Nicht gut gelaufen – für den Verteidiger

Die Berliner Zeitung berichtete heute über einen kleinen Prozeß vor dem AG Tiergarten. Die Angeklagte hat sich über ihren Verteidiger zur Anklage eingelassen und die ihr zur Last gelegten Vorwürfe als „in tatsächlicher Hinsicht“ zutreffend bezeichnet. Also ein so genanntes Geständnis durch Verteidiger-Erklärung.

Angesichts der Tatvorwürfe (vorsätzliche Körperverletzung, Beleidigung und sexueller Übergriff) erscheint mir – allerdings ohne Kenntnis weiterer Details – das Ergebnis als durchaus akzeptabel: 90 Tagessätze Geldstrafe.

Nach der Urteilsverkündung, Rechtsmittelverzicht(!) und Schluß der Verhandlung gibt die Angeklagte auf dem Gerichtsflur lautstark eine Erklärung ab. Nämlich daß sie …

… auf Anraten ihres Anwalts einfach Dinge zugegeben habe, die sie nicht getan habe.

Ich bin mir sehr sicher, daß das nicht mit dem Verteidiger abgesprochen war. Und der wird nicht amüsiert sein über das Verhalten seiner (ehemaligen?) Mandantin.

Dieser Beitrag wurde unter Verteidigung veröffentlicht.

20 Antworten auf Nicht gut gelaufen – für den Verteidiger

  1. 1
    Thorsten says:

    Es soll tatsächlich Kollegen geben, die einen vehement bestreitenden Mandanten sogar zu einem Geständnis drängen.

    Würde ich nie machen. Die eigene, ggf. sehr negative Einschätzung der Aktenlage muss ich dem Mandanten mitteilen und ihm mehrere Verteidigungsstrategien aufzeigen mit Wertungen wie „empfehle ich sehr“ und „empfehle ich weniger“. Die Entscheidung, wie er verteidigt werden möchte, trifft dann der Mandant alleine.

    • Ich bin mir sehr sicher, daß Mirko Röder, ein langjährig erfahrener und sehr guter Strafverteidiger, genau so verfahren ist, wie Sie es in dem zweiten Absatz beschrieben haben.
       
      Dennoch kann man sich als Verteidiger vor solch üblen Statements wie das des Sternchens nach dem Termin nicht schützen. crh
  2. 2
    docmw says:

    „Die Entscheidung, wie er verteidigt werden möchte, trifft dann der Mandant alleine.“

    Ja, dann gibt es aber auch noch die (krassen Einzel-)Fälle, in denen es der Anwalt einfach besser zu wissen glaubt, als der Mandant: http://www.wn.de/Muenster/2851974-Gericht-Anwalt-hat-gegen-Interessen-von-Mandanten-gehandelt-Jurist-zu-Bewaehrungsstrafe-verurteilt

  3. 3
    Maste says:

    Der Mandant von heute ist der potentielle Feind von morgen…So schaut´s leider aus.

  4. 4
    Max says:

    Das ist halt auch Meinungsfreiheit, wenn man sich seine Wahrheiten bastelt wie man möchte (und diese dann auch noch verkündet). Mein Beileid zu so einer Mandantin.

  5. 5
    quicker-easier says:

    @crh:
    Ist sicher richtig, dass das Statement nicht stimmt und die Angeklagte einfach nur versucht, auf Kosten des Anwalts in der Presse gut dazustehen.

    Aber dass man sich vor solchen Geschichten gar nicht schützen kann, sehe ich anders: Man kann zumindest diese Unsitte unterlassen, vor Gericht im Namen der Mandanten Einlassungen zur Sache abzugeben. Wer als Verteidiger/in dem Mandanten sogar das Reden abnimmt, bereitet genau solchen Ausreden („es war ja eigentlich ganz anders, aber mein Verteidiger hat mich daran gehindert zu sagen, wie es wirklich war“) den Boden.

    Und ja: natürlich sind solche Verteidigererklärungen völlig üblich. Aber das ändert nichts daran, dass sie rechtsstaatlich problematisch sind und an sich nicht zu den Aufgaben des Verteidigers gehören. Deshalb hält sich mein Mitleid mit dem Verteidiger in Grenzen.

  6. 6
    alter Jakob says:

    @quicker-easier: Wie soll das helfen, solche Aussagen zu vermeiden? Dann gesteht sie halt selbst vor Gericht und sagt dann hinterher, dass sie nur gestanden hat, weil ihr Anwalt ihr dazu geraten hat. Ist genau die gleiche Aussenwirkung. Nur weil der Anwalt das Geständnis vorträgt, hat er ja nicht gegen den Willen der Mandantin gehandelt.

    @topic: Aber ich finde die Aussage nach der Verhandlung jetzt gar nicht sooo schlimm. Vielleicht dumm/unglücklich formuliert, aber grundsätzlich würde ich das nicht gegen den Anwalt gerichtet sehen. Nach dem Motto „Mein Anwalt meinte dass die Geschichte aussichtslos ist, auch wenn ich unschuldig bin. Da haben wir halt die geringste Strafe genommen, die möglich war.“ Ist halt der Versuch noch irgendwie einen Teil des Rufs zu retten. Die Fans werden’s zum Teil sicher glauben (Donald Trump macht’s ja genauso).

  7. 7
    quicker-easier says:

    @alter Jakob:
    Schon klar. Ich habe ja auch nicht behauptet, dass man solche Aussagen auf diese Weise ganz vermeiden kann. Aber es gibt imho schon einen – psychologischen – Unterschied: Wenn die Frau vor Gericht das Geständnis selbst abgelegt hätte, statt nur ihren Anwalt reden zu lassen, wäre es ihr danach nicht so leicht gefallen, sich davon wieder zu distanzieren.

    Und natürlich ist so eine Aussage für den Ruf des Anwalts ziemlich verheerend – zumindest bei denen, die der Frau glauben (was vermutlich nicht allzu viele sind): was sie gesagt hat, war sinngemäß nichts anderes als „Ich bin unschuldig und wurde trotzdem verurteilt, und mein Anwalt hat dagegen nichts gemacht und mich auch noch überredet, das zu akzeptieren.“ Das ist schon ziemlich gegen den Anwalt gerichtet.

  8. 8
    WPR_bei_WBS says:

    Und die ganzen Zeugen bei dem Vorfall haben sich das alle auch nur ausgedacht…

  9. 9
    Joachim Breu says:

    Kennt keiner die Sorte Mandant, die zwar gerne zugeben, was in der u.U. folgenden Beweisaufnahme ohnehin erwiesen werden würde und zum Straftat- / Anklagevorwurf gehört, deren Sendungsbewusstsein damit aber längst nicht endet? Die ein „im Großen & Ganzen trifft der Vorwurf zu wie angeklagt“ nicht ohne nachfolgendes „aber …“ hinbekommen?

  10. 10
    meine5cent says:

    Vielleicht sollten Anwälte auch vermeiden, c-prominente „TV-Sternchen“ zur Mandantin zu haben. Das geht immer wieder schief, weil die offenbar häufig eine ungesunde Mischung aus Kamerageilheit und psychishem Defekt aufweisen,die kein noch so kompetenter Anwalt einbremsen kann.. SIehe zB Edna Jones, Gina Lisa,….
    Bei der Sachlage (laut BZ Angriffe/beleidigungen auf/gegen mindestens drei womöglich nicht komplottiverdächtige Opfer) war ein Geständnis wohl ohnehin die beste Option.

  11. 11
    Silke_ says:

    Tja, manch ein Promi bzw. Möchtegern-Promi verträgt eben den Ruhm und Medienrumel,- manch anderer eben nicht. Die Angeklagte scheint wohl eher zur 2. Sorte zu gehören. (das beziehe ich aber auf ihr Verhalten auf dem Kreuzfahrtschifft, nicht auf das im Gericht).
    Fairerweise aber auch folgender Hnweis:
    1. der Artikel der Berliner zeitung stand gestern nicht in der (gedruckten) zeitung, weil die Verhandlung nämlich erst gestern (am Dienstag) stattfand. Herr Hoenig hat da wohl schnell mal die ungewohnlch schnell eingestellte Onlne-Berichterstattung der Zeitung verlinkt.
    2. und vor allem: Im „Berliner Kuirier“ vom Dienstag, gedruckte Ausgabe, stand sehr wohl etwas vom Prozess (mit Ankündigung: heute findet die verhandlung statt). In diesem Artikel stand imteressanterweise, dass der Anwalt der Angeklagten wohl die Vorwürfe als unberechtigt darstellen wollte !!
    Zitat Berliner Kurer, Seite 12, ganzseitiger Artikel:
    nach einem Statement einer Vertreterin der Staatswanwaltschaft mit den Aklagevrwürfen folgt der Satz: „Melody H.s Anwalt sieht darin eine Intrige.“
    Das zeigt ja wohl sehr deulich, dass der Anwalt zunächst eine andere Verteidigungsstrategie hatte, nämlich die Vorwürfe zu bestreiten.
    Offenbar hat er das wohl erst in der Verhandlung geändert, klingt für mich sogar stark nach einem sogenannten „Deal“ zwischen Anwalt, Gericht und Staatsanwaltschaft , also eine interne Absprache bei Abwesenheit der Angeklagten. nach dem Motto: Die Angeklagte gesteht vollumfänglich und bekommt dafür eine etwas mildere Strafe.
    Auf solch einen Deal deutet auch der sofortige Rechtstmittelverzicht (!) vom Anwalt und Sta hin.
    Insofern kann es sehr wohl sein, dass die Angeklagte vielleicht gar nicht alle ihr zur Last gelegten Taten begangen hat, sondern nur einen teil davon, aber der Anwalt dann eben dieses Vollgeständnis ausgedealt hat.
    Insofern kann es sein, dass die Angeklagte – bzw. inzwischen offiziell Verurteilte (ohne Rechhtsmittelchance!!) durchaus auf dem Gerichtsflur die Wahheit gesagt hat.

    • § 302 I S. 2 StPO: „Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c StPO) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen.“ Ihre ins Blaue erhobene Vermutung, es habe eine förmliche Verständigung stattgefunden, kann nicht stimmen. crh
  12. 12
    Mirko Laudon says:

    Aber vor dem Saal warteten doch die ganzen Fernsehkameras, da musste sie das doch sagen! Wie wäre es denn sonst um ihren Ruf bestellt?

  13. 13
    Flo says:

    @Silke, wie soll der Anwalt die Sache sonst gegenüber der Presse darstellen? Optimal wäre natürlich nichts zu sagen, aber vor dem Prozess wird er sicher nicht gegenüber der Presse einräumen das an der Anklage was dran sein kann oder gar ist.

  14. 14
    Silke says:

    @ Flo
    Ein Anwalt ist nicht dazu verpflichtet der Presse Auskunft zu erteilen. Er kann – er muss aber nicht.
    Und im vorliegenden Fall wäre es wohl sinnvoller gewesen nichts zu sagen. Bzw auf die Hauptverhandlung zu verweisen. So aber hat sich dieser Anwalt mit seinem vorab-Statement ein gewaltiges Eigentor geschossen. Denn wenn er kurz vor der Verhandlung gegenüber der Presse sagt, die Vorwürfe gegen seine Mandantin seien haltlos und das alles sei eine Intrige gegen seine Mandantin – aber einen Tag später soll seine Mandantin in der Verhandlung dann plötzlich- auf Anraten eben dieses Anwaltes – alles gestehen,sich fuer vollumfänglich schuldig erklären und sogar nach erfolgter Verurteilung einen Rechtsmittelverrzicht erklären ist das nun mal ausgesprochen seltsam. Und wirft kein so Wahnsinnsgutes Licht auf diesen Anwalt.

  15. 15
    Flo says:

    @Silke, ich kenne jetzt die gedruckten Artikel nicht, aber hat das der Anwalt wirklich so wörtlich gesagt?
    Oder hat sich da nicht evtl vielleicht jemand bei der Zeitung das passend zu recht gebogen? „Melody H.s Anwalt sieht die Vorwürfe als nicht erwiesen an“ klingt doch deutlich langweiliger, oder?

  16. 16
    Silke_ says:

    @ Flo
    Scheinbar hat der Anwalt das wohl nahezu wörlich so zur Presse gesagt. Zumindest die Berliner B.Z. zitiert ihn wörtlich im Artikel „Prozessauftakt: Melody Haase rastete auf der Aida aus“ (Artikel v. 09.01., Autor Matthias Becker): Zitat B.Z:: Ihr Anwalt Mirko Röder zeigte sich der B.Z. gegenüber schockiert. „Die Vorwürfe sind völlig aus der Luft gegriffen. Meine Mandantin wurde als Prominente das Opfer einer Intrige.“
    Unf da die B.Z. dies ausdrücklich als Originalzitat vom Anwalt grkennzeichnet hat durch die Anführungsstriche, kann man n diesem Fall (B.Z.) zu nahezu 100 % davon ausgehen, dass die B.Z. tatsächlich selbst den Anwalt kontaktiert hat (vor der Verhandlung) und dies so wörtlich von ihm als Antwort erhalten hat.

  17. 17
    nala says:

    Laut Wiki arbeitet die Dame als Kinderanimateurin. Hmm. Besonders gefallen (nur in rechtlicher Hinsicht) hat mir die sexuelle Belästigung der 16jährigen, schade, dass man auf Youtube dazu nichts findet. Ihr Glück nur, dass sie bestenfalls C-Promi ist und nicht männlichen Geschlechts.

  18. 18

    […] Hoenig berichtet in einem Blogbeitrag von einem Fall, in dem der Verteidiger für seine Mandantin das Geständnis vorgetragen hatte, […]

  19. 19
    Mirco says:

    Wo liegt das Problem? Die Angeklagte hat sich eine Beweisaufnahme gespart, die in ihrer Auswirkung vermutlich schwerwiegender gewesen wäre als letztendlich das Urteil und stellt nach dem Urteil, also im wichtigeren Verfahren vor der Öffentlichkeit, ihre Sicht der Dinge dar.

    • Das Problem liegt in dem Vorwurf, der Verteidiger habe sie nicht richtig verteidigt (aka: ihre Interessen verraten). Und der Verteidiger kann sich – wegen seiner Schweigepflicht – gegen diesen Vorwurf nicht verteidigen. crh
  20. 20
    Mirco says:

    Den Vorwurf der schlechten Verteidigung kann ich aus dem einen Satz aber nicht herauslesen. Natürlich kann man ihn hineininterpretieren, wie man auch das Gegenteil hineininterpretieren kann.