Kuschelnde Richter: Befangen?

Die Verhältnisse der Strafjustiz in Bayern sind nun ja hinreichend bekannt. Und wenn man aus München (MUC) kommend in Tegel (TXL) einfliegt, wird ein Strafverteidiger schonmal nach der Landung vom Bordpersonal begrüßt:
„Herzlich willkommen im Geltungsbereich der StPO!“

Einen besonderen Touch hat die Augsburger Strafjustiz. Wer als auswärtiger Strafverteidiger dort schonmal seine Erfahrungen sammeln mußte, freut sich, daß er von dort wieder ausreisen durfte, ohne eingesperrt worden zu sein.

Über einen (weiteren) außergewöhnlichen Fall aus Augsburg berichtet Julia Jüttner in einem Artikel auf Spiegel Online: „Wenn Richter sich lieben.“

Die dortige 10. große Strafkammer ist (wie alle großen Strafkammern) besetzt mit 2 Schöffen und 3 Berufsrichtern. Der Vorsitzende Richter ist jedoch nachhaltig liiert mit der Berichterstatterin. Das ist in der Fuggerstadt hinreichend bekannt, bei Strafverteidigern genauso wie im Präsidium des Landgerichts. Für änderungswürdig hält das dort bislang niemand.

Auswärtige Verteidiger haben davon nun auch erfahren und ihrem Mandanten davon berichtet, dessen Wohl und Wehe von eben diesen miteinander kuschelnden Richter abhängt. Dieser Angeklagte hat nun Zweifel an der Unabhängigkeit jener Richter und lehnt sie aus Gründen der Besorgnis ihrer Befangenheit ab.

Ich habe dazu durchaus eine eigene Meinung – nicht nur über die beiden Richter, sondern auch über die Verwaltung und das Präsidium des Gerichts, möchte mich aber zunächst hier einer Bewertung enthalten. Wie sieht das strafprozessuale Laienpublikum eine solche Konstellation?

Sind eheähnlich verbandelte Richter noch (voneinander) unabhängig?


     

 

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Die Frage, wie in dieser Konstellation (außerhalb Augsburgs) zu entscheiden sein wird, ist nicht einfach zu beantworten. Erfahrene Strafverteidiger wie Gerhard Strate und Adam Ahmed (der den Angeklagten in Augsburg verteidigt) vertreten laut Bericht gegenteilige Ansichten.

Anschließen möchte ich mich der Einschätzung von Strate, der von der Journalistin zitiert wird:

Allerdings hält Strate Augsburg für „ein besonderes Pflaster“

Dem ist erst einmal nichts hinzuzufügen.

PS:
Gefunden bei @Rough Justice (Strafverteidiger), der via Twitter @Florientes (Richter) zitiert. Besten Dank an beide!
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Bild (CC0): CaFO6010 / via Pixabay

Dieser Beitrag wurde unter Gericht, Richter veröffentlicht.

13 Antworten auf Kuschelnde Richter: Befangen?

  1. 1
    matthiasausk says:

    Wo die Liebe hinfällt … gegen die Liebe an sich kann man nichts machen. Aber ein vorausschauender Vorgesetzter würde in diesem Fall schon den ANSCHEIN der Befangenheit zu vermeiden suchen …

    Immerhin können die beiden mit einem gemeinsamen Verkehrsmittel fahren, das mag einen der immer knappen Parkplätze sparen …

  2. 2
    meine5cent says:

    Nun ja, ich weiß ja nicht. Das Hin und Her bei der Besetzung der Strafkammer (Beisitzerin raus und dann wieder rein) , wie in dem Artikel geschildert ist etwas seltsam.

    Andererseits mal losgelöst von den konkreten Umständen: das BVerfG fordert schon gewichtige Gründe, wenn ein Präsidium während eines Geschäftsjahres eine Änderung der Geschäftsverteilung beschließen will. Und ob zB plötzliches Bekanntwerden einer Beziehung dafür ausreichen würde, den gesetzlichen Richter auszuwechseln, ist schon etwas schwierig. Ab wann ist es denn eine feste Beziehung? Was ist bei „on-off-Beziehungen“?
    Ehe/Lebenspartnerschaft/Verlöbnis (wie in 52 StPO) wären einigermaßen (mit Ausnahme Verlöbnis….) handfeste bgrenzungskriterien für eine Umbesetzung durch das Präsidium, „Beziehung“ schon schwieriger

    Und außerdem:
    Sind bei einer solchen Konstellation beide Richter befangen oder nur einer? Welcher? Und wen „schießt“ man dann raus?

    Andererseits: würde einer der beiden abgelehnt, und wäre der andere in der Spruchgruppe, die über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hat, müsste er/sie wohl nach § 30 StPO eine Selbstanzeige machen.

    Nicht leicht, aber jedenfalls bei der jährlichen Geschäftsverteilung sollte das Präsidium solche Konstellationen möglichst vermeiden.

  3. 3
    HugoHabicht says:

    @meine5cent
    Die Beziehung soll so fest sein, dass die beiden zusammen wohnen. Klassische nichteheliche Lebensgemeinschaft also.

    Wundern muss man sich nur, dass das in Augsburg nicht dazu führt, dass man selbst vor dem Strafrichter landet.

  4. 4
    RA Ullrich says:

    Schwierige Frage. Einerseits ist die Konstellation, dass ein Richter mit entweder dem Staatsanwalt oder dem Verteidiger liiert ist (alle Berufsbezeichnungen sind als m/w zu verstehen) wie ich meine zu Recht als Befangenheitsgrund angesehen worden, aber diese sind ja im Prozess quasi auch Partei(vertreter). Natürlich hat da derjenige, der seinen Fall mit dem Richter beim Morgenkaffee oder gar im Bett diskutieren kann, einen potentiellen Vorteil und natürlich ist es eine menschliche Neigung, den Ausführungen des Partners eher wohlwollend gegenüberzustehen und den Partner nicht öffentlich zu kritisieren.
    Bei Richtern einer Kammer untereinander könnte man dies allerdings eher weniger kritisch sehen, da sie eben nicht Parteivertreter sind und zudem im Prozess selten in die Verlegenheit kommen, sich öffentlich zu kritisieren, die Beratung des Kollegialgerichts ist ja geheim und findet hinter verschlossenen Türen statt. Die fachliche Reputation und der von außen wahrgenommene berufliche Erfolg des Beisitzers hängt also nicht daran, dass der Vorsitzende mit ihm einer Meinung ist.
    Zudem ist innerhalb eines (womöglich langjährig zusammenarbeitenden) Spruchkörpers eine zumindest freundschaftliche Verbindung der Beteiligten und ein gutes fachliches Einvernehmen wohl tendenziell eher die Regel als die Ausnahme, so dass eine zusätzliche enge persönliche Bindung im Vergleich zum Normalzustand weniger ins Gewicht fällt.

  5. 5
    tom says:

    Naja ich verweise auf §24 StPO. Allein der Verdacht dürfte hier wohl ausreichend sein. Für mich hat das alles ein Geschmäckle würd‘ man im Ländle sagen.

  6. 6
    T.H., RiLG says:

    Ob der vielzitierte verständige Angeklagte wirklich eine Befangenheit fürchten muss, weil der Vorsitzende mit der BE auch überkollegial verbunden ist, wird man bezweifeln dürfen, es sei denn der Angeklagte ist der Ex der BE……

    Nicht von der Hand zu weisen ist aber, dass der Zweck der Besetzung einer Kammer mit mehreren Richtern in Gefahr geraten kann, wenn zwei der Richter – eine halbwegs intakte Beziehung einmal unterstellt, eher kein Interesse an intensiven Diskussionen im Beratungszimmer haben, weil daheim das Schlafzimmer ruft (wobei man, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, nicht zwingend liiert sein muss, um auf beratungsunwillige Vorsitzende zu treffen).

    Von daher ist es zumindest sehr ungeschickt, dass das Präsidium die Sache einfach hat laufen lassen.

  7. 7
    Liebe, Sex und Zärtlichkeiten says:

    Liebe sollte nicht strafbar sein. Auch Richter haben Gefühle.

  8. 8
    Getränkrauspruster says:

    @Nummer3/HugoHabicht
    [quote]Wundern muss man sich nur, dass [das Führen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft] in Augsburg nicht dazu führt, dass man selbst vor dem Strafrichter landet.{/quote]

    Made my day!

  9. 9
    Martin Overath says:

    Was ist, wenn Berufsrichter/Schöffen verwandt, sind, z. B. Geschwister.
    Vorsitzende Richter beurteilen ihre Beisitzer, eine Lebenspartnerschaft ist dann von Vorteil für den sogenannten Beischläfer der Strafkammer.

  10. 10
    Ingo says:

    Das Problem ist weniger dieser Einzelfall, sondern eher die generell katastrophalen Zustände der Strafjustiz in Augsburg.

  11. 11
    RA Ullrich says:

    @ Martin Overath: Den scherzhaften Begriff des „Beischläfers“ der Strafkammer verwenden sie hier nicht ganz korrekt. Diese spöttische Bezeichnung (die mit Sex nichts zu tun hat) bezeichnet in einem Verfahren, in dem die Strafkammer mit drei Berufsrichtern besetzt ist, denjenigen der beiden Beisitzer, der NICHT Berichterstatter ist, also weder die Akte intensiv vorbereiten noch die Verhandlung führen muss und daher in der Verhandlung am ehesten schlafen könnte.

  12. 12
    zu says:

    @RA Ullrich
    Der Beischläfer kann auch den Saal für 10 Minuten verlassen während die Verhandlung weitergeht.

  13. 13

    Die Besorgnis der Befangenheit sehe ich grundsätzlich als gegeben an. Es kommt ja nicht darauf an, ob ein Richter tatsächlich befangen ist oder nicht, sondern nur darauf, ob ein vernünftig denkender Angeklagter ausreichenden Anlass für eine solche Besorgnis hat.

    Das sehe ich hier so. Auch Richter sind Menschen. Und niemand weiß genau, wie stark sie untereinander berufliches und privates zu trennen vermögen. Niemand kennt die Temperamente der beiden. weiß daher, ob auch nur einer der beiden im Zweifel dem anderen folgt, nur um privat die Harmonie zu wahren.

    Und sollen jetzt die beiden in ihren dienstlichen Äußerungen allen Ernstes ausführen, wie sie privat so drauf sind? Dass unterschiedliche Ansichten im Beratungszimmer keinerlei Auswirkungen darauf haben, ob man die Nacht im gemeinsamen Schlafzimmer verbringt oder getrennt? Und ob man nach hitziger Diskussion im Gerichtssaal immer noch imstande ist, abends gemütlich miteinander essen zu gehen, anstatt einerseits in die Kneipe zu Freunden zu wandern und andererseits zur Freunden zum Weintrinken – hauptsache weg von dem, der einem fachlich gegenüber dem Beisitzer in den Rücken gefallen ist?

    Alles völlig absurd. Und meines Erachtens hätten sich die beiden am besten selbst ablehnen müssen.

    Damit sollte auch klar sein, bei dem die Besorgnis der Befangenheit besteht: bei beiden!