Ein Amtsgericht außerhalb Moabits hat dem Antrag der Staatsanwaltschaft aus demselben Örtchen stattgegeben und einen Strafbefehl gegen meinen Mandanten erlassen.
Er hatte mich bereits im Ermittlungsverfahren mit seiner Verteidigung beauftragt. Das Ziel, nämlich die Einstellung des Verfahrens, haben wir also erst einmal nicht erreicht.
Deswegen habe ich unseren Standard-Textbaustein mit dem Einspruch und dem Akteneinsichts-Antrag via Fax ans Gericht geschickt. Darauf kam diese Rückmeldung aus den Tiefen der Republik nach Kreuzberg:
Die Frage scheint der Richterin wichtig zu sein, deswegen hat sie extra einen Rotstift heraus geholt. Ich habe dann mit einem Antrag auf ergänzende Akteneinsicht reagiert, weil Aktenteile bzw. Beiakten fehlten, auf die sich die Anklagebehörde beruft.
Die Reaktion der Richterin kam flott:
Ich finde, die Richterin hat „Mein Strafbefehl kann gar nicht falsch sein, sonst hätte ich ihn ja gar nicht erst erlassen! Also nehmen Sie besser mal den Einspruch wieder zurück.“ doch ziemlich reduziert formuliert.
Gegenfrage: Was soll ich nun auf die kluge Frage antworten?
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Bild (Grafik): © Stephanie Hofschlaeger / pixelio.de
„Mein Mandant findet den Strafbefehl voll ungerecht!“
Sehr geehrte Frau Richterin,
Ihre Frage, was an dem Strafbefehl unzutreffend sein könnte, kann erst beantwortet werden, wenn aus den Akten hervorgeht, auf welche Vorwürfe sich die Anklagebehörde eigentlich beruft. Offenbar fehlt dieser Teil der Akten aber. Mit der Bitte um VOLLSTÄNDIGE (ergänzende) Akteneinsicht verbleibe ich höflichst,
*kritzel*
RA Hoenig
Ganix vielleicht?!?! Oder möchte man Sie nach Antwort vielleicht noch überreden, dass der Einspruch noch vor der HV zurückgenommen wird? Macht ja nen mega – souveränen Eindruck.
Ich wunder mich schon, dass Strafbefehl erlassen wird, wenn ein RA im Ermittlungsverfahren im Boot ist…so verschafft man sich doppelt Arbeit.
§ 24 StPO. Nix anderes.
Versuchen Sie es mit Humor: „Dieser Rand ist zu schmal, um das zu fassen.“ (Fermat)
Na ja, immerhin nimmt die Richterin den von Verteidigern doch so häufig geforderten Dialog auf (vgl. Gatzweiler in StraFO 2012: „der rationale, von allen Prozessbeteiligten, insbesondere den entscheidenden Richtern, aufzunehmende und durchzuhaltende Dialog als Bedingung korrekter Rechtsfindung“).
Wenn auch ggf. etwas ungeschickt formuliert, andere schreiben meist „bitte um Mitteilung, was Ziel des Einspruchs sein soll“, wenn ausgelotet werden soll, ob es dem Beschuldigten um das Strafmaß geht, weil der Sachverhalt und die daraus folgende Strafbarkeit eher unproblematisch sind/scheinen.
Ich finde das gut. Im Zivilprozeß werden ja auch vorbereitende Schriftsätze eingereicht. Das erleichtert allen die Arbeit, weil man sich besser auf die Verhandlung vorbereiten kann. Wenn schon dem Verteidiger keine kluge Antwort zu der Frage einfällt, nun ja, dann sind die Aussichten wohl recht gering, einen Freispruch / eine mildere Strafe zu erreichen, so daß eine kostenbewußte Reaktion am sinnvollsten wäre
Wenn das alles so richtig ist, habe ich das Thema Beweislast nicht ansatzweise verstanden.
@Zivilunke
echt jetzt?
Es gibt keine dummen Fragen – es gibt nur dumme Menschen :)
Oder Gegenfrage stellen: Was an dem Strafbefehl ist denn zutreffend?
Sehr geehrte Frau Richterin,
haben Sie Dank für die vollständige Akteneinsicht, der ich entnehme, dass die Anklagebehörde sich auf Unterlagen bezieht, die es gar nicht gibt. Ich beantrage daher schon aus formalen Gründen die Aufhebung des Strafbefehls und Einstellung des Verfahrens.
MfG
Wie man auf die Frage antworten soll, das weiß doch jeder: Es kommt darauf an.
Annahme: Nicht nur die Anklagebehörde sondern auch der Strafbefehl beruft sich auf den in der Aktenseinsicht fehlenden Aktenteil/die fehlende Beiakte.
Die Akteneinsicht wurde tatsächlich vollständig gewährt, d.h. es gibt keine weiteren relevanten Akten.
Folgerung: Der Strafbefehl ist unbegründet, weil er auf nicht vorhandenen Aktenteilen basiert.
Ich verstehe die Frage nicht. Also die des Richters.
Lieber Herr Hoenig,
ohne entsprechende Angaben kann Frau Ri’in natürlich nicht prüfen, ob der Einspruch auch begründet ist. ;) ;)
Sehr geehrte Frau Richterin,
ohne einsicht in die vollständigen Akten, kann ich mich nicht äussern.
P.S.
Lassen Sie Sich überraschen
Antwort an die Richterin:
– In kurz: „Alles!“
– In länger: „Gegenfrage: Sie erlassen also einen Strafbefehl, dessen Vorwürfe sich auf Akteinteile / Beiakten beziehen, die Sie sich nicht angeguckt[*] haben? Besorgnis der Befangehneit kann man auch kürzer buchstabieren“
– Alternativ: „Seit wann muß man in Deutschland seine Unschuld beweisen?“
– Der formale: „Seit wann genau sieht §410 StPO eine Pflicht zur Begründung vor?“
– Der neckische: „Der Vorwurf bezieht sich auf nicht existente Details.“ (quod non est in actis, non est in mundo)
@Zivilunke:
WIe soll dem Anwalt eine (kluge) Antwort einfallen, wenn er nicht mal weiß, was dem Mandanten genau vorgeworfen wird?
[*] Ja, ich weiß. Sie sagt nur, sie *hat* keine weiteren Unterlagen mehr, nicht dass sie sie nicht *hatte*
„Die Antwort von Schmidt123 wäre wohl die klügste – aus Sicht eines diplomatischen Anwalts. Wenn man die Feindseligkeiten frühzeitig eröffnen will, könnte man auch schreiben: „Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptverhandlung wird das Gericht zunächst Überlegungen nachzuholen haben, was an dem Strafbefehl überhaupt zutreffend sein soll. Da blindes Vertrauen in die Staatsanwaltschaft eine prozessordnungsgemäße Beweisführung nicht zu ersetzen vermag, sind hierzu zunächst die ergänzenden Aktenbestandteile XYZ beizuziehen. Ich beantrage nochmals, nach Erledigung Einsicht in die vollständige Akte zu gewähren. Eine Stellungnahme zum Tatvorwurf bleibt vorbehalten.“
Generell würde ich dem Richter nicht ankreiden, dass er um eine Einspruchsbegründung bittet (auch wenn diese nicht gesetzlich erforderlich ist, kann sie sinnvoll sein, insbesondere, wenn nur Teile des vorgeworfenen Sachverhalts bestritten oder gar nur die Rechtsfolgen korrigiert werden sollen), die Formulierung ist aber schon reichlich überheblich.
Na ja. Es ist wohl einfach nur die Frage, worum es bei dem Einspruch geht. Soll das volle Programm gemacht werden? Ist vielleicht nur die Rechtsfolge zu hoch, oder, oder, oder. So schlimm ist die Frage jetzt nicht.
Spätestens jetzt ist die Richterinnendarstellerin wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, da es beim Einspruch im Strafbefehlsverfahren vollkommen zu Recht KEINE Begründungspflicht gibt. In dem Moment der form- und fristgerechten Einspruchseinlegung besteht der Zwang zur öffentlichen Verhandlung (Ausnahme: Verfahrenseinstellung mit Zustimmung von allen Seiten).
Ich tippe mal: Sachsen-Anhaltinisches Amtsgericht.
könnte sich der Verdacht ergeben, dass die fehlenden Aktenteile nach Beantwortung der Richter(innen)frage noch „aufgehübscht“ werden um dann(z. B. im Termin) wieder aufzutauchen? Als Kenner unseres Rechtsstaates halte ich solches Vorgehen allerdings ausdrücklich für komplett ausgeschlossen und absolut undenkbar:-)
Wenn Sie „gerichtsbekannt“ werden wollen, sollte in der Antwort irgendetwas wirres über die „BRD GmbH“, die „bestehende Besatzungsmacht“ und eine „Anordnung des Reichsbegnadigungsamtes“ stehen.
Das Gericht hat keine Legitimation, weil 1990 der Artikel 23 GG a.F. (Geltungsbereich) gestrichen wurde. Die deutschen Gesetze gelten seitdem nur in Flugzeugen und auf Schiffen. Deshalb ist der Strafbefehl aufzuheben.
Expert:
nur das Stellen einer (dummen) Frage macht den Fragesteller nicht zu einem Verschwörungstheoretiker. Wie wäre es ,wenn Sie Anonymexpert die von Ihnen angedeutete „Antwort“ gäben um mich „gerichtsbekannt“ zu machen?
Als Nichtjurist gefragt:
Gibt es denn keinen Paragraphen, nach dem ein Strafbefehl, der sachlich *objektiv* und *offensichtlich* in sich fehlerhaft ist, unwirksam wird?
Wenn ja, würde ich etwas erwarten wie „Liebe Frau Richterin, da sich der Strafbefehl auf Aktenteile und Beiakten bezieht, die — wie ich Ihrer Mitteilung entnehme — nicht existieren, beantrage ich [passende Fachformulierung für Aufhebung oder so] nach [Paragraph].“
Dann kann sie sich aussuchen ob sie das (de facto) Vorenthalten der (Bei-)Akten(-teile) zugibt oder den Strafbefehl aufhebt. Wäre ja beides nicht unvorteilhaft.
http://www.lawblog.de/index.php/archives/2004/08/31/un-kenntnis/
Zitat: „Ich finde, die Richterin hat „Mein Strafbefehl kann gar nicht falsch sein, sonst hätte ich ihn ja gar nicht erst erlassen! Also nehmen Sie besser mal den Einspruch wieder zurück.“ doch ziemlich reduziert formuliert.
Gegenfrage: Was soll ich nun auf die kluge Frage antworten?“
Wie wäre es denn der Richterin Befangenheit zu unterstellen? Sie scheint ja schon eine Feste Meinung zu haben, ungeachtet vielleicht noch kommender Erkenntnisse.
Ok als Leser der nichts vom Fach versteht ist die Welt einfach. *g*