Neiddebatten mit der Staatsanwaltschaft

In einer Wirtschaftsstrafsache wird dem Mandanten vorgeworfen, einige Vorschriften u.a. des Insolvenzrechts nicht beachtet zu haben. Es ging um eine nebenberuflich geführte Gesellschaft, die irgendwann aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr überleben konnte.

Die Staatsanwaltschaft ließ sich nicht davon abhalten, den Erlaß eines Strafbefehls zu beantragen. Und das Gericht hatte kein Problem damit, diesem Antrag stattzugeben.

Nun müssten Staatsanwälte eigentlich nicht nur den Tatbestand ermitteln, sondern auch die Höhe des Einkommens des Beschuldigten. Das war dem Staatsanwalt in diesem Verfahren aber schlicht zu mühsam. Deswegen hat er von dem Beruf des Mandanten auf die Höhe seines Einkommens geschlossen und sich dabei von den Vorurteilen leiten lassen, die man allgemeinhin in der gesicherten und verarmten Beamtenschaft pflegt.

Das sieht dann im Ergebnis so (fürchterlich) aus:

Wenn man das einmal zurückrechnet, was sich der wirtschaftlich verarmende Staatsanwalt vorstellt, der ein bestimmtes Bild von klassischen Berufen hat, soll mein Mandant über ein monatliches Nettoeinkommen von 9.000 Euro verfügen können.

Ich weiß nicht, in welcher Welt dieser Ermittler lebt, aber seine Schätzung wirft kein gutes Licht auf dessen Charakter. Dass es auch Menschen gibt, die trotz hohen Ansehens nur ein durchschnittliches Gehalt bekommen, darüber werde ich mit dem Ankläger dann in der Hauptverhandlung debattieren.

__
Bild: © Thomas Max Müller / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Staatsanwaltschaft, Wirtschaftsstrafrecht veröffentlicht.

14 Antworten auf Neiddebatten mit der Staatsanwaltschaft

  1. 1
    Berti says:

    Ich verstehe nicht ganz, woraus sich jetzt gerade ein „Neid“ ergeben soll, wenn der Staatsanwalt das Einkommen zu hoch schätzt.

  2. 2
    jansalterego says:

    Mandant ist *checkt Glaskugel und eigene Vorurteile* Zahnarzt! Was hab ich gewonnen?

  3. 3
    M. says:

    Kann da der Staatsanwalt einfach mal beim Finanzamt anrufen und nach der letzten Steuererklärung fragen oder steht dem der Datenschutz entgegen?

  4. 4
    Willi says:

    @M

    Selbstverständlich kann der Statsanwalt anrufen und fragen. Dem steht natürlich der Datenschutz nicht entgegen.

    Sollte der Staatsanwalt jedoch dabei erwähnen dass es um eine Festsetztung des Tagessatzes in einem Strafverfahren geht dürfte der Datenschutz schon wuschig werden.

    Und spätestens wenn der Finanzbeamte etwas anderes sagt als „Kenn wa nich“ ist der Datenschutz ganz schön sauer.

    Was natürlich am Ende nur einen interessiert wenn es ruchbar wird….

    Sorry, ist bald Weihnachten :-)

  5. 5
    moep says:

    @Willi:

    also ich möchte nicht, dass das Finanzamt einem Staatsanwalt sagt, dass ich da nicht bekannt wäre ^^
    Schon gar nicht in einem laufenden Insolvenzverfahren.

  6. 6
    Peter says:

    Ich frag mich eher, wieso der Verteidiger im Verfahren nicht einfach mal auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hingewiesen hat?

  7. 7
    DasIcke says:

    Warum werden eigentlich aus 670 Tagessätzen der Einzelstrafen in der Gesamtstrafe „nur“ 200 Tagesätze?

  8. 8
    die andere Seite says:

    Weil sicher auch mal der umgekehrte Fall passiert und der Tagessatz zu niedrig angesetzt wird.
    Gemeckert wird immer erst wenn es teurer als erwartet wird. Bei billiger sagt man einfach „Schwein gehabt“.

  9. 9
    die andere Seite says:

    Sorry nicht schnell genug gewesen.
    Meine Antwort war für Peter.
    Zu Dasicke: Juristen können nicht rechnen ;-)

  10. 10
    WPR_bei_WBS says:

    Es wäre hilfreich für die Einordnung, wenn man auch erfahren würde, welchen „klassischen Beruf“ mit „hohem Ansehen“, aber „nur durchschnittlichem Gehalt“ der Mandant denn so hat.

  11. 11
    JLloyd says:

    Die Spieltheorie gibt auch hier Auskunft: Das Tauziehen um den Tagessatz ist ein klassisches Nullsummenspiel. Der Eröffner stellt die „MEF“, (Für „maximal ernstzunehmende Forderung“) und bildet auf diese Weise einen Anker, worauf der Zweitziehende reagieren muss.

    Im vorliegenden Fall wird (auch klassisch) zunächst die Ernsthaftigkeit der Forderung angezweifelt und somit versucht eine Flexibilität zu schaffen. Dann sollte die eigene Forderung möglichst mit vermeintlichen Tatsachen untermauert dargelegt werden, z.B. „Also die letzten Abrechnungen meines Mandanten, die ich zufällig einsehen konnte, wiesen ein Monatsnetto von ca. €2998,- aus, aber er hat ja noch eine einkommenslose Ehefrau, so dass nur €2.111,-, mithin ein Tagessatz von €70,- herauskäme.

    Richter (idealerweise nach länglicher HV mit Rücksprung in eine Unschuldsverteidigung bzgl eines der beiden Anklagepunkte) will dem bis dato unbefleckten Angeklagten 100 Tagessätze à €70,- aufbrummen, worauf der Anwalt ihm in die Beratung noch die Option mitgibt, daraus doch für die Staatskasse kostenneutrale 70 Tagessätze à €100,- (mit bekanntlich günstigeren Konsequenten für den Angeklagten) zu machen.

    Unter dem Aspekt der Ankerbildung ist es immer besser eine HV anzustreben, denn da hat zwar auch der Staatsanwalt das erste Wort, aber man kann seine Worte bereits durch ein Vorgeplänkel einrahmen.

  12. 12
    WPR_bei_WBS says:

    @JLoyd

    Und im Ergebnis gibt’s dann 100 Tagessätze (ist nun mal das Strafmaß, dass der Richter für richtig erachtet) a 100 EUR (man schließlich angegeben, dass das Einkommen entsprechend hoch ist).

  13. 13
    Karl Ranseier says:

    @Peter

    AFAIK ist so ein Strafbefehl VOR einem Gerichtsverfahren.
    Es ist quasi ein „Angebot“ der Staatsanwaltschaft den Fall und weitere Ermittlungen zu beenden, wenn man das, was die Staatsanwaltschaft im Strafbefehl an Strafe vorschlägt, akzeptiert.

    Aber: IANAL

  14. 14
    quicker-easier says:

    Also:

    a) würde ich mal vermuten, dass der Tagessatz mindestens genauso oft zu niedrig geschätzt wird wie zu hoch;

    b) kommt es nicht sehr überzeugend ‚über, jemand anderem ohne jeden nachvollziehbaren Anhaltspunkt einen schlechten Charakter zu bescheinigen, ihn aber gleichzeitig möglichst verächtlich zu machen;

    c) ist es völlig normal, das Einkommen zu schätzen, wenn es dazu keine gesicherten Erkenntnisse gibt;

    d) und hätte Ihr Mandant sich zur Höhe seines Einkommens ja einlassen können. Musste er nicht, aber wenn man’s unterlässt, riskiert man halt eine Schätzung. Das ist häufig gut (siehe oben a), kann aber auch nach hinten losgehen. Dann hat man halt Pech gehabt und muss versuchen, davon wieder ‚runterzukommen.