Noch einmal: Der Irrsinn mit den Aktenkopien

Wenn ein Rechtsanwalt seinem Mandanten zum Pflichtverteidiger bestellt wird, muß die Justizkasse dem Verteidiger die gesetzlichen Gebühren und Auslagen erstatten.

Relativ problemlos ist die Abrechnung der Gebühren. Da gibt es knackige Regeln und feste Beträge im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).

Anders sieht es aus mit den Auslagen, hochproblematisch ist die Abrechnung der Kopien. Das sieht man dem Gesetz von außen nicht an.

Ziffer 7000 des Vergütungsverzeichnisses (VV) des RVG
… regelt die

Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten […] für Kopien und Ausdrucke […] aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war.

Für die ersten 50 abzurechnenden Seiten gibt es für jede kopierte Seite 0,50 €, für jede weitere dann 0,15 €.

Alles klar soweit?
Dann schauen wir uns mal die – Berliner – Praxis an.

Wir haben Akteneinsicht beantragt und das Gericht überläßt uns … sagen wir mal … die 6 Bände der Gerichtsakte. Wir scannen sie ein und geben die Papierakten wieder zurück. Das sind 1.500 Blatt, nach Nr. 7000 VV RVG. Macht: 50 x 0,50 € plus 1.450 x 0,15 € = 242,50 €.

Erstattungsanspruch?
Was erstattet die Berliner Justizkasse? Nichts! Null. Keinen Cent. Und das seit 2015.

Und warum?
Das erklärt uns der Rechtspfleger einer Berliner Strafkammer:

Insoweit wird unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Kammergerichts vom 28.08.2015 zu – 1 Ws 51/15 – zunächst um Angabe gebeten, ob die geltend gemachten Seiten ausschließlich als Fotokopie in Papierform und nicht zusätzlich zu einem ( von Ihnen selbst/Ihrer Kanzlei, einem beauftragten Dienstleistungsunternehmen, z.B. Copycenter, oder von anderer Seite, z. B. Gericht, Staatsanwaltschaft, Mitverteidiger zur Verfügung gestellten) elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden.

Sofern die Kopien nicht zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden, wird gebeten, dies durch eine entsprechende anwaltliche Versicherung glaubhaft zu machen.

Soweit Kopien / Ausdrucke zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden, wird gebeten, deren Erforderlichkeit näher darzulegen bzw. zu begründen.

Ferner werden Sie um Einreichung des von Ihnen gefertigten Fotokopiensatzes zur Glaubhaftmachung gebeten. Erst dann kann eine Notwendigkeit und Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Beträge von hieraus geprüft werden.

Es wird darauf hingewiesen, dass einen Einreichung per Fax nicht einen Nachweis in körperlicher Form darstellt. Kopierauslagen nach Nr. 7000 VV RVG n. F. – anders als nach Nr. 7000 VV RVG a. F. – fallen nur dann an, wenn tatsächlich auch Kopien in körperlicher Form erstellt wurden. Um dem gerecht zu werden, kann daher grundsätzlich nicht auf die Vorlage der Kopien als Anspruchsnachweis verzichtet werden.

Die Darlegungs- und Beibringungspflicht liegt insoweit bei Ihnen, vgl. Kammergericht, Beschluss vom 5.10.16 -1 Ws 42/16 und 29.3.2017 – 1 Ws 15/17.

Ferner wird darauf hingewiesen, dass Kosten, die Ihnen im Rahmen der Durchsetzung des eigenen Pflichtverteidigervergütungsanspruchs entstehen ( z.B. für Einreichung/ Übermittlung/Übersendung bzw. Abholung der Kopien) als allgemeine Geschäftsunkosten nicht zu erstatten sind.

Dieser epische Vortrag ist das Resultat vielfältiger Auseinandersetzungen zwischen den Berliner Verteidigern und der Justiz.

Das bedeutet:
Wir kopieren die Akten, weil wir ohne Aktenkopien die Mandanten nicht verteidigen können. Der Aufwand, den wir mit der Erstellung der Kopien haben, wird nicht vergütet. Weil wir die Kopien in digitalisierter Form herstellen.

Übrigens:
Sobald die Akten einmal digitalisiert wurden, ist es de facto vorbei mit dem Erstattungsanspruch. Der naheliegende Gedanke, einscannen und dann ausdrucken, wird von der Argumentation der Richter am Kammergericht ins Nirwana umgeleitet.

Keine Alternative
Und wenn man sich jetzt einmal die Arbeitsweise eines Kopierers anschaut – was die Berliner Richter sehr intensiv gemacht haben – weiß man, daß auch der umgekehrte Weg – erstmal ausdrucken und dann (heimlich) einscannen – auch nicht geht. Denn jeder handelsübliche Kopierer scannt erst einmal das Original ein, bevor er an die Druckereinheit weiterleitet. Aus die Maus mit 7000 VV RVG.

Spitzeldienste
Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzten, wurden den Jusitzbediensteten aufgegeben, darauf zu achten, welche Verteidiger mit digitalen Aktenkopien arbeiten und welche die Aktenkopien mit der Sackkarre in den Gerichtssaal schleppen.

Auswege?
Legale Möglichkeiten (also außerhalb des § 263 III StGB), den Aufwand erstattet zu bekommen, sehe ich nicht. Vorschläge anyone?

Hinweis:
Ich hatte zu diesem Thema bereits 2015 einen Blogbeitrag geschrieben, der weitere Links zu den Hintergründen enthält.

Update:
Den vollständigen Verfahrensgang zu der Entscheidung des Kammergericht 1 Ws 64/15 habe ich hier als PDF (13 MB) hinterlegt.

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Bild: © Frank Offermann / pixelio.de

Dieser Beitrag wurde unter Justiz, Kosten, Ziffer 7000 Nr. 1a RVG VV veröffentlicht.

37 Antworten auf Noch einmal: Der Irrsinn mit den Aktenkopien

  1. 1
    egal says:

    Diese Verwaltungspraxis soll bei den Verantwortlichen im BMJ wohl nicht beabsichtigt gewesen sein. Insoweit hilft wohl nur eine Klarstellung im Gesetz. Also Mal mit dem BMJ reden?

  2. 2
    Mondschein says:

    @ crh
    Nunja, wenn Sie in Ihrem eigenen Blog ständig darauf hinweisen, dass Sie nur noch digitale Aktenfuehrung betreiben, brauchen Sie sich doch nicht wundern, dass die KF-Beamten Ihnen das mit den ausgedruckten Akten nicht abnehmen. Allerdings ist dies nicht auf dem „neuesten Stand der Technik“. da Sie ja wohl einen externen Dienstleister mit dem Einscannen der Akte beauftragen, schicken Sie doch einfach mal diese Rechnung ans Gericht.

    • Wir drucken in der Regel unsere Aktenkopien nicht aus. Und deswegen rechnen wir auch keine Papierkopien ab. Der Aufwand für den Druck von Kopien ist nahezu identisch mit dem der Herstellung von digitalen Kopien. Und ob ich mich persönlich an den Scanner stelle, einen Mitarbeiter oder einen externen Dienstleister beauftrage, mach kostenrechtlich keinen Unterschied, auch nach gegenwärtiger Gerichtspraxis. crh

    Aber Sie sollten fairerweise nicht verschweigen: wenn Sie die Kopiekosten nicht vom Gericht erstattet bekommen werden Sie das sicher von Ihrem Mandanten einfordern. Machen jedenfalls viele Anwaelte so.

    • Im Zusammenhang mit einer Pflichtverteidigung ist die Geltendmachung von Kosten gegenüber dem Mandanten nur sehr eingeschränkt möglich – aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen.
       
      Bitte liefern Sie konkrete Zahlen für die „vielen Anwälte“; Ihre Behauptung ist falsch. Seit 2015 bleiben die „vielen Anwälte“ auf den Kosten für die Kopien sitzen, die sie angefertigt haben, um ihre Mandanten verteidigen zu können. crh
  3. 3
    RA Reinhardt says:

    Ausweg?:

    „2) Werden zum Zweck der Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien Dokumente im Einverständnis mit dem Auftraggeber zuvor von der Papierform in die elektronische Form übertragen, beträgt die Dokumentenpauschale nach Nummer 2 nicht weniger, als die Dokumentenpauschale im Fall der Nummer 1 betragen würde.“

  4. 4
    Spormann says:

    Auf die beschriebene Weise um den Ersatz von Auslagen gebracht könnte man fast auf die Idee kommen, einen unsinnigen, aber nicht ablehnbaren Beweisantrag zu stellen, um auf diese Weise durch die Vergütung für einen weiteren Tag der Hauptverhandlung zum gerechten wirtschaftlichen Ergebnis zu kommen. ?

    • Das ist allerdings für den Verteidiger mit dem Aufwand verbunden, erst diesen Beweisantrag zu erstellen und dann an dem Termin auch teilnehmen zu müssen. Die Idee ist eher nicht gut.
       
      Was hältst Du aber von folgendem Gedanken: Du beantragst beim Gericht, Dir kostenlos eine digitale Kopie zur Verfügung zu stellen, verbunden mit der Begründung, daß Dir nicht zuzumuten ist, Kopien auf eigene Kosten herzustellen. Wird Dein Antrag abgelehnt, kannst Du den Mandanten nicht verteidigen und beantragst die Aussetzung. … Wenn der Konflikt dem Mdt nicht auf die Füße fällt, kann man im Einzelfall darüber mal nachdenken …
       
      Es gibt übrigens – auch bei den Berliner Strafkammern – Verständnis vieler Richter für die Kritik an der Rechtsprechung des Kammergerichts. crh
  5. 5
    Mondschein says:

    Nun – um genau so etwas zu verhindern: Anwalt muss die übersandte original-Gerichtsakte am kanzlei-drucker selbst ausdrucken oder von Reno ausdrucken lassen oder von externem Dienstleister einscannen lassen, wurde ja das beA erfunden. Funktioniert nur eben nicht.
    Vorschlag zur Güte im konkreten Fall: Sie drucken alle 1500 Seiten tatsächlich aus und ziehen dann mitsamt diesen und großer Sackkarre – und Kameratema von RTL, ZDF oder sonstwem zum Gericht und überreichen dem Rechtspfleger persönlich die zur Glaubhaftmachung angeforderten Originalkopien. Aber zur korrekten Übergabe soll der Rechtspfleger natürlich genau alle Seiten extra nachzählen.
    das dürfte dann wohl so um die 2 Stunden dauern. Und spätestens dann wird der Rechtspfleger wohl bereuen, von Ihnen die Papierkopien zum korrekten Nachweis angefordert zu haben.

    • Sie haben die Rechtsprechung des Kammergericht noch nicht durchdrungen: Selbst das Ausdrucken der Kopien führt nicht zum Erstattungsanspruch. Das Kammergericht sieht schlicht kein Erstattung mehr vor. Und das genau ist das Problem. Die Kopienkosten bleiben beim Verteidiger hängen, egal wie man es dreht und wendet. crh
  6. 6
    RA Schepers says:

    Nr. 7000 VV RVG regelteine pauschale Abrechnung der Kopien etc.

    Ist nicht eine konkrete Abrechnung der tatsächlich entstandenen Kosten gemäß Vorbemerkung 7 Absatz 1 Satz VV RVG möglich in Verbindung mit §§ 675, 670 BGB)?

    • Diese Idee hatten andere (u.a. unsere Kanzlei) auch schon. Das KG hat sie verworfen. crh
  7. 7
    Zielfahnder Krawuttke says:

    Man könnte ja eine Änderung des RVG mal an die RAK herantragen. DIe ist doch eigentlich für „Interessenvertretung“ der Anwälte zuständig. DIe Entwurfsverfasser der RVG Anhänge kannten zwar schon Scanner, aber sicherlich nicht die Möglichkeit der vollelektronischen Aktenführung auch im Sitzungssaal. Freilich muss man dann auch riskieren, dass die Centbeträge nach unten angepasst bzw. gestaffelt werden (für elektronische Daten entfallen ja Raummeter für Regale, Aktendeckel und Papier nebst Toner). Dafür gibt es kostengünstige Festplatten bzw. Serverkapazitäten. Scanner bzw. Kopierer sind ja i.d.R. „one device fits all“ und eshalb bei der Kostendifferenzierung zu vernachlässigen.

    Vorschlag neu:

    Für die ersten 50 abzurechnenden Papierkopien gibt es für jede Seite 0,25 €, für jede weitere dann 0,10 €. Im Fall des scannens und elektronischen Speicherns für die erste gescannte Seite 2,50 € und für jede weitere Seite dann 0,02 €.

  8. 8
    Mondschein says:

    @ crh
    Ich habe die Rechtsprechung des Kammergericht leider noch gar nicht gelesen- keine Zeit. Und meine Bemerkung mit Sackkarre und 1500 Seiten Papierkopien persönlich zum Gericht hingehen war natürlich eher satirisch gemeint.
    Aber vielleicht hab ich heut abend mal Zeit die Rspr des KG durchzulesen und vielleicht faellt mir dann noch ein gutes Argument ein.
    Klingt momentan jedenfalls nach gesetzeswidriger Auffassung des Kammergericht.

  9. 9
    RA Schepers says:

    Wenn der Mandant mitspielt, fällt mir noch folgende Variante ein:

    Vorschuß anfordern nach § 47 RVG wegen der zu erwartenden Kopierkosten mit dem Hinweis, daß beabsichtigt ist, die Akte einzuscannen. Wenn der Vorschuß nicht gewährt wird, auch nicht kopieren.

    Stattdessen Einstellung des Verfahrens beantragen, weil eine ordnungsgemäße Verteidigung nicht möglich ist.

    Und dann das Ganze bis über das Kammergericht bringen, um eine Änderung der Rechtsprechung herbeizuführen.

    Alternativ, da Kopieren / Scannen nicht bezahlt wird, auch während des Verfahrens / der Verhandlung Akteneinsicht nehmen, um die eigene Erinnerung des Akteninhalts aufzufrischen.

  10. 10
    WPR_bei_WBS says:

    Mir fällt da nur eine technische Lösung ein: Akte kopieren – von der Papierausgabe fällt die Kopie dann Blatt für Blatt in den Eingangsschacht eines Scanners. Soweit ich die Rechtsprechung des KG kenne, ändert eine nachträgliche digitalisierung der Kopie (noch) nicht den Erstattungsanspruch.

    Ansonsten, neben der Möglichkeit das BMJ / den Gesetzgeber mal zu motivieren (sitzen doch eigentlich recht viele Anwälte im BT), das ganze vielleicht höher bringen? Ich frags nur ungern, weil ich nicht zu den gehören möchte die meinen, da kann man jeden Firlefanz hinbringeb. Aber: Gibt’s eine Chance, dass das BVerfG sowas entscheiden würde (nachdem man‘- irgendwie formal korrekt dort hin gebracht hat)? Einschränkung der Verteidigung o. Ä.?

  11. 11
    Fry says:

    Ich würde lieber im Supermarkt die Wagen zusammenschieben, als den Job des zitierten Rechtspflegers zu machen. Selbstrespekt sieht anders aus als dieser Amtsschimmel.

    Zeitgemäß wäre übrigens, wenn die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Akte digitalisieren würde und in dieser Form übersenden. Und dann tatsächlich auch keine Kopierkosten o.ä. erstatten würde.

  12. 12
    Fry says:

    Interessant übrigens der Vorschlag des RA Schepers, der diese Auseinandersetzung auf dem gleichen Niveau wie der Rechtspfleger und ebenfalls auf dem Rücken des Mandanten austragen würde.

    Souverän sieht anders aus.

  13. 13
    Marius Hentschel says:

    Was hier alle an technischen Lösungen überlegen um die ja so klare Rechtslage irgendwie zu überlisten.

    Solche Kosten für die ordnungsgemäße Erledigung der Geschäftsführung muss der Unternehmer in anderen Branchen durch eine sinnvolle Mischkalkulation nun einmal auch einpreisen…

    • Das ist bei Pflichtverteidigung und bei solchen Mandaten, die nach dem RVG abgerechnet werden müssen, nicht möglich, weil die Vergütungshöhe gesetzlich vorgeschrieben ist. Und die Kopiekosten eines Pflichtverteidigungs-Mandats auf das Mandat mit Vergütungsvereinbarung „umzubuchen“, fällt auch eher unter die später verteidigungspflichtig werdenden Tätigkeiten. crh
  14. 14
    Thorsten says:

    Eigentlich konnte und kann man die Kopierkosten ja zweimal abrechnen, einmal fürs eigene Aktenexemplar (Ziff. 7000 Nr. 1 lit. a) VV RVG) und einmal fürs Mandantenexemplar (Ziff. 7000 Nr. 1 lit. d) VV RVG).

    Und jetzt ist es so, dass man nach Ziff. 7000 Nr. 1 lit. d) i. V. m. Ziff.7000 Abs. 2 VV RVG die volle Kopierpauschale dann abrechnen kann, wenn der Auftraggeber ausdrücklich eine digitale Kopie seines Exemplars haben wollte. Und über diesen Umweg bekommt man sie dann m. E. wenigstens einmal, denn den Gesetzeswortlaut des Abs. 2 kann selbst das ach so allwissende KG nicht umschiffen.

    RA Schepers: guter Vorschlag, aber dafür braucht man einen seeeehr geduldigen Mandanten. Gerade in Strafsachen sind es die meisten nicht.

  15. 15
    Horst says:

    Ich schlage Ihnen eine einfach und naheliegende Lösung vor:
    – Jede Akte wird zunächst kopiert
    – anschließend digitalisieren Sie die Seiten automatisiert und einzeln
    – die Original-Kopien fügen Sie dann jedem Abrechnungsvorgang als Belegexemplare für das Gericht bei…

  16. 16

    Noch einmal ein technischer Hinweis: Jeder heute handelsübliche Kopierer scannt das Original erst ein. Danach dann wird die (temporäre) Datei (meist ein PDF oder JPG) an die Druckereinheit geschickt und ausgedruckt.
    Dieser Vorgang reicht dem Kammergericht aus, die Erstattung der Auslagen mit den bekannten Argumenten zu verweigern.

  17. 17
    Phil says:

    @16

    Weil dann nach dem KG auch bei einer normalen Kopie „Kopien / Ausdrucke zusätzlich zu einem elektronisch / digital erstellten Dokument des Akteninhalts erstellt wurden“?

  18. 18
    RA S says:

    @16

    Dann gäbe es ja keinen Anwendungsbereich mehr für die Kopierpauschale. Ist in meinen LG-Bezirken (Rhein-Main) zum Glück nicht so…

  19. 19
    BV says:

    @ chr, # 16:

    Das ist allerdings von hinten durch die Brust ins Auge und meines Erachtens nicht haltbar. Das RVG will dem Anwalt die durch die (jedenfalls körperliche) Herstellung eines Doppels eines Dokuments anfallenden Kosten entschädigen. Bei einem handelsüblichen Kopierer drückt man auf „Kopieren“ und die körperliche Kopie kommt sofort aus dem Gerät. Wie das technisch abläuft, ist dabei egal. Wenn man das nicht will, muss man die Norm streichen oder zumindest argumentieren, der Anwalt hätte berechtigterweise ebensogut unter Verzicht auf die köperliche Kopie nur scannen können, sodass die Kopie nicht erforderlich war. Die technische Argumentation halte ich für Quatsch. Aber das ist ja auch nicht der einzige Fall, in dem das Kammergericht mit einer etwas eigenwilligen Rechtsauffassung auffällt…

  20. 20
    Nicht ganz ernst gemeint, vielleicht says:

    Kann man die Akte nicht einbehalten, bis die Justiz bezahlt. Als Sicherheit, wie beim guten alten Werkvertrag…

  21. 21
    quicker-easier says:

    @Mondschein:
    „Nun – um genau so etwas zu verhindern: Anwalt muss die übersandte original-Gerichtsakte am kanzlei-drucker selbst ausdrucken oder von Reno ausdrucken lassen oder von externem Dienstleister einscannen lassen, wurde ja das beA erfunden. Funktioniert nur eben nicht.“
    Das stimmt so nicht. Die Einführung des beA hat mit der elektronischen Akte erstmal nix zu tun. Die Akten werden weiter in Papierform geführt und müssen weiterhin mit Post- oder Kurierdiensten durch die Gegend geschickt und kopiert oder eingescannt werden. Und zwar auch dann, wenn beA und die Postfächer für den elektronischen Rechtsverkehr flächendeckend in Betrieb sind.

  22. 22

    Ich zitiere mal aus einem Verfahren im Jahr 2014, in dem das Problem (klassisches Kopieren) diskutiert wurde.

    Aus meiner Rechtsmittelbegründung:

    Soweit der Vorsitzende aus meiner Mitteilung vom 13. Mai 2015 „der hier eingescannten und ausgedruckten Ermittlungsakten“ schlußfolgert, mir hätten Aktenscans zur Verfügung gestanden, die einen Ausdruck als „nicht notwendig“ erscheinen lassen, geht dieser Schluß fehl.

    Der Vervielfältigungsvorgang mit einem zeitgemäßen Gerät – in unserer Kanzlei haben wir einen etwa 1 Jahr alten Canon iR ADV C2025i (http://tinyurl.com/parwodr) – erfolgt in mehreren getrennten Arbeitsabschnitten. Die modernen Multifunktionsgeräte verfügen jeweils über eine Duplex-Scaneinheit, die in einem ersten Arbeitsgang das zu vervielfältigende Dokument „einscannt“ und zunächst nur zwischenspeichert. Die weitere Bearbeitung entscheidet der Bediener des Geräts, und zwar wahlweise vor, während oder nach dem Scanvorgang. Das Gerät ist imstande, den zwischengespeicherten „Scan“ sodann an verschiedene Ziele zu senden: An eine eMail-Adresse, an einen FTP-Server, an einen freigegebenen Ordner im Netzwerk, via interner ISDNKarte als Fax an einen Empfänger. Oder eben an die im Gerät integrierte Druckereinheit.

    Wenn diese „eierlegende Wollmilchsau“ für die Anfertigung der zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache notwendigen Kopien eingesetzt wird, ist die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG zu erstatten, und zwar unabhängig davon, welche (und wieviele) der verschiedenen Techniken zum Einsatz gekommen ist.

    Entscheidend ist schlußendlich im vorliegenden Fall: Die (Gerichts-) Akten wurden von mir erst eingescannt und dann auf Papier ausgedruckt, d.h. die mir überlassenen Akten wurden reproduziert und auf einem körperlichen Gegenstand – hier: Papier – vervielfältigt; mit diesen Vervielfältigungen habe ich die Verteidigung vorbereitet.

    Selbst wenn diesem Scanvorgang (wie oben beschrieben) nicht sofort und unmittelbar das Ausdrucken auf Papier gefolgt wäre, bliebe es eine Vervielfältigung im Sinne der Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG. Der Zeitraum zwischen Fertigstellung des Scans und dem Ausdruck kann für das Entstehen des Erstattungsanspruchs keinen Einfluß haben.

    Dazu meinte das Kammergericht (1 Ws 64/15):

    Der Akteninhalt stand dem Pflichtverteidiger nach eigener Wahl in elektronischer Form zur Einsichtnahme und Bearbeitung zur Verfügung. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es unerheblich, ob die Akten in dieser Form vom Gericht zur Verfügung gestellt oder – wie hier durch die Duplex-Scaneinheit – erst in der Kanzlei des Rechtsanwaltes digitalisiert worden sind. Denn seine Wahl belegt zugleich, dass er entsprechend der inzwischen allgemein üblichen Praxis die technischen Möglichkeiten hat, das elektronische Dokument unmittelbar zu bearbeiten, es elektronisch zu kopieren, mit Anmerkungen zu versehen usw. Die zusätzliche Vervielfältigung diente offenbar lediglich der – nicht erstattungsfähigen – Arbeitserleichterung. Denn außergewöhnliche Umstände, die den Ausdruck in Papierform und damit dessen gesonderte Vergütung geboten hätten, weil die ausschließlich digitale Bearbeitung der Akten nicht zuzumuten gewesen wäre, hat Rechtsanwalt Hoenig nicht dargetan. Er hat lediglich mitgeteilt, dass er mit den Papierausdrucken „die Verteidigung vorbereitet“ habe.

    Die Schriftsätze und Entscheidungen des gesamten Verfahrens habe ich hier als PDF (13 MB) hinterlegt. Viel Spaß bei der Lektüre; ich rege an, daß die Kollegen sich ein Mittelchen gegen Magengeschwüre besorgen, bevor sie die Argumentationslinien der Justiz zu Gemüte führen.

  23. 23
    mog0 says:

    Und wenn man ein nicht zeitgemäßes Gerät – also z.B. einen alten Xerox – zum kopieren benutzen wüde?

  24. 24
    Fragender says:

    Wieviel berechnet Ihnen denn Ihr externer Dienstleister pro 1.000 (10.000, 100.000) Scan-Seiten?

  25. 25
    Tim says:

    Toll finde ich:

    „Es wird darauf hingewiesen, dass einen Einreichung per Fax nicht einen Nachweis in körperlicher Form darstellt.“

    Das lässt vermuten, dass jemand auf die Idee gekommen ist, die gesamte Akte als Nachweis ans Gericht zu faxen. Ist eine Klasse Idee, vor allem wenn die Akte als PDF vorliegt und auf Seiten des RA quasi keine Kosten für das Fax (welches digital verschickt werden kann) anfallen, das Gericht diese dann aber nochmals ausdruckt.
    Netter kleiner Racheakt ;)

  26. 26
    Holger says:

    Finde ich faszinierend, wie man auch schriftlich an einander vorbei reden (schreiben) kann.
    m.E. Ist der Anspruch begründet, da ja der Aufwand eine Kopie zu erstellen erstattet werden soll, und da ist es eigentlich wurscht (oder auch unerheblich) ob das beim Scannen oder „Ablichten“, oder Kopieren oder auch abschreiben lassen durch die Kanzleipraktikanten passiert.
    Nur dass das Gericht sagt: Gab ja schon einen Scan.
    Was’n Quatsch, denn auch der wurde ja in der Kanzlei mit gewissem Aufwand erst mal gefertigt, egal zu welcher Bearbeitung.
    Na, ich habe jedenfalls aus dem (komplett überflogenen und ansatzweise auch voll gelesenen) Schriftverkehr abgeleitet:
    Wir wollen nichts erstatten. Punkt.
    Traurig, sind ja auch meine Steuern, die für so einen Käse verwendet werden, und da wäre mir die Erstattung lieber als den ganzen Aufwand mit Ablehnung zu betreiben.
    Aber meine kleine Meinung zählt in der großen Welt wenig. :)

  27. 27
    Der wahre T1000 says:

    @Holger 26: Natürlich haben Sie in der Sache völlig recht.

    Und dchön, dass Sie begriffen haben, welch kleines Würstchen Sie sind. Geht mir genauso.

  28. 28
    RA Jörg Jendricke says:

    Das Problem ist im RVG-Referat im BMJ bekannt. Man beschäftigt sich damit. 7000 VV soll wieder geändert werden.

    Die große Frage ist nur: wann?

  29. 29
    ausbilden says:

    Da dürfen wir abwarten, ob diesmal das Henne-Ei-Problem gelöst wird.

  30. 30
    Joachim Breu says:

    Ehrlicherweise bilden wir in den Auslagen den gesamten Aufwand ab, den wir bei der Verarbeitung einer Arbeitskopie haben. Der geht über den Aufwand für die Herstellung, berechnet aus Kosten für Toner + Papier + Gerät hinaus, an den der historische Gesetzgeber der BRAGO bei Formulierung der Auslagen mal dachte <- als Abschriften noch Abschriften waren, die Älteren werden sich erinnern. Heutzutage – das hatte der Gesetzgeber beim letzten JuMoG auch in die Begründung geschrieben, erinnere ich dunkel – ist der je Seite s/w ehrlicherweise mit ca, 1,2 Ct. zu beziffern (5,- € je 500 Blatt zzgl. Toner). Die Dokument-Centres (bzw. -Center) sind Drucker, Scanner, Kopierer gleichzeitig und oft nicht mehr viel teurer als drei Arbeitsplatz-Laser mit Verbrauchsmaterial für ein Jahr.

    Fakt ist angesichts dieser Entwicklung, dass Manpower die deutlich knappere Ressource in einer Kanzlei ist als Hardware. Es wäre deshalb fair, wenn man diese Verschiebung der Schwerpunkte in einer u.U. Aktenvolumen-abhängigen Grundgebühr abbildete, die den Lese- und Vorbereitungsaufwand erfasst. Schließlich will das Material durchgesehen und intellektuell verarbeitet werden, bevor man einen Gerichtssaal betritt. Und auf eine mögliche Pauschgebühr mag ich mich nicht verweisen lassen, das ist zu sehr vom Zufall und Gusto des Präses abhängig.

    Zusammen gefasst sollen Auslagen nach Vorstellung des Gesetzgebers Sachkosten erstatten, was zumindest ich – vermutlich wie alle – nicht mit dieser Widmung entgegen genommen haben, sondern als umfangsabhängiges Zusatz-Honorar für den Aufwand der Verarbeitung von Information verstehen, die zur sachgerechten Bearbeitung eines Rechtsfalles nötig ist. Dieser Aufwand ist in den gesetzlichen Gebühren bisher nicht angemessen abgebildet. Das gehört problematisiert, damit ein künftiges Gesetz klar stellt, dass niemand zum Preis von im Mittel 200,- € zzgl. USt. ein Karton-Verfahren mit fünf bis fünfzig Stehordnern erfassen kann und will. Fair wird die gesetzliche Vergütung bei Umfangsverfahren erst, wenn zur Grundgebühr hinzu kommt, was bisher an Kopierkosten fließt. Streicht man Kopierkosten weg oder lässt sie z.B. durch Verteilung von Datenträgern oder Dateien nicht entstehen, führt das erst recht zu einer unfair niedrigen Vergütung.

    Außerdem darf ich jeden neuen Datenträger neu darauf durchsehen, was vielleicht geändert ist, und meine alten Lesezeichen und Markierungen kann ich in der Regel vergessen, arbeite ich mit den neuen Dateien weiter.

    Was die Auseinandersetzung mit der Rspr. des KG betrifft, erscheint die am Gesetzeswortlaut gemessen (leider) vertretbar. Danach wäre der Ausdruck für den Mandanten von diesem, nicht aber die Bestückung des Anwaltes und beides nicht aus der Staatskasse zu erstatten. Was mich als Nebenquäler besonders verdrießt, denn diese meine Kundschaft bekommt die Akte nicht – schon gar nicht komplett, erst recht nicht vor Beginn der Beweisaufnahme.

  31. 31
    -thh says:


    „Es wird darauf hingewiesen, dass einen Einreichung per Fax nicht einen Nachweis in körperlicher Form darstellt.“

    Das lässt vermuten, dass jemand auf die Idee gekommen ist, die gesamte Akte als Nachweis ans Gericht zu faxen.

    Natürlich. Die Rechtsprechung des Kammergerichts wird nicht im luftleeren Raum entstanden sein. Es gibt da ein Sprichwort, in dem es um Wälder und Rufen geht …


    Zeitgemäß wäre übrigens, wenn die Staatsanwaltschaft oder das Gericht die Akte digitalisieren würde und in dieser Form übersenden. Und dann tatsächlich auch keine Kopierkosten o.ä. erstatten würde.

    In anderen Bundesländern ist das teilweise so: die Staatsanwalt scannt die Akten ein und übersendet einen Datenträger zur Akteneinsicht. Die Verteidigung druckt die Akten aus, weil der Mandant sich ja auch vorbereiten muss und die Verwendung von IT-Geräten in der Haft problematisch ist. Das wird – selbstverständlich – erstattet. Und dann wird darum gestritten, ob man als Verteidiger einfach mal so 10, 60 oder 160 Aktenordner – auf Kosten der Staatskasse – ausdrucken darf oder ob verlangt werden kann, dass man sich dabei auf die relevanten Aktenteile beschränkt.

    Andere Länder, andere Sitten.

  32. 32
  33. 33
    Andreas Wiese says:

    Wie ist die Rechtslage, wenn zunächst -ganz altmodisch – eine komplette körperliche Fotokopie der Akte erstellt wird. Das ist i.d.R. ja erforderlich. Damit ist der Erstattungsanspruch ja entstanden. Ergibt sich nun später bei der Bearbeitung, dass eine Digitalisierung sinnvoll ist und nun lediglich die bereits angefertigte körperliche Fotokopie gescannt wird – kann ein Umgang mit der bereits abrechnungsfähig erstelllten körperlichen Kopie den Erstattungsanspruch doch nicht nachträglich wieder wegfallen lassen ?

  34. 34

    […] Noch einmal: Der Irrsinn mit den Aktenkopien | Justiz | Kanzlei Hoenig Info | Strafverteidiger in Kr… […]

  35. 35
    Profiamateur says:

    Auslagentatbestand 7000 benennt Kopien und Ausdrucke. Hier steht nirgendwo, dass es direkte Papierkopien sein müssen. Wenn die Unterlagen digitalisiert werden, wird auch eine Kopie erstellt.

    Und wie ist es mit der Vorbemerkung 7 Tz. 1 im RVG: „Mit den Gebühren werden auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten. Soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist, kann der Rechtsanwalt Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i. V. m. § 670 BGB)
    verlangen.“

    Wenn die Berliner Justiz die Kopierkosten nicht mehr anerkennt, dann müsste man sie als „durch allgemeine Geschäftskosten nicht abgedeckte Mehraufwände“ deklariert werden, wenn der Umfang so über das übliche Maß hinausgeht. Und dann werden selbstverständlich alle anfallenden Kosten abgerechnet, was sicherlich mehr als die Kopierpauschale sein dürfte.

  36. 36

    […] „Akteneinsicht durch Verteidiger und das Verhalten der Berliner Justiz“ paßt auch dieser Blogbeitrag ganz […]

  37. 37
    JLloyd says:

    Mein Vorschlag: Durch externen Dienstleister kopieren lassen & dessen Rechnung vorlegen. Die Kopien anschl. scannen (oder die Softcopy inoffiziell vom Dienstleister mitliefern lassen) & mit dem Scan arbeiten. Beim ersten Gerichtstermin Genehmigung zur Erstellung einer el. Aktenkopie beantragen, ggf. Befangenheitsantrag stellen, Anklageverlesung geduldig abwarten & Terminabbruch varlangen. Zum zweiten Termin kann man dann wahrscheinlich mit el. Akte anrauschen; nach einigen Malen dürfte das Spiel bekannt sein und die el. Akte ohne Kostennachteil genehmigt werden.