Irgendwas ist nicht so gelaufen, wie sich das die Staatsanwaltschaft vorgestellt hat. Das war im Jahre 2004 (nein, das ist kein Tippfehler!).
Und wenn dieses „Irgendwas“ nicht in das rosarote Weltbild einer durchschnittlich begabten Staatsanwältin paßt, setzt sie sich an den Schreibtisch in ihrem Elfenbeinturm und schreibt eine Anklage. Die Anklage in diesem Fall stammt aus dem Jahr 2010. Soweit, so normal.
Dann fand in 2012 eine Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht statt, die im zweiten(!) Anlauf nach 10 (s.o.) prickelnden Terminen im Dezember 2012 mit einem Urteil endete.
Eine Woche später ging das Fax mit der Berufung des verurteilten Rechtsanwalts beim Amtsgericht ein.
Ab 2015 versuchten sich mehrere Vorsitzende der zuständigen Berufungskammer daran, die Berufungshauptverhandlung zu terminieren. Ich habe den Überblick verloren, aber drei Ansätze mit jeweils 3 bis 5 Terminen waren es bestimmt. Nun soll es nicht vor April/Mai 2019 weitergehen.
Ich habe zwischendurch noch einmal ergänzende Akteneinsicht genommen und dabei dieses goldige Schreiben eines Zeugen an das Landgericht in den Akten gefunden:
Der Kundige erkennt an den Formulierungen, daß es sich bei dem Zeugen um einen zivilrechtlich orientierten Rechtsanwalt handelt.
Der angeschriebenen Berufungskammervorsitzenderichterin ist es unter Aufbietung aller vorhandenen Willenskräften noch knapp gelungenen, die Contenance zu bewahren; sie schreibt – höflichst – an den Zeugen:
… wird auf Ihr Schreiben vom **.**.2017 höflichst erwidert, dass Sie eine vom Gericht an Sie adressierte Zeugenladung selbstverständlich ernst nehmen dürfen. Zurückliegende Terminsaufhebungen habe ich ebenso wenig zu vertreten wie die bisherige Dauer des Strafverfahrens insgesamt. Eine nähere Stellungnahme hierzu werden Sie von mir daher nicht erwarten können.
Das war 2017. Danach hat der Zeuge eine weitere Ladung erhalten. Der Termin, zu dem er geladen war, wurde aufgehoben. Er wird sich damit abfinden müssen, noch weitere Ladungen zu erhalten, zunächst einmal irgendwann im Frühjahr 2019.
Vielleicht gelingt es aber auch der o.g. durchschnittlich begabten Staatsanwältin, ihr Weltbild zu überdenken, einen Fuß vor die Tür ihres Turms zu setzen und die vom Prozeßrecht vorgesehenen Folgen einer überlangen Verfahrensdauer zu recherchieren. Es kann aber auch sein, daß ihr dabei noch vom Kammergericht geholfen werden muß.
Man weiß es nicht …
Habe ich schon mitgeteilt, daß der Angeklagte das alles überhaupt nicht lustig findet, der von diesem heillos überforderten Chaosladen in Moabit seit nun über 14 Jahren traktiert wird?
Langsam kann man doch schon die absolute Verjährung am Horizont winken sehen, oder?
ähhh… eher doch StGB?
Was sind schon vierzehn Jahre?
Aus dem zaristischen Russland gibt es eine Geschichte, daß eine Frau wegen irgendeiner Unterstützung für ihren kleinen Sohn geklagt hat, und irgendwann kam eine Vorladung, sie solle mit dem Kind zum Gericht kommen.
Da antwortete sie dann, das sei unmöglich, der Sohn sei mittlerweile Oberst bei der kaiserlichen Armee und irgendwo in Fernost stationiert…
Si non e vero, e ben trovato.
Habe ich das richtig gelesen?
Das geht seit 14 Jahren so? Ist 153a StPO keine Option?
Woran erkennt man denn ab den Formulierungen, dass es sich um einen Zivilrechtsanwalt handelt? :)
Für einen Rechtsanwalt hat der Zeuge allerdings eine bemerkenswert miserable Rechtschreibung. Geht es in dem Verfahren vielleicht um Titelmissbrauch?
@Pberni:
Ich würde sagen hieran:
„Gern können Sie mich auch im Wege einer schriftlichen Anhörung befragen und mir ihre Fragen einfach zusenden.“
:-)
Es wäre eine geniale Taktik. Entlastungszeugen nach 14 Jahren befragen um diese dann als unglaubwürdig darzustellen.
Es ist auch anzunehmen, dass hier Beweise unverschuldet abhanden gekommen sind und schon daher eine Verhandlung nicht mehr im Sinne eines seriösen Verfahrens ablaufen kann oder täusche ich mich als Laie ?