Enttäuschendes Plädoyer

Es ist ein alt bekanntes Problem von Dienstleistern im Allgemeinen, von Strafverteidigern im Besonderen: Die Mandanten sind unzufrieden, obwohl die Leistung hervorragend war.

Dazu der folgende Fall:

Die Staatsanwaltschaft klagte eine Erpressung im besonders schweren Fall an. Die beiden Angeschuldigten hätten einen (ehemaligen) Vertragspartner zur Zahlung eines fünfstelligen Betrags bewegen wollen; dabei soll auch eine Schußwaffe eine Rolle gespielt haben. Dafür schlägt der Gesetzgeber eine Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren vor.

Die Anklage ging zunächst bei der Großen Strafkammer ein, weil nur dort Freiheitsstrafen von mehr als vier Jahren verhängt werden können. Das paßte zu der Strafmaßvorstellung der Staatsanwaltschaft.

Die Verteidigung im Zwischenverfahren …

… führte dazu, daß die Sache zum Schöffengericht „runter“ eröffnet wurde. Die Strafkammer meinte nämlich, die Strafkompetenz des Schöffengerichts reiche aus, da hier wahrscheinlich nur ein minderschwerer Fall des (einfachen) schweren Falls der Erpressung vorliegen dürfte, und zwar in Gestalt eines Versuchs. (Für die mitlesenden Jura-Junkies in Zahlen ausgedrückt: §§ 255, 249, 250 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 StGB und nicht Abs. 2, und das Ganze dann als Versuch nochmals gemildert über §§ 22, 23, 49 StGB. Wenn Sie wissen, was ich meine. :-) ).

Mehr als vier Jahre sollten es also nach Ansicht der Verteidigung und der Strafkammer auf keinen Fall werden. Soweit also schon einmal ein erster Erfolg.

In der zweitägigen Beweisaufnahme …

… konnte die Verteidigung das Schöffengericht davon überzeugen, daß eine Waffe überhaupt keine Rolle gespielt hat. Und daß die Zahlungsforderung an sich gar nicht so unberechtigt gewesen war.

Am Ende kam dann eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen heraus, wegen einer versuchten Nötigung – statt 5 Jahre plus X, die es nach anfänglicher Ansicht der Anklagebehörde hätten werden sollen. Und trotzdem war der Mandant enttäuscht.

Was war passiert?

Der Mitangeklagte wurde von einem sehr erfahrenen Kollegen verteidigt, der ein so grandioses Plädoyer gehalten hat, daß sogar mein Mandant selbst von seiner Unschuld überzeugt war. Der Antrag auf Freispruch mußte einfach durchgehen, da führte nach der auf der Anklage- und Verteidigerbank vertretenen Ansicht kein Weg dran vorbei!

Und dann am Ende doch kein Freispruch, sondern die Verurteilung.

Ich bin mir aber sicher, daß die Welt nach ein paar Tagen und mit ein bisschen Sinn für die Realität wieder anders aussehen und der Mandant dieses Ergebnis als Erfolg feiern wird.

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Bild (CC0): geralt / via Pixabay

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5 Antworten auf Enttäuschendes Plädoyer

  1. 1
    Berti says:

    Vermeiden Sie den Begriff der „Räuberischen Erpressung“ bewusst? Kein Vorwurf, ich wundere mich nur

  2. 2
    80 Tagessätze says:

    Da war wohl die Rechnung des Verteidigers zu hoch und wurde als zusätzliche ungerechtfertigte Strafe empfunden. ;-)

    Undank ist der Welt Lohn …

  3. 3
    busy says:

    Da es scheinbar vielen Angeklagten schwerfällt den Wert zwischen Anklage und UrteiI zu erkennen habe ich eine neue Geschäftsidee. Ich entwickle eine Software die den Faktor Anwalt aus dem Urteil herausrechnet bzw. verschiedene Urteile mit verschiedenen Anwälten auf Basis der Qualifikation und (Online-)Bewertungen berechnet. Ähnliches mache ich dann für Richter, Ärzte, Ehepartner, Eltern, Kinder, Lehrer, Automechaniker usw. :-)

  4. 4
    Der wahre T1000 says:

    Tatsächlich ist es so, dass das Honorar des Anwalts eine „Strafe“ ist. Also damit meine ich nicht, dass der Anwalt für seine Arbeit honoriert wurde. Das ist in der Sache total ok. Sondern dass „Justizopfer“ regelmäßig damit leben müssen auf den Kosten sitzen zu bleiben. Auch das kann eine Strafe sein. Wird das Verfahren eingestellt, anstelle eines Freispruchs, dann muss der Beschuldigte trotzdem blechen. Das kommt einer Geldbusse gleich. Das ist der Regelfall.

    Wer gegen ein Blitzerfoto aufmuckt und einen brauchbaren Anwalt rechtzeitig (!) beauftragt, der kommt zwar ohne Bußgeldbescheid und Fahrverbot weg, aber hat die Kosten des Anwalts an der Backe. Das kommt einer Geldbusse am Ende gleich.
    Wer länger wartet, der muss ein Gerichtsverfahren über sich ergehen lassen und zahlt am Ende noch mehr drauf. Unschuldig aber geschröpft, wobei es keinen Unterschied macht, ob das in der Staatskasse oder des Anwalts Säckel landet.

    Ich denke, dass die Ordnungsämter das genau so berücksichtigen, nach dem Motto: er musste bezahlen. Passt schon.

  5. 5
    Fry says:

    @wahrer T1000: und deswegen meine ich, sollten Anwaltskosten dann wenigstens steuermindernd geltend gemacht werden können. Denn man engagiert einen Anwalt ja nicht „zum Vergnügen“.