Meine Mandantin ist viel unterwegs. Von ihrem Hauptwohnsitz in Kalifonien fliegt sie sehr oft durch die Weltgeschichte. Meist sind es Flughäfen der Kategorie Los Angeles, San Francisco, Sydney, London, aber auch Frankfurt. Und in der vergangenen Woche Berlin Tegel.
Nach zwei anstrengenden Tagen war sie am Vortag vom San Francisco International Airport gestartet und mußte am Frankfurt Airport in einen Flieger nach Tegel umsteigen. Sie litt unter dem Jetlag, war froh, als der Flieger endlich gelandet war und sie die Business Class verlassen konnte.
Nur noch die 30 Meter von der Flugzeugkabine durch den „Finger“ ins Flughafengebäude, dann eine Glastür in einen überschaubaren Raum, in dem sich so etwas ähnliches wie ein still stehendes Kinderkarussell befand, dann noch eine Glastür, die sich just hinter ihr verschloß, als sie Ihren Fahrer erblickte. Der ihr das Gepäck zum Auto tragen wollte.
Halt! Das Gepäck? Wo war der Koffer?
Richtig: Auf dem Kinderkarussell im Sicherheitsbereich hinter der geschlossenen Tür. Die an ernsthafte Flughäfen gewöhnte Mandantin hätte nie im Leben damit gerechnet, daß der Weg vom Flieger bis raus aus dem Sicherheitsbereich des deutschen Hauptstadtflughafens nur wenige Meter (und nicht wie in SFO oder FRA mehrere Kilometer) beträgt.
Trotz Bitten und Bettelns kam die völlig mit den Nerven fertige Mandantin da nicht mehr rein. Auch der Fahrer hatte keine Chance, gleichgültig, was er anstellte.
Entkräftet sind die beiden dann abgerauscht. Erstmal ins Hotel, ausruhen, den Koffer wollte man später abholen oder sich zuschicken lassen.
Das verwaiste Gepäckstück drehte nun mutterseelenallein seine Runden auf dem niedlichen Gepäckband. Nicht allzu lange, denn allein stehende oder sich drehende Gepäckstücke sind nicht dazu geeignet, auf einem Flughafen für Entspannung zu sorgen.
Nach eingehender Beschnüffelung durch hochspezialisierte Fellnasen wurde der Koffer vom Zoll geöffnet. Neben den üblichen Utensilien, die man in dem Koffer einer allein reisenden Dame findet, befand sich unter anderem auch eine Tüte mit „betäubungsmittelsuspekter Substanz“, auch bekannt unter der Bezeichnung Marihuana, in einer nicht geringen Menge.
Das führte zur amtlichen Sicherstellung des Koffers durch das Hauptzollamt und zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das BtMG und gegen irgendwelche Zollvorschriften.
Problematisch war, daß sich in dem Koffer auch die Unterlagen und die Technik befanden, die die Mandantin für die Bespaßung von einigen hundert Zuhörern, Zuschauern, Vertretern von Film und Fernsehen … benötigte. Es stand ein wirtschaftlicher Schaden in gut sechstelliger Höhe in Aussicht.
Die Ermittlungsbehörde weigerte sich nun, den Koffer an einen Dritten herauszugeben, man wollte der Mandantin natürlich ein paar Fragen stellen. Das wollte sie wiederum nicht (ob sie unsere Mandanten-Informationen kannte, weiß ich nicht sicher. :-) ).
Eigentlich werden Strafverteidiger damit beauftragt, ihre Mandanten durch ein Strafverfahren zu begleiten. Manchmal bekommt man aber auch einen Job als Kofferträger.
Es war eine sportliche Begegnung mit den Zöllnern im Baggage Service Center des Flughafen Tegel. Wir hatten viel Spaß miteinander und ich bekam zum Schluß gegen Hinterlegung einer Sicherheit auch den Koffer. Dem sich nun noch anschließenden Strafverfahren sieht die Mandantin – zu Recht – ziemlich entspannt entgegen. Das Argument, in Kalifornien sei Cannabis nicht verboten, wird hoffentlich hilfreich sein bei der Findung einer adäquaten Rechtsfolge.
Die Frage, des Zöllners, was die Mandantin aber jetzt in Berlin ohne ihr Marihuana machen werde, konnte ich mit dem Hinweis der Lage unserer Kanzlei zwischen Görlitzer Park und Hasenheide unbeantwortet lassen.
So ähnliche Situationen habe ich in Frankfurt schon öfters gesehen.
Gerade im Terminal 1 passiert es offenbar öfters dass Reisende versehentlich ohne Gepäck den Sicherheitsbereich verlassen.
Muss an den Deutschen Flughäfen liegen ;-)
„Das Argument, in Kalifornien sei Cannabis nicht verboten, wird hoffentlich hilfreich sein bei der Findung einer adäquaten Rechtsfolge. “
Macht es einen Unterschied, dass der Koffer noch vorm Zoll im Sicherheitsbereich war?
Sonst dachte ich: Andere Länder andere Sitten: In Singapur z.B. weiß ich ganz genau, was ich besser (nicht) mitnehme ;)
Wer sagt denn dass das nicht jemand aus seinem in ihren Koffer umgepackt hat z.b. weil er Zöllner am Flughafen gesehen hat?
(#Hose < - #Kneifzange) crh
als ich letztens aus St. Petersburg kommend in Hamburg Fuhlsbüttel an kam habe ich einen unserer 4 Koffer zunächst auf dem Karussell vergessen. Auf halben Weg zur S-Bahn, also schon außerhalb des Flughafengebäudes haben wir gemerkt, dass der Koffer fehlt. Einmal zurück, höflich gefragt und ruckzuck … Koffer abgeholt. Kein Stress mit Zoll oder Grenzschutz. Hamburg eben.
@ morphium, # 3:
Sehr gute Idee. Gerade bei Drogen funktioniert die Ausrede „Das ist nicht meins! Das muss mir jemand untergeschoben haben!“ ja praktisch immer ;-)
Dass es irgendwie von Bedeutung sei, den Stoff „legal“ erworben zu haben, denken die Leute, die an der deutsch-holländischen Grenze geschnappt werden, auch immer. Das erweist sich dann im Strafprozess aber leider als Trugschluss, vor allem bei Import einer „nicht geringen Menge“.
@6
Der Erweb in Holland ist nicht legal, nur „geduldet“ (trotz Verbot). Das bedeutet, dass auch der Erwerb in Holland durch einen Deutschen nach deutschem Recht strafbar ist. Deshalb sind Hollandgeschichten per se ein Eigentor.
Was gibt es denn für Argumente, die gegen die Beschlagnahme des gesamten Koffers und für die Herausgabe der benötigten Unterlagen und Technik sprechen, die man beim Zoll anbringen kann?
„sportliche Begegnung mit den Zöllnern“, “ viel Spaß miteinander“ hört sich so an, als sich ob mindestens temporär die Fenster ein gutes Stück nach außen gewölbt hätten ;-)
Ein mögliches Argument fiele mir als Laie ein (der Bloghausherr wird mit ziemlicher Sicherheit weder bestäntigen noch dementieren): Nach Beratung hat die Mandantin über ihren Verteidiger ein sorgsam gefasstes Geständnis (z.B.: „ich räume ein, dass dies mein Koffer ist, mit dem ich nach Berlin geflogen bin“)abgelegt, so dass der Koffer als Beweismittel nicht mehr benötigt wird und nur noch die Botanik samt unmittelbarer Umverpackung in staatlichem Gewahrsam verbleiben muss.
@ Jurist / Nr. 7
Das kann man der einschlaegigen Zielgruppe eigentlich nicht oft genug sagen!
Es waere nicht das erste mal, dass jemand in DE auf die Frage eines Zoellners / Polizisten, ob er denn in den NL was mit Drogen zu tun gehabt haette, grinsend (weil man denkt, der kann einem ja nichts anhaben) erklaert „Jo, zwei Joints fuer mich und meine Freundin gekauft und die dann gemuetlich weggezogen“ antwortet.
Und der Polizist ihm dann ebenso grinsend eroeffnent, dass er mit Post von der Staatsanwaltschaft bzgl. Paragraph 29 I BtMG iVm Par. 7 II StGB rechnen darf.
Der Hinweis, in Kalifornien sei Cannabis nicht verboten, und die Idee, jemand hätte möglicherweise etwas umpacken können, schwächen sich als Argumente gegenseitig allerdings.
„Der Hinweis, in Kalifornien sei Cannabis nicht verboten, und die Idee, jemand hätte möglicherweise etwas umpacken können, schwächen sich als Argumente gegenseitig allerdings.“
Ich bin kein Jurist, aber es muss doch möglich sein zu bestreiten, dass man dergleichen im Koffer hatte, aber für den Fall, dass einem nicht geglaubt wird darauf hinzuweisen, dass der Kauf in Kalifonrnien legal gewesen wäre?
@13: Klar ist es möglich alles auf einmal zu bestreiten. Aber es dürfte ähnlich wirken wie „Ich hab die Bank nicht überfallen, und ausserdem war es nur eine Spieleugpistole.“
Also Abstreiten und Geständnis in einem Satz, das fördert weder Sympathie noch Glaubwürdigkeit.
Mit Berlin hat die Person ja noch Glück im Unglück. Man stelle sich vor, die wäre in Indonesien oder China gelandet. Da marschiert das Exekutionskommando schonmal los, um die Büchse abzuölen.
@Roger Nr.1: In Frankfurt Terminal 1 gibt es gleich mehrere Wege (Rolltreppe und Aufzug), um vom öffentlichen Bereich wieder zu den Gepäckkarussells zu kommen. Die befinden sich nämlich außerhalb des Sicherheitsbereichs. Wie auch in den USA flächendeckend üblich. Wundert mich sowieso, dass da nicht mehr wegkommt (ich bin schon viel von der TSA beklaut worden, aber an Gepäckkarussells ist noch nichts weggekommen).
@WPR_bei_WBS (11)
Angenommen die beiden haben die Joints tatsächlich schon weggezogen und sonst keine Btm dabei, was genau wäre hier der Grund für Post von der StA?
Der Konsum an sich ist doch nicht strafbar?
Einfuhr von Btm im Blut? Eher nicht?
Gut, eben noch mal gelesen, Erwerb an sich ist strafbar. Greift diese Strafbarkeit tatsächlich auch im Ausland?
Macht es da einen Unterschie zwischen Holland (strafbar aber geduldet) und Kalifornien (legal).
Aber in der Konstellation ist doch der Nachweis von Btm Erwerb spätestens dann nicht mehr zu führen wenn das später bestritten wird. Macht die Polizei und StA tatsächlich solchen Quatsch?
Klar, die beiden dürften sicherlich extremst gefilzt werden, könnten ja was dabei haben. Selbst eine Mitteilung an die Führerscheinstelle könnte ich mir vorstellen. Aber Post von der StA?