Zu den schwierigsten Aufgaben eines „auswärtigen“ Strafverteidigers gehört die Stimmungmache im „fremden“ Gericht.
Auch wenn in Flensburg dieselbe StPO gilt wie in Sondhofen Sonthofen, gibt es regionale Besonderheiten.
Und die Größe spielt auch eine Rolle: Am Amtsgericht Tiergarten geht man anders miteinander um als am Amtsgericht Bergen auf Rügen.
Es ist daher immer wieder etwas Besonderes, wenn ich außerhalb Berlins verteidige. Mit welchen Vorurteilen ich da zu kämpfen habe, zeigt dieser Kommentar eines Dorfrichters:
Es zeugt nicht gerade von einem besonders ausgeprägtem Selbstbewußtsein, wenn sich ein Richter am Amtsgericht in dieser Form äußert. Und genau damit muß man rechnen – besonders dann, wenn man sich wie ich schon das eine oder andere Mal über Richter und Staatsanwälte öffentlich geäußert hat.
Dieses Spannungsverhältnis kann ein Verteidiger aber unterschiedlich nutzen.
Zum Beispiel, indem man bis unter die Zähne bewaffnet aufschlägt und sofort auf Konfliktkurs geht. Dann sollte man aber auch damit rechnen, daß die „Gegenseite“ nicht unbewaffnet abwartet und als Kaninchen die Schlange anstarrt. Kann funktionieren, und hat schon funktioniert, muß aber nicht immer funktionieren.
Eine weitere Strategie kann darin bestehen, solche Erwartungen wie die des zitierten Dorfrichters schlicht zu enttäuschen. Zum Beispiel auftreten mit dem Ziel, sich ein „Das hätte ich jetzt aber gar nicht gedacht, daß der da aus dem Ghetto so freundlich sein kann!“ abzuholen.
Oder irgendwas dazwischen, also nach dem Motto „Körpergewicht nach links verlagern und dann doch rechts dran vorbei„.
Solide Kenntnisse des materiellen und des Prozeßrechts sind dabei stets die Basis für eine erfolgreiche Verteidigung. Die Ergebnisse hängen aber zu einem ganz großen Teil von der Stimmung ab, die im Saale herrscht. Da kann man viel Porzellan zerschlagen, wenn man so einen schlotternden Dorfrichter auf dem falschen Fuß erwischt.
Es gibt aber eines, das sicher ist. Mit dem Ruf als Kreuzberger Krawallo dann mit dem Schmusekurs überraschen, bringt deutlich mehr Punkte, als als stromlinienförmiger Sterbebegleiter plötzlich die Keule rauszuholen.
Also, lieber Dorfrichter, warten Sie’s doch erst einmal ab, bevor Sie anfangen zu zittern. Vielleicht bringt Ihnen der Verteidiger vor Aufruf der Sache ja einen Blumenstrauß in die Richterkammer.
Übrigens:
Neben dem Begriff des „Dorfrichters“ kursiert noch eine weitere despektierliche Bezeichnung: „Die Hausfrau in Robe“. Sie ist aber so ziemlich das Gefährlichste, was die Justiz zu bieten hat; die ha’ms in der Regel nämlich richtig gut drauf. ;-) Unterschätzen darf man beide gleichermaßen nicht.
Ausblick:
Ob es für den Mandanten von Vorteil ist, eine lokale Größe zu engagieren oder besser doch den auswärtigen Anwalt … darüber schreibe ich dann später nochmal was.
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Bild: © Rike / pixelio.de
Letzen Endes kommt es häufig auch auf Kleinigkeiten an. Deshalb versuche ich immer möglichst vor meinem Termin schon mal die Atmosphäre im Saal zu schnuppern bei dem vorherigen Termin-wenn denn einer stattfindet. Ganz häufig erkennt man dann schon mit wem man es zu tun hat und ob beim Richter/in der Geduldsfaden kurz vorm Zerreißen ist. Das ist m.E. viel wichtiger als das bloße Aktenstudium-wobei es natürlich nicht ersetzt werden kann. Richter sind auch nur Menschen mit Launen wie Du und ich! Darauf muss man sich einstellen…
Lieber Herr Hoenig, „Sonthofen“ wäre richtig gewesen :-).
Ich würde diesen Ruf von auswärtigen Verteidigern als ‚harte Hunde‘ nicht so sehr an der Person/Sozialisation dieser Verteidiger festmachen, sondern einfach an der psychologischen Ausgangskonstellation. Dass es an Dorfgerichten meistens eher beschaulich zugeht, liegt ja normalerweise nicht an der guten Luft und dem nebenan grasenden Fleckvieh. Sondern vor allem an einer gewisse Beißhemmung: Man kennt einander und streitet sich auch in der Sache, aber hat halt doch immer im Hinterkopf, dass man auch in Zukunft noch miteinander auskommen muss. Da hat’s der auswärtige Verteidiger eben einfacher – er kann zur Not auch verbrannte Erde hinterlassen.
Also ich kann nur sagen, ich war im Zivilprozess sehr happy mit der „Hausfrau in Robe“. Terminiert auf 8:30 früh, wohl wissend, dass die Gegenseite eine so lange Anfahrt hat, dass das am selben Tag nicht zu schaffen ist. Gegenseite bittet um uhrzeitlich späteren Termin am selben Tag und wird abgebügelt mit der Begründung, a) Halbtagskraft, darum nur Vormittagstermine und b) da die Gegenseite so viel Schriftverkehr generiert hat, geht sie von einem umfangreichen Termin aus, den man ja sonst in 2 Termine spalten müsste. Bäm, hihi.
Hätte die Gegenseite einfach mal eingesehen, dass sie für erbrachte Leistungen auch zahlen muss, statt sich im Vorfeld mit aufgeblähten, inhaltsleeren Schriftsätzen um die Zahlung drücken zu wollen, wäre sie das deutlich billiger gekommen – oder sie hätte zumindest ihre Wunschuhrzeit bekommen.
Hat CRH jetzt eigentlich die Ironie im Beitrag des Dorfrichters erkannt oder nicht??
[Kommentar gelöscht]
Ob ich erwünscht bin oder nicht, entscheide immer noch ich, Herr Hoenig. Denn ich bin eine selbstbestimmte Frau, die für ihr Geschreibsel Geld erhält.
> Sie sind hier nicht mehr erwünscht.
Der Verband der Popcornindustrie sieht das möglicherweise anders.
@ Silke
Äh… Nein! Wenn einer nicht bestimmt, ob jemand irgendwo erwünscht ist, dann eben der um den es geht. Wer mit seinem Geschreibsel Geld verdienen möchte, sollte das eigentlich wissen…
Ach ja: Ich nehme 1000 Popcorn-Aktien :-)
Wo soll das mit Silke nur hinführen …
Es gab da mal ein Urteil zum Hausrecht in Foren; das wird sich sicher auch auf Blogs übertragen lassen:
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Gericht-bestaetigt-Hausrecht-fuer-Forenbetreiber-145205.html
Nun steht das zwar nicht im Artikel, aber wer die Hintergründe kennt, weiß, dass die Sache damit endete, dass der Beklagte – ein Anwalt – sich 3 Jahre und 10 Tage nach dieser Meldung selbst das Leben nahm.
In diesem Sinne, frei nach Erich Kästner:
Was für Unsinn! Suizidal?
Silke, Silke, morgen mehr!
Hallo,
„Der Verband der Popcornindustrie sieht das möglicherweise anders.“
Und wieder ein Sonntagmorgen, an dem ich durch mein schallendes Lachen die restliche Familie geweckt habe.
Das Lesen dieses Blogs stört so langsam den inneren Familienfrieden.
Brauche ich jetzt einen Anwalt?