger kann auch schon während des Vorverfahrens bestellt werden. Die Staatsanwaltschaft beantragt dies, wenn nach ihrer Auffassung in dem gerichtlichen Verfahren die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 140 Abs. 1 oder 2 StPO notwendig sein wird.

Ali B. wird ein Tötungsdelikt vorgeworfen, so daß hier ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt und ihm nach § 140 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt werden muß. Wann, wenn nicht jetzt, muß die Staatsanwaltschaft deswegen unmittelbar nach Ende der Entführung (s.o.) dafür Sorge tragen, daß der Beschuldigte verteidigt wird.

Was macht die Staatsanwaltschaft? Genau: Nichts.

Es kommt aber noch dicker.
In dem Haftbefehlverkündungstermin wird Ali B. sechs(!) Stunden lang von einer Ermittlungsrichterin vernommen, der es nicht einfällt, dem Beschuldigten spätestens zu Beginn des Termins und der Vernehmung einen Verteidiger zur Seite zu stellen. Was denkt sich so eine Richterin dabei? Welchen Berufsethos hat so jemand?

Ich habe als Verteidiger in Frankfurt schon einmal das zweifelhafte Vergnügen gehabt, einen Beschuldigten gegen die zügellos agierende hessische Justiz zu verteidigen. Deswegen bin ich in diesem Fall auch nur mäßig überrascht von der an Willkür grenzenden Mittel-Zweck-Relativierung.

Das ist das klassische Beispiel für die Leck-mich-am-Heck-Einstellung zum formellen Recht durch willfährige Gesellen, wenn und solange es nur dem „gesunden Volksempfinden“ entspricht.

Einen Rechsstaat erkennt man am besten daran, wie er mit seinen Straftätern umgeht. Das, was dieser Präsident der Bundespolizei, Dieter Romann, der ermittlende Staatsanwalt und die Ermittlungsrichterin mit dem Beschuldigten Ali B. veranstaltet haben, ist nahezu auf demselben Niveau verwerflich, wie die Straftat, die Ali B. mutmaßlich begangen hat. Die Taten der Ermittler und der Richterin sind meines Erachtens jedoch für uns alle wesentlich gefährlicher als das, womit man bei einem Mann wie Ali B. zu rechnen hätte, wenn er denn die Tat begangen hat, derer er aktuell beschuldigt wird.

Verwertungsverbote? Sanktionen?
An der Uni haben wir Strafjuristen irgendwann einmal etwas von Verwertungsverboten gehört. In der Praxis kann man dieses Institut ungefähr so häufig beobachten wie eine totale Sonnenfinsternis im regenverhangenen Siegerland. Und Sanktionen gegen die behördlichen, richterlichen Rechtsbrecher? Nur bei jeder dritten totalen Sonnenfinsternis im regenverhangenen Siegerland. Und bis darüber entschieden wird, ist meterhohes Gras über die Geschichte gewachsen.

Update:
Rechtsanwalt Daniel Sprafke, Strafverteidiger aus Karlsruhe, hat Ernst gemacht und

gegen den Präsidenten der Bundespolizei, Herrn Dieter Romann, Strafanzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung zum Nachteil des Ali B. erstattet.

Vielleicht schaut sich das Ganze dann doch noch einmal ein redlicher Strafverfolger an. Die soll’s ja auch noch geben.

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Bild: © Lutz Stallknecht / pixelio.de

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Ungehobelte Staatsanwaltschaft

Es gibt Schilder, die sagen mehr als nur Worte. Dieses hier sieht man an einer Tür, durch die eigentlich nur Staatsanwälte und Justizmitarbeiter gehen:

Was arbeiten da für Leute bei der Staatsanwaltschaft, die man noch im Erwachsenenalter dazu auffordern muß, sich nicht wie eine Kettensäge im Forst zu benehmen?

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