In einer Strafsache, bei der mein Mandant mit einer Geldstrafe rechnen muss, geht es um die Höhe seines Einkommens und der Werthaltigkeit eines etwaigen vorhandenen Vermögens.
Mein Mandant bekommt nicht – wie zum Beispiel ein Richter – monatlich am Ersten im Voraus ein festes Gehalt (dessen Höhe man im Gesetz nachlesen kann). Sondern er verfügt über im Jahresverlauf stark schwankende Einnahmen.
Bei der Vorbereitung einer schriftlichen Stellungnahme möchte ich nun auch Angaben zur Person meines Mandanten und seinem Einkommen machen, um auf diesem Wege auch auf die Höhe des einzelnen Tagessatzes der Geldstrafe Einfluß zu nehmen.
Ich habe ein wenig recherchiert und bin auf einen Aufsatz von RiBGH Professor Dr. Peter König, (JA 2009, 809) gestoßen. Der professorale Bundesrichter, dem ich für die Anregung zu diesem Blogbeitrag danke, schreibt:
Der Angekl. hat das Recht zu schweigen. Er darf auch lügen. Davon wird in der Realität in breitem Umfang Gebrauch gemacht. Es entspricht einem geflügelten Wort, dass es um die soziale Lage Deutschlands katastrophal bestellt wäre, wenn seine Einwohner wirklich so arm wären, wie es nach den Einlassungen von Angeklagten vor den Strafgerichten den Anschein hat.
Was bleibt dem – im Zweifel überlasteten – Richter (in der Regel am Amtsgericht) also? Er müsste die Höhe des Einkommens ermitteln, und zwar wie jedes andere Detail auch, das er zur Grundlage seines Urteils machen möchte; die sogenannte Inquisitionsmaxime des § 244 Abs. 2 StPO gilt auch hier.
Aber der Richter darf insoweit auch den dicken Daumen bemühen, § 40 Abs. 3 StGB, vor allem dann, wenn er zugunsten des Angeklagten schätzt.
Entscheidend ist also, was der Angeklagte (Nota bene: nicht der Verteidiger!) dem Richter über seine finanzielle Situation berichtet. In den meisten Fällen geht ein Richter vom Guten auch im angeklagten Menschen aus und nimmt ihm die gelieferten Zahlen ungeprüft ab.
Das muss der Angeklagte wissen und genau das erzählt ihm sein Verteidiger. Denn der darf und wird nicht für seinen Mandanten schwindeln, auch wenn das immer mal wieder von bös- und ungläubigen Staatsanwälten und Richtern kolportiert wird.
Warum kann in solchen Fällen nicht auf die (gekürzte) Steuererklärung zurückgegriffen werden? Dort wären dann auch schon abzugsfähige Elemente integriert. Der Angeklagte kann ja ggf. darlegen, warum die Steuererklärung des letzten Jahres nun wegen geänderter Lebensumstände nicht mehr gilt…
Davon abgesehen, dass aus verschiedensten Gründen nicht jeder eine Steuererklärung (zeitnah) abgibt oder gar abgeben muss, ist das Nettoeinkommen nur der Ausgangspunkt für die Ermittlung der Höhe eines Tagessatzes.
Gerade Selbständige und Personen, die übertariflich bezahlt werden müssen/sollten eine Steuererklärung abgeben. Wenn nicht kann man ja großzügig (nach oben…) schätzen :-)
Vom zu versteuernden Einkommen kann schon etliches, was auch zur Ermittlung des Tagessatzes relevant ist, abgezogen werden. Falls der Tagessatz geringer als nach dem zu versteuernden Einkommen zu vermuten ausfallen soll kann sich der Angeklagte ja äußern.
Für etliche außertariflich bezahlte Berufe gibt es zudem entsprechende Tabellen im Internet. Wer seine Einnahmen nicht offenlegen will kann ja z.b. mit 110% dieser Tabellenwerte geschätzt werden.
(Ich kenne privat eine Richterin, die Tagessätze gegen einen Chefarzt verhängen sollte, der sich auf „dann schätzen Sie mal“ verließ. Ihm sind dann allerdings die Gesichtszüge etwas entgleist, als sie meinte „ich kenne privat einen Arzt im Krankenhaus, der mir erzählt hat, was ein Chefarzt inklusive Sonderabrechnungen und Boni so verdient“ und den Tagessatz entsprechend ansetzte…)
Ein Richter könnte viel ermitteln lassen. BaFin Anfrage für eine Übersicht aller Konten/Depots (5 Wochen) dann Bankanfragen (4 Wochen), usw.
Aber das würde lange daueren und Verfahren unnötig verzögern, insbesondere wenn man schon so weit ist, dass man sich nur noch um dir Tagessatzhöhe Gedanken machen muss. Und es prophylaktisch bei allen Ermittlungsverfahren zu machen wäre unverhältnismäßig und wurde unnötige Arbeit generieren.
Klar, davon profitieren mal wieder die Menschen mit hohen Einkünften und wirren Zinseinkommen. Das Einkommen eines Schlossers kann man recht treffend schätzen, den Hartz 4 Satz kennt man.
Wer hat, dem wird gegeben. Bzw. in diesem Fall verhältnismäßig weniger genommen.
Ich vergaß, dass auch im Zeitalter der kompletten Computerisierung, in der auch persönlichste (Gesundheits-)Daten „präventiv“ in die Cloud hochgeladen werden Behörden noch etwas länger brauchen…
Wobei gerade die Steuerdaten ja ohnehin online vorliegen und nur eine einzige Stelle abgefragt werden müsste – Elster sei „dank“, Aber das wird vermutlich nich etwas dauern…
Es werden immer glatte Nettobeträge genannt. Unverteidigte Angeklagte wollen schon mal ihr Ansehen erhöhen, indem sie sich mit einem überhöhten Betrag rühmen.
@Engywuck 17:45
wegen der online vorliegenden Steuerdaten empfehle ich einen Blick in § 40 Abs. 4 Nr. 1 und 4 Abgabenordnung. Außerhalb eines Steuerstrafverfahrens kann kein Staatsanwalt und kein Gericht irgendwelche Steuerdaten abfragen.
Für Sozialdaten siehe zB § 73 sgb X. Bei den dort genannten Verbrechenstatbeständen braucht es aber in der Regel keine Abfrage von Sozialdaten, weil da keine Geldstrafe verhängt wird, es sei denn man kann diverse Strafmilderungsmöglichkeiten kombinieren und ggf. unter die 6-Monats-Grenze und damit zum 47 Abs. 2 StGB.
Ich erinnere den Fall eines in 1. Instanz noch unverteidigen Angeklagten, der dem Richter erzählte, er sei Millionär und könne von den Zinsen – seinerzeit gab es noch welche – hervorragend leben. Er fing sich eine saftige Geldstrafe. Tatsächlich bezog der Mandant Sozialleistungen…
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