Gewerbsmäßige Hähnchenschenkel und Pralinen mit Lachs

An der Uni lernt der gemeine Jurastudent, was ein *gewerbmäßiger* Diebstahl im Sinne des § 243 Abs. 1 Ziffer 3 StGB ist:

Ein gewerbsmäßiger Diebstahl liegt vor, wenn der Täter sich aus der wiederholten Tatbegehung eine fortlaufenden Einnahmequelle von einigem Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen will, ohne dass er daraus ein kriminelles Gewerbe zu machen braucht.

Soweit die Theorie. Nun die Praxis der hochgerüsteten Berliner Staatsanwaltschaft:

Mit so ’nem Unsinns-Zeug müssen sich verbeamtete Prädikatsjuristen, die an Resopalschreibtischen in engen ungemütlichen Kammern zwischen staubigen Aktendeckeln sitzen, beschäftigen und mit mittelalterlichen Arbeitsmitteln bearbeiten. Und schlußendlich aufrecht stehend mit total ernstem Gesichtsausdruck eine mühsam zusammen geklöppelte Anklageschrift verlesen.

Was bin ich froh, daß dieser Kelch an mir vorüber gegangen ist und aus mir – wider der Erwartungen meiner Eltern – dann doch was Vernünftiges geworden ist.

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft veröffentlicht.

22 Antworten auf Gewerbsmäßige Hähnchenschenkel und Pralinen mit Lachs

  1. 1
    Zielfahnder Krawuttke says:

    Mit dem Gewerbe haben Sie es ja in den letzten Tagen. Wie soll man denn sonst auf das subjektive Element (verschaffen will!) schließen, wenn nicht aus objektiven Tatbestandsmerkmalen? Und so neu ist die Erkenntnis auch nicht, dass es sich weder um eine Haupteinnahmequelle handeln muss (BGH 2.12.1954 – 3 StR 120/54) oder dass der Täter die Sachen nicht zwingend „zu Geld“ machen muss (RG 5.12.1919 – IV 985/19). Die Musik dürfte doch wohl eher in § 243 Abs. 2 StGB spielen, oder?

    • Gestatten Sie mir doch, so ab und an mal die Juristenbrille abzunehmen und die Worte dann mal auf die Normalmenschenwaage zu legen, um nicht wie viele Juristen den Bodenkontakt zu verlieren. crh
  2. 2
    Chak says:

    Wenn ich schon „der Firma“ lese kräuseln sich mir die Nackenhaare.

  3. 3
    Maik says:

    Meinen Sie Ihre Verachtung gegen die Staatsbediensteten auch korrekt gendern zu können?

    • Wenn Sie sich hier mal ein wenig umschauen möchten, dann könnten Sie erkennen, daß ich das grundsätzlich zwar kann, aber nicht möchte. Ich hoffe, das ist noch in Ordnung für Sie. Sonst lesen Sie einfach was anderes. crh
  4. 4
    roflcopter says:

    Ich finde regelmäßig schlimm, dass der arme SitzungsStA den Quatsch vortragen muss, den irgendein Kollege sich ausgedacht hat.

    Oder der arme Stationsreferendar. Der sich dann rechtfertigen muss, warum er solch einen Quatsch einstellen will und 5 Minuten am Telefon herumdiskutiert.

  5. 5
    WPR_bei_WBS says:

    @ Zielfahnder Krawuttke

    Aus zwei Taten in einem Zeitraum von neun Monaten auf fortlaufend zu schließen ist aber schon arg bemüht.

    Aus fünf mal Lachs, drei Hähnchenschenkeln und Pralinen für knapp 40 EUR (verteilt auf neun Monate) von „einigem Umfang“ zu sprechen ebefalls. Genauso mit „einer gewissen Dauer“ .

  6. 6
    whocares says:

    Als Außenstehender könnte man schon auf den Gedanken kommen, dass der Mandant in den 9 Monaten dazwischen nicht untätig war – das ist allerdings meine Privatmeinung, die von solchen Dingen wie Beweisregeln, Unschuldsvermutung oder ähnlichen Schickschnack ungetrübt ist.

    Dem StaatsanwaltX (korrekt gegendert?) steht diese Extrapolation imho aber nicht zu, sondern muß beweisen. Immerhin kann das ja ein so schlechter Dieb sein, dass er bei seinen beiden einzigen Versuchen jeweils gepackt wirden ist.

  7. 7
  8. 8
    kackmaul says:

    Ich finde die Anklage wegen gewerbsmäßigkeit gar nicht so blöd. Was macht man denn mit 4 Packungen Räucherlachs und den dutzenden Pralinen? Dass die in irgendwelchen Shops zu Geld gemacht werden halte ich nicht für ausgeschlossen, das kann doch dann aber in der HV geklärt werden.

  9. 9
    uffi says:

    also ich würde keinen Räucherlachs kaufen, bei dem die Kühlkette länger bzw. für mich nicht nachvollziehbar unterbrochen ist. Daher würde ich bei dem Produkt Eigenbedarf unterstellen ;-)

  10. 10
    Roland B. says:

    @kackmaul: Fünf, nicht vier! Das ist ja schon quasi großhandelsverdächtig.
    Aber wieviel ist denn eine „Packung“? 100 Gramm? 500 Gramm? Bei 100-g-Packungen einerseits, Frau und vier Kindern andererseits durchaus nicht zu viel für den Eigenbedarf.
    Bei THC sind die Staatsanwälte doch auch recht genau bei den Mengen, selbst es Milligramm sind.

  11. 11
    HugoHabicht says:

    @Roland (10)
    „Eigenbedarf“ schließt die Gewerbsmäßigkeit eben gerade nicht aus. Siehe Kommentar 1. „Die Einnahmequelle“ kann auch darin bestehen, regelmäßig den Kühlschrank voll zu haben, aber eben ohne zu bezahlen.

  12. 12
    Non Nomen says:

    Wo sind die Zeiten hin, als es noch den Mundraub gab?

  13. 13
    Sabine Schleckermaul says:

    Ganz ehrlich: Die Pralinen von Lindt (200g für 9,99 EUR) sind aus meiner geschmacklichen Sicht wirklich nur für den Wiederverkauf geeignet.
    Zum Eigenverbrauch nehme ich inzwischen die 300 g für 3,99 EUR von Lidl. Der Hersteller ist Halloren.
    https://www.lidl.de/de/j-d-gross-pralinenmischung/p17730
    Ich würde auch Ihrem Mandanten empfehlen, diese frisch und gut schmeckenden Pralinen legal zu probieren.

    Der edle Sockeye Wildlachs von ALDI ist übrigens für den Eigenverzehr auf dem Butterbrot auch sehr lecker. :-)

  14. 14
    Ref. iur. says:

    Und was ist bitteschön mit § 243 Abs. 2 StGB? Haben das die Prädikatsjuristen übersehen oder gelten in der Hauptstadt andere Wertgrenzen?

  15. 15
    Rosa says:

    Anlässlich des 200. Geburtstages von Karl Marx kann ich da nur sagen: der olle Kalle hatte wohl doch recht mit seinem Fazit: „Kapitalismus ist Scheiße.“ (etwas salopp formuliert). Ein Staat, in dem jemand wegen Diebstahls einiger weniger Lebensmittel (!) Wegen gewerbsmäßiem Diebstahl angeklagt wird, aber die Bosse großer Konzerne (Autokonzerne, Kohlekonzerne ua.) Unbehelligt und straffrei davonkommen – es sei denn amerikanische Staatsanwälte schalten sich ein ( siehe VW / Winterkoen ua) , da stimmt doch wohl irgenwdass nicht.
    Und Uebrigens: – warum ist Lachs überhaupt so teuer?? Ei paar hauchdünne Scheiben Kosten drei oder 4 Euro, selbst im Supermarkt. – völlig irre. da ist es kein Wunder, dass da jemand, der gerne Lachs isst, dann eben mehere Packungen. ( für den Eigenbedarf!!) Klaut.
    Obwohl das natürlich nicHT in Ordnung ist aber mit gewerbsmäßigem Betrug hat das ja wohl wirklich nichts zu tun!!!
    das gleiche gi!T für die maßlos überteuerten Lindt-Pralinen. Die Firma müßte man eigentlich anzeigen Wegen Wucherpreisen.

  16. 16
    whocares says:

    Preise entstehen durch Angebot und Nachfrage – im Falle des Lachses bedeutet das, dass Lachs a) selten ist, und b) die Leute, die gerne Lachs essen bereit sind, diesen hohen Preis zu zahlen. Wäre a) nicht gegeben, würde mehr Lachs angeboten und das die Preise drücken, wäre b) nicht gegeben, bliebe der Lachs im Laden liegen und würde über kurz oder lang ausgelistet. Gut, man kann den Lachs natürlich auch klauen, aber von der Kostenbetrachtung funktioniert das halt nur solange man dabei nicht erwischt wird. Danach können Sie mal rechnen, wieviele Packungen Lachs Sie sich von dem CRHs Honorar legal hätten kaufen können.

    Und was den angeblichen Wucher von Lindt angeht: Lesen Sie doch mal bitte §291 StGB, und dann erörtern Sie doch mal, welcher der dort aufgeführten Tatmerkmale verwirklicht ist.

  17. 17
    AllesIsLachs says:

    Das ist idR alles Kulturlachs, steht auch drauf.

  18. 18
    Rosa says:

    @ 17
    KulturLachs? Hören die Fische im Wasser Beethoven – oder wie..!?
    @ 16
    Das mit der Wucher war sarkastisch gemeint. Es gibt eben immer irgendwelche Leute, die für einen Markennamen gerne mehr Geld bezahlen. (obwohl die Lindt-Schokolade nun keinesfalls wesentlich besser schmeckt als andere. Wie sagte schon Tucholsky: „Manche Leute wollen lieber einennStehplatz in der 1. Klasse als einen Sitzplatz in der dritten.“

  19. 19
    Flamebeard says:

    @whocares (16): Wucher könnte man unter Umständen daraus ableiten, dass zum Einen die Umwandlung der Rohstoffe in das fertige Produkt nicht zwangsläufig den Preismultiplikator rechtfertigen. Zum Anderen ist bei §291 (2) StGB auch argumentierbar, dass Zucker durchaus suchterzeugend ist und Lindt damit u.U. einer der am Besten vermarkteten (legalen) Dealer in heutiger Zeit.

    Randbemerkung 1: Wenn die Vorposter bereits den Multiplikator von Lindt, was Rohmaterialien und Endprodukt angeht, für Wucher halten, rate ich, ähnliche Dokumente der Automobil-Industrie nur mit Schutzkleidung anzusehen…

    Randbemerkung 2: Sarkas-Mus besteht zu großen Teilen aus passierten Früchten des Ironia-Busches.

    ===

    Ladendiebstahl, selbst kleiner Dinge, ist immer Mist. Ich denke aber, wenn keine weiteren Beweise für den Ansatz „gewerbsmäßig“ vorliegen, könnte dieses Konstrukt der Anklage um die Ohren fliegen, wenn der Angeklagte sich verteidigen lässt. Das wirklich teure hier dürfte die Verstopfung der örtlichen Gerichte mit solchen Fällen sein…

  20. 20
    Rosa says:

    @ Flamebeard (aka crh)
    Wie lange soll denn mein Kommentar noch auf „Freischaltung“ warten? Mein Kommentar ist schon sehr traurig angesichts dieses erlittenen Unrechts und hat vor lauter Frust, Warterei und Verzweiflung inzwischen schon vier Packungen Räucherlachs gefuttert (natürlich gekauft).
    Und finden Sie es nicht etwas seltsam, dass Sie öffentlich auf meinen Kommentar Antworten, obwohl diesen Kommentar die anderen ja gar nicht lesen können. Siehe Ihre Randbemerkung Nr.2.- Ist das nicht etwas GaGa..??
    Aber noch ein Tip/ Argument, das gegen den Vorwurf „gewerbsmäßig“ im vorliegenden Fall spricht: Die 2. Tat (Diebstahl 4 Lindt-PralinenP) hat sich laut Polizei im April 2018 ereignet. Angesihcts der Tatsa he dass Ende April Ostern war, wo sich die Menschen bekanntermaßen vor allem Süssigkeiten schenken, ist es doch recht wahrscheinlich, dass der Beschuldigte die PralinenPackungen zu Ostern an Verwandte/ Freunde verschenken wollte.

  21. 21
    Der wahre T1000 says:

    Diebstahl ist leiner kein Kleindelikt, sondern ein massenhaft anzutreffendes. Der EInzelfall mag wenig schlimm sein, der Gesamtschaden ist enorm.

    In New York war die Kriminaliätsrate mal enorm hoch. Der damalige Bürgermeister ginb über zu einer Strategie, wonach selbst kleinste Kleinigkeiten (wie z.B. ein Kaugummi ausspucken) unnachgiebig verfolgt wurde. Im Ergebnis ist die Kriminalität dort innerhalb weniger Jahre mehr als halbiert worden, und zwar auch die schweren Delikte. Das wird auf den Effekt der „Präsenz“ zurückgeführt. Nahezu jeden erwischt es bei so einer Stragie irgendwann, was dazu führt, dass man die Ordnungshüter als präsent wahrnimmt und das subjektive Gefühl, man könne erwischt werden, erhöht wird.

    Gerade bei den Kleinigkeiten darf man also nichts durchgehen lassen. Wenn jemand mit Ladendiebstahl faktisch folgenlos davonkommt, was in D standard ist, dann ist das ein Signal nicht nur für ungehemmten Ladendiebstahl, sondern auch für sorgenlosigkeit bei anderen Straftaten, fatal.

    Es geht im das SIgnal/Exempel, was notwendig ist, damit man das Problem ins Bewusstsein derer rückt, die gesellschaftlichen Konsens nicht achten.

  22. 22
    Zeitungsleser says:

    Der Bürgermeister von New York… hm… war da nicht ‚was?

    https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolph_Giuliani#Zweite_Amtsperiode